Gehen wir einmal der Sache nach vor: Ist es so, dass in dem Gesetz die Möglichkeit eröffnet wird, niedrigere Qualitätsstandards anerkennen zu müssen? Nein, das ist nicht vorgesehen. Es geht darum, dass gleichwertige Qualifikationen festgestellt werden können. Es ist nirgendwo die Rede davon, dass die Qualifikationsstandards nach unten nivelliert werden müssen. Ehrlich gesagt: Ich verstehe nicht, wieso die Kammern den Gesetzestext so auslegen,
(Janine Wissler (DIE LINKE): Das hätte man sie einmal fragen können! – Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))
vor allem, wenn man sich einmal den Quelltext der EURichtlinie vor Augen führt. Deshalb sollte vorgesehen werden, dass jeder aufnehmende Mitgliedstaat, in dem ein Beruf reglementiert ist, die in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Qualifikationen berücksichtigen und dabei beurteilen muss, ob sie den von ihm geforderten Qualifikationen entsprechen. Darum geht es doch.
Ich verstehe daher überhaupt nicht, dass man sich so uneinsichtig gibt. Das Problem der Qualitätsminderung ist doch so einfach zu erkennen, weil es das gar nicht gibt – zumal den Kammern dabei eine Schlüsselfunktion zukommt; Sie haben richtigerweise darauf hingewiesen. Was haben Sie denn für ein Bild von sich und der Verwaltung insgesamt, wenn Sie davon ausgehen, dass der Gesetzentwurf zu einer Absenkung von Qualitätsstandards führen könne?
Jetzt noch zu den Themen „ordentliches Gesetzgebungsverfahren“ und „Seriosität“. Wenn wir davon überzeugt sind, dass eine Harmonisierung des Rechts in diesem Feld sinnvoll und von Vorteil ist, muss das doch bedeuten, dass die Harmonisierung zu einer Rechtssicherheit im gesamten EU-Raum führt. Das muss doch dazu führen, dass man sich eng am EU-Recht orientiert und tatsächlich dieselben Voraussetzungen in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten gelten.
Daher sind die Flanken, in denen wir uns dort bewegen können, sehr eng – wir haben schon in der Ausschusssitzung darauf hingewiesen, und ich bin eben auf den Passus der Richtlinie eingegangen.
Deshalb bin ich davon überzeugt, dass die hier geäußerten Befürchtungen nicht zutreffend sind. Wir sollten und müssen hier EU-Recht umsetzen, natürlich auch ein Stück weit deshalb, damit wir uns nicht Konsequenzen gegenübersehen. Daher werbe ich doch eindringlich dafür, heute den Streit über dieses Gesetz zu beerdigen
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz gibt Fachkräften aus dem Ausland das Recht, dass ihr Berufsabschluss auf Gleichwertigkeit überprüft wird. Zwei Ziele, die damit verbunden sind, sind die Verbesserung der Integration von Zuwanderern in unseren Arbeitsmarkt und die Verringerung des Fachkräftemangels.
Das heißt, es ist ein Instrument zur Fachkräftesicherung und eine entscheidende Starthilfe zur Integration. Das Gesetz bietet bessere Zugangsmöglichkeiten zum Arbeitsmarkt. Damit müssen viele Menschen in Deutschland nicht mehr unter dem Niveau ihrer eigentlichen Qualifikation arbeiten, denn ihre im Ausland erworbene Ausbildung bzw. Qualifizierung wird adäquat bewertet.
Der vorgelegte Gesetzentwurf setzt eine europarechtliche Richtlinie in nationales Recht um, und er enthält drei wesentliche neue Regelungen.
Zunächst ist das der Europäische Berufsausweis. Er dokumentiert einschlägige Befähigungsnachweise. Das ist eine elektronische Bescheinigung, in der die Berufsqualifikation und die Berufserfahrungen festgehalten werden. Das führt zu einer ersten Vereinheitlichung der Abfragen von beruflichen Qualifikationen sowie zur Entlastung bei den zuständigen Behörden. Zudem bringt das digitale Einreichen von Dokumenten eine Vereinfachung für Antragsteller.
In diesem Zusammenhang werden allerdings in den schriftlichen Stellungnahmen der Datenschutz – bei der Übermittlung der Daten –sowie das Verwaltungsverfahren aufgerufen: Die vorgesehene digitale Abwicklung sei verfahrenstechnisch sowie datenschutzrechtlich weniger geeignet.
Frau Beer, darin stimme ich Ihnen zu: Nicht alle Aspekte, die in den Stellungnahmen genannt worden sind, sind auch wirklich in diesen Gesetzentwurf gegossen worden. So zielt ein Vorschlag aus den Regierungspräsidien darauf ab, die Dienstleistungsplattform der Einheitlichen Ansprechpartner Hessens als erprobtes, sicheres System zu nutzen. Bezüglich der vorgehaltenen Informationsbereitschaft wird darauf verwiesen, dass es den Hessen-Finder gibt. Er soll jedoch gerade ausgeschlossen statt genutzt werden. Doch über den Hessen-Finder wäre es möglich, zentrale Informationen zur Berufsanerkennung und zum Verfahren bereitzustellen. Herr Minister Rhein, vielleicht könnten Sie in Ihrer Rede gleich einmal darauf eingehen, warum der Hessen-Finder ausgeschlossen, diese Dienstleistungsplattform also nicht genutzt werden soll – und wie zum einen der Datenschutz, zum anderen aber die Informationsbereitschaft
Neu ist auch der Vorwarnmechanismus. Frau Beer hat darauf ebenfalls hingewiesen. Bei Berufsgruppen, die mit Patienten – Kindern, Schülern, also mit Schutzbefohlenen, gerade im Bereich Gesundheit, Verbraucherschutz, Erziehung – arbeiten, gibt es jetzt einen Vorwarnmechanismus, der es deutlich macht, wenn die Berufsausübung untersagt wurde. Die GEW zitiert hierzu das Beispiel eines Lehrers, der jahrelang zu Unrecht seinen Beruf nicht ausüben durfte, und sagt, das europäische Zeugnis würde zur Überprüfung ausreichen.
Der Wortlaut im Gesetzestext aber lautet, „durch vollziehbare gerichtliche Entscheidung oder durch vollziehbaren Verwaltungsakt“ werde die Berufsausübung untersagt.
Meine Damen und Herren, das ist nur folgerichtig. Herr Minister Rhein, vielleicht könnte man dies in einer Rechtsverordnung weiter konkretisieren, indem hinsichtlich des Berufsverbotes die Unanfechtbarkeit einer Entscheidung nach § 268 Zivilprozessordnung hinzugefügt wird.
Kommen wir zu § 13c, den auch Frau Beer schon angesprochen hat. Da geht es um den partiellen Zugang. Dort wird von der Landeskammer für Psychotherapeutinnen und -therapeuten sowie der Landesapothekenkammer die Befürchtung geäußert, dass die Kriterien der Anerkennung aufgeweicht werden könnten und diesbezügliche Sicherheitsstandards nicht erhalten bleiben.
Meine Damen und Herren, ein partieller Zugang aber macht es möglich, mit einer zusätzlichen Eignungsprüfung oder mit einem Anpassungslehrgang fehlende Fertigkeiten und Kompetenzen nachzuholen. Wichtig wäre es, hier zu definieren, was denn unter einer einschlägigen Qualifikation zu verstehen ist: Was muss an praktischen und theoretischen Kenntnissen vorhanden sein?
In diesem Kontext möchte ich die Fragen der Verbände aufgreifen, wie es gewährleistet werden kann, dass genügend Angebote für die Anpassungsqualifizierung vorhanden sind, wie diese fachlich bewertet werden – begleitet, überprüft, aber natürlich auch finanziert – und ob und wie Weiterbildungslehrgänge für Psychotherapeuten, Apotheker und Tierärzte beibehalten werden. Denn sie befürchten, diese durch die Neuregelung in Zukunft nicht mehr absolvieren zu dürfen. Meine Damen und Herren, das aber kann nicht Ziel und Zweck dieses Gesetzes sein.
Herr Rhein, auch hier hat das Land die Möglichkeit, durch eine Rechtsverordnung weitere Regelungen zur Umsetzung des partiellen Zugangs einzusetzen. Ich bin gespannt, ob Sie die Befürchtungen der Anzuhörenden zum partiellen Zugang ausräumen können.
Kurz möchte ich auch auf den Ressourcenbedarf zu sprechen kommen. Dieser muss Berücksichtigung finden – ob betreffend das Verfahren bezüglich der umsetzenden Stellen oder auch die Schaffung der soeben genannten Anerkennungsangebote.
Insgesamt zielt dieser Gesetzentwurf aber auf schnellere, effizientere Verfahren und somit auch auf eine schnellere Anerkennung. Bisher dauerte das Verfahren von drei Wochen bis hin zu Jahren. Ein Beispiel aus meinem Wahlkreis: Eine Akademikerin aus dem Bereich Psychotherapie hat bereits im Jahr 2012 eine positive Stellungnahme von der ZAB, also der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen, bekommen und erhielt dann letztes Jahr im März, also im Jahr 2015 – wir waren gerade im Jahr 2012 –, erneut einen Hinweis, sie möchte doch bitte Geduld haben. Bis heute hält diese tatenlose Wartezeit an, denn sie hat die Anerkennung immer noch nicht erhalten.
Ich hoffe, dass solche Beispiele nun bald ein Ende haben, dass das Geschichte sein wird – zumal die vorgelegten Zahlen aus dem Jahr 2013 in der Drucks. 19/1675 aus dem Juni des vergangenen Jahres zeigen, dass von 1.038 gestellten Anträgen lediglich 677 beschieden, davon aber nur 290 positiv abgeschlossen worden sind.
Meine Damen und Herren, abgesehen von diesen inhaltlichen Aspekten möchte ich aber zum Schluss, wie schon im Ausschuss – und eben auch schon von Frau Beer – betont, nochmals ausdrücklich sagen, dass die zügige Umsetzung des Verfahrens, also eine Gesetzesberatung im Schnellverfahren, keine gängige Praxis werden darf. Sie argumentieren zwar, dass wir hier lediglich eine Richtlinie der EU umzusetzen haben, aber gerade nach der Aufforderung der FDP wäre es schön gewesen, dazu nochmals eine mündliche Anhörung durchzuführen, damit wir Inhalte vielleicht definieren, modifizieren oder auch spezifizieren können.
Wir diskutieren hier oft über Stilfragen, das ist doch nicht das erste Mal. Daher möchte ich kurz ein paar Erfolgsregeln für den guten Umgang miteinander skizzieren: authentisch – also natürlich – bleiben; sich selbst nicht so wichtig nehmen; konstruktiv kritisieren, statt zu beschimpfen; den anderen zu verstehen versuchen; den Fehler vielleicht erst einmal bei sich suchen; dem Gegenüber Respekt zollen und es in diesem Sinne auch anerkennen
Ein Urteil darüber, ob diese Kriterien den gewählten Umgang miteinander beschreiben oder ob man hier – also speziell bei der Umsetzung dieses Verfahrens – auch hätte anders vorgehen können, das überlasse ich Ihnen selbst.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz bis auf kleine Korrekturen Verbesserungen verspricht. Deswegen werden wir auch zustimmen. Wir werden aber nachhaken und nachschauen, ob in Rechtsverordnungen alles das, was die Befürchtungen betrifft und was als Verbesserungsvorschläge vorgebracht wurde, umgesetzt wird.
Eines aber steht fest: Schon heute profitiert Deutschland – damit auch Hessen – aus Sicht der Ökonomen von seinen
Einwanderern. In den nächsten Jahren wird der Arbeitsmarkt verstärkt auf sie angewiesen sein. Die Verbesserung der Feststellung und Anerkennung der im Ausland erworbenen Qualifikationen ist wichtig und richtig und steigert die Zugangsmöglichkeiten zu unserem Arbeitsmarkt. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Abg. Dr. Sommer – auch für Ihre pädagogischen Hinweise. Sie sind sehr nützlich anzubringen. Ich empfehle, sie aus der Rede herauszunehmen und sie dann hier zu implementieren. Einverstanden? – Danke schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Sommer, ich werde versuchen, Ihre pädagogischen Hinweise sofort umzusetzen.
Ich probiere es. – Meine Damen und Herren, es geht bei diesem Gesetzentwurf im Wesentlichen darum, hessisches Recht an europäisches Recht anzupassen. Ich glaube, dass der Kern dieses Gesetzentwurfs weitgehend unstrittig ist, weil es ja darum geht, mittels elektronischer Ausweise die Freizügigkeit zu erleichtern, indem Berufsqualifikationen und -abschlüsse vergleichbar gemacht werden. Damit soll die Anerkennung von im EU-Ausland erworbenen berufsqualifizierenden Abschlüssen erleichtert werden. Im Kern besteht Einigkeit darüber, dass das sinnvoll ist.