Protokoll der Sitzung vom 12.09.2024

Jetzt muss das Management reagieren, indem kreative sozialverträgliche Lösungen und Kompromisse gefunden werden. Für VW ist es eine Strategie- und Zukunftsfrage. Für Nordhessen ist dies eine wirtschaftliche Schicksalsfrage. Für VW gilt das Gleiche wie für Ahle Wurscht, Hütt Naturtrüb und den Herkules: nordhessisch eben, es geht nicht ohne. – Vielen Dank.

(Beifall CDU und SPD)

Herzlichen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin Kaya Kinkel, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste! Für uns GRÜNE ist klar: Wir stehen an der Seite der Beschäftigten von VW.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das VW-Werk in Baunatal ist wichtiger Arbeitgeber für die gesamte Region Kassel. Das haben auch alle meine Vorrednerinnen und Vorredner gesagt. VW und Zulieferbetriebe sichern Arbeitsplätze und Wohlstand, sorgen für die wichtigen Steuereinnahmen. Deshalb unterstützen wir die Beschäftigten bei ihrem Kampf für den Standort VW in Baunatal.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt gibt es Ideologen – wir haben es gerade gehört – vom rechten Rand, die erklären, dass die Krise von VW vor allem daran liegt, dass sich die Welt auf den Weg gemacht hat, in Zukunft keine Verbrennerfahrzeuge mehr zu produzieren. Ich kann Ihnen sagen: Das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die aktuelle Situation von VW liegt in erster Linie daran, dass der Konzern sich viel zu spät auf den Weg in das elektrische Zeitalter gemacht hat.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Falsche unternehmerische Entscheidungen führten dazu, dass VW den Markt in Asien und vor allem in China – das ist der wichtigste Markt für VW; das sagt auch die Konzernleitung – weitestgehend verloren hat. Die Konzernleitung selbst sagt wortwörtlich: Es kommt kein Scheck mehr aus China.

An wen wurde dieser Markt verloren? Nicht etwa an die Konkurrenz, die bessere Verbrennerautos baut, sondern an chinesische Start-ups, die auf kleine und bezahlbare Elektroautos setzen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Über 50 % der Neuwagen in China sind mittlerweile elektrisch. In Peking werden Zulassungen für Verbrenner mittlerweile nur noch per Losverfahren vergeben. Die Chinesen ziehen an uns vorbei und brauchen, wenn wir so weitermachen, bald keine europäischen Autos mehr.

VW war einmal Marktführer in China. Wie gesagt, der wichtigste Absatzmarkt für VW war China. Jetzt wurde VW dort von BYD und von Tesla abgelöst. Beides sind Marken, die seit Jahren konsequent auf Elektromobilität setzen. Krasser kann sich eine Managementfehlentscheidung nicht auswirken.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was hat VW stattdessen die letzten Jahre gemacht? Der Konzern hat viel zu lange versucht, die Vergangenheit zu zementieren. Ich erinnere an den Abgasskandal, wo mit viel krimineller Energie eine Abschaltautomatik entwickelt wurde, um die gesetzlichen Grenzwerte zu unterlaufen. Man müsste sich einmal vorstellen, was hätte erreicht wer

den können, wenn so eine Innovationskraft, wenn dieser ganze Gehirnschmalz, der da hineingeflossen ist, in das Voranbringen der Elektromobilität gesteckt worden wäre.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe Mi- riam Dahlke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Stephan Grüger (SPD): Über 30 Milliarden!)

Genau, über 30 Milliarden Euro hat der Dieselskandal den Konzern bisher gekostet.

Das sind genau die Mittel, die in den letzten zehn Jahren in die Werke von VW in Deutschland und in Europa hätten fließen müssen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und verein- zelt SPD)

Was macht eigentlich die Landesregierung? Die Landesregierung stimmt in das Schlechtreden der Elektromobilität ein, anstatt zu zeigen, dass es funktioniert. Es ist doch absurd. Die Bundesregierung spricht gerade darüber, wie man steuerliche Anreize setzen kann, um elektrische Dienstwagen zu fördern.

Die allererste Amtshandlung unseres neuen Wirtschaftsministers ist es, seinen elektrischen Dienstwagen mit der Begründung abzuschaffen, er eignet sich nicht für lange Fahrten. Das ist Quatsch und passt auch nicht zusammen. Gerade ein hessischer Wirtschaftsminister muss sich doch ganz klar zur Elektromobilität, zur Zukunftstechnologie bekennen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für uns ist klar: Das VW-Werk in Baunatal ist hochmodern. Es ist ein Leitwerk für Elektromobilität, und Komponenten für E-Mobilität werden immer wichtiger. Deshalb muss das Werk erhalten bleiben. Wir bieten der Landesregierung die Zusammenarbeit an, um die Arbeitsplätze in Nordhessen zu erhalten.

Herr Mansoori, Sie haben wortwörtlich gesagt:

„Als hessischer Wirtschaftsminister werde ich für jeden einzelnen Arbeitsplatz in Baunatal einstehen.“

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich bin ge- spannt!)

Das sind sehr große Worte. Daran werden wir Sie messen; denn dazu müssen Taten folgen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt hat VW auch noch die Tarifverträge aufgekündigt. Das ist bitter für die Beschäftigten, vor allem, weil Aktionäre weiterhin Milliarden ausgeschüttet bekamen und die Geschäftsführung weiterhin zu den Bestbezahlten bundesweit gehört. Es darf aber nicht sein, dass die aktuelle Krise auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird; denn sie können am allerwenigsten etwas für die aktuelle Situation bei VW.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und noch etwas ist uns wichtig: Die verschiedenen Werke von VW dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es braucht keinen politischen Aktionismus, sondern es braucht klare, verlässliche Rahmenbedingungen und ein klares Bekenntnis zur Elektromobilität. Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit.

(Zuruf AfD: So wie die GRÜNEN!)

Genau das darf nicht passieren. – Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Kinkel. – Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stefan Naas, Fraktionsvorsitzender der FDP. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will zu Beginn mit zwei Mythen aufräumen, die man heute auch wieder hier im Parlament, im Landtag gehört hat. Der erste Mythos ist der der GRÜNEN, eben wieder wunderbar von der Kollegin in Reinform vorgetragen: Es ist so, dass am Ende die E-Mobilität nicht schnell genug kam, Management-Fehler. Die Politik hat es nicht schnell genug verboten, das haben Sie gerade wieder vorgetragen.

(Zurufe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Glockenzei- chen)

Ich kann Ihnen sagen – und das „Handelsblatt“ hat es am 17. Mai sehr schön auf den Punkt gebracht –: Schauen Sie sich doch einmal an, mit was VW im Moment Geld verdient. Sie haben es doch eben gesagt. Es kommt kein Scheck mehr aus China, mit den Verbrennern wird das Geld verdient: mit dem Golf, mit dem Passat, mit dem Tiguan.

(Beifall Freie Demokraten, AfD und Tanja Jost (CDU))

Die Cashcow von VW ist der Tiguan, und den gibt es gar nicht mit Elektroantrieb. Deswegen ist das Verbrenner-Aus schädlich für VW.

Dann möchte ich mit dem zweiten Mythos aufräumen: Das ist der Mythos der AfD.

(Zuruf AfD: Oh!)

Sie sagen, die Ökosozialisten machen mit der E-Mobilität die Autowirtschaft in Deutschland kaputt.

(Unruhe – Glockenzeichen)

Aber schauen Sie sich doch einmal die Marktkapitalisierung von Tesla an. Sie haben es so schön beschrieben, Herr Kollege. 708 Milliarden Euro sind das im Moment. Wissen Sie, wie die Marktkapitalisierung von VW, von Daimler, von BMW zusammen ist? 170 Milliarden Euro, nur mal so die Relation. Da haben wir über die Chinesen noch gar nicht gesprochen. Deswegen ist Elektromobilität – anders, als Sie das darstellen – keine verrückte Idee, sondern es ist die Realität in dieser Welt.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt auf einmal!)

Jetzt werden Sie sich fragen, wo wir stehen. Ich sage Ihnen: Wir brauchen beides. Wir brauchen die Elektromobilität, wir brauchen aber auch den Verbrenner, weil es unterschiedliche Situationen auf dieser Welt gibt. Der Verbrenner mag in bestimmten Gegenden dieser Welt sinnvoll sein.