Wir erwarten von Ihnen, dass Sie uns klipp und klar sagen, was durch das Sonderinvestitionsprogramm von 746 Millionen Euro, dem wir als SPD-Fraktion zugestimmt haben, abgedeckt ist. Wie hoch sind die Bedarfe in den einzelnen Bereichen beim Mittleren Freihafen, bei der Hafenbahn, bei der Hafenquerspange, wie viel kommt davon aus dem öffentlichen Haushalt? Wenn Sie uns diese Zahlen plausibel dargelegt haben, dann kann man auf verlässlicher Grundlage entscheiden, was anliegt. Kommen Sie, solange Sie das nicht getan haben, nicht mit irgendwelchen Vorwürfen gegen irgendeinen Inhalt der SPD, sondern machen Sie erst einmal Ihre Hausaufgaben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Senator Uldall, Sie haben förmlich um einen Glückwunsch gebettelt, also will ich Sie auch dazu beglückwünschen, dass Sie jetzt nur noch 15 000 Arbeitslose mehr in Hamburg haben, als Sie bei Ihrem Amtsantritt vorgefunden haben.
Ich möchte noch ein paar kritische Anmerkungen dazu machen, dass hier ein Wachstum gefeiert wird, als ob dieses Wachstum des Bruttosozialprodukts, auf das Sie sich im Wesentlichen beziehen, ein aussagekräftiger Wert wäre. Die erste kritische Anmerkung dazu muss man sicherlich auch vor dem Hintergrund von aktuellen Zeitungsmeldungen machen, wer von diesem Wachstum überhaupt profitiert. Zum einen profitieren natürlich diejenigen, die neu in Arbeit kommen, das ist vollkommen klar und auch gut, zum anderen die Unternehmen und die Aktionäre; auch das ist in Ordnung. Aber die Frage ist doch, ob die breite Masse der Arbeitnehmer in dieser Stadt davon profitiert.
Wir konnten gestern lesen, dass in einem weiteren Jahr in Folge das durchschnittliche reale Nettoeinkommen in Deutschland wieder gesunken ist, weil die Inflation höher lag als die Lohnzuwächse. Mit anderen Worten: Dieses Wachstum, das Sie hier feiern, geht an der großen Masse der Menschen in diesem Land und in dieser Stadt vorbei. Deswegen ist es auch eine größere Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass dieses Wachstum allen Menschen in diesem Land und in dieser Stadt zugute kommt, als sich nur über das Wachstum des Bruttosozialprodukts zu freuen. Sie springen schlicht zu kurz, wenn Sie hier so debattieren, wie Sie es getan haben,
denn wenn die Wirtschaft in Deutschland und in Hamburg boomt und die Mehrheit der Menschen in dieser Stadt netto weniger in den Taschen hat, dann läuft etwas grundlegend falsch und dazu brauchen wir Antworten.
Die zweite kritische Anmerkung betrifft die Beobachtung, dass über Wachstum geredet wird, als gäbe es keine Grenzen des Wachstums. Machen wir uns doch nichts vor: Dieses Wachstum geht voll zulasten der natürlichen Lebensgrundlagen und ist dauerhaft so nicht tragbar. Wir verbrauchen in Deutschland fünfmal mehr natürliche Ressourcen und belasten unsere Atmosphäre mit fünfmal mehr Abgasen in Form von Treibhausgasen, als unsere Erde vertragen kann. Auch das muss erwähnt werden, wenn man über Wachstum redet.
Was geht denn alles in die Statistiken des Wirtschaftswachstums ein? Wir hatten gerade den großen Sturm Kyrill in Hamburg. Alle Schäden, die dieser Sturm verursacht hat, der auch schon ein Zeichen für den beginnenden Klimawandel ist,
und die jetzt repariert werden, schlagen sich in einem Wachstum des Bruttosozialprodukts nieder. Deswegen kann es doch nicht richtig sein, allein diesen Wert zu nehmen und zu sagen, das Wachstum des Bruttosozialprodukts ist ein Wert an sich und freuen wir uns darüber, sondern wir brauchen eine viel tiefer gehende Analyse dessen, ob die Lebensqualität in dieser Stadt und diesem Land wächst, und da springen Sie schlicht zu kurz.
Wir brauchen ein nachhaltiges Wachstum, einen sinkenden Ressourcenverbrauch und einen kompletten Umbau unserer Volkswirtschaften. Nicht weniger ist erforderlich und nicht weniger ergibt sich aus dem Ziel, das nun auch der Bürgermeister entdeckt hat, nämlich bis zum Jahr 2050 80 Prozent weniger CO2 in den Industrienationen auszustoßen. Hierzu sind komplett neue Technologien erforderlich. Es ist eine dritte industrielle Revolution erforderlich, denn das jetzige Wachstum ist schlicht so nicht fortsetzbar. Wir brauchen den kompletten Umbau unserer Volkswirtschaften und vor allem eine Regierung, die erkennt, welche Chancen in diesem Umbau liegen. Rhetorisch hat diese Regierung das anscheinend erkannt, nachdem sie fünf Jahre geschlafen hat, denn gerade Hamburg hat enorme Chancen, weil wir ein Potenzial an Unternehmen haben, die Technologien für morgen anbieten, für ein Wachstum ohne steigenden Ressourcenverbrauch. Wir können in Hamburg das werden, was Süddeutschland für die Automobilbranche ist. Das Branchenziel für die erneuerbaren Energien ist, in dem Bereich im Jahr 2020 eine halbe Million Menschen in Lohn und Brot zu haben. Wir wollen, dass davon möglichst viele in Hamburg sind und brauchen deswegen einen Energieschub. Dieser Energieschub muss endlich von dieser Regierung nicht nur rhetorisch betrieben, sondern auch mit Taten unterlegt werden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte auf einige Wortbeiträge eingehen. Herr Egloff, ich möchte Ihnen gern ein Kompliment dafür aussprechen, wie Sie hier immer die Lanze für die Langzeitarbeitslosen brechen. Das ist gut und das findet auch, ganz ohne Frage, unsere Zustimmung. Ich
will Ihnen aber auch sagen, dass man Geld braucht, um Programme aufzulegen, was auch getan wird. Das Geld dafür wird langfristig nur zur Verfügung stehen, wenn eine Finanzpolitik betrieben wird, wie die CDU das getan hat, infolgedessen wir jetzt schuldenfrei sind.
Ich nehme es Ihnen nicht ab und Sie glauben es wahrscheinlich selber nicht, dass wir jetzt die Früchte Ihrer Politik tragen – nach fünf Jahren. Herr Egloff, das können Sie keinem erklären, nicht einmal der Volkswirtschaftsstudent im ersten Semester. Ihnen persönlich glaube ich allerdings, wenn Sie sagen, die Sozialdemokraten stünden an der Seite der Regierung, wenn es um die Airbusfrage gehe. Ich weiß, dass Sie in den entscheidenden Momenten in diesem Parlament immer mit uns gestimmt haben, anders als diejenigen, die heute die Lanze für Airbus brechen wollen.
Ich habe heute einen Spruch Ihres wirtschaftspolitischen Sprechers im Deutschen Bundestag, Herrn Rainer Wend, gelesen, der sagte – ich zitiere einmal genau –:
Wenn Sie jetzt auf EADS beziehungsweise Airbus zugehen, würde ich nicht so viele Sprüche klopfen, sondern das im Verhandlungswege machen. Nur wer verhandelt und wer einen kühlen Kopf behält, der wird auch gewinnen.
Damit kommen wir wieder auf Herrn Kerstan zu sprechen. Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass ich es unerträglich finde, wenn er jedes Mal die Hälfte seiner Redezeit dafür vergeudet, uns zu maßregeln, welche Themen wir anzumelden hätten und welche nicht.
Das geht einem, ehrlich gesagt, wirklich über die Hutschnur. Es steht Ihnen überhaupt nicht an, unsere Themen zu kritisieren,
denn die Themenwahl ist ein parlamentarisches Recht und Sie sind völlig unparlamentarisch, wenn Sie dauernd mit solchen Attitüden kommen. Sie sollten eigentlich wissen, dass das Wirtschaften – das hat die Kollegin Hochheim schon gesagt – unsere Basis ist. Es gibt wahrscheinlich immer noch welche, die bei Ihnen Marx verstanden haben wollen und die die Wirkung von Kapital auf die Gesellschaft begriffen haben. Die wüssten ganz genau, wie wichtig es ist, über das Wirtschaften zu reden und das werden wir uns von Ihnen schlicht nicht nehmen lassen.
Sie sagen, ich hätte überhaupt nicht über Airbus gesprochen. Natürlich habe ich eben in meinem ersten Beitrag über Airbus gesprochen und Sie behaupten, ich hätte nicht über Airbus geredet. Wen wollen Sie denn hier für dumm verkaufen?
Wir sollten uns aber noch einmal damit auseinandersetzen, was Sie zu Airbus gesagt haben. Sie haben erst einmal gesagt, das fand ich sehr erstaunlich, dass die Grünen das Mühlenberger Loch zugeschüttet haben. Toll, das können wir dann demnächst auf die Wahlplakate schreiben, das wird Ihre Klientel besonders freuen. Welche Lösungsansätze haben Sie uns hier aufgezeigt? Sie haben gesagt, der Bürgermeister solle einschreiten. Da haben Sie recht, denn nur unser Bürgermeister wird es schaffen und einer von Ihnen ganz bestimmt nicht.
Dann haben Sie gesagt, den Senatsvertretern fehle die Distanz zu Airbus und sprachen von "Hacken zusammenschlagen". Ich weiß gar nicht, woher Sie das haben. Waren Sie bei den Debatten dabei, waren Sie bei den Verhandlungen dabei und mit welchen weltfremden Erkenntnissen gehen Sie eigentlich in so eine wichtige und dezidierte industriepolitische Diskussion beziehungsweise bewerten globale wirtschaftliche Entwicklungen? So kommen Sie bestimmt nicht weiter.
Meine Damen und Herren! Der Senat wird verhandeln – das haben wir gehört –, der Erste Bürgermeister wird sich persönlich einsetzen. Gunnar Uldall – das finde ich besonders schön – hat gerade erklärt, er werde persönlich Flagge zeigen. Wir hatten doch schon längst eine Diskussion, bevor das ruchbar wurde, über das Einsparungsprogramm, über die Beteiligung der Stadt an EADS und letztlich auch an Airbus. Das ist durch unsere Regierung doch schon längst hier diskutiert worden. Ich muss gestehen, dass ich kein ordnungspolitischer Freund davon bin, sich als Staat an solchen Unternehmen zu beteiligen, aber es geht nun einmal nicht anders. Wenn in Frankreich Staatskapitalismus betrieben wird, dann müssen wir natürlich etwas dagegensetzen.
Der Hamburger Senat wird, soweit deutsche Unternehmen nicht tätig werden, sich wieder maßvoll beteiligen. Dann werden wir sehen, wie es mit Airbus klappt.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Maaß, wir beide lügen ja nicht, wir sagen immer nur die Wahrheit. Insofern ist es natürlich völlig richtig, wenn Sie sagen, es stünden heute mehr Arbeitslose in der Statistik als zu meinem Amtsantritt ins Senatorenamt. Aber zur vollen Wahrheit gehört natürlich eins hinzu, nämlich dass wir 2005 einen Systemwechsel gehabt haben, da wir die arbeitslosen Sozialhilfeempfänger bis zu dem Tag nicht mitgezählt hatten. Jetzt zählen wir sie mit.
Wenn man bisher nur das eine aber nicht das andere gezählt hat – jetzt zählt man beides –, dann ist es nach jedem mathematischen Gebot mehr als das, was wir vorher gehabt haben.