Protokoll der Sitzung vom 11.05.2006

"Grundsätzliches Ziel Hamburgs ist es, Wettbewerbsverzerrungen zu minimieren, indem die Förderung durch EU-Strukturfondsmittel sowohl im Gesamtvolumen als auch bezüglich der Fördertatbestände begrenzt … wird."

Für mich klingt das so, als wollten Sie, statt sich darum zu kümmern, die Fördermittel durch gute Projekte abzugreifen, anderen Regionen in die Suppe spucken. Für mich klingt das bisher so und da würde ich um eine Klarstellung bitten. Ich bekomme oft mit, wie in diesem Hause über die Zusammenarbeit in der Metropolregion geredet wird, gerade auch mit den Gebieten, die zum Regierungsbezirk Lüneburg gehören, wo man sagt, wir wollen eine gemeinsame Wirtschaftsförderung machen, wir wollen gemeinsam Logistikgebiete entwickeln und dann lese ich in dieser Drucksache einen solchen Satz. Das verstehe ich absolut nicht. Sie sollten sich lieber um die Chancen Hamburgs kümmern und nicht versuchen, anderen Leuten die Förderung schlecht zu machen.

(Beifall bei der GAL und bei Dr. Mathias Petersen SPD)

Es ist für einen Grünen vielleicht ungewöhnlich, den längsten Teil der Rede über das Thema Geld zu halten, aber ich habe auch zu den anderen Punkten noch ein

bisschen zu sagen, zur Frage, wie wir Europa den Menschen in der Stadt näher bringen. Das Nein zur Verfassung in den Niederlanden hat gezeigt, dass wir mehr Informationen, mehr Diskussionen, mehr Teilhabe an europäischer Politik auch in Hamburg brauchen; wir haben dazu einen Antrag eingebracht. Es gibt viele Einzelinitiativen, die durchaus lobenswert sind. Hier muss man aber leider festhalten, dass dem Senat der große Wurf, das Gesamtkonzept noch fehlt, wie man mit dem Thema insgesamt besser umgeht. Wir hoffen alle, dass die Europawoche und auch der Europamarkt am Samstag dieses Jahr – ich bin da hoffnungsfroh – ein Erfolg wird und nicht so wie letztes Jahr im Regen im Rathausinnenhof stattfindet. Aber wir wollen, dass ein weitergreifenderes größeres Konzept vorgelegt wird.

Wir haben uns auch alle für das Thema Jugendaustausch engagiert und gemeinsam einen Antrag beschlossen. Wir haben uns gemeinsam dafür engagiert, dass das deutsch-russische Jugendbüro nach Hamburg kommt. Trotzdem hat in diesem Bereich Hamburg noch mehr drauf, auch hier können wir noch mehr machen. Ein Ziel muss sein, die Fallzahlen von Jugendaustausch und Jugendzusammenarbeit zu erhöhen.

Das Engagement im Ostseeraum, das Hanse-Office in St. Petersburg und auch das Engagement in Danzig finden wir gut. Dahinter werden wir auch immer stehen und Sie auch unterstützen. Wir bitten Sie aber, vor lauter hanseatischer Ostseetradition nicht die Chancen zu vergessen, die in den Binnengebieten der Erweiterungsländer liegen. Sprechen Sie einmal mit Herrn Dr. Mattner, der noch einen Nebenjob hat. Der hat eine Firma, die dort sehr aktiv ist. Er kann bestimmt die eine oder andere Region nennen, die außerhalb unserer Schwerpunkte liegt, wo er viel Geld in seinem Nebenjob verdient.

(Dr. Andreas Mattner CDU: Das ist kein Neben- job!)

Sie haben, Herr Harlinghausen, auch die Thematik METREX angesprochen. Wir haben über die Organisation METREX viel Gutes gehört. Deswegen unterstützen wir auch, dass Hamburg sich dort engagiert. Wir wissen auch, dass das Thema Metropolenpolitik außerordentlich wichtig ist und die besonderen Probleme, die Metropolen haben, von der EU mehr berücksichtigt werden müssten. Leider steht in dieser Vorlage außer dem Engagement in METREX von Ihnen dazu nichts. Das wäre doch ein Thema, lieber Herr Staatsrat, das Sie in die Schwerpunktsetzung der Bundesregierung in 2007 einfließen lassen könnten und da können wir Sie kontrollieren, ob das auch geklappt hat. Das wäre ein Deal, den wir machen könnten.

(Beifall bei der GAL)

Fazit ist: Ihre Schwerpunkte werden immer noch zu häufig nur auf dem Papier belassen. In vielen Bereichen bleibt eine nachhaltige Umsetzung zurück. Viele Ihrer Hausaufgaben sind unerledigt, obwohl schon Abgabetermin war, vor allem bei der EU-Strukturmittelförderung, also dem Geld. Ihr größtes Problem ist, dass diese Seite des Hauses die Hausaufgaben immer noch besser macht. – Danke sehr.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort erhält Senator Uldall.

(Ingo Egloff SPD: Jetzt ist wieder Spaß angesagt!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte zunächst einmal um Entschuldigung, dass ich zu spät zur Debatte gekommen bin. Sie sind schneller gewesen als erwartet, das ist doch mal etwas Gutes. Im Übrigen möge mich jetzt jeder laut kritisieren, der noch nie zu einer Sitzung zu spät gekommen ist, weil er unterwegs aufgehalten wurde.

Nach dem niederländischen nee und dem französischen non zur Europäischen Verfassung befindet sich Europa in einer schweren See. Es ist an der Zeit, einmal grundlegend über das Verhältnis zwischen Erweiterung und Vertiefung und insbesondere über die bestehende Parallelität nachzudenken, wo die Grenzen der EU liegen, was aus dem europäischen Verfassungsvertrag wird, wie wir die dringend benötigten institutionellen Reformen realisieren können.

Aber jenseits dieser Grundsatzfragen ist Europa heute schon eine tägliche Realität für jeden Bürger. Das Europarecht tangiert fast alle Lebensbereiche und ich füge kritisch hinzu, der Bürger empfindet das durchaus nicht immer positiv. Es sind nicht nur die genannten großen Strukturfragen, die gelöst werden müssen, Europa muss sich auch den Tagesproblemen der Menschen zuwenden. Für die Menschen in Europa zeigt sich die Gemeinschaft in vielen Punkten unverständlich. Zum Beispiel muss der Handwerksmeister EU-Vorschriften einhalten, deren Sinn er nicht versteht, die ihn aber in seinem Tagesgeschäft beeinträchtigen. Der Bürger versteht die Entscheidungsprozesse nicht, die zu EU-Richtlinien führen und er begleitet diesen Prozess mit Unverständnis. Die Unternehmen im Hafen verfolgen zum Beispiel mit Kopfschütteln, dass der Hafen den Naturschutzvorschriften der FFH-Richtlinie unterworfen werden soll. Wir Politiker verfolgen mit Sorge, dass der nationale Gesetzgebungsspielraum immer weiter eingeengt wird und das – so müssen wir leider feststellen – nicht unbedingt zum Vorteil der Entwicklung bei uns in Deutschland.

Die EU muss im laufenden Erleben der Bürger positiver ankommen, als das bisher der Fall gewesen ist. Es hilft nicht zu sagen, die EU sichere den Frieden, die EU bringe uns Reisefreiheit, die EU schaffe eine einheitliche Währung. Dies ist alles richtig und deswegen wollen wir Europa, aber wir wollen eben Europa auch zu den Menschen bringen und dann hilft es nicht, allein auf die großen Ziele zu verweisen, sondern dann muss Europa sich auch im täglichen Erleben der Europäischen Gemeinschaft positiv entwickeln.

Diese Hinweise auf die großen Ziele Europas sind richtig, aber sie wiegen den Ärger nicht auf, den ein Mittelständler gerade mit einer unsinnigen EU-Vorschrift hatte. Die EU muss neben den großen Fragen auch das Kommunikationsproblem mit den Bürgern lösen, denn die EU bedeutet viel in allen Lebensbereichen und in dem Bereich, für den ich zuständig bin, die Wirtschaftspolitik, ist sie ganz besonders wichtig. Deswegen möchte ich einen kurzen Abschnitt aus Frau Merkels Rede, die sie auf dem Europa-Forum am 9. Mai gehalten hat, zitieren, der diese Verhältnisse richtig darstellt:

"Die Tatsache, dass wir diesen Binnenmarkt haben, ist für mich ein Beweis dafür, dass Europa die richtige Antwort auf die Globalisierung gefunden hat. Wenn ich an die Welthandelsverhandlungen, an die KyotoVerhandlungen oder an die vielen Wettbewerbsver

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handlungen von Boeing bis Microsoft denke: All dies könnten wir überhaupt nicht mit dem Selbstbewusstsein und mit unseren gemeinsamen Werten so durchfechten, wenn wir nicht die europäischen Institutionen hätten. Die einzelnen Nationalstaaten könnten das nicht schaffen."

Das ist der Grund, weswegen wir Europa gerade auch in der Wirtschaftspolitik benötigen.

Aber ich will einige konkrete Punkte ansprechen und kann dann gleich noch auf die Ausführungen, soweit ich sie eben noch mithören durfte, eingehen. Zunächst möchte ich auf Port Package II zu sprechen kommen, die Liberalisierung der Hafendienstleistungen. Es ist auf das Betreiben vieler politischer Kräfte, auch dank eines intensiven Einsatzes des Senats, gelungen, eine breite Abwehrfront gegen den Richtlinien-Entwurf der Kommission zu mobilisieren. Das Europäische Parlament hat den Entwurf dann mit sehr breiter Mehrheit abgelehnt. Mittlerweile hat die Kommission ihren Entwurf zurückgezogen. Ich füge hinzu: Falls ein Port Package III folgen sollte, würde der Senat genauso sorgfältig und kritisch prüfen, ob dieses für die Hamburger Hafeninteressen von Vorteil ist.

Ebenfalls erfolgreich waren die Bemühungen darum, die Transportdienstleistungen und damit die Hafendienstleistungen aus der aktuellen Fassung der Dienstleistungsrichtlinie herauszunehmen. Bei der europäischen Strukturpolitik – diesen Punkt, Herr Sarrazin, sprachen Sie gerade an, als ich hineinkam – habe ich mich, solange ich Politik in Bonn und in Berlin hinsichtlich Europas mitzuvertreten hatte, immer gegen diese regionale "Subventionitis" durch die Europäische Kommission ausgesprochen. Deswegen kann ich auch heute sagen, dass die Verbesserung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit und die Minimierung von Wettbewerbsverzerrungen ein Hauptanliegen Hamburgs sind.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gerne.

Herr Uldall, was hat denn der Senat dafür getan, dass die Agrarsubventionen, die bekanntlich weit über die Hälfte des EUHaushalts ausmachen, zur nächsten Finanzperiode rückgeführt werden?

Lieber Herr Kollege, Sie haben eben gehört, dass ich die regionalen Subventionen genannt habe. Zu den Agrarsubventionen will ich Ihnen natürlich auch gerne etwas sagen. Wir werden in dem Umfange, wie es möglich ist, für Landwirtschaft und Gartenbau in Hamburg die vorhandenen Hilfestellungen ausnutzen, aber wir werden grundsätzlich darauf hinwirken, dass auf EU-Ebene dieser Punkt bereinigt wird. Hier werden jedoch weder Sie noch wir in absehbarer Zeit realistischerweise Erfolge haben, Herr Sarrazin.

Aber viel wichtiger sind die konkreten Punkte, denn Sie wollten gerne etwas Konkretes hören und kamen deswegen auf Neu Wulmstorf zu sprechen.

Die Tatsache, dass die Gebiete zwischen Lüneburg und der Elbmündung in Zukunft als Fördergebiete ausgewie

sen werden, halte ich zunächst einmal für eine offensichtlich statistische Fehlentscheidung. Aber jetzt, wo diese Entscheidung getroffen wurde, bin ich der Auffassung, dass es von uns unklug wäre, dagegen anzugehen, sondern wir müssen versuchen, das positiv in die Regionalpolitik für Norddeutschland einzubinden. Ich bin der Auffassung, dass durch die Subventionen, die dann in den südlichen Raum Harburgs fließen, kein nennenswertes Absaugen irgendwelcher Investitionen aus Hamburg stattfinden wird.

Subventionen sind nichts anderes als der Ausgleich für Nachteile eines Standorts, den dieser gegenüber einem starken Standort hat. Hamburg ist ein starker Standort und deswegen werden in Hamburg keine Subventionen gezahlt.

(Beifall bei der CDU und Zuruf von der SPD: Oh, oh!)

Was die Strukturfonds im Allgemeinen betrifft, ist noch hinzuzufügen, dass es absolut inakzeptabel ist, dass es zu Betriebsverlagerungen kommt, die durch EU-Strukturfondsmitteln unterstützt werden und zu einer reinen Verlagerung von Arbeitsplätzen führen, aber nicht zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze.

Ein weiteres Beispiel ist, dass wir hinsichtlich der Excellenzzentren auf dem Gebiet des Röntgenlasers eine positive Entwicklung haben. Hamburg ist ein international anerkannter Wissenschafts- und Gesundheitsstandort mit einem großen Potenzial. Daher setzen wir uns intensiv für die Gründung einer europäischen Forschungsorganisation und für den Bau und Betrieb des Röntgenlasers EXFEL beim Deutschen Electronen-Synchrotron DESY ein. Damit wird in Europa eine einmalige Forschung realisiert, mit der Hamburg und die Europäische Union auch im internationalen Wissenschaftswettstreit bestehen könnte.

Schließlich verweise ich noch einmal auf den Sitz des Koordinierungsbüros für den Jugendaustausch zwischen Deutschland und Russland. Diese europäische Idee für junge Menschen, die Gebiete erlebbar und erfahrbar zu machen, ist ein wichtiges Anliegen des Senats. Deswegen sind wir stolz, dass es uns gelungen ist, diesen Sitz gegen den heftigen Widerstand zum Beispiel aus Bonn oder aus Potsdam hier nach Hamburg zu holen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Senat steht zu Europa, der Senat will aber, dass Europa für die Menschen erlebbar ist. Deswegen werden wir unsere konkrete Politik zugunsten einer Entwicklung Europas weiter fortführen. Dieses wird zur positiven Entwicklung unserer Stadt beitragen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Sarrazin.

Frau Präsidentin! Herr Senator, ich muss leider noch einen Satz sagen, weil Sie von "Subventionitis" gesprochen haben. Es gibt in der Europäischen Union sicherlich auch "Subventionitis" – gerade im Agrarbereich –, aber in den Bereichen, von denen wir reden, dem Europäischen Sozialfonds, gibt es aus meiner Sicht kaum "Subventionitis", und zwar aus zwei Gründen. Erstens sind das Programme, die vor allem für Menschen gelten, für die vom Bund oder auch vom Land dergleiches

an Programmen angeboten wird. Das heißt, wenn wir dort nicht gucken, dass in der nächsten Periode genügend Projekte gemacht werden, dann kann es sein, dass die Menschen hintenüber fallen. Zweitens ist es so – so wurde es uns in der Anhörung im Ausschuss gesagt –, dass die Programme, die mit ESF-Mitteln finanziert sind, in der Erfolgsquote weitaus besser sind als die von Bund und Ländern. Das spricht beides gegen "Subventionitis" und spricht dafür, sich dafür einzusetzen, dass man das Geld auch in Zukunft so gut wie möglich nutzt.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Herr Senator Uldall.

Herr Kollege, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass zunächst einmal die ESFProgramme außerordentlich bürokratisch sind. Es sind sehr viele Leute damit beschäftigt, die Formalien einzuhalten. Ich möchte gern eine Rechnung aufstellen, wie viele Mittel dadurch nach Hamburg fließen und wie viel zusätzlichen Verwaltungsaufwand es gibt. Wenn ich vorhin sagte, wir wollen, dass sich Europa für die Menschen im Einzelnen positiver darstellt, dann wäre hier schon ein positiver Ansatz, um die Bürokratie, die mit Europa verbunden ist, zu reduzieren.

Das Zweite, Herr Sarrazin, Sie sind ja sehr interessiert, dieses zu erfahren, ist die Tatsache, dass die zweite Hälfte der Programme aus unserem Haushalt finanziert werden muss. Ich kann allen Hamburgern versichern, dass bei uns kein Geld ausgegeben wird, nur weil die zweite Hälfte dieser Geldausgabe durch die EU finanziert wird. Bei uns wird jedes Projekt einzeln und sorgfältig darauf geprüft, ob es sinnvoll und gerechtfertigt ist, das Geld des Hamburger Steuerzahlers einzusetzen.

(Michael Neumann SPD: Das war nie anders! Was ist daran neu?)

Wenn dieses nicht gerechtfertigt ist, meine Damen und Herren, dann wird dieses Geld nicht ausgegeben.

(Beifall bei der CDU)