Protokoll der Sitzung vom 02.02.2005

Ich möchte meinen Beitrag zu dem Bericht des Eingabenausschusses nicht beenden, ohne nicht auch noch Worte des Dankes zu finden. Frau Präsidentin, ich hoffe, dass ich keinen großen Fauxpas begehe, wenn ich zu

nächst einmal Worte des Dankes an den Eingabendienst finde, – namentlich an Frau Friederike Geyer, die das alles mit einer bewundernswerten Sorgfalt so vorbereitet hat –, dass wir auf der Reise alle Punkte so wahrnehmen konnten, wie wir uns das gewünscht hatten.

(Beifall im ganzen Hause)

Dann möchte ich noch einen ganz herzlichen Dank an unsere Juristin, Frau Dr. Ina Tjardes, für die Begleitung, für den Rat und den Bericht in der Drucksache 18/1501 aussprechen, den sie ganz maßgeblich gestaltet hat,

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD und der GAL)

dessen Lektüre die Reiseteilnehmer jeden einzelnen Punkt noch einmal neu erleben lässt. Ein Dankeschön geht auch an die Delegation, an Frau Cords, Frau Möller und Herrn Grapengeter. Es war harmonisch und angenehm mit Ihnen. Es ließ mich in Ihrem Kreise bestimmte Eindrücke leichter ertragen, die sonst nicht so einfach zu ertragen sind. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort erhält Frau Cords.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Viel anderes kann ich dem Bericht von Herrn Ploog nicht hinzufügen. Aber trotzdem lassen Sie mich den Bericht mit meinen Worten ergänzen und kommentieren.

Der Eingabenausschuss legt hier einen Bericht über eine besondere Reise mit humanitärem Hintergrund vor. Das ist das Besondere an dieser Reise. Der ausführliche Bericht spricht für sich. Ich möchte einige Bemerkungen zu den Beweggründen der Reise hinzufügen.

Die Empfehlung, dass dieser Bericht von allen Abgeordneten auch als Grundlage für ihre Arbeit in anderen Ausschüssen dienen kann, möchte ich nur am Rande einfügen.

Schon seit Anfang 2003 bestand bei Mitgliedern des Eingabenausschusses der Wunsch, die Lebensverhältnisse in einigen Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Eine große Anzahl der Eingaben von Kriegsflüchtlingen aus dem Balkankrieg, die durch den Hamburger Senat beziehungsweise die Behörden immer drängender zur Rückkehr in ihre Heimatländer aufgefordert wurden, mussten im Eingabenausschuss entschieden werden. Eine Diskrepanz zwischen den Schilderungen der Petenten über die Lebensbedingungen in den Nachfolgestaaten einerseits und den offiziellen Lageberichten des Auswärtigen Amtes beziehungsweise der Innenbehörde andererseits war offensichtlich. Berichte über schreckliche Lebenssituationen von Minderheiten erreichten die Öffentlichkeit. Schilderungen von zurückgekehrten deutschen Brigadeeinheiten des KAFOR-Einsatzes in Serbien-Montenegro zeigten ebenfalls ein abweichendes Bild.

Den Mitgliedern im Eingabenausschuss war aufgrund dieser unterschiedlichen Schilderungen eine eigene VorOrt-Einschätzung als Grundlage für die Beratungen und Beschlüsse über zur Rückkehr verpflichtete Jugoslawienflüchtlinge von zunehmender Bedeutung. Endlich konnte

diese Reise im Oktober 2004 nach einigen politischen, administrativen Hakeleien stattfinden.

Unsere kleine Delegation hat sich in nicht weniger als 26 offiziellen Gesprächen durch beeindruckende Schilderungen von hochrangigen Vertretern des Internationalen Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen, von freiwilligen Nichtregierungsorganisationen – zum Beispiel vom Roten Kreuz – über deren Tätigkeit informiert. Ebenso haben uns Vertreter von deutschen Bundesbehörden über ihre Aufgaben und Projekte in Serbien-Montenegro und im Kosovo ausführlich berichtet.

Unsere Delegation konnte so umfassende Eindrücke über das Gesundheitssystem, die Wohnverhältnisse, über das Schulwesen und die Arbeitsmöglichkeiten in SerbienMontenegro gewinnen. Natürlich ist die Betrachtungsweise durch die Brille hoch motivierter Berater und Mitarbeiter geprägt, aber sie ergeben in der Gesamtschau ein realistisches, einheitliches Bild der komplexen und schwierigen Lage, in der sich das Land immer noch befindet. Oft war es der Delegation möglich, durch eigene Kontakte und Gespräche mit Rückkehrern aus Deutschland diese Schilderung zu vertiefen. Nun komme ich zu einem Fazit dieser Reise.

Erstens: Die Abgeordneten haben in wenigen Tagen die diplomatischen, hoch offiziellen Lageberichte des Auswärtigen Amtes überprüfen können.

Erkenntnis: Zwischen den Zeilen zu lesen, ist eine Kunst. Die Gelegenheit zu haben, sich vor Ort kundig zu machen, ist weiterhin wichtig und notwendig.

Zweitens: Auf der Grundlage der gesetzlichen Rückkehrverpflichtung der ehemaligen Kriegsflüchtlinge sollte die Umsetzung der Durchführung zielbezogener vermittelt werden.

Für die Volksgruppe der Roma könnten hier zum Beispiel im Rahmen der Rückführung Erleichterungen für die Reintegration in ihre ehemaligen Heimatregionen gestaltet und damit erleichtert werden. Mit Zertifikaten beziehungsweise Zeugnissen wie Geburtsurkunden der in Deutschland geborenen Kinder, Aufenthalts- beziehungsweise Meldebescheinigungen ist eine Eingliederung in die serbischen Sozialsysteme schneller möglich.

Die stellvertretende Ministerin für Menschen- und Minderheitenrechte der Staatenunion Serbien und Montenegro appellierte in diesem Zusammenhang noch einmal eindringlich an die Hamburger Delegation, keine ernsthaft erkrankten Personen zurückzuführen, leicht erkrankte Personen für eine Übergangszeit mit Medikamenten auszustatten und – ein weiterer Appell – bis auf Weiteres keine Personen nach dem Kosovo abzuschieben. Eine besondere Verantwortung muss dabei den traumatisierten Kriegsflüchtlingen zuteil werden.

Drittens: Die Akzeptanz für eine freiwillige Rückkehr der Kriegsflüchtlinge aus Hamburg muss durch Beratung und gezielte Vorbereitung unterstützt werden.

Das Interesse der Abgeordneten für diese Reise war – soweit ich das feststellen konnte; das hat auch Herr Ploog schon angedeutet – nicht von parteipolitischen Interessen geprägt. So könnten die Ergebnisse dieser Reise konstruktiv für die Betroffenen in die Entscheidungen und Beschlüsse im Eingabenausschuss einfließen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen besonderen Dank – außer dem Dank, den Herr Ploog den Mitarbei

tern des Eingabendienstes ausgesprochen hat – anschließen. Diese Reise wäre ohne die Vorbereitungen und die Hilfe der Mitarbeiter der Deutschen Botschaft in Belgrad und dem Deutschen Verbindungsbüro im Kosovo, die für die Sicherheit und die Vielzahl der Gespräche gesorgt haben, so nicht möglich gewesen. Deshalb unser besonderer Dank auch dorthin. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD, der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort erhält Frau Möller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir kommen nach dieser gemeinsamen Reise um das Fazit, Verantwortung zu übernehmen, nicht herum.

Hamburg hat nicht nur eine kleine Delegation des Eingabenausschusses in das ehemalige Jugoslawien geschickt, sondern auch die Ausländerbehörde war mit einer Delegation zumindest in Serbien. Das bedeutet einmal mehr, dass es gemeinsam darum gehen muss, aus diesen Eindrücken, die ich ganz ähnlich sehe, wie sie von Frau Cords und Herrn Ploog geschildert wurden, aus dem Erlebten ein Fazit zu ziehen, das zum politischen Handeln führt. Das fehlt aus meiner Sicht bei Ihrem Beitrag, Herr Ploog.

Es ist schwer, sich über das Erlebte zu streiten, aber es ist sicherlich notwendig, über das politische Fazit zu streiten. Damit will ich einmal beginnen.

Alle drei Länder haben sehr deutlich gesagt, dass es für ethnische Minderheiten Probleme unterschiedlichen Ausmaßes gibt, die uns zum politischen Handeln zwingen. Alle drei Länder haben gesagt, dass vor allem die medizinische Versorgung für die Zurückgekehrten teilweise dramatische Situationen zur Folge hat. Der Zugang zum System in Bezug auf die medizinische Betreuung, aber auch zum Sozialsystem insgesamt – wie beispielsweise zu den Renten und anderen Unterstützungen, mögen sie auch noch so gering sein – ist nicht ausreichend gewährleistet. Therapie- und Behandlungsmöglichkeiten gibt es teilweise gar nicht oder nur sehr eingeschränkt.

Der Zugang zur Bildung – das ist mindestens so dramatisch – für die zurückgekehrten vor allem für die Jugendlichen und die Kinder ist nahezu nicht gegeben. Lediglich in Montenegro gibt es eine Schulpflicht, die für die ethnischen Minderheiten auch durchgesetzt wird.

Zu dieser Aufzählung, die nicht vollständig ist, kommt als letzter Punkt das Thema Obdachlosigkeit. Die meisten der Rückkehrerinnen und Rückkehrer, die einer ethnischen Minderheit angehören, leben in Sammelunterkünften, in Flüchtlingslagern und sie haben nicht die Möglichkeit, zu eigenem Wohnraum zu kommen.

Das sind Probleme, auf die uns nicht nur die schon genannten Ministerien oder sonstigen Vertreterinnen und Vertreter von Institutionen der einzelnen Länder aufmerksam gemacht haben, sondern die internationalen Institutionen, die vor Ort sind. Der UNHCR, UNMIG und auch die jeweiligen deutschen Vertretungen vor Ort haben sehr deutlich über diese Probleme mit uns geredet. Das heißt wieder, dass an dieser Stelle politisches Handeln gefragt ist.

Ich vermisse von der CDU eine Initiative. Es reicht nicht zu sagen, die Fälle im Eingabenausschuss mit dem Senat ganz gut hinzukriegen, der – ich wiederhole das noch einmal – seine eigene Reise gemacht, deswegen die Eindrücke genauso wie wir mitgenommen hat und diese natürlich sofort in administratives Handeln umsetzen könnte. Er tut das nicht. Deswegen muss man deutlich sagen, dass es hier eine politische Initiative von Hamburg geben muss, die zum Beispiel auf alle anderen Innenminister in Bezug auf das Thema – um einen Aspekt zu nennen – medizinische Versorgung übergehen sollte.

Wir haben im Kosovo erfahren, dass es in Dänemark ein Verfahren gibt, wo alle Personen, die abgeschoben werden sollen, weil sie nicht freiwillig zurückkehren wollen, einem unabhängigen medizinischen Gutachter vorgeführt werden, um den tatsächlichen Gesundheitszustand so beschreiben zu können, dass die Organisationen, die im Kosovo – also vor Ort – Hilfe und Betreuung organisieren, davon ausgehen können, dass die Beschreibung des Gesundheitszustands auch dem tatsächlichen entspricht. Das wäre aus meiner Sicht eine politische Initiative, die in Hamburg gestartet werden sollte. Das kann die Mehrheit in diesem Parlament mit Leichtigkeit tun und es würde den Senat auch überzeugen können. Diese Initiative fehlt. Das ist bedauerlich.

Für Serbien gilt insbesondere, dass Rückreisen in jeder Form – auch das ist hier schon gesagt worden – nur dann stattfinden können, wenn die für die Registrierung notwendigen Dokumente vorhanden sind. Das geht zurück bis zu den Schulzeugnissen, die sicherlich nicht alle Familien hier über die letzten zehn oder 14 Jahre gesammelt haben. Das heißt, auch hier wäre eine politische Initiative notwendig.

Es ist der Ausländerbehörde sehr deutlich zu machen, dass es nicht reicht, Passersatzpapiere zu besorgen, sondern es muss dafür gesorgt werden, dass den Ausreisenden die notwendigen Dokumente zwar nicht zur Verfügung gestellt – sie müssen sie im Grunde genommen selbst besorgen –, aber es muss ihnen dazu die Gelegenheit gegeben werden, bevor sie abgeschoben werden. Sonst enden die Familien dort im Flüchtlingslager oder in der Obdachlosigkeit. Das können wir nicht verantworten. Wir waren vor Ort und wissen, wohin die Personen geschickt werden. Es wäre für die Mehrheitsfraktion leicht, diese Initiative zu starten.

(Beifall bei der GAL)

Es reicht zum Beispiel auch nicht aus, dass die Ausländerbehörde – seitdem der Hinweis von uns kam – nicht einfach jeden, der aus dem ehemaligen Jugoslawien kommt, nach Belgrad zurückschickt, sondern dass es weiter sehr wohl einen Unterschied macht, ob ein Kosovo-Serbe nach Belgrad geschickt wird oder ob ein Roma ins Kosovo oder nach Montenegro abgeschoben werden soll. Jetzt gibt es für die Einzelfälle, die der Eingabenausschuss behandelt, die Möglichkeit, tatsächlich einen Albaner, der ins Kosovo zurück möchte, auch nach dort und nicht automatisch nach Belgrad zu schicken. Herr Ploog hat gesagt, dass hier die Zusammenarbeit verbessert worden sei. Aber das reicht doch bei weitem nicht aus.

Sie haben die Zahl von 2000 Personen genannt, die insgesamt ausreisepflichtig sind. Wir behandeln doch nicht jeden Fall im Eingabenausschuss. Hier muss sich politisch darüber verständigt werden, dass das automatisch gemacht wird. Bevor die Abschiebung durchgeführt

wird, hat die Ausländerbehörde automatisch zu klären, zu welchem Zielflughafen diese Personen oder diese Familien geschickt werden wollen oder können. Es kann nicht davon abhängig sein, ob dieser Fall dem Eingabenausschuss vorliegt.

Die zweite Aufgabe, die ich der Ausländerbehörde zuschieben möchte, ist das Weitertragen dieser Informationen an die Innenministerkonferenz. Ich weiß nicht, wie Sie, meine Damen und Herren von der CDU und auch von der SPD, mit diesem Bericht umgegangen sind. Ich habe mir erlaubt, meine Fraktionskolleginnen von den Grünen in den anderen Landtagen über diese Reise zu informieren. Dort gibt es genau die gleichen Probleme, wie wir sie haben. Und ich habe mir auch erlaubt, das Auswärtige Amt zu informieren. Ich bin nicht optimistisch, dass das große Auswirkungen haben wird. Aber wir könnten diese Initiative gemeinsam voranbringen und wenn Sie genau das Gleiche tun, wenn Sie die anderen Länderparlamente über unsere Reise informieren und ihnen die Kenntnisse, die wir jetzt haben, auch zukommen lassen, dann kann es auch eine Innenministerkonferenz geben, die sicher nicht "Abschiebung – Ja oder Nein" diskutiert, wohl aber über die Situation, in die man die Leute zurückschickt. Es muss darüber diskutiert werden, was man verantworten kann und was nicht. Das mag in zwei Jahren alles anders sein, aber im Moment sieht es ja so aus, als wenn sich die politische Situation eher zuspitzt. Ich nehme an, Sie haben das auch in der Zeitung verfolgt. Wir sind hier in der Verantwortung, unser Wissen weiterzugeben und es auch politisch umzusetzen. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Herr Ploog, bitte.

Frau Möller, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein ordnungsgemäßes Verwaltungshandeln hat natürlich dazu geführt, dass die Landesparlamente der Bundesrepublik unterrichtet worden sind, auch durch Übersendung dieses Berichtes. Ich gehe davon aus, dass wir auf der Tagung der Vorsitzenden und Schriftführer der Petitionsausschüsse des Bundes und der Länder im Oktober in Berlin darüber sprechen werden. Insofern ist es schon auf einen Weg gebracht.

(Doris Mandel SPD: Das ist noch so lange hin!)