Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen, meine Herren! Ich weiß nicht, ob Sie alle schon die Gelegenheit hatten, sich die Fotoausstellung, die in dieser Woche in der Rathausdiele ausgestellt ist, anzuschauen. Mir ging bei diesen Bildern aus Tschetschenien durch den Sinn, dass im Vergleich dazu, was wir in den nächsten drei Tagen diskutieren werden, zwar viele Sorgen und Probleme wichtig sind, aber – Gott sei Dank – nicht so existenziell wie die Bilder, die es in der Rathausdiele deutlich machen.
Dennoch liegen in den nächsten drei Tagen wichtige Haushaltsberatungen vor uns. Es sind die letzten vor dem nächsten Bürgerschaftswahlkampf. Dieser Wahlkampf wird – das zeichnet sich bereits jetzt durch das CDU-Bild der "Wachsenden Stadt", durch unser Konzept der "Menschlichen Metropole" und dem GAL-Konzept einer "Kreativen Stadt" ab – ein Wahlkampf der Konzepte. Leider vermisst man im Haushaltsplan-Entwurf des Senats für das Jahr 2007 und 2008 jedes Konzept, was über ein schlichtes "Weiter so" hinausgeht. Das ist im Angesicht einer nicht zusammenwachsenden, einer nicht gemeinsam wachsenden Stadt viel zu wenig.
Mit der Überschrift "Wachsende Stadt" hat Herr Peiner der hamburgischen Politik der letzten Jahrzehnte und damit auch sozialdemokratischer erfolgreicher Politik
einen Namen gegeben. Gleichzeitig hat aber auch der CDU-Senat, hat Herr von Beust, die hamburgische Erfolgsgeschichte gerade in den letzten Wochen, Monaten unnötig aufs Spiel gesetzt. Ich erinnere nur an das unprofessionelle Agieren des Ersten Bürgermeisters in der Airbus-, aber auch in der HHLA- und Deutsche Bahn AGFrage.
Ihre Umsetzung der wachsenden Stadt ist aber auch dann nicht anspruchsvoll genug, wenn Sie, wie von Herrn von Beust verkündet wurde, sagen – ich zitiere:
"Soziales, also mehr Gerechtigkeit, mehr Bildung, bessere Bildung können wir uns erst wieder leisten, wenn es uns besser geht."
Diese Reduzierung hat die wesentlichen Zukunftsfragen unserer Stadt jedoch vernachlässigt. Wozu und wem soll die wachsende Stadt denn eigentlich dienen und wie besteht Hamburg die Herausforderung des 21. Jahrhunderts? Welche Bedeutung haben die Fähigkeiten der Menschen? Welche Bedeutung hat die Frage der Gerechtigkeit wiederum für ein weiteres Wachsen unserer Stadt und den Wohlstand unserer Stadt? Diesen wichtigen, aber auch schwierigen Fragen haben wir Sozialdemokraten uns gestellt und werden mit unserem Konzept der Menschlichen Metropole auch die notwendigen Antworten formulieren.
Die richtige Idee der wachsenden und prosperierenden Stadt wird aber im 21. Jahrhundert im Wesentlichen auf zwei Säulen basieren, nämlich auf sozialem Fortschritt und ökonomischem Fortschritt. Der ökonomische Erfolg schafft die Arbeitsplätze, aber auch nur durch Innovationsfähigkeit, Fleiß und durch die Energie der Menschen und damit müssen wir früh beginnen. Deshalb wollen wir heute den Einstieg in die Kostenfreiheit der Kitas in Vorschulen schaffen, um sie gleichzeitig durch eine Qualitätsoffensive endlich zu wirklichen Bildungseinrichtungen zu machen.
Wir müssen als Gesellschaft besser sein als andere, und zwar immer so viel besser, wie wir teurer sind. Aus diesem Grunde müssen wir Bildung und Exzellenz nach vorne bringen. Auch dazu wollen wir die Ganztagsschulen unserer Stadt massiv ausbauen und uns endlich auf den Weg machen, wirkliche Stadtteilschulen zu schaffen.
Dabei darf in unserer Stadt nicht die Herkunft die Zukunft unserer Kinder bestimmen. Es muss unser Anspruch sein, dass alle Kinder, egal aus welchem Elternhaus sie stammen, ihre Chancen geboten bekommen, aber der CDU-Senat tut zu wenig dafür. Der schlichte Hinweis, dass Hamburg pro Schüler mehr ausgebe als andere Bundesländer, reicht nicht. Das ist kein Konzept für Bildung, das ist ein schlichtes Weiter-so und die Ergebnisse der Vergangenheit sind weiß Gott kein Anlass, stolz auf das zu sein, was wir in der Hamburger Bildungspolitik erreicht haben, im Gegenteil. Wir müssen gemeinsam die Kraft und auch den Mut aufbringen, unsere Bildungslandschaft gemeinsam mit Eltern, Lehrern und Schülern entscheidend zu verändern.
Ihre sehr hastig ad hoc ergriffene Reparaturmaßnahme – Sie nennen das lebenswerte Stadt oder so ähnlich –
macht nur deutlich, wie ausgeblutet Ihr Leitbild der Wachsenden Stadt in Wirklichkeit mittlerweile ist. Grundsätzlich ist es richtig, wenn auch zu spät, dass der Senat erkennt, was seine Politik in den Stadtteilen den Menschen angetan hat. Damit meine ich nicht nur die Klassengrößen von 30 und mehr Kindern in der ersten Klasse. Wir können auch gerne über Büchergeld, Essengeld oder Vorschulgebühren sprechen.
Als Eltern und auch Opposition hier im Hause gegen Grundschulklassen von über 30 Kindern protestierten, wurde vom Senat noch bestritten, dass die Klassengröße überhaupt irgendetwas mit dem Lernerfolg unserer Kinder zu tun habe. Die von der CDU nun nachgeschobene Verkleinerung der neuen Grundschulklassen in den Stadtteilen wird jedoch ohne zusätzliches Geld umgesetzt, was bedeutet, dass durch den Wegfall der Teilungs- und Förderstunden die Unterrichtsbedingungen der einzelnen Schüler weiter verschlechtert werden. Diese Politik hat nichts mit Einsicht in die Notwendigkeit zu tun, sondern ist allein dem Wahltermin geschuldet und Sie wollen diese Politik ernsthaft als Erfolg verkaufen. In Wahrheit verkaufen Sie Eltern und Kinder für dumm.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den letzten Jahren wurden die Ausgaben für die Stadtteilentwicklung, von Ihnen häufig diffamierend als Sozial-Klimbim bezeichnet, gekürzt. Ihr Senat verfährt hier nach demselben bekannten Muster wie auch in der Bildungspolitik. Erst wird alles kräftig zusammengestrichen und im Jahr vor der Wahl wird dann wieder ein bisschen zurückgegeben. Jetzt kommt die CDU großzügig mit einem 100-MillionenEuro-Programm. 100 Millionen Euro für sechs Stadtteile in fünf Jahren, das macht keine 3,5 Millionen Euro pro Jahr für jeden Stadtteil.
Zum Vergleich – da komme ich zum Stichwort Denkweise – gibt der Senat jedes Jahr 5 Millionen Euro für Marketing aus. Für die Elbphilharmonie sind Sie nun bereit, statt der 77 Millionen Euro – damals noch als absolute Obergrenze – nun 114 Millionen Euro Steuergelder auszugeben. Die Begründung – ich zitiere Herrn von Beust –:
Da haben Sie recht, Herr Bürgermeister. Ich sage Ihnen aber auch: Hervorragende Bildung und Qualifizierung haben auch ihren Preis.
Hier zeigt sich, was Ihre wahren politischen Schwerpunkte sind. Es sind nicht die Familien, es sind nicht die Kinder, es sind nicht die Arbeitslosen unserer Stadt, es ist der Radius von zwei Kilometern rund um unser Rathaus. Deshalb ist es auch an der Zeit, heute die Gelegenheit wahrzunehmen, Herr Bürgermeister, endlich die Stadt vom Albdruck dieses Glaskomplexes auf dem Domplatz zu befreien. Es ist an der Zeit, wie die GAL formuliert hat, jetzt zurück auf Los zu gehen, sich Zeit zu nehmen, denn das, was mittlerweile als Entwurf vorliegt, nachdem auch das Bürgerschaftsforum nach Entscheidung der CDU dort
Sie investieren, das wird an diesen beiden Beispielen deutlich, lieber in die berühmt-berüchtigten Steine
Und was sagen Sie beispielsweise den Menschen in Steilshoop? Dieser Stadtteil ist ein Paradebeispiel für das totale Versagen einer integrierten Stadtteilpolitik dieses Senats.
(Beifall bei der SPD und der GAL – Barbara Ahrons CDU: Mit diesen Äußerungen müssen Sie sehr vorsichtig sein, Herr Neumann!)
Die weiterführende Schule wurde im Jahre 2005 geschlossen, die einzige weiterführende Schule in diesem Stadtteil mit fast 20 000 Einwohnern. Aber es wird noch verrückter. Seit Jahren arbeitet eine aktive Elterngruppe für eine neue Schule, die Schule am See, und sie bekennen sich zu ihrem Stadtteil. Sie bekennen sich zu Steilshoop und wollen dort die Zukunft ihrer Kinder gestalten, aber sie haben ein zweites Mal Pech gehabt, denn die angekündigten niedrigen Klassenfrequenzen helfen ihnen gerade nicht, denn sie leben leider aus Ihrer Sicht im falschen Stadtteil. Das ist nur ein eklatantes Beispiel konzeptionsloser Stadtentwicklungspolitik.
Pressemeldungen, die Sie so gerne absetzen, ersetzen eben keine Substanz, keine Konzeption und vor allen Dingen keinen politischen Willen. Die Menschen liegen Ihnen nicht am Herzen. Es ist Ihnen keine Herzensangelegenheit, den Menschen zu helfen und das spüren die Menschen in den Stadtteilen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir leben in einer, in vielen Bereichen gespaltenen Stadt. Ich möchte nur eine Statistik nennen. In den Stadtteilen Nienstedten, Othmarschen, Lemsahl-Mellingstedt oder Wohldorf-Ohlstedt zahlen zwei Drittel der Eltern den Höchstbetrag für die Kita. In St. Pauli, Horn, Wilhelmsburg, Hamm-Mitte, Veddel, Dulsberg und Rothenburgsort sind es unter 2 Prozent. Hier sind die Mittelstandsfamilien und ihre Kinder praktisch nicht mehr vorhanden. Das ist das, was ich mit einer auseinandergewachsenen Stadt meine. Ein umgestalteter Jungfernstieg, eine umgebaute Colonnaden-Anlage, ein renovierter Neuer Wall
sind wichtige Projekte nicht nur für den innerstädtischen Einzelhandel, auch für die Ausstrahlung unserer Stadt. Wir dürfen aber die lokalen Zentren dabei nicht vernachlässigen. Sie bedürfen, stärker als die Innenstadt, staatlicher Förderung, und zwar planerisch als auch finanziell. Denn wer mit offenen Augen durch unsere Stadt geht, der sieht, dass nicht nur in sechs Stadtteilen Probleme existieren. Auch der Bürgermeister hat von 13 Stadtteilen gesprochen, die er bei seinen nächtlichen getarnten Aufklärungsstreifzügen meinte, entdeckt zu haben. Was ist denn mit den sieben Stadtteilen, die jetzt nicht mehr in Ihrem ausgedienten Sechserprogramm vorkommen?
Die CDU-Initiative "Lebenswerte Stadt" ist aus meiner Sicht nichts anderes als das Eingeständnis, dass ihrem Leitbild der Wachsenden Stadt das Menschliche, die soziale Gerechtigkeit fehlt.
Aber das ist nicht nur das Manko der wachsenden Stadt, sondern es ist das grundsätzliche Manko der Hamburger CDU, egal, ob sie unter Herrn von Beust gerade mal in der Regierung oder in der Opposition ist. Ihnen liegt das Wohl der Menschen nicht wirklich am Herzen.
Meine Fraktion hat deshalb ein Programm zur Stadtteilentwicklung vorgelegt und wir verstehen darunter mehr als die typischen, fast schon klassischen Stadtteilentwicklungspolitiken. Bildung und Arbeit sind aus unserer Sicht der eigentliche Schlüssel, den Menschen in diesen Stadtteilen eine Perspektive zurückzugeben.
Natürlich steht völlig außer Frage, dass der öffentliche Raum anständig aussehen muss. Aber das wirklich grundlegende Problem sind aus meiner Sicht die Arbeits- und damit die Perspektivlosigkeit vieler Menschen in unserer Stadt. Die Verwahrlosung beginnt eben nicht mit bröckelnden Fassaden und wackelnden Bordsteinkanten, sondern, so schlimm es klingt, in den Köpfen der Menschen. Kinder werden in unserer Stadt in diesem Augenblick in Arbeitslosigkeit geboren, wachsen in Arbeitslosigkeit auf. Und wenn nicht endlich etwas geschieht, werden sie in ihrem Leben nichts anderes als Arbeits- und damit Perspektivlosigkeit erleben.
Deshalb kommt es neben den Fragen der baulichen Gestaltung und Sanierung in erster Linie darauf an, die Menschen endlich wieder in Arbeit zu bringen.