Protokoll der Sitzung vom 24.11.2004

siehe Anlage 1 Seite 833.

Lassen Sie mich kurz die wesentlichen Eckpunkte dieses Papiers benennen. Zum einen erhalten die beruflichen Schulen aufgrund der bislang positiven Erfahrungen – ich nenne nur mal den Bereich der Bauunterhaltung – ein deutlich höheres Maß an Selbstständigkeit. Sie dürfen beispielsweise zukünftig eigenverantwortlich Bildungspläne und Stundentafeln gestalten. Sie erhalten auch ein eigenes Budget und sie werden entweder in selbstständige Anstalten öffentlichen Rechtes oder in Landesbetriebe umgewandelt.

Der Erfolg der beruflichen Schulen wird künftig stärker als heute an den Ergebnissen gemessen. Gleichzeitig wird eine externe Schulevaluation – also ein Schul-TÜV, was Frau Ernst erfreuen wird, – dafür sorgen, dass die größere Selbstständigkeit zu besseren und nicht zu schlechteren Ergebnissen führt. Durch die Schaffung von zwei Abteilungen in den beruflichen Schulen wird sichergestellt, dass die Wirtschaft dort ein Mitspracherecht erhält, wo sie als Partner in der Berufsausbildung eine wichtige Rolle spielt und auch nur dort.

Die Freie und Hansestadt Hamburg bleibt Dienstherrin und Arbeitgeberin für das Personal, der Schulleiter bleibt Dienstvorgesetzter des Personals. Ich glaube, deutlicher kann man die Verantwortung des Staates kaum noch festschreiben.

(Beifall bei der CDU)

Darüber wird ein sehr schlankes Landesinstitut für Berufsbildung diese selbstständigen Schulen koordinieren und unterstützen. Der Leiter dieses Landesinstitutes wird direkt dem Amtsleiter für Bildung unterstehen und damit der staatlichen Aufsicht.

Sowohl das Kuratorium als auch der Schulvorstand der Abteilung, die für die duale Berufsausbildung zuständig sind, werden je zur Hälfte mit Vertretern der Stadt beziehungsweise der Schule und mit Vertretern der Wirtschaft besetzt. Diese Besetzung entspricht genau der Verankerung des Konsensgedankens der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Staat, wie wir sie für die duale Berufsausbildung brauchen. Auf Vorschlag der CDU, deren ganz besonderes Anliegen das Mitspracherecht von Berufspraktikern ist, werden vonseiten des Staates zwei Berufschulleiter mit in das Kuratorium aufgenommen.

Last but not least, die letzte Verantwortung bleibt uneingeschränkt bei der Bildungssenatorin. Ich glaube – und das fällt auch auf –, dass selbst den Gewerkschaften zu unserem Eckpunktepapier zumindest inhaltlich keine ernsthafte Kritik mehr eingefallen ist. Hinter vorgehaltener Hand – das weiß ich von vielen Gesprächen mit den Gewerkschaften – hört man zum Inhalt unseres Papiers sogar einiges Wohlwollen, wenn natürlich auch kein völliges Einverständnis.

Natürlich haben sich die Gewerkschaften in alter Tradition die Drittelparität gewünscht, Herr Pumm. Sie haben sich aber leider nicht getraut, genau dieses auch in ihrem eigenen Volksbegehren klar und deutlich zu verankern. Die Gewerkschaften haben sich eben nicht getraut, den Bürgern zu sagen, dass der Kampf gegen die vermeintliche Machtübernahme der Wirtschaft in Wirklichkeit eigentlich ein Kampf für den Machterhalt der Gewerkschaften war, denn sonst, wenn es ihnen wirklich um den Text des Volksbegehrens gegangen wäre und um die dort verankerten Inhalte, müssten die Gewerkschaften eigentlich öffentlich aufstehen und dem Senat und der CDU

Fraktion für die hundertprozentige Erfüllung ihrer Forderung danken.

(Beifall bei der CDU)

Wer jetzt hingegen wie die GEW von Schwindel spricht, weil wir uns am Text des Volksbegehrens orientiert haben,

(Klaus-Peter Hesse CDU: Denen ist nur schwindelig!)

der muss sich fragen, ob nicht vielleicht er derjenige ist, der den Bürger beim Volksbegehren beschwindelt hat. Woran hätten wir uns denn sonst orientieren sollen? Ich hingegen kann heute klar und auch ein bisschen stolz feststellen, dass die CDU ohne Abstriche das Volksbegehren und die berechtigten Wünsche der Wirtschaft sowie der beruflichen Schulen erfüllt. Sie ist auch im Zeitplan des Ausbildungskonsenses, den ich angesichts der wirklich nicht einfachen Lage am Ausbildungsmarkt für außerordentlich wichtig halte.

Natürlich ist der Reformprozess damit noch nicht am Ende, sondern er steht erst am Anfang. Wie entwickeln wir die Berufsfachschulen weiter? Wie schaffen wir Angebote für theoretisch weniger begabte Schüler? Wie können wir die duale Berufsausbildung in der künftigen Konkurrenz zum Bachelor stärken? Das alles sind wichtige Fragen, denen die Bildungsbehörde zusammen mit dem neuen Landesinstitut für Berufsbildung und den einzelnen Berufschulen künftig weiterhin intensiv nachgehen werden.

Ich danke heute erst einmal allen Beteiligten auf allen Seiten für die konstruktiven Gespräche. Ich danke der Senatorin, die hier sehr zielstrebig den Prozess vorangebracht hat, dem Bürgermeister, der geholfen hat, wenn es eng wurde, und auch der Opposition, dass sie diesen Punkt heute frühzeitig auf die Tagesordnung gesetzt hat, sodass wir nicht am Rande der Haushaltsberatungen über dieses wichtige Thema abstimmen müssen.

Ich danke auch ganz besonders der Wirtschaft, die weiterhin hier in Hamburg intensiv daran arbeitet, allen ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen jungen Menschen ein Angebot auf Ausbildung zu machen, und zwar mit Erfolg. Allein in der Handelskammer konnte man bis jetzt vier Prozent mehr Ausbildungsverträge registrieren als im letzten Jahr. 1100 neue Arbeitsplätze konnten zum Teil durch sehr intensive Akquisition vor Ort gewonnen werden. Ich glaube, so müssen wir uns in Hamburg eine wirklich gute Partnerschaft im Interesse der jungen Menschen vorstellen. – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Herr Pumm hat jetzt das Wort.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Gewerkschafts-Pumm! Jetzt gibt’s Lob und Anerkennung!)

Verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Das erfolgreiche Volksbegehren „Bildung ist keine Ware“ hat einiges klar gemacht. Es gibt in unserer Stadt sehr viele Menschen, die bereit sind, sich politisch zu engagieren. Sie sind an Politik interessiert, aber sie wollen auch bei allen Belangen, wo sie unmittelbar betroffen sind, Einfluss nehmen. Daher haben über 120 000 wahlberechtigte Bürgerinnen und

Bürger dem Volksbegehren zugestimmt und Sie dadurch nun in die Situation gebracht zu handeln.

Ich frage mich, welche Lehren Sie in den letzten zwei Jahren aus den Volksinitiativen, Volksbegehren und den Volksentscheiden gezogen haben. Ich habe den Eindruck, dass Sie sich mit der direkten Demokratie, die es nun einmal hier in unserer Stadt gibt, noch lange nicht angefreundet haben. Ihre Reaktion ist jetzt von Panik geprägt.

(Michael Fuchs CDU: Ach, herrje! – Klaus-Peter Hesse CDU: Unsere Reaktion ist eher von Lange- weile aufgrund Ihrer Rede geprägt!)

Sie wollen de facto das Volksgebungsgesetz aushebeln und ich denke, dass sich die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt dieses Recht nicht mehr nehmen lassen werden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und der GAL)

Was hat dazu geführt, dass die CDU heute diesen Zusatzantrag in das Parlament eingebracht hat?

Wir erinnern uns: Damals in der Zeit von von Beust, Schill und Lange gab es die Jesteburger Beschlüsse, wo Sie quasi die Privatisierung der beruflichen Schulen beschlossen haben. Sie, als CDU, wollten sich damals wahrscheinlich in Sachen Mitbestimmung als eine besondere Art von Partei profilieren, und zwar nach dem Motto „mehr Mitbestimmung in Arbeitgeberhand“. So war das aber mit der Mitbestimmung nicht gemeint und von daher, denke ich, haben Sie damals schon einen falschen Weg eingeschlagen.

Es erfolgte dann im November 2003 die erfolgreiche Volksinitiative. Diese haben Sie nicht ernst genommen. Sie haben auch damals nicht mit den Initiatoren gesprochen. Dann kamen Ihre selbst ausgelösten Turbulenzen mit Schill und Lange, die dann zu den Neuwahlen führten, und am Tag der Neuwahl gab es diesen Volksentscheid „LBK“. Damals mussten Sie schmerzhaft erleben, dass Ihre Wähler als CDU-Wähler bei der CDU das Kreuz machten und im gleichen Augenblick sich die Hälfte Ihrer Wähler dann dem Volksentscheid angeschlossen haben. Diese Aussage aus Ihrer Wählerschaft müsste Sie nachdenklich machen. Ihre Wähler haben ganz bewusst CDU gewählt, aber auch ganz bewusst gesagt, den Landesbetrieb Krankenhäuser dürft Ihr nicht verkaufen.

(Robert Heinemann CDU: Thema!)

Dann haben Sie einen neuen reinen CDU-Senat gebildet und haben sich aus Berlin Frau Dinges-Dierig geholt. Ganz frisch und unverdorben hat sie sofort analysiert, was es zum Thema berufliche Schulen in der Behörde gibt.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Das war ein guter Schachzug, da staunen Sie!)

Ihre erste Reaktion als Senatorin war, das es dort gar keine Schwachstellenanalyse gibt. Es gibt auch keine Stärkenanalyse. Wie kann man dann eine so weitreichende Entscheidung ohne ein fundamentales Gerüst fällen?

(Wolfgang Beuß CDU: Ja, so ist es halt!)

Dadurch kamen Sie nun ins Schleudern. Das Problem der Senatorin war, dass sie dann bei der Handelskammer sofort einen Termin bekam. Dort wurden die Kräftever

hältnisse zurechtgerückt und Ihre Ansicht wurde zurechtgestutzt. Danach mussten Sie in das Mauseloch verschwinden

(Wolfgang Beuß CDU: Das ist doch Blödsinn!)

und haben sich den gegebenen Fakten in dieser Stadt hingegeben.

(Beifall bei Gerhard Lein SPD)

Dann im Juni 2004 kam das nächste Ereignis, dass Prof. Dr. Sterzel ein Gutachten ablieferte und Ihrem Ansinnen den Stempel aufdrückte „verfassungswidrig“. Das war ein Problem für Sie.

Dann kam das Volksbegehren. Was Sie bestimmt bei dem Thema berufliche Schulen nicht bedacht hatten, das ja nicht im Zentrum der öffentlichen Meinung steht, dass 120 000 Menschen ihre Stimmen gaben. 120 000 haben sich dafür engagiert. Das war enorm. Heute legen Sie nun den Zusatzantrag vor, wollen jetzt Fakten schaffen und sagen, Hamburgs staatliche berufliche Schulen werden nicht auf eine Stiftung oder einen anderen Träger übertragen. Eine Privatisierung ist nicht vorgesehen. Weiterhin sagen Sie, dass die Bürgerschaft gemäß Paragraph 18 Absatz 1 Satz 2 des Hamburgischen Gesetzes über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid feststellt, dass der Beschluss zu 1 der Initiative „Bildung ist keine Ware“ entspricht. Ich habe den Eindruck, dass diese Aussage von Ihnen mit den Initiatoren nicht abgestimmt war. Sie mussten sich aber entscheiden und etwas dazu sagen. Daher blieb Ihnen in der Konsequenz Ihrer Vorgehensweise auch nichts anderes übrig, als so zu verfahren, wie Sie es gemacht haben. Die Initiatoren haben sich sofort geäußert und gesagt: „Alter Wein in neuen Schläuchen“. In Wahrheit haben Sie auch tatsächlich diesem Stiftungsmodell nur einen neuen Mantel übergestülpt, aber Sie sind stringent dabei, Ihr eigentliches Ziel weiterzuverfolgen, was zu einer subkutanen Privatisierung der beruflichen Schule führt.

(Beifall bei der SPD und bei Christa Goetsch GAL)

Ihr Vorgehen ist zumindest verfassungsrechtlich bedenklich, wenn nicht sogar verfassungswidrig. Wir als SPDBürgerschaftsfraktion, Frau Senatorin, erwarten nun von Ihnen eine Stärke- und Schwächeanalyse der beruflichen Schulen, damit wir aufgrund Ihrer Erkenntnisse und Ihrer Einschätzung auch fundiert und fachgerecht handeln können. Eines steht auf jeden Fall fest: Die Interessen, die Sie verfolgen, insbesondere mit der Handelskammer, entsprechen nicht der Interessenlage der 56 000 Berufschüler und schon lange nicht der Interessenlage der 35 000 jungen Menschen, die sich im dualen Ausbildungssystem befinden. Aus diesem Grund lehnen wir Ihren Antrag auch ab.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort hat jetzt Frau Goetsch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kann mich an dieser Stelle erst einmal ganz besonders freuen, dass wir wieder über ein weiteres erfolgreiches Volksbegehren diskutieren. Letztlich ohne das Engagement und ohne das Begehren der Bürger „Bildung ist keine Ware“ wäre das Durchregieren der Handelskammer kaum gestoppt worden.

Wir haben über 120 000 Stimmen gegen eine Privatisierung beziehungsweise gegen eine Übermacht der Wirtschaft zum Anlass genommen, jetzt in unserem gemeinsamen Antrag den Senat aufzufordern, neben der Trägerschaft, die bei Ihnen anscheinend immer nur im Vordergrund steht und was Herr Pumm soeben auch schon erwähnte, die Stärken- und Schwächenanalyse vorzulegen, um gerade die Ausbildung der Jugendlichen in Hamburg besser zu machen. Sie haben die Trägerschaft in den Vordergrund gestellt und bleiben sich hier treu,