Protokoll der Sitzung vom 15.12.2016

Er ist noch nicht verteilt?

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Frau Wissler, haben Sie jetzt einen?

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt zuerst einmal wissen, ob der Antrag überall verteilt worden ist.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Man ist gerade dabei!)

Dann kommen wir jetzt zur Geschäftsordnung. Der Antrag liegt uns jetzt also vor, und jetzt ist die Frage, wie er platziert wird. Das Wort hat Herr Rudolph für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben diesen Dringlichen Antrag eingereicht, in dem es um das Thema Abschiebungen nach Afghanistan geht. Wir möchten, dass dieser Antrag hier und heute nach dem Tagesordnungspunkt 41 noch behandelt wird.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Hintergrund ist: Der Landesverband der GRÜNEN hat sich zu dem Thema Sammelabschiebung abgelehnter Asylbewerber geäußert. Die GRÜNEN sehen darin eine Inszenierung und fordern den CDU-Innenminister auf, sich für eine Änderung der Rechtslage einzusetzen, auch den hessischen Innenminister.

(Zuruf der Abg. Sabine Waschke (SPD))

Nachdem wir gestern eine Debatte dazu hatten, heute eine solche Erklärung des Landesverbandes der GRÜNEN: Ich finde, es ist das Recht und die Pflicht des Landtags, hier und heute darüber zu diskutieren, insbesondere natürlich

auch, was die Position der Hessischen Landesregierung ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Meine Damen, meine Herren! Damit muss entscheiden werden, ob der Antrag Drucks. 19/4336 im Anschluss an den jetzt aufgerufenen Tagesordnungspunkt noch aufgerufen wird. – Bitte schön, Frau Kollegin Dorn.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben gestern sehr ausführlich und sehr intensiv über diesen Sachverhalt miteinander debattiert. Es gibt keine neue Sachlage.

(Lachen und Zurufe von der SPD – Manfred Pentz (CDU): So ist es!)

Die Sachlage war gestern bekannt. Insofern gibt es keinen Grund, hier noch einmal zu debattieren. Es gibt keine neue Sachlage. Wir können gern im nächsten Plenum darüber debattieren.

(Zurufe von der SPD und von der CDU – Beifall bei Abgeordneten der CDU – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Sie haben den Antrag gerade eingebracht, und im nächsten Plenum können wir sehr gerne darüber debattieren. – Vielen Dank.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Sich gestern hier aus der Verantwortung ziehen und heute anderes erklären! Heute Inszenierung vorwerfen und dann nicht reden wollen! Also, das klären wir! – Unruhe)

Meine Damen und Herren! Es ist Rede und Gegenrede erfolgt. Wir können jetzt abstimmen. Der Antrag war, den Antrag Drucks. 19/4336 heute noch aufzurufen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, DIE LINKE, die FDP. Wer ist dagegen?

(Zurufe von der SPD: Feiglinge! – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Gegenrufe von der CDU – Unruhe)

Darf ich um Ruhe bitten? Herr Kollege Schäfer-Gümbel, bitte. – Ich stelle fest, dass der Antrag auf Aufrufung noch heute abgelehnt worden ist, und damit kommt er auf die normale Tagesordnung des nächsten Plenums.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD) – Gegenruf des Abg. Holger Bellino (CDU) – Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich fordere Sie jetzt alle auf, Ruhe zu behalten. – Vielen Dank.

(Günter Rudolph (SPD): Heuchelei der GRÜNEN, und es darf nicht diskutiert werden! – Zurufe der Abg. Holger Bellino (CDU) und Janine Wissler (DIE LINKE))

Herr Kollege Rudolph, ich darf Sie bitten, sich zu mäßigen im Hinblick auf den Begriff „Heuchelei“. – Ich habe

ihn nicht gemahnt. Sie wissen, was ich gesagt habe. Vielleicht hören Sie mir ab und zu einmal zu.

Dann rufe ich jetzt den Tagesordnungspunkt 41 auf:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE betreffend keine Zustimmung im Bundesrat zu den Änderungen im Asylbewerberleistungsgesetz – Drucks. 19/4322 –

mit Tagesordnungspunkt 45:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Abstimmung im Bundesrat zur dritten Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes – Drucks. 19/4333 –

Das Wort hat für den Antragsteller Frau Kollegin Faulhaber.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am Freitag steht die dritte Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes im Bundesrat zur Verabschiedung an.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Augenblick, Frau Kollegin. – Herr Kollege Rudolph, hier spricht jemand. – Danke.

Dieses neue Gesetz sieht erneut eine gravierende Kürzung der Leistungen für Flüchtlinge vor. Eindeutig widerspricht es der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012, in der zu lesen ist, dass die Menschenwürde migrationspolitisch nicht relativierbar ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Die neuerliche Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes ist ein Ausdruck der Ignoranz gegenüber höchstrichterlicher Rechtsprechung. Wir schließen uns deshalb dem Appell von Pro Asyl und den Flüchtlingsräten an, jede weitere soziale Ausgrenzung von Flüchtlingen aus den sozialen Sicherungssystemen zu stoppen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Asylbewerberleistungsgesetz wird immer mehr zum Integrationshindernis. Die Menschen werden durch Armut bewusst in ihren Handlungsmöglichkeiten beschränkt und durch Sachleistungen entmündigt. Am sozialen und kulturellen Leben können sie immer weniger teilnehmen.

Einige Beispiele aus dem neuen Gesetz. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Leistungen um 10 % gekürzt werden sollen, wenn die Person in einer Gemeinschaftsunterkunft lebt. Dabei wird ignoriert, dass es sich bei den Menschen in staatlichen Unterkünften gerade nicht um eine eheähnliche Einstandsgemeinschaft handelt, nicht um freiwillige enge Lebenspartnerschaften, sondern um Zwangsgemeinschaften, die in der Regel auch nicht gemeinsam haushalten. Der Vertreter des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes bezeichnet das als faktische „Zwangsverpartnerung“.

Einspareffekte wird es geben – aber nicht bei den Betroffenen, sondern bei den Behörden. Es ist nämlich zu befürchten, dass die neue Regelung viele Kommunen weiterhin veranlassen wird, auf die krank machende und integrationsfeindliche Zwangsunterbringung in Sammelunterkünften zu setzen.

Ein zweiter Kritikpunkt. Die Pauschalen für Wohnungsinstandhaltung und Strom werden künftig vom Regelsatz abgezogen. Teilweise war das ja auch bisher gängige Praxis. Aber auch das führt vor allem zu einem massiv erhöhten Aufwand für die Verwaltungen und geht zulasten der Betroffenen.

Diese Regelungen stellen einen weiteren Schritt dar, die Ausgabe von Geldleistungen durch Sachleistungen zu ersetzen. Dabei war erst 2015 die Abkehr vom Sachleistungsprinzip vereinbart worden. Deshalb sagen wir zu diesem Gesetzentwurf klar und entschieden Nein.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie von CDU und GRÜNEN haben mit Ihrem Entschließungsantrag bereits kundgetan, dass Sie diese komplett unsozialen Verschlechterungen mittragen wollen. Ich will es dennoch sagen: Wir erwarten von der Hessischen Landesregierung eigentlich, dass sie im Bundesrat Nein dazu sagt.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach dieser Gesetzesänderung liegen die Asylbewerberleistungen dann um 110 € unter dem Hartz-IV-Regelsatz, der eigentlich das Existenzminimum darstellen soll. Dabei ist schon dieser Hartz-IV-Regelsatz von 409 € um mindestens 140 € zu niedrig und entspricht nicht dem Mindestbedarf der Menschen.

Meine Damen und Herren, ich befürchte, mit dieser Kürzung im Asylbewerberleistungsgesetz wird auf die rechte Ausländerhetze Ihrerseits reagiert. Auch in diesem Zusammenhang möchten wir noch einmal sagen: So stoppt man die Rechtsentwicklung nicht.