Protokoll der Sitzung vom 09.05.2007

Meine Damen und Herren, die SternChance im ehemaligen Norwegerheim …

(Zuruf von der SPD: "Schangse"!)

- "Schangse", genau. Auf gut Hamburgisch kann man das sagen. Ich habe auch noch nie jemanden gehört, der Stern-"Tschans" gesagt hat, aber das macht nichts. Das kann man üben.

Wie gesagt, es ist ein Geschenk Norwegens, des Hilfswerkes "Redd Barna" - Rettet die Kinder - aus 1952 an die Freie und Hansestadt Hamburg, damals eingeweiht von der legendären Jugendsenatorin Paula Karpinski, und für lange Zeit ein Ort fortschrittlicher Pädagogik, der Freiheit und Kreativität in den Mittelpunkt der Entwicklung von Kindern gestellt hat, etwas, was im Nachkriegsdeutschland von besonderer Bedeutung war. Lange Zeit war die Kita dort beheimatet. 1995 ist sie ausgezogen. 1997 brannte das leer stehende Haus ab und wurde mit Mitteln der sozialen Stadtteilentwicklung bis zum Jahre 2000 wieder aufgebaut. Die damalige STEB hat diesen Neubau finanziert, damit wieder vielfältige Angebote dort im Stadtteil stattfinden können, wie heute von Hatha Yoga über Stockkampfkunst für Frauen bis zu afrikanischen Trommelkursen und natürlich auch die angesprochene Kinderarbeit. Der Bau berücksichtigt die Erkenntnisse des Feng Shui. Der Eingang ist Ying, der Garten ist Yang, fließendes Wasser stärkt das Wohlbefinden - also ein wirklich ganzheitliches Konzept. So ist dort ein sehr beliebter und multikultureller Treffpunkt entstanden, der eben auch ohne öffentliche laufende Zuschüsse arbeitet und aus den Erträgen der Gastronomie und der Veranstaltungen die Arbeit finanziert. Das finden wir sehr positiv. Nach wie vor, wie zur Zeit der Gründung, kann man sagen: Der Gedanke der Völkerverständigung wirkt damals wie heute positiv im Norwegerheim. Möge auch diese Hauserweiterung diesem Ziel dienen, zum Beispiel indem die brasilianischen Kulturtage dort stattfinden können. Das finden wir positiv und dieses erfolgreiche Beispiel soll dort erweitert werden. Wie Herr Kienscherf kann ich nur sagen: Dieses ist ein soziales Zentrum in einem Quartier, das nicht nur von reichen Menschen bewohnt ist. Davon bräuchten wir viel mehr in Hamburg. So ein Beispiel kann Schule machen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, kommen wir zur Abstimmung. Der Abgeordnete Dr. Martin Schäfer hat mir mitteilen lassen, dass er an der Abstimmung nicht teilnehmen werde. Wer dem CDU-Antrag aus der Drs. 18/6164 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag einstimmig angenommen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 32, Antrag der SPD-Fraktion: Boxsport in der Schule.

[Antrag der Fraktion der SPD: Boxsport in der Schule - Drs. 18/6127 -]

Diese Drucksache möchte die GAL-Fraktion federführend an den Schulausschuss und mitberatend an den Sportausschuss überweisen. Wird das Wort gewünscht? - Herr Schmidt, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bei dem jetzigen Thema "Boxen lernen in der Schule" höre ich schon bei dem einen oder anderen die

Vorurteile von einem rohen und brutalen Kampfsport. Und auf diese Vorteile will ich im Laufe meines Beitrages noch eingehen.

Wir Sozialdemokraten sind jedenfalls davon überzeugt, dass die Einführung des Boxsports richtig ist, auch wenn diese Sportart zunächst nur außerhalb des allgemeinen Sportunterrichts stattfinden soll. Aber unser Ziel ist, auf Sicht das Boxen im normalen Sportunterricht zu etablieren.

(Beifall bei der SPD)

Boxen ist eine Sportart, die mehr und mehr bei Jugendlichen Anklang findet. Wird weiterhin stur an veralteten Sportübungen festgehalten, besteht die Gefahr, die Interessen von Jugendlichen zu negieren. Das Interesse am Boxen liegt vor. Das ergeben Untersuchungen in anderen europäischen Ländern, wie Frankreich, Schweiz und nicht zuletzt auch hier in der Bundesrepublik, nämlich im Bundesland Niedersachsen.

Das Angebot einer weiteren Schulsportart ist grundsätzlich eine Bereicherung. Sie kann neue Bewegungsmuster ausbilden, andere Konditionsfaktoren beanspruchen oder auch nur neue Impulse geben.

Aus finanzieller Sicht ist bei der Einführung weiterer Sportarten natürlich immer wichtig, ob die Materialien, die hierfür benötigt werden, teuer sind und ob die Sportart möglicherweise nicht nur ein Modetrend ist, wobei die Materialien dann später bloß noch im Geräteschuppen wiederzufinden sind.

Boxen hingegen ist kein vorübergehender Trend. Amateurboxen ist seit 1904 olympische Disziplin. Das Erziehungsboxen wird seit den Siebzigerjahren in Frankreich in Vereinen und Schulen praktiziert und weiterentwickelt. Außerdem ist Boxen verhältnismäßig kostengünstig und kann nahezu überall durchgeführt werden. Es birgt - richtig angeleitet - ein großes pädagogisches Potenzial.

Was sind nun im Einzelnen die Gründe, die für dieses Angebot an Jugendliche aus der sechsten oder siebten Klasse sprechen. Hierzu will ich einige Gründe aufführen.

Boxen führt auf hervorragende Weise zur körperlichen Fitness und fördert Fairness. Boxen ist eine für Jugendliche ansprechende coole Sportart. Boxen ist ein ausgezeichnetes Mittel zur Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Boxen stärkt Mut, Willenskraft, Selbstvertrauen, Disziplin, Verantwortungsbewusstsein, Widerstandsfähigkeit und Selbstkontrolle. Boxen führt dazu, dass mit der Aggression besser umgegangen wird und dass die Frustrationstoleranz merklich gesteigert wird.

Als letzten Punkt lassen Sie mich nennen, der gerade aktuell ist und mit dem sich heute auch die Bundesregierung beschäftigt hat: Boxen führt bei körperlichen Defiziten zu einer starken Verbesserung in den Bereichen Koordination, Beweglichkeit sowie Ausdauer und - was ganz besonders hervorzuheben ist - das Boxtraining führt zur Minderung der Übergewichtigkeit.

(Beifall bei der SPD)

Die Frage ist: Woher kommen eigentlich die Vorbehalte gegenüber dieser Sportart? Ich versuche, das zu erklären.

Es gibt zwei Arten von Boxen, zwischen denen Welten liegen. Diejenigen, die diese Sportart für viel Geld ausüben und diejenigen, die es aus Freude an sportlicher Betätigung machen. Es ist schon ein gravierender Unterschied, wenn ein über vierzigjähriger Profiboxer sich 12 Runden lang vermöbeln lässt und dabei zahlreiche Kopftreffer ohne Kopfschutz hinnehmen muss, was im Amateursport grundlegend anders ist und erst recht bei Jugendlichen im Boxsport,

(Beifall bei der SPD)

denn Kopfschutz, wie beim Amateurboxen generell, ist eine Selbstverständlichkeit. Bei Jugendlichen werden nur drei Runden à zwei Minuten geboxt. Bei krasser Überlegenheit des Gegners wird der Kampf vorzeitig beendet und es wird nicht bis zum K.o. gewartet. Ich erwähne das, um Vorurteile gegenüber dem Amateurboxen abzubauen.

Beim Boxen in der Schule außerhalb des Unterrichts sind wir noch sehr weit von einem Kampf entfernt. Die Jugendlichen sollen an diesen Sport herangeführt werden. Das heißt, bis es überhaupt zu einem ersten Kampf und damit zu körperlichen Kontakten kommt, gehen beim ständigen Training mehrere Wochen ins Land.

Das Projekt, das wir mit unserem Antrag unterstützen und vorantreiben wollen, ist überzeugend. Es gibt bereits positive Erfahrungen in Niedersachsen sowie auch positive Einschätzungen und Unterstützung vom Deutschen Olympischen Sportbund. Und was ganz besonders für dieses Projekt spricht, ist die positive Beurteilung des Weißen Rings, der Opferhilfeeinrichtung.

Wir möchten uns bei dieser Gelegenheit ausdrücklich für die sehr gute Zusammenarbeit mit den Vertretern des Hamburger Boxsports bedanken, und zwar bei Ihnen, Herr Jessen,

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Vorsitzender des Hamburger Amateurboxverbandes, bei Herrn Lahn, dem Sportwart, der heute leider nicht anwesend sein kann und nicht zuletzt bei Ihnen, Herr Görisch, für das sehr detaillierte Konzept, das Sie erarbeitet haben.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich will bei dieser Gelegenheit aber doch ein aktuelles Problem ansprechen, was den Hamburger Boxsport betrifft und das genannt werden muss. Bisher haben die Boxer ihren Stützpunkt in der Sporthalle Hamburg in Alsterdorf nutzen können. Offensichtlich gibt es hinsichtlich der Belegung der neuen Leichtathletik-Trainingshalle Raumbedarf in der alten Sporthalle Hamburg. Warum, weshalb, wieso die Boxer darunter leiden müssen, weiß ich nicht. Aber es kann doch nicht angehen, dass dem Boxsportverband die bisherige kostenfreie Trainingsmöglichkeit gekündigt wird und ihnen als Alternative die Übernahme der Turnhalle Braamkamp mit dem Ansinnen angeboten wird, die laufenden monatlichen Kosten im vierstelligen Bereich zu übernehmen. Hier, meine Damen und Herren vom Senat, müssen Sie fair bleiben und dem Verband eine vergleichbar zentral gelegene Halle ohne Nebenkosten anbieten.

(Beifall bei der SPD)

Zurück zu unserem Antrag. Das Ganze wird etwas kosten. Unsere Auffassung ist, dass es die Sache auch wert ist. Die zu erwartenden Kosten werden allemal durch

später anfallende Aufwendungen gedeckt sein, beispielsweise im Gesundheitsbereich - ich habe es erwähnt, Stichwort: adipöse Kinder oder Jugendliche - oder auch durch Resozialisierung von auffällig gewordenen Jugendlichen. So etwas ist nicht zum Nulltarif zu haben. Wir Sozialdemokraten sind auch der Meinung, dass wir mit der Umsetzung nicht zu lange warten sollten.

(Beifall bei Thomas Böwer und Silke Vogt-Deppe, beide SPD)

Für das Herausstellen der Sportstadt Hamburg müssen es nicht immer nur Aktionen, Plakate und Fahnen bei Veranstaltungen sein. Ein solches handfestes Projekt wie dieses trägt allemal mehr zu einem positiven Ansehen des Hamburger Sports und insbesondere der Sportöffentlichkeit bei. Nicht zuletzt auch deshalb, weil das Projekt konkret im Breitensport umgesetzt wird.

Wir stimmen einer Überweisung zu und sollten den Antrag im Ausschuss zügig beraten und uns dabei auch den fachlichen Rat des Boxverbandes holen. Sie sollten noch einmal überlegen, diese Beratung allein dem Sportausschuss zu überlassen, da es sich zunächst um Angebote außerhalb des Unterrichts handelt. Wir gewinnen auf diesem Weg Zeit und umso eher kann dieses fördernswerte Projekt auch umgesetzt werden.

Wir Sozialdemokraten sind davon überzeugt, dass das Boxen mit diesem Angebot ein Renner wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Christian Maaß GAL)

Das Wort bekommt Herr Lemke.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Eine der großen und wichtigen Aufgaben in diesem Parlament ist natürlich die Bekämpfung von Gewalttendenzen an Schulen. Für die CDU-Fraktion gilt der Grundsatz: Null Toleranz bei Gewalt an Schulen.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt eine ganze Anzahl von unterstützenden Maßnahmen, die in der Schule die Möglichkeit bieten, dass dieser Grundsatz umgesetzt und gelebt werden kann. Hierbei fällt mir beispielsweise spontan das Programm "Cop4U" ein.

Schule ohne Gewalt ist eine ständig neue Herausforderung, die uns dauernd beschäftigt und ich gehe davon aus, dass das auch ein Thema in der nächsten Legislatur sein wird. In diesem sachlichen Umfeld bewegen wir uns mit dem Antrag "Boxsport" und die erste Frage lautet: Kann eigentlich eine Kampfsportart überhaupt geeignet sein, bei Schülern einen positiven Lern– und Persönlichkeitsbildungseffekt zu erreichen? Diese Frage muss grundsätzlich bejaht werden.

(Walter Zuckerer SPD: Nein!)

Jeder, der Kampfsport, wie beispielsweise Judo, Karate oder Ringkampf, betrieben hat, weiß, dass es hierbei bedeutsame, positive und persönlichkeitsbildende Effekte gibt, wobei ein wichtiger Punkt die Disziplin ist. Jede Sportart, in der jemand anders verletzt werden kann, erfordert Disziplin und extreme Fairness, ein Wort, was Herr Schmidt soeben auch verwendet hat. Es erfordert natürlich auch die Fähigkeit, Regeln einzuhalten.

Der SPD-Antrag ist keine wirkliche Neuheit. Es gibt eine Reihe von Schulen, an denen Boxsport stattfindet, wenn man sich im Internet darüber informiert. Es gibt beispielsweise in Berlin die Werner-Seelenbinder-Schule, die sogar mit dem Slogan wirbt: "Disziplin ist das Tor zum Glück". Das finde ich ganz interessant, dass eine Schule das offen ausspricht.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)