Protokoll der Sitzung vom 03.02.2022

Landesseitig unterstützen wir mit verschiedenen Finanzierungen und Beteiligungsprogrammen, die ich eben gerade schon genannt habe. Sie richten sich speziell an Gründerinnen und Gründer. Sie sorgen dafür, dass das Start-up-Ökosystem, das wir in Hessen haben, eben all das bekommt, was es braucht, um wachsen und gedeihen zu können.

Sie sprechen in Ihrem Antrag die internationale Präsentation der heimischen Fintech-Branche an, die mit dem Impact Festival des main incubators im September 2021 mit über 1.500 registrierten Teilnehmern aus 15 Ländern wirklich sehr vielversprechend gestartet ist. Natürlich ist es absolut sinnvoll, dieses aus der Fintech-Szene entstandene Event weiterzuentwickeln und weiterhin im Wachstum zu unterstützen. Aber ob es weiterer Formate, wie eines German Tech Festivals, bedarf, ist in der Branche umstritten. Selbst da glaubt man nicht wirklich daran, dass das notwendig ist. Aber auch bei dieser Frage wird die Landesregierung die Branche eng begleiten und unterstützen.

(Beifall CDU)

Im Übrigen ist das Singapore Fintech Festival natürlich auch in diesem Jahr erneut in der Förderung durch die Messe enthalten. Selbstverständlich wird das Land Hessen die Fintech-Branche an dieser Stelle unterstützen. Das ist doch gar keine Frage.

Jetzt komme ich zu einem für mich sehr wichtigen Punkt. Er ist etwas untergegangen. Ich muss mich kurzfassen. Aber der ist mir noch wichtig. Mit Blick auf die Erfahrung aus dem Wirecard-Skandal, der uns allen noch relativ frisch in Erinnerung sein sollte, kann ich die Forderung der FDP-Fraktion, aufsichtsrechtliche Anforderungen in der Gründungsphase zu lockern, wirklich nur mit Kopfschütteln zur Kenntnis nehmen. Was wollen Sie denn den Geschädigten erzählen, die bei Wirecard ihr Vermögen verloren haben? Wir sollen uns jetzt hinstellen und sagen: Genau in der Branche wollen wir die aufsichtsrechtlichen Anforderungen reduzieren. – Das ist ein angelsächsisches Prinzip, das die Regulatorik insgesamt infrage stellt.

Der erste Ansprechpartner für Sie ist in dieser Frage Ihr Finanzminister in Berlin. Wenn er meint, dass er das in der Koalition so durchsetzen kann, soll er das gerne tun. Sprechen Sie ihn an. Ich halte das nicht für klug. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abg. Bamberger, vielen Dank. – Für die Landesregierung erhält jetzt Staatsminister Al-Wazir das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich freue mich darüber, dass wir diese Debatte hier führen. Denn diese Debatte zeigt erstens, dass wohl die meisten der Auffassung sind, dass Start-ups und Fintechs – und nicht nur die Fintechs – eine zentrale Bedeutung für die Frage der Wirtschaftsstruktur der Zukunft haben. Es geht darum, was in Hessen an Neuem entsteht.

Zweitens hat die Debatte gezeigt, dass es ganz offensichtlich noch eine gewisse Unkenntnis darüber gibt, wo Hessen steht, was es in Hessen schon alles gibt und an welchen Bereichen wir arbeiten. Insofern stelle ich fest: Wir müssen die Öffentlichkeitsarbeit unseres Ministeriums noch ein bisschen ausbauen.

(Heiterkeit und Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lieber Oli Stirböck, mir ging es früher auch manchmal so. Ich habe mich im Rundfunkrat beim Intendanten beschwert, dass der Hessische Rundfunk über irgendetwas nicht berichtet habe. Er kam dann und hat mir gesagt, wann über all das berichtet wurde. Er sagte dann immer den schönen Satz: Nur weil Sie es nicht gesehen haben, heißt das nicht, dass wir es nicht gesendet haben.

Das waren immer die Momente, in denen ich peinlich berührt war. Denn ich musste feststellen: Er hat recht. – Ich will Ihnen deshalb ein bisschen erklären, was wir so tun.

Zuallererst will ich sagen: Wir sind seit 2018 dabei, dass wir die Start-ups und das Start-up-Ökosystem in Hessen ganz besonders fördern. Das hat sich seit 2018 auch gut entwickelt. Wir haben einige gute Impulse gesetzt. Da kann man auch schon Ergebnisse sehen.

Einer der Punkte, die alle, die in diesem Bereich unterwegs sind, immer ansprechen, ist die Frage der Vernetzung. Haben wir die Vernetzung der unterschiedlichen Angebote? Haben wir Orte, an denen die unterschiedlichen Menschen zusammenkommen, sich treffen und die Sachen sich am Ende weiterentwickeln?

Wir haben jetzt eine zentrale Onlineplattform. Das ist mein erster Link-Tipp. Es werden noch ein paar andere kommen. Die zentrale Onlineplattform erreicht man über www.starthub-hessen.de. Ich kann Ihnen das empfehlen. Denn da kann man sehen, wie wir das sogenannte Ökosystem-Management angehen. Wir haben da quasi einen Kümmerer mit dem StartHub Hessen, bei der HTAI angesiedelt.

Wir haben zusätzlich mit dem Fokus Frankfurt/Rhein-Main das TechQuartier ebenfalls beauftragt, damit wir das, was es alles schon gibt, zueinanderbringen und die Menschen zueinanderführen, damit am Ende etwas Gutes daraus entsteht.

Das TechQuartier ist angesprochen worden. Das haben wir aus dem hessischen Wirtschaftsministerium heraus im Jahr 2016 initiiert. Es hat inzwischen 500 internationale Mitglieder. Es ist Konsortialführer im Projekt Safe FBDC, also Financial Big Data Cluster. Es ist Partner bei EuroDaT, dem europäischen Datentreuhänder.

Ich will das an dieser Stelle einmal sagen: Es ist vielleicht auf den ersten Blick schwer zu verstehen, was wir da machen. Das Stichwort dazu lautet Financial Big Data Cluster. Vielleicht sollte ich einmal nur so viel dazu sagen: Wir werden neue, auf künstlicher Intelligenz basierende Anwendungen erleben, auch in diesem Finanzbereich.

Das ist übrigens nichts, wovor man Angst haben muss. Das richtet sich an Herrn Kollegen Gerntke. Vielmehr ist es z. B. dafür da, dass man Geldwäsche und Marktmanipulation besser erkennt. Das heißt, das sorgt dafür, dass das System – ich sage das in Anführungszeichen – besser funktioniert. Das heißt gleichzeitig, dass es Anwendungsmöglichkeiten genau für die Bereiche hat, die bei den Fintechs ak

tiv sind. Das heißt, es generiert Daten, mit denen neue Anwendungen gemacht werden können.

Das muss ich dann doch schon einmal in Richtung des Kollegen Gagel sagen. Erstens habe ich mich darüber gewundert, wie viele Anglizismen Sie benutzt haben. Sie werden in Ihrem Laden Ärger kriegen. Das kann ich Ihnen jetzt schon sagen. Das Zweite ist Folgendes: Alle attraktiven Bereiche in Sachen Start-ups und Fintechs haben immer eines gemeinsam: Internationalität und Weltoffenheit. Das sind extrem wichtige Standortvorteile. Die haben wir zum Glück in Frankfurt und Hessen. Das soll auch so bleiben.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe das Financial Big Data Cluster angesprochen. Wir haben 10 Millionen € Fördermittel vom BMWi – damals hieß es noch so, jetzt BMWK – im Jahr 2020 eingeworben. Wir haben Ende letzten Jahres noch einmal Forschungsund Entwicklungsförderung des Bundes für den Aufbau dieses Datentreuhänders einwerben können. Das heißt, das wird wahrgenommen und ist in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt etwas, was gefördert wird.

Natürlich loten wir auch aus, welche Möglichkeiten und Grenzen der geltende Rechtsrahmen bietet. Da hat Herr Bamberger recht. Wir müssen sehr genau darauf achten, welche Forderungen es hinsichtlich der sogenannten Sandboxes gibt, um einmal einen Anglizismus zu benutzen. Wir müssen schauen, was wir da auf den Weg bringen.

Der Mensch ist nicht nur edel, hilfreich und gut. Es gibt auch welche, die sind fies, dreckig und gemein. Auf der einen Seite wollen wir Innovationen ermöglichen. Auf der anderen Seite dürfen wir aber keine Möglichkeiten schaffen, bei denen sich nachher alle fragen: Wie konnte das passieren? – Ja, wir sind da auch schon unterwegs.

Ich will Ihnen noch etwas anderes sagen. Das Stichwort dazu lautet Fintechs. Das ist jetzt mein zweiter Link-Tipp. Schauen Sie sich einmal www.frankfurt-digital-finance.de an. Da hat gerade gestern eine Konferenz stattgefunden. Übrigens war nicht nur der Hessische Ministerpräsident Keynote Speaker, sondern auch Nicola Beer. Das findet alles gerade statt. Nur weil Sie es nicht wahrnehmen, heißt das nicht, dass das nicht geschieht.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das hat schon sehr viel mit dieser Frage zu tun. Wir haben noch viele andere hervorragende branchenspezifische Start-up-Zentren. Das ist das House of Logistics & Mobility, das HOLM. Das sind das House of Energy und das House of Digital Transformation.

Dann gibt es noch etwas, das wurde noch von Florian Rentsch gegründet. Das Stichwort dazu lautet: cesah rund um die ESA. Da geht es darum, was man hinsichtlich der Satelliten machen kann. Das heißt, wir sind in sehr unterschiedlichen Bereichen unterwegs, um am Ende Neues zu gründen.

Stichwort: Sozialinnovator. Wir sind auch in Bereichen unterwegs, die jetzt nicht nur etwas mit „Technik“ zu tun haben, sondern die auch soziale Unternehmen unterstützen sollen.

Wir haben von den Kammern viele Angebote zur Kooperation. Wir haben auch viel für Talente. Denn genau das ist am Ende doch der Punkt. Wir haben eine sehr vielfältige und leistungsfähige Hochschullandschaft in der Region

Frankfurt/Rhein-Main. Da kommt es am Ende genau darauf an, dass damit gefördert wird, damit Neues entsteht.

Das Hessische Zentrum für Künstliche Intelligenz, genannt hessian.AI, will ich an dieser Stelle auch noch einmal erwähnen. Denn wir arbeiten genau daran, die neuen Entwicklungen auf diesem Gebiet frühzeitig zu erkennen und sie nutzbar zu machen.

Wir haben etwas gemeinsam mit Privaten gegründet, was es so nirgendwo anders gibt. Michael Boddenberg und ich haben das in der Frankfurt School of Finance & Management noch einmal ganz besonders zelebriert. Das ist der Futury Venture Fonds mit dem hessischen Spezifikum des Futury Regio Growth Fonds.

Auch an so einer Stelle sehen wir, dass am Ende privates Kapital und staatliches Kapital zusammengehen, um eben auch bestimmte Firmen zu unterstützen, sich zu beteiligen und dazu beizutragen, dass an einer solchen Stelle Startups wirklich Erfolg haben. Und es gibt die klassischen Programme der WIBank, der Beteiligungs-Managementgesellschaft, Eigenkapitalfinanzierungen. Wir haben allein 2021 in 75 Eigenkapitalfinanzierungen 23 Millionen € ausgereicht. Das heißt, das findet alles statt.

Übrigens sind Beteiligungen am Singapore Fintech Festival, das Sie ansprechen, schon in unserer Messeförderung enthalten, das ist schon drin. Das heißt, auch da fordern Sie etwas, was es schon gibt. Ich sehe, wir müssen also besser daran arbeiten, dass wir auch deutlicher machen, was wir schon tun.

Ja, wir haben auch mit der Branche gesprochen und diskutieren auch weiterhin, ob wir ein international wirkendes Start-up-Festival in Hessen brauchen. Es ist aber an so einer Stelle ganz wichtig – nur so funktioniert das –, wenn man das nicht top-down aufsetzt, sondern wenn es am Ende wirklich von der Branche, von den Akteurinnen und Akteuren vor Ort gewollt ist.

Im letzten September hat das Impact Festival stattgefunden, maßgeblich vom main incubator initiiert. Das war in der Fredenhagenhalle Offenbach, Oli Stirböck kennt sie sehr genau: Da waren 1.500 Leute aus 15 Ländern, die sich registriert haben und dort waren. An so einer Stelle kann man sehen, dass der Fokus einerseits auf Nachhaltigkeit und die Verbindung von Start-ups, von Corporates und von Investoren wirklich eine enorme Nachfrage kreieren kann.

Es ist angesprochen worden – ich bin der Abg. Kinkel sehr dankbar –, dass wir im letzten Herbst das erste sogenannte Einhorn gesehen haben.

(Zuruf)

Das ist da, in Frankfurt. Das existiert. Das macht sozusagen seinen Job.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Herr Minister, die Redezeit der Fraktionen ist mittlerweile erreicht.

Ich bin gleich fertig. Saß dort nicht eben noch Karin Müller?

(Heiterkeit)

Ich will es an dieser Stelle sagen: Eine Gründung von 2017, ich nenne einmal den Unternehmensnamen, das ist Clark, der inzwischen einen Börsenwert von über 1 Milliarde € hat. Ich meine, klarer kann man doch nicht zeigen, dass das alles hier stattfindet – aber nicht nur in Frankfurt. Klarna, das ist so etwas wie PayPal aus Schweden, hat in Mittelhessen einen Standort eröffnet und stellt Hunderte Leute ein. Das findet gerade alles statt.

Dementsprechend glaube ich, dass wir da auf einem guten Weg sind. Ich lade Sie ein, sich weiter zu informieren, weiter zu diskutieren und sich einzubringen. Kommenden Dienstag werden wir das Whitepaper mit dem schönen Namen „Start-up State Hessen“ öffentlich vorstellen. Das werden wir gemeinsam mit der Branche in einem sogenannten Townhall Meeting diskutieren, und Sie alle sind herzlich eingeladen, daran virtuell teilzunehmen. Ich bin sehr gespannt darauf, wie wir dann die nächste Debatte im Plenum des Landtages zu diesem Punkt führen. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Al-Wazir. – Die Kollegin Vizepräsidentin Müller und ich haben in der Tat gewechselt, und es war glücklicherweise keine kafkasche Verwandlung wie von Gregor Samsa, sondern einfach nur ein Wechsel hier vorn.

Wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt 68. Der wird an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen überwiesen.