Protokoll der Sitzung vom 02.02.2000

Auch wenn es wenig konkrete Zahlen gibt, kann der Eindruck nicht verwischt werden, daß die Situation in Hamburg nicht anders ist als in der Schweiz oder in Hessen. Selbst ohne die Berücksichtigung der volkswirtschaftlichen Folgekosten wird auch in Hamburg für Verfolgung, für Vertreibung, für Wegsperren der Drogenkonsumenten mehr Geld ausgegeben als für Hilfen, Therapie und Prävention.

Der Präventionsarbeit der Landesstelle, der Schulen und anderer stehen beispielsweise 8,5 Millionen DM zur Verfügung. Demgegenüber stehen 34,5 Millionen DM für Verfolgung und Kontrolle durch die Polizei. Diese Tendenz wird nicht besser, sondern die Schere zwischen Verfolgung und Prävention öffnet sich immer weiter. Das deutet auch an, wie die ehemals durchaus fortschrittliche Hamburger Dro

genpolitik mit viel Raum für Prävention und akzeptierte Hilfsangebote zum üblichen preußischen repressiven Mainstream verkommt.

Zur Situation in den Knästen habt ihr schon einiges gesagt. 35 Prozent der Häftlinge sind Menschen, die entweder selber Drogen konsumieren oder möglicherweise zum überwiegenden Teil durch Beschaffungsverbrechen hineingekommen sind. Daraus gibt es einen Weg, der auch richtig aufgezeigt worden ist.Natürlich ist es allerhöchste Zeit, das Verbot eher harmloser Rauschmittel, wie Cannabis und Marihuana, aufzuheben

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

und Heroin an alle, die es brauchen, kontrolliert abzugeben. Das würde die Knäste leerer machen, das würde die Beschaffungskriminalität binnen kürzester Zeit minimieren

(Dietrich Wersich CDU: Dann wären wir alle Pro- bleme los, nicht!)

und die Konsumenten vor weiterer Verelendung und Kriminalisierung bewahren, und darum geht es doch bei diesem Thema. – Danke.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Präsidentin Ute Pape übernimmt den Vorsitz)

Das Wort hat Herr Zamory.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ziel der Anfrage war eigentlich, Klarheit zu schaffen, was das, was wir in Hamburg hier vereinbart haben, wirklich kostet, und dieses transparent für uns und den Bürger zu machen. Das haben wir nicht in der Vollständigkeit bekommen.

(Dietrich Wersich CDU: Nicht einmal ansatzweise!)

Darüber sind wir auch enttäuscht. Aber der Punkt ist, daß gerade die Punkte, die die BAGS zu vertreten hat, eigentlich am deutlichsten und klarsten waren und Justiz- und Innenbereich Schwierigkeiten hatten, ihren Teil aufzulisten.

(Dietrich Wersich CDU: Tja, deshalb fehlen die Se- natoren!)

Herr Beuß, ich frage mich, ob Sie die Anfrage wirklich richtig gelesen und verstanden haben. Es ging uns darum gegenüberzustellen, was Repression – und dazu sind wir nach Recht und Gesetz verpflichtet – kostet gegenüber dem, was wir an Hilfsmaßnahmen tun.

(Wolfgang Beuß CDU: Nur das Ergebnis fehlt!)

Wenn man das gegenüberstellt und hochrechnet, wie wir es gemacht haben – und das sind immerhin Annäherungswerte, und vielleicht bekommen wir in den Ausschüssen noch etwas mehr heraus, um es noch deutlicher zu machen –, zeigt das den alltäglichen Wahnsinn dessen, was die jetzige Gesetzeslage hergibt. Diesen Wahnsinn schrittweise zu ändern – das ist wahrscheinlich ein gesellschaftlicher Prozeß von 20 bis 30 Jahren, aber der muß ja irgendwann einmal anfangen –, halten wir für sinnvoll und notwendig. Dazu sollte ein Initialpunkt heute durch diese Diskussion gesetzt werden.

Herr Beuß, daß Sie das benutzen, um jetzt auf einzelne Punkte der Hamburger Drogenpolitik unqualifiziert herumzuhacken, da kann man Ihnen wirklich nur sagen: Kehren Sie vor Ihrer eigenen Tür. Ich sagte bereits in der letzten Debatte, daß die Städte Essen und Düsseldorf entgegen der ursprünglichen Zusage aus dem Heroinprogramm aus

(Wolfgang Beuß CDU)

gestiegen sind. Es deutet sich an, daß am kommenden Freitag im Bundesrat das Gesetz zur Legalisierung der Gesundheitsräume an den Stimmen der CDU aus Hessen und Berlin scheitert. Das sind Dinge, wo Sie vor Ihrer eigenen Tür kehren können.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Petra Brinkmann SPD: So ist es!)

Das Wort hat Frau Senatorin Roth.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Drogenpolitik in Hamburg – das ist heute schon mehrmals gesagt worden – basiert auf vier Säulen: Prävention, Therapie, Überlebenshilfe und auch Repression und das im Zusammenwirken. Um aber gleichzeitig Gegenläufigkeiten weitgehendst zu vermeiden, muß man auch sehen, wofür man das Geld ausgibt. Insofern ist es richtig, daß in diesem Zusammenhang mehr Transparenz für alle Beteiligten an diesem Prozeß wichtig ist.

Die Balance, die wir in den einzelnen Bereichen haben, soll auch gewährleisten, daß vor allen Dingen die suchtkranken Menschen entsprechend ihren Notwendigkeiten behandelt werden. Das heißt vor allen Dingen auch, daß wir genau sehen, ob es zwischen dem illegalen und dem legalen Bereich stimmt und ob wir die richtigen Prioritäten setzen. Diese Gratwanderung, die wir heute schon diskutiert haben, ist zwar auch ein finanzielles Problem, aber vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Behandlung von illegalen und legalen Drogen natürlich auch ein gesellschaftliches. Das wissen wir, und Sie, Herr Zamory, haben noch einmal deutlich darauf hingewiesen.

Warum die Auflistung der einzelnen Positionen und deren Zuordnung so schwierig ist, ergibt sich nicht nur daraus, daß wir in den einzelnen Behörden sehr unterschiedliche Einsatzüberlegungen haben.Wir wissen, daß es für die unterschiedlichen Säulen – Therapie im legalen, aber auch im illegalen Bereich – noch andere Kostenträger gibt, beispielsweise Krankenkassen und Rentenversicherung.Man kann hier nicht so klar abtrennen wie beim Polizeieinsatz, in dem gleichzeitig legale oder auch illegale Drogen mit aufgenommen werden.Von daher gibt es in einigen Bereichen sehr viele Schnittstellen, und es ist notwendig, daß wir zu einer besseren Kostenzuordnung kommen. Gleichwohl weiß ich, daß wir in meiner Behörde erste erfolgreiche Schritte getan haben, um die Quantifizierung und die Zuordnung zu den einzelnen Bereichen zu verbessern.

Mit der Einführung von einheitlichen Dokumentationssystemen und der Entwicklung von Ziel- und Leistungszahlen machen wir diesen Versuch und wollen damit mittelfristige Erkenntnisse erreichen.So wird zum Beispiel gesagt, die im einzelnen Segment der Suchtprävention bereitgestellten 8,5 Millionen DM seien zu wenig. Aber gleichzeitig muß man wissen, daß die Krankenkassen Suchtprävention organisieren und der Hamburger Senat dies beispielsweise im Schulbereich – das haben Sie, Herr Beuß, gesagt – und in der Jugendarbeit miteinander verbinden müßte.Dies geschieht zum Teil durch ganz konkrete Projekte. Insofern sagen die 8,5 Millionen DM zum Thema Suchtprävention nicht alles aus, sondern sie sind nur eine Teilmenge des Gesamten. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig zu sehen, daß es nicht alles ist, was hier genannt worden ist, sondern sehr viel mehr. Das gilt auch für die Suchttherapie, für die wir 34 Millionen DM aufgewendet haben. Wir wissen, daß insbesondere die Krankenkassen,

aber auch die Rentenversicherungsträger für diesen Bereich sehr viel mehr Geld aufwenden. Denken Sie an die Entgiftung und an die Entwöhnung von alkoholabhängigen Menschen, die vor allem von den Krankenkassen übernommen wird.

Wie können wir es besser machen, damit wir zu einer besseren Kostenanalyse kommen? Es wird derzeit länderübergreifend daran gearbeitet, zwischen Rentenversicherung, Krankenkassen und den einzelnen Behörden eine einheitliche Definition und vergleichbare Zahlen zu erreichen. Das ist wichtig.

Für den Bereich Repression sind im legalen und illegalen Bereich 34,4 Millionen DM angegeben worden, aber das allein wird nicht ausreichen, denn die Bereiche Staatsanwaltschaft, Strafvollzug und Gerichte müssen noch hinzukommen.Insofern hat die Große Anfrage dazu geführt, daß wir noch einmal intern darüber nachdenken, wie wir das Thema Dokumentation verbessern können. Gleichzeitig sehen Sie, daß auf Bundesebene versucht wird, hier zu einer besseren Transparenz zu kommen. Gleichwohl ist es einerseits eine Frage der Kosten und andererseits eine Frage der Ergebnisse und der Wirkung der Maßnahmen. Dazu gehört vor allen Dingen das Thema der Qualitätssicherung, das auch ausgeführt worden ist.Hierüber haben wir in den letzten Monaten und Wochen bereits differenziert berichtet. Wir können aufgrund unserer Basisdokumentation sagen, daß wir zunehmend mehr abhängige Menschen in der Stadt erreichen und unser differenziertes Suchthilfesystem dazu führt, daß die Menschen diese Hilfe annehmen, insbesondere in den Drogenkonsumräumen.In diesem Zusammenhang – Herr Zamory hat das eben schon gesagt – wird am Freitag im Bundesrat für Hamburg eine sehr wichtige Entscheidung getroffen. Nun wäre ich sehr froh gewesen, wenn Herr Ole von Beust jetzt im Plenum wäre.Dann hätte ich ihm gesagt, wir erwarten von ihm, daß sich die Hamburger CDU auf Bundesebene engagiert, weil sie auch in Hamburg immer mehr Gesundheitsräume fordert. Herr von Beust, setzen Sie sich beispielsweise bei dem Ministerpräsidenten von Hessen, Herrn Koch, dafür ein, daß er sich am Freitag nicht der Stimme enthält, sondern dazu beiträgt, mit seiner Stimme den Weg für eine gesetzliche Änderung freizugeben, mit der dann die Duldung von Gesundheitsräumen in Hamburg möglich wird. Wenn wir das nicht erreichen und im Bundesrat die Gesetzesänderung an der Haltung der CDU scheitert, bedeutet das für Hamburg einen großen Einschnitt im Bereich der Gesundheitsräume.Wenn das eintritt, sollte die Hamburger CDU – bezogen auf dieses Thema – nicht nur vorsichtiger werden, sondern vor allen Dingen auf der politischen Ebene in Bonn dazu beitragen, daß das klappt. Ansonsten müßten wir überlegen, wie wir in Hamburg gemeinsam nach vorne kommen. Ich sehe sehr wenig Spielräume, aber die Spielräume, die wir haben, sollten wir gemeinsam nutzen.Ich bin sehr gespannt, wie sich die CDU in Hamburg verhält, nachdem das Desaster auf Bundesebene schon einmal organisiert worden ist.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die SPD-Fraktion wünscht eine Überweisung an den Gesundheitsausschuß zur federführenden Beratung und zur Mitberatung an den Rechtsausschuß und den Innenausschuß. Ich gehe davon aus, daß ich diese Überweisungen gemeinsam abstimmen lassen kann. Wer möchte so überweisen? – Gegenprobe. – Das war einstimmig.

(Peter Zamory GAL)

A C

B D

Tagesordnungspunkt 37: Antrag der Gruppe REGENBOGEN über Reduzierung krank machenden Verkehrslärms.

[Antrag der Gruppe REGENBOGEN – für eine neue Linke: Verkehrsplanung für die Anwohner/innen: Reduzierung krank machenden Verkehrslärms – Drucksache 16/3714 –]

Wer wünscht das Wort? – Das Wort hat Frau Sudmann.

Der Titel des Antrags ist sogar noch etwas länger. Er heißt: Verkehrsplanung für Anwohnerinnen und Anwohner.

Zwei Drittel aller Bundesbürgerinnen fühlen sich durch Lärm, der aus dem Straßenverkehr kommt, belästigt. Die Zahl der Hamburgerinnen und Hamburger, die durch Verkehrslärm gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausgesetzt sind, dürfte sicherlich in die Zehntausende gehen. Ich sage „dürfte“, weil es hierzu bisher kein eindeutiges Zahlenmaterial gibt.Aber vor kurzem ist der Schallimmissionsplan für Altona öffentlich vorgestellt worden.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Vor drei Jahren!)

Da konnte man erkennen, wie laut es in verschiedenen Straßen ist und wie viele Menschen von Verkehrslärm beeinträchtigt sind.

Was ist das Schlimme am Verkehrslärm? Vielleicht ist Ihnen auch mittlerweile bekannt, welche gesundheitlichen Folgen durch Verkehrslärm entstehen. Das sind zum einen Schlafstörungen – die treten hier im Parlamentslärm nicht so oft auf, gibt es aber auch –, es gibt Beeinträchtigungen des Blutdrucks, es gibt auch eine Erhöhung der Reizbarkeit, der Aggressivität, denn wer schlecht schläft, ist auch nicht so ausgeruht.

Diese gesundheitlichen Risiken betreffen natürlich besonders die Anwohnerinnen und Anwohner lauter und verkehrsbelasteter Straßen. Die Wohnungen an diesen lauten Straßen können nicht so teuer vermietet werden. Deswegen ist der Verkehrslärm vor allen Dingen auch ein Problem von Menschen mit niedrigem Einkommen, die nämlich auf diese preisgünstigen Wohnungen angewiesen sind. Man kann dann im Endeffekt nur feststellen, es gibt in dieser Stadt eine räumlich ungleiche und vor allem ungerechte Verteilung von Lebensqualität. Dieser ungerechten Verteilung von Lebensqualität muß mit kurzfristig entlastenden Maßnahmen für die Anwohnerinnen und Anwohner begegnet werden.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Welche Maßnahmen kann man treffen, um den Verkehrslärm zu reduzieren? Da gibt es eine ganze Palette. Zum einen wird der Verkehr leiser, wenn er nicht so schnell fährt. Also kann man die Tempo-30-Zonen – Herr Polle nickt – auch weiter auf die Hauptverkehrsstraßen ausweiten. Man kann, was in Berlin zum Beispiel gerade in einem Modellversuch gemacht wird – da ist Berlin weiter als Hamburg –, nächtliche Durchfahrtsverbote für Lkws erlassen, was sicherlich für viele Menschen ein gewaltiger Ruhegewinn wäre. Nicht zu vergessen sind der Rückbau von Straßen und Straßenverkehrslenkungsmaßnahmen.

Was keine Maßnahme zur Reduzierung des Verkehrslärms ist, möchte ich der Umweltbehörde erzählen. – Wenn Herr Wagner jetzt Herrn Porschke nicht so sehr ablenkt, bekommt Herr Porschke das auch mit. – Die Umweltbehörde

hat nämlich unter der Überschrift „Für Lärm ein offenes Ohr!“ eine wunderbare Pressemitteilung veröffentlicht, in der sie alle möglichen Lärmquellen aufzählt. Da heißt es:

„Wer gerne bei offenem Fenster schläft, aber durch nächtlichen Straßen- und Fluglärm gestört wird, kann die Frischluft auch durch einen geräuschlos arbeitenden Lüfter hereinlassen – und den Lärm einfach aussperren.“

Bestechend einfach. Es ist aber überhaupt nicht bestechend einfach für die Menschen, die ich vorhin gerade erwähnt habe, die wenig Geld haben und sich keinen Lüfter kaufen können. Aus Sicht der Umweltbehörde finde ich es nicht bestechend, wenn sie dazu aufruft, mehr Energie zu verschwenden, außer sie versucht, den Atomstrom besser an den Mann oder an die Frau zu bringen. Ich muß doch an der Ursache ansetzen und nicht an der Wirkung, und die Ursache ist der Lärm, der durch den Straßenverkehr entsteht.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)