Protokoll der Sitzung vom 31.03.2022

Wir müssen uns auch über die roten Gebiete Gedanken machen. Das sind 90.000 ha in Hessen. Um das in Erinnerung zu rufen: Da ermitteln Landwirte, wie viel Düngebedarf eine Pflanze hat, und dann dürfen sie 20 % weniger

Dünger aufbringen, als die Pflanze eigentlich bräuchte. Die GRÜNEN sagen immer, das ganze Getreide lande dann am Ende im Futtertrog, deswegen wäre weniger Fleisch zu essen das schärfste Schwert gegen Putin. Aber die Unterdüngung hat dazu geführt, dass man den Weizen in der Tat nur noch verfüttern kann, weil die Qualität für Brotweizen zu schlecht war. Selbstverständlich waren auch die Erträge in diesen Gebieten niedriger. Deswegen ist es eine Maßnahme, die wir uns zumindest temporär gar nicht leisten können.

(Beifall Freie Demokraten)

Wenn wir diese Maßnahme aussetzen, dann wäre es an der Zeit, das Messstellennetz entsprechend auszubauen. Danach hätte man vielleicht ein realistischeres Bild darüber, welchen Anteil die Landwirtschaft an den Nitratbelastungen hat. Ich bin mir sicher, dass es weniger rote Gebiete wären, wenn wir entsprechend viele Messstellen hätten.

Das sind zwei Maßnahmen, die kurzfristig wirken würden, mit denen wir die Produktion von Getreide in Hessen ganz einfach steigern könnten. Wir haben aber auch mittelfristige Maßnahmen in unserem Antrag aufgeschrieben; denn wir müssen uns leider mit dem Gedanken vertraut machen, dass die Handelsbeziehungen zu Russland dauerhaft gestört sein werden, dass Russland z. B. Getreideexporte auch in den kommenden Jahren verhindern wird, dass die Ukraine leider auch länger nicht in der Lage sein wird, Getreide zu exportieren.

Zu den mittelfristigen Überlegungen zählt, dass wir neu darüber nachdenken müssen, ob es sinnvoll ist, ein planwirtschaftliches Ziel von 25 % Ökolandbau bis 2025 zu verfolgen und das in einer Situation mit Fördermitteln zu hinterlegen, in der wir maximale Erträge brauchen.

(Beifall Freie Demokraten)

Dass man dann auf ertragsschwächeren Ökolandbau setzt, ist unserer Meinung nach nicht sinnvoll, gerade auch deswegen, weil die konventionelle Landwirtschaft durch Forschung und Innovation immer ökologischer wird. Dass wir überhaupt noch einen politischen Unterschied machen, das ist eigentlich nicht mehr zeitgemäß. Deswegen sollte man spätestens jetzt von diesem Dogma abrücken.

Zu den mittelfristigen Überlegungen zählt auch, dass wir eine Neubewertung dessen vornehmen müssen, was in der europäischen Agrarpolitik gerade in Planung ist. Das kann das Land Hessen nicht alleine regeln, das ist klar. Aber es wäre jetzt Zeit für eine starke Stimme Hessens für die Landwirtschaft, z. B. im Rahmen einer Bundesratsinitiative. Genau das schlagen wir Ihnen vor. Sprechen Sie sich dafür aus, dass die Ernährungssicherheit als gleichrangiges Ziel mit aufgenommen wird in den Green Deal; denn Lebensmittel zu produzieren ist die ureigene Aufgabe der Landwirtschaft. Wir wollen keine staatlich finanzierten Landschaftsgärtner, sondern unternehmerische Landwirte, die ihr Geld damit verdienen, dass sie Nahrungsmittel erzeugen.

(Beifall Freie Demokraten)

Frau Ministerin, setzen Sie sich dafür ein, dass keine weiteren Einschränkungen in der Landwirtschaft vorgenommen werden. Wenigstens kurzfristig können die Landwirte keine weiteren Beschränkungen beim Pflanzenschutz brauchen.

Drittens. Setzen Sie sich dafür ein, dass auch neue Züchtungsmethoden zum Einsatz kommen können; denn die können ressourcenschonend sein. Das würde die Landwirtschaft als solche nachhaltiger machen.

Meine Damen und Herren, wir sagen oft, dass man auf die Wissenschaft hören soll. Es gibt derzeit viele Agrarwissenschaftler, die zu einer Intensivierung der Landwirtschaft in der EU aufrufen. Nichts anderes fordern wir in unserem Antrag.

Ich möchte Ihnen gerne ein Zitat vorlesen, mit dem eigentlich alles gesagt ist. Es stammt von Stephan von Cramon, Professor für Agrarpolitik an der Georg-August-Universität Göttingen. Er hat, angesprochen auf den Ukraine-Krieg und dessen Auswirkungen auf die Landwirtschaftspolitik, gesagt:

Es geht nicht nur darum, den Wunsch nach einer niedlichen Bilderbuchlandwirtschaft zu befriedigen. Notwendig ist eine Politik, die die gesamte Landwirtschaft in der EU nachhaltiger und zugleich produktiv macht, statt die Nachhaltigkeit auf Kosten der Produktivität zu verbessern.

(Beifall Freie Demokraten)

Genauso sehen wir das auch. Man braucht natürlich Nachhaltigkeit. Man braucht aber auch Produktivität, und nicht nur eines der beiden.

So sehen das auch viele weitere Experten. Die Bauernverbände sehen das so. Im Übrigen wird das auch in der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion so gesehen. Auch von der SPD Südhessen gibt es ein Papier, mit dem eine Nutzung der Brachflächen gefordert wird. Die Kollegen John und Lotz haben das unterschrieben.

Die Vorschläge, die wir hier machen, sind nicht abwegig. Vielmehr ist es das, was geboten ist. Wir werben aus Hessen heraus dafür um Unterstützung. Denn wir müssen jetzt auf allen Ebenen handeln.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Hessen können die Welt nicht ernähren. Aber wir haben die Pflicht, unseren Beitrag dazu zu leisten. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall Freie Demokraten)

Frau Abg. Knell, vielen Dank. – Für die Fraktion der SPD erhält jetzt Herr Abg. Grumbach das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt manchmal Reden, die einen herausfordern. Ich habe eigentlich immer gedacht, unsere gemeinsame Aufgabe als Mitglieder der Opposition wäre es, die Landesregierung vor uns her in die Zukunft zu treiben. Dieser Antrag ist das Gegenteil davon. Er führt zurück in die Vergangenheit. Ich glaube, das können wir uns schlichtweg nicht leisten.

(Beifall SPD, DIE LINKE und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schon die Beschreibung der Welt vorher ist falsch. Wir können als Hessen keine deutsche Landwirtschaft alleine betreiben. Wir müssen darüber nachdenken, dass ein Teil der Probleme in den Staaten Afrikas darin besteht, dass

deutsche Landwirte mit ihrer Produktion an Fleisch und Geflügel den Hunger dort vergrößert statt verringert haben. Denn sie haben durch subventionierte Importe die Landwirtschaft vor Ort kaputt gemacht.

(Zustimmung SPD)

Wir waren in der Vergangenheit für den Hunger verantwortlich. Heute zu sagen: „Wir müssen das noch schlimmer machen“, ist das Gegenteil von dem, was wir brauchen.

Wie Sie alle wissen, habe ich von Frau Klöckner nicht viel gehalten. Aber es gab von ihr eine kluge Idee. Sie hat die Zukunftskommission Landwirtschaft gegründet. Sie hat versucht, die Landwirte, die Wissenschaft und die Umweltverbände an einen Tisch zu bekommen. Ich lese aus einer gemeinsamen Stellungnahme, die einstimmig angenommen wurde, nur zwei Sätze vor.

Verschiedene … Faktoren haben zu Wirtschaftsweisen geführt, die weder ökologisch noch ökonomisch und sozial zukunftsfähig sind. …, scheidet eine unveränderte Fortführung des heutigen Agrar- und Ernährungssystems aus ökologischen und tierethischen wie auch aus ökonomischen Gründen aus.

Das war vor ein paar Monaten. Der Krieg ändert doch nichts an dieser Grundbewertung. Die Frage ist: Wie geht man in der Krisensituation damit um? Da gibt es Notlösungen. Sie haben es bei Herrn Habeck thematisiert. Möglicherweise gibt es für eine Übergangszeit eine Notlösung. Das ist das Einzige, worüber man für ein oder zwei Jahre reden kann. So, wie man für zwei Jahre Flüssiggas importieren kann – die Europäische Union hat das freigegeben, wenn ich darauf hinweisen darf –, kann man für ein oder zwei Jahre sagen: Okay, wenn es tatsächlich ein Flächenproblem gibt, können wir für zwei Jahre die Anbauregeln ändern.

Aber auch das bedeutet, dass man es nicht einfach bloß so wie vorher machen kann. Wenn man die Brachflächen für zwei Jahre wieder in die Bewirtschaftung nimmt, muss man sie so bewirtschaften, dass sie hinterher nicht genauso heruntergewirtschaftet sind, wie es ein Großteil der Ackerböden in Hessen ist. Darüber reden wir doch.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wir reden über eine Landwirtschaft, die ihre eigenen Existenzgrundlagen in den letzten drei Jahrzehnten schrittweise ruiniert hat. Wir reden über Humusverluste. Wir reden über den Bodenaustrag. Wir reden davon, dass sich die Tierwelt im Boden – Regenwürmer und was auch immer – auf 10 % verringert hat. Damit findet eine Neubildung des Humus faktisch nicht mehr statt. Dann zu sagen, die Rezepte, die dazu geführt haben, weisen uns den Weg aus der Krise, ist das Gegenteil von richtig.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Da bin ich dann auch bei der ethischen Verantwortung. Ja, es ist unsere ethische Verantwortung, dafür zu sorgen, dass Europa seinen Beitrag zur Ernährung der Welt leistet. Denn in Europa gibt es noch keine Wasserknappheit. Das muss aber so geschehen, dass das auch auf lange Zeit und nicht nur für kurze Zeit funktioniert.

Da gibt es ein paar Sätze, bei denen ich mich immer frage, ob es wirklich so ist, dass die Behauptungen stimmen. Da wird davon gesprochen, dass die Erntemengen tatsächlich weit unter ihrem Potenzial blieben. Dabei haben Sie

überhaupt nicht im Blick, dass sie sich schon heute bei heruntergewirtschafteten Böden im Teufelskreislauf befinden. Die kleineren Bauern haben damit ein Problem. Weil die Fruchtbarkeit ihrer Böden nachlässt, müssen sie in einer Weise Ackerbau betreiben, bei der sie Dünger im Übermaß auf die Böden schmeißen, um überhaupt die entsprechenden Erträge zu erreichen.

Wir reden doch gar nicht darüber, dass es eine Unterdüngung gibt. Wir reden darüber, den Überschuss zu begrenzen. Wir reden darüber, dass wir nicht mehr als 50 kg, also mehr, als die Pflanzen aufnehmen können, auf die Äcker werfen. Es ist doch ein irres Konstrukt, zu behaupten, das sei Unterdüngung. Wir haben gestern doch über Wasser geredet. Das ist ein Anschlag auf unser Trinkwasser. Diesen Anschlag zu verfolgen, halte ich für ziemlich verwegen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Es gibt ein weiteres grundsätzliches Thema, bei dem ich glaube, dass Sie einfach nicht auf dem Stand der Zeit sind. Sie reden über die großen Verluste hinsichtlich der Erträge bei ökologischem Landbau. Ich streite mich manchmal mit einem Ihrer Kollegen darüber. Denn Sie sind zu technikverliebt. Sie sollten einfach einmal schauen, was passiert. Ich beschreibe das an einem einzigen Beispiel.

In Deutschland gibt es einen großen Produzenten für Biotomaten. Dessen Ernteerträge sind höher als beim konventionellen Anbau. Ich sage in Klammern: Bekanntermaßen wachsen die Biotomaten in entsprechender Qualität bei uns nicht auf dem freien Feld. – Dessen Ernteerträge sind höher als die bei konventionellem Anbau, weil er mit moderner Technik in der Lage ist, Wasser einsparend, Düngemittel einsparend und Rohstoffe einsparend, einen Anbau zu betreiben, bei dem gleichzeitig Qualität und gesunde Nahrung produziert werden.

Das heißt, vertrauen Sie doch einmal wie Ihre Kollegin ein bisschen mehr auf das, was geht. Das gilt für viele Bereiche. Eine unserer Auseinandersetzungen mit dem ökologischen Landbau ist, dass ein paar sogar über den Rand hinsichtlich der Frage hinausschießen, was sie sich an Mechanisierung einfallen lassen. Aber das passiert doch. Es passiert, weil sie alle wissen, dass wir auch in Deutschland bezahlbare Lebensmittel brauchen.

Ich finde, dass wir an der Stelle sagen müssen, wir steigen da aus. Nein, wir machen es Schritt für Schritt besser. So machen wir auch den Agraranbau Schritt für Schritt besser.

Damit komme ich zu dem Thema, von dem ich glaube, dass sich alle immer noch davor drücken wollen. Ich bin kein Verzichtprediger. Aber wir leisten es uns auf der nördlichen Halbkugel der Erde, einen Lebensstil zu pflegen, bei dem je nach Land 50 %, 40 % oder 30 % unseres gesamten Anbaus an Getreide einfach als Viehfutter versenkt wird. Weil das den Viehfutterbedarf nicht deckt, bringen wir gleichzeitig noch Länder dazu, ihre Urwälder abzufackeln – das ist für sie ökonomisch sinnvoller –, damit da Soja angebaut werden kann. Diese Konzepte tragen uns nicht in die Zukunft.

(Beifall SPD und vereinzelt DIE LINKE)

Damit kommt man ganz schnell zu einfacheren Lösungen. Wir könnten anfangen, den Sojaimport zu begrenzen, und könnten andere Formen der Leguminosen anbauen. Wir könnten andere Formen der Düngung betreiben, indem wir den Zwischenfruchtanbau intensivieren.

Das Problem besteht darin, dass man sagt, Hessen sei kein großes Viehzuchtland. Man würde damit am Problem vorbeireden.

Wir sollten anfangen, dafür zu sorgen, die Welt nicht mit billigem Fleisch zu überschwemmen. Es ist nicht so, dass wir in Europa daran Mangel hätten. Wir reden davon, dass es die Industrie geschafft hat, mit hocheffizienten und umweltschädlichen Produktionsweisen Fleisch so billig zu produzieren, dass wir Überschüsse über die Bedürfnisse der deutschen Bevölkerung hinaus in Höhe von 20 bis 30 % haben. Das betrifft die Schweinefleischproduktion und Ähnliches mehr. Das wird dann subventioniert und macht die Betriebe der Landwirte in anderen Ländern kaputt. Das ist eine Strategie, die nicht verantwortet werden kann.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wir können diese Widersprüche auf Dauer doch nicht aushalten. Wir können doch nicht hier stehen und klagen, dass die Insekten nicht mehr da sind. Wir können über die Kosten der Landwirte nicht klagen, die feststellen, dass sie ihre Obstbäume zum Teil per Hand bestäuben müssen. Gleichzeitig wird kein Gedanke daran verschwendet, dass nicht jede Art Pestizid eine ist, mit der die Landwirtschaft verbessert wird. Dann schreiben Sie einfach so: