Protokoll der Sitzung vom 03.02.2016

(Heiterkeit der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Das sind doch hanebüchene Argumente. Dann sagen Sie es doch ehrlich: Sie wollen die Energiewende nicht, Sie wollen keinen Ausbau der Windkraft. Aber dann brauchen Sie doch nicht ein Themenfeld nach dem anderen aufzumachen und immer neue Argumente gegen Windkraft ins Feld zu führen. Sagen Sie doch einfach deutlich, dass Sie das überhaupt nicht wollen. Dann könnten Sie sich das ganze Geplänkel mit dem Natur-, Arten- oder dem Denkmalschutz sparen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt in der Bevölkerung eine breite gesellschaftliche Akzeptanz für die Energiewende. Nach Fukushima, angesichts des Klimawandels und knapper werdender Rohstoffe

halten die meisten Menschen einen schnellen Umstieg auf erneuerbare Energien für notwendig.

Ich finde, man darf eines nicht vergessen – gerade auch jetzt im Kommunalwahlkampf, in dem die FDP das offensichtlich als eines ihrer Hauptthemen entdeckt hat –: Was hier gerade umgesetzt wird, ist der Landesentwicklungsplan des Wirtschaftsministers a. D. Florian Rentsch.

(Zurufe von der SPD)

Das 2-%-Ziel wurde beim Energiegipfel festgelegt, dem Sie als Minister angehört haben. Ich finde, so viel Ehrlichkeit muss man dann schon zeigen. Bevor man sich vor die BIs stellt und dort Reden schwingt, kann man schon sagen: Leute, was da gerade gemacht wurde, habe ich als Minister auf den Weg gebracht. – Ich finde, das wäre ehrlich.

Das scheint eines Ihrer Hauptthemen zu werden. Ich habe gesehen, in Wiesbaden plakatiert die FDP den sehr geistreichen Satz: „Moderne Schulen statt Windräder“. Das ist intellektuell so ähnlich wie: Essen statt Atmen, oder so. Denn eine moderne Schule ganz ohne Strom fände ich doch ein bisschen schwierig.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wenn Ihnen der Rheingau und das Rheintal jetzt so am Herzen liegen, würde ich mir wünschen, dass wir vielleicht einmal über die echten Probleme reden, die der Rheingau hat. Ich bin selbst ab und zu dort, zum Wandern, zum Radfahren. Ich sage ganz ehrlich: Was mich viel mehr stört als die Windräder hinten am Horizont – auf der rheinlandpfälzischen Seite sind ja schon welche –, ist der Bahnlärm. Ich hätte mir einmal Initiativen dahin gehend gewünscht, dass man zu einer Reduzierung des Bahnlärms kommt. Auch das ist nämlich für den Tourismus ein riesiges Problem.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Es geht generell um den Verkehrslärm; die FDP fordert ja auch, dass es eine neue Rheinbrücke zwischen Bingen und Rüdesheim geben muss. Ich finde es komisch, dass es für die Kulturlandschaft offensichtlich völlig verkraftbar ist, dass Sie noch mehr Verkehr in den Rheingau ziehen wollen und da offensichtlich keinerlei Gefährdung der Kulturlandschaft sehen.

Ja, es gibt an einigen Orten Bedenken gegen Windräder. Die müssen auch ernst genommen werden.

Ich will einmal anmerken, dass auch wir den geplanten Windpark Ranselberg bei Lorch gar nicht unkritisch sehen. Unsere Kritik setzt allerdings an einer anderen Stelle an: Betreiber des Windparks soll EnBW sein. Das halte ich für eine vertane Chance. Ich glaube, es wäre sinnvoller, wenn das ein kommunaler Betreiber machen würde oder eine genossenschaftliche Lösung gefunden würde. Dann würden nämlich auch die Gewinne vor Ort bleiben, nicht nur die Pachteinnahmen.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Stephan Grü- ger (SPD) – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Wir sagen, die Energiewende muss mehr sein als der Austausch des Energieträgers; sie muss vielmehr mit einer De

mokratisierung und Dezentralisierung der Energiewirtschaft einhergehen. Das trägt zur regionalen Wertschöpfung bei, schafft Arbeitsplätze und bricht die zentralistischen Konzernstrukturen auf. Ich glaube, es macht schon einen Unterschied, ob Windkraftanlagen aus fernen Konzernzentralen heraus geplant werden oder ob auch die Gewinne, die Gelder, die durch Windräder verdient werden, vor Ort bleiben.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Ich muss aber sagen, der Lobbyismusvorwurf aus dem Mund der FDP ist schon putzig. Sie haben über Jahre hinweg eine wirklich schamlose Klientelpolitik betrieben, nicht nur im Bereich der Energiepolitik. Herr Rentsch, ich darf Sie persönlich daran erinnern, weil Sie den Vorwurf erhoben haben: Sie haben immerhin dem Stiftungsvorstand einer privaten Hochschule angehört, der EBS, und haben gleichzeitig dafür gesorgt, dass da Gelder in zweistelliger Millionenhöhe rübergeschoben werden. Von daher wäre ich einmal ganz vorsichtig, als FDP anderen Leuten Lobbyismus vorzuwerfen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – René Rock (FDP): Reden Sie einmal zum Thema!)

Das Problem ist, dass viele Ängste und Bedenken geschürt werden, auch im Rheingau. Da ist beispielsweise zu lesen, Windkraftanlagen passten nicht in die Kulturlandschaft, und: „Schließlich bildet unsere einzigartige Kulturlandschaft die Basis für zahlreiche vom Tourismus abhängige Arbeitsplätze“. – Das stammt jetzt allerdings nicht von der FDP, sondern aus dem Kommunalwahlprogramm der CDU im Rheingau-Taunus-Kreis.

Ich darf vielleicht einmal darauf verweisen, dass sich auf den Plätzen 3 bis 7 der Kommunalwahlliste der CDU im Rheingau-Taunus-Kreis – diese treten ja auf Grundlage dieses Programms an – die CDU-Landtagsabgeordnete Petra Müller-Klepper, der Innenminister und zwei Staatssekretäre, nämlich Herr Jung und Herr Koch, befinden. Dazu muss ich schon sagen: Wenn die CDU im Rheingau-Taunus-Kreis Beschlüsse gegen Windräder fasst und Abg. Müller-Klepper auf ihrer Homepage mit Bildern von einer „Anti-Windkraft-Demo“ spricht, an der sie teilgenommen habe, dann ist das natürlich ein Problem.

Auch hier darf einer wieder nicht fehlen; das ist Herr Irmer. Herr Minister, das wird Sie jetzt vielleicht nicht erfreuen, aber in einer der letzten Ausgaben des „Wetzlar Kurier“ – CDU-Blatt, Herausgeber ist Hans-Jürgen Irmer – war ein Beitrag der „Vernunftkraft“ zu lesen mit der Überschrift: „Ein wirklicher Bürgerdialog sieht anders aus – Alibi-Veranstaltung mit Minister Al-Wazir (GRÜNE)“. Dort steht geschrieben:

… Die Politik hatte mit einem bösen Foul der Demokratie hinterrücks einen Fußtritt versetzt.

Ich weiß nicht, was Sie da gemacht haben, aber der „Wetzlar Kurier“ kommt zu dem Schluss, man höre:

Man lerne daraus: Traue keinem grünen Politiker, Vereinbarungen sind dazu da, dass sie gebrochen werden.

Herr Minister Al-Wazir, ich sage es einmal so: Wer solche Koalitionspartner hat, braucht wirklich keine Gegner mehr.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ich komme zum Schluss. Ich finde, es ist ein Problem, wenn CDU-Abgeordnete hier im Haus zwar erklären, sie wollten die Energiewende, aber nach Hause in ihren Wahlkreis fahren, Bürgerinitiativen dagegen gründen, Ängste schüren, um sich dann wiederum auf die „mangelnde Akzeptanz“ zu berufen. Deswegen glaube ich, dass die Landesregierung mit ihren Akzeptanzkampagnen, die sie plant und die es durchaus wert sind, sie zu unterstützen, in ihren eigenen Reihen anfangen sollte; denn solange die eigenen Leute die Energiewende sabotieren und boykottieren, haben wir natürlich ein Problem. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das Wort hat Herr Staatsminister Al-Wazir.

Sehr verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuallererst will ich noch einmal ausdrücklich hervorheben: Die Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal wurde im Jahr 2002 in die Liste der UNESCO-Welterbestätten aufgenommen. Dafür haben viele lange gekämpft. Eine wurde bisher nicht erwähnt – ich will es tun –, nämlich Ruth Wagner. Diese war damals die zuständige Ministerin. Ich weiß, dass dafür auch noch viele andere gekämpft haben; auch die damals zuständige Abgeordnete der GRÜNEN, Sarah Sorge, hatte mich einmal vor das Hilchenhaus in Lorch geführt, das damals noch eine Ruine war. Damals ging es um genau diese Frage: Wie schaffen wir es, dass diese großartige Kulturlandschaft von der UNESCO anerkannt und als Weltkulturerbe gesichert wird?

(Florian Rentsch (FDP): So ist es!)

Es ist gut, und wir sind froh, dass dies im Jahr 2002 geklappt hat. Wir sind, obwohl das natürlich eine grenzüberschreitende Welterbestätte ist, wenn ich das einmal so sagen darf, stolz auf unsere beiden Gemeinden, Rüdesheim und Lorch, den hessischen Teil dieses Weltkulturerbes.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Beide Kommunen – das ist schon gesagt worden – sind Schutzschirmkommunen, und beide leben zu einem wesentlichen Teil vom Tourismus. Natürlich hat die Landesregierung viel dafür getan, und sie tut auch weiterhin viel dafür, genau die Chancen zu nutzen, die für diese beiden Kommunen im Welterbe liegen. Es sind also viele Projekte gefördert worden, die zur Erhaltung, Stärkung und Weiterentwicklung des UNESCO-Welterbes Oberes Mittelrheintal beitragen. Damit entsprechen wir der Welterbekonvention, die 1976 von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert wurde und in Art. 4 von den Vertragsstaaten die Erhaltung und den Schutz der Welterbestätten fordert.

Ein prominentes Beispiel ist übrigens das Hilchenhaus, weil mit Landesmitteln in Höhe von 430.000 € ein wesentlicher Beitrag dazu geleistet wurde, dass es wieder aufgebaut worden ist. Wer einmal dort war – ich war z. B. dort, als der Beirat „Leises Mittelrheintal“ getagt hat; Stichwort: Bahnlärm –, sieht, dass das gut gelungen ist. Wer beispielsweise einmal betrachtet, was dort inzwischen entstanden ist – Stichwort: Rheinsteig –, sieht, dieses Welterbe, dieses Mittelrheintal, ist auf einem guten Weg. Dazu haben

die ca. 80 Projekte, die in den vergangenen Jahren gefördert wurden, sicherlich beigetragen. Sie sehen also, das Land Hessen kommt seinen Verpflichtungen zum Schutz dieses Welterbes nach.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zur Energiewende. Auch daran muss man manchmal noch erinnern:

Erstens. Ich wiederhole: Die Risiken der Atomkraft sind nicht akzeptabel.

Zweitens. Wir müssen den CO2-Ausstoß begrenzen. Ich bin davon überzeugt, dass gerade die Industrieländer hierbei vorneweg gehen müssen.

Drittens. Die Rohstoffe für die Gewinnung konventioneller fossiler Energien sind endlich.

Es kann also kein einfaches „Weiter so“ geben. Genau deswegen haben wir uns, alle Parteien, im Jahre 2011 auf den Weg gemacht, um die Energiewende voranzubringen. Ein wesentlicher Teil war der Landesentwicklungsplan, Stichwort: 2-%-Ziel.

In diesem Landesentwicklungsplan für Hessen, Herr Kollege Rentsch, ist erstens festgelegt, dass Windenergieanlagen in der Kernzone des UNESCO-Welterbes Oberes Mittelrheintal ausgeschlossen sind.

Zweitens ist festgelegt, dass in der Pufferzone Windenergienutzung nicht pauschal ausgeschlossen wird, sondern dass in diesem Bereich jede einzelne Windenergieanlage auf ihre Vereinbarkeit mit dem Welterbestatus geprüft werden muss. Ich finde, dass diese Festlegung richtig und vernünftig ist. Auch die FDP hat das in der Vergangenheit so bewertet, weil dieser Landesentwicklungsplan die Unterschrift meines Vorgängers, Florian Rentsch, trägt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist übrigens auch der Unterschied zur Rechtslage in Rheinland-Pfalz. Herr Kollege Rentsch, das müssten Sie wissen; Sie haben es ja unterschrieben. Der Teilplan Erneuerbare Energien Südhessen wird derzeit erarbeitet. Er folgt den Vorgaben des Landesentwicklungsplans. Er schließt in der Kernzone des UNESCO-Welterbes Oberes Mittelrheintal die Ausweisung von Vorranggebieten für die Windenergienutzung aus.

Jetzt zu den Anlagen in Lorch. Worum geht es da? Es geht um drei Windkraftanlagen, die EnBW auf einer Fläche nordwestlich von Lorch zu errichten beabsichtigt. Frau Kollegin Wissler, ein kleiner Hinweis: EnBW ist zum Leidwesen der baden-württembergischen Landesregierung, so wie Sie es gefordert haben, von Herrn Mappus demokratisiert worden. Er hat es nämlich zu 100 % in Staatseigentum überführt.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ich habe gesagt: damit es in der Region bleibt!)