Nach meinem heutigen Wissensstand gibt es keinerlei Anlass anzunehmen, dass es einen derartigen Vorgang in hamburgischen Gefängnissen gegeben habe. Angesichts der gravierenden Schwere des Vorwurfs und der Tatsachenbasis, die sich für mich derzeit klipp und klar darstellt, dass es für diese Vorwürfe keinen Anlass gibt, bitte ich diejenigen, die diese Vorwürfe erhoben haben, einmal darüber nachzudenken, ob es nicht Anlass gibt zu einem Wort der Entschuldigung,
Entschuldigung nicht mir gegenüber, sondern gegenüber den Bediensteten des hamburgischen Strafvollzugs. Ich meine, die Bediensteten des hamburgischen Strafvollzugs haben ein Recht auf Entschuldigung.
Damit Sie sich vorstellen können, was sich hinter den Mauern des geschlossenen Strafvollzugs abspielt – Gott sei Dank nicht Tag für Tag, Gott sei Dank auch nicht Woche für Woche, aber leider, über den Daumen gepeilt, statistisch gesehen ungefähr einmal pro Monat –, möchte ich Ihnen aus einem Bericht vorlesen, den der Leiter der Untersuchungshaftanstalt anlässlich eines der drei Vorfälle verfasst hat. Lesenswert und vortragenswert ist dieser Bericht aus meiner Sicht deswegen, weil der Verfasser, der Leiter der Untersuchungshaftanstalt, nicht wissen konnte, dass dieser Bericht einmal öffentlich wird. Es ist ein reiner Routinebericht der Untersuchungshaftanstalt an das Strafvollzugsamt. Das Einzige, was ich aus datenschutzrechtlichen Gründen geändert habe – ansonsten lese ich trotz gewisser hölzerner Formulierungen Wort für Wort vor –, sind die Namen.
"Der Untersuchungsgefangene van Dijk wurde am 9. November 2004 gegen 7.40 Uhr unter Anwendung unmittelbaren Zwanges auf die hiesige Beobachtungs- und Sicherungsstation verbracht und dort im besonders gesicherten Haftraum B II/11 an die Bettstatt gefesselt. Der Gefangene hatte den Bediensteten Stein zum besagten Zeitpunkt während der Frühstücksausgabe angegriffen, indem er unmittelbar nach Öffnen der Haftraumtür durch den Bediensteten die Zellentür aufriss und den Bediensteten in den Haftraum hineinzog, diesen an dessen Kleidung ergriff und zu Boden schlagen wollte, was dieser jedoch verhindern konnte. Anschließend stürmte der Gefangene, Beschimpfungen schrei
end, erneut auf den Bediensteten zu. Der Bedienstete und der Gefangene prallten daraufhin gegen das Gitter des Stationsflures und dem Bediensteten gelang es, den Gefangenen soweit festzuhalten, dass dieser ihn nicht schlagen konnte. Der in Sicht positionierte Vollzugs-Abteilungsleiter III, Herr Feldmann, eilte nach Alarmauslösung sofort zum Ort des Geschehens und ergriff den Gefangenen mit beiden Händen an dessen linker Schulter und zerrte den Gefangenen ein Stück vom Bediensteten Stein fort. Der Vollzugs-Abteilungsleiter Feldmann forderte den Gefangenen vergeblich auf, seinen Widerstand aufzugeben. Unmittelbar danach gelang es dem inzwischen herbeigeeilten Bediensteten Scholz, den Gefangenen zunächst mittels eines Haltegriffs am Hals weiter vom Bediensteten Stein wegzuziehen, um dann nach Lösung des Haltegriffs am Hals den rechten Arm des Gefangenen in einen Haltegriff zu nehmen. Dem Bediensteten Stein gelang es dann, den linken Arm des Gefangenen in einen Haltegriff zu nehmen. Abgesichert unter anderem durch den Bediensteten Lutz wurde der Gefangene, weiterhin heftigen Widerstand leistend, dann durch die Bediensteten Scholz und Stein auf die Beobachtungs- und Sicherungsstation B II verbracht, wo er im Haftraum B II/19 durch mehrere Bedienstete entkleidet wurde. Dabei leistete der Gefangene weiterhin heftigen Widerstand und schrie laut. Daraufhin ordnete der für die Station B II zuständige Vollzugsabteilungsleiter Burg die Verbringung des Gefangenen in den Haftraum B II/11 und die Fesselung an die Bettstatt an. Die Fesselung wurde durch die Bediensteten Franz (rechter Arm), Scholz (linker Arm), Lutz (linkes Bein) und Stein (rechtes Bein) vorgenommen. Die Fesselung des Gefangenen war erforderlich, da der Insasse während der gesamten Aktion weiterhin massiven Widerstand leistete, hochgradig aggressiv war, versuchte die Bediensteten zu schlagen und eine minderschwere Maßnahme nicht in Betracht kam, da weiterhin zu erwarten war, dass der Gefangene erneut Bedienstete angreift, sobald auch nur der Haltegriff gelöst wurde. Anlässlich des geschilderten Vorfalls zog sich der Bedienstete Scholz eine kleine Risswunde an der rechten Hand zu. Der Bedienstete Lutz zog sich eine leichte Schürfwunde an der rechten Hand zu. Der Bedienstete Stein erlitt eine Zerrung am rechten Handgelenk und eine Prellung am rechten Zeigefinger. Der Ambulanzarzt, Herr Axel, wurde gegen 7.50 Uhr von dem Vorfall unterrichtet. Er begutachtete den Gefangenen gegen 7.55 Uhr im Haftraum B II/11. Der Zustand des Gefangenen ließ jedoch zunächst keine körperliche Untersuchung, sondern nur eine Inaugenscheinnahme des Gefangenen zu. Da der Zustand des Gefangenen gegen 9.00 Uhr eine Untersuchung zuließ, suchte Herr Axel in Begleitung des Vollzugs-Abteilungsleiters, Herrn Burg, der sich ebenfalls über den Zustand des Gefangenen mehr informieren wollte, den Gefangenen auf und stellte eine oberflächliche Hautrötung an der Wange des Gefangenen fest. Zudem diagnostizierte der Arzt eine Schwellung am rechten Fußknöchel des Insassen und ordnete an, eine Röntgenuntersuchung des Gefangenen vornehmen zu lassen, sobald dessen Erregungszustand dies ermögliche."
"Gegen 10.45 Uhr hatte sich der Gefangene, der in der Zwischenzeit ständig durch Bedienstete beobachtet wurde, dann soweit beruhigt, dass die Fesselung auf
gehoben werden konnte. Unmittelbar im Anschluss wurde der Gefangene dann einer Röntgenuntersuchung zugeführt. Der Anstaltsarzt, Herr Schmidt, diagnostizierte nach Auswertung der Röntgenaufnahme dann gegen 14.00 Uhr einen Bänderabriss im Bereich des rechten Fußknöchels des Gefangenen, der nunmehr in das Zentralkrankenhaus der Untersuchungshaftanstalt eingewiesen wurde, wo seine Verletzung derzeit behandelt wird. Momentan verhält sich der Gefangene dort ruhig. Auslöser des Vorfalls war vermutlich der Unmut des Gefangenen darüber, dass ihm nicht, wie von ihm gewünscht, unmittelbar am Morgen des 9. November eine zusätzliche Freistunde gewährt wurde. Am 8. November hatte er mehrfach gegen die Tür seines Haftraums getreten und geschimpft, sich aber schnell wieder beruhigt.
Der Gefangene, der bereits seit längerer Zeit neurologisch behandelt wird, war bislang nicht durch aggressives Verhalten gegenüber Bediensteten oder Gefangenen auffällig geworden. Sein plötzlicher Gewaltausbruch war somit nicht vorherzusehen. Die Anstalt plant, den Gefangenen auch zukünftig, gegebenenfalls mit Hilfe des Psychologischen Dienstes, dessen Hilfe der Gefangene bereits in Anspruch nahm, und des Neurologen entsprechend zu versorgen und zu beobachten."
Soweit der Bericht des Leiters der Untersuchungshaftanstalt. Der Gefangene wurde später vom Amtsgericht Hamburg wegen Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu 80 Tagesätzen verurteilt.
Dass die Bediensteten unserer Hamburger Vollzugsanstalten bei derartigen Extremsituationen so besonnen, mutig und rechtsstaatlich reagieren, verdient unser aller Hochachtung und Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kusch, ich hätte schon erwartet, dass Sie, wenn Sie hier schon sitzen und zuhören, dann nicht Ihre vorbereitete Rede vorlesen. Ich hätte vielleicht auch erwartet, dass Sie sich in der Vorbereitung genau durchlesen, was wir, um es noch einmal deutlich zu machen, gestern in der Rechtsausschusssitzung und auch in der Pressemitteilung gesagt haben, die zumindest in der CDU-Fraktion aufmerksam gelesen wurde. Es geht nicht um Fesselung an sich, es geht um nackte Fesselung. Sie haben in Ihrem ausführlichen Bericht, der sehr genau deutlich gemacht hat, warum in dieser Situation eine Fesselung notwendig war, mit keinem Wort gesagt, warum diese Fesselung nackt erfolgen musste.
Es gab keinen einzigen Hinweis, warum überhaupt eine Durchsuchung angezeigt gewesen wäre. Aber selbst eine Durchsuchung, das habe ich vorhin deutlich gemacht, kann natürlich mit einer Entkleidung verbunden werden. Aber wenn dann eine Fesselung erfolgt, dann muss sofort eine Wiederankleidung folgen.
Haben Sie schon einmal gesehen, wie man den auch wieder bekleidet hat? Das ist genau der Punkt, dass die Justizbehörde nicht einen Gedanken auf diese Situation verwendet hat, in der die Menschenwürde derart schwer verletzt wird.
Die Bediensteten, um das ganz deutlich zu machen, machen einen sauschweren Job und Sie machen einen besonders schweren Job, wenn es zu solchen Eskalationen kommt. Niemand möchte mit diesen Bediensteten tauschen. Das ist vollkommen klar.
Es ist vollkommen klar, dass die Bediensteten in einer extremen Situation sind, und es ist auch klar, dass in solchen extremen Situationen nicht alle alles richtig machen. Wichtig ist, was Frau Peschel-Gutzeit eingeführt hat, ein genaues Berichtswesen, um genau zu wissen, welche Entwicklungen es gibt, um intervenieren zu können.
Dieses Berichtswesen, das es wohl geben wird oder das von ihm abgeschafft worden ist – das kann er ja noch einmal erklären –, nimmt er überhaupt nicht in Anspruch.
Er lässt die Bediensteten in dieser Situation allein und gibt ihnen keine klaren Anweisungen, damit sie wissen, wofür sie eine politische Unterstützung haben und wofür nicht. So lässt man die Bediensteten alleine.
Wenn sich hier jemand entschuldigen muss, dann ist es vollkommen klar. Fünfzehneinhalb Stunden nackte Fesselung, das ist nicht mit der Durchsuchungssituation zu begründen, das ist eine schwere Verletzung der Menschenwürde. Wenn sich jemand entschuldigen muss, dann der verantwortliche Senator bei diesen betroffenen Gefangenen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussion um die Nacktfesselung hat hohe Wellen geschlagen und tut es auch in der heutigen Debatte. Ich möchte einige Sachen aus Sicht der SPD-Fraktion klarstellen.
Erstens: Solche Fälle gehören rückhaltlos aufgeklärt, meine Damen und Herren. Auch nach der gestrigen Rechtsausschusssitzung stehen Sie, Herr Senator, bei dieser Aufklärung erst am Anfang und das werden Sie
auch nicht dadurch ersetzen, dass Sie hier ein Beispiel vortragen, sondern es geht darum, dass diese Fälle, die jetzt in der Öffentlichkeit diskutiert worden sind, rückhaltlos aufgeklärt werden. Dazu gehört beispielsweise auch, in welchen Intervallen der Häftling da konkret überwacht wurde? In welcher Weise war eine ärztliche Beobachtung auch tatsächlich sichergestellt? Gab es eine mündliche oder schriftliche Weisungslage durch das Strafvollzugsamt? Auf diese Fragen, Herr Senator, sind Sie gestern Antworten schuldig geblieben und auf diese Antworten warten wir, meine Damen und Herren.
Rechtlich – und das möchte ich für uns auch klarstellen – darf im Rahmen einer Durchsuchung im Extremfall auch entkleidet werden. Randaliert ein Gefangener, dann darf der auch gefesselt werden. Das steht im Strafvollzugsgesetz so drin. Das ist völlig klar. Es gibt natürlich dann eine Extremsituation, wenn eine Durchsuchung mit Entkleidung durchgeführt wird und derjenige dann anfängt, zu randalieren. Dann muss aber in der Situation gewährleistet werden – und das ist der entscheidende Punkt –, dass unverzüglich wieder begonnen wird, denjenigen anzukleiden. Das ist in diesem Fall offensichtlich nicht passiert, jedenfalls nicht bei 20 Stunden, die hier in Rede stehen, meine Damen und Herren.
Die Sache wird noch etwas grotesker, wenn man sich das anhört, was der Justizsenator gestern im Rechtsausschuss gesagt hat: Na ja, wir machen das ja auch aus Selbstschutz hinsichtlich der Gefangenen. Die sollen sich ja nicht selbst umbringen können in einer Situation, zum Beispiel durch Strangulieren. Da frage ich einmal ganz konkret: Wie soll man sich mit einer Unterhose – und um dieses Mindestmaß an Bekleidung geht es in der Situation – strangulieren können? Das sollten Sie hier einmal erklären, meine Damen und Herren.
Das ist ein Ablenkungsmanöver, das Sie da gestartet haben und diese Sache muss aufgeklärt werden. Eine Sache will ich aber auch zur Differenzierung aus unserer Sicht sagen, nämlich dass Diskussionen um Guantanamo oder Abu Graib in diesem Zusammenhang fehl am Platze sind und man kann sagen: Gott sei Dank sind wir nicht in dieser Situation, das irgendwie gleichsetzen zu müssen.