Sie formulieren, dass Sie vom Gießkannenprinzip weg wollen. Aber in Wirklichkeit wollen Sie sonderpädagogische Kompetenz auf keinen Fall selbstverständlich in den Grundschulkollegien verankern.
Sonderpädagogische Fachleute aus Ihren neuen Förderzentren werden stundenweise hinzugezogen beziehungsweise die Kinder herausgezogen. Sie haben die Zahl genannt, und zwar 44 Kinder aus ersten Klassen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in 37 Schulen. Es kann sich jeder im Kopf ausrechnen, wie viel - besser gesagt - wie wenig Zeit der Sonderpädagoge in der einzelnen Klasse mit dem speziellen Schüler integrativ verbringt. Dann wird auch dem letzten Schüler der Klasse und seinen Eltern klar, wer das Statuskind ist. Integratives Förderzentrum nennen Sie das, ich nenne das immer noch Ausgrenzung.
Nun nimmt der Senat ausgerechnet die beiden Wissenschaftler Professor Rauer und Professor Schuck mit einigen ihrer Befunde aus einem Aufsatz über KESS-4-Daten "Vergleich zwischen Regelgrundschulen und IR- respektive Integrationsklassen" als Kronzeugen für das angebliche Scheitern der IR-Schulen und des IR-Konzepts in Anspruch. Das ist schon schäbig.
- warten Sie ab, dieser Punkt kommt erst noch -, wie der Senat das versucht, verschweigt ganz bewusst die Tatsache, dass eine hohe Zahl von Wiederholern in diese IR-Schulen hineinwechselt. Und diese Klassenwiederholungen werden nicht in der Regelgrundschule gezählt, sondern dort, wo das Kind gelandet ist.
Den gleichen Rechentrick machen Sie an den Gesamtschulen. Sie führen aus, dass dort viele Klassenwiederholer sind und wissen dabei ganz genau, dass es Eingewechselte sind, die woanders die Klasse hätten wiederholen müssen und dann in die Gesamtschule gehen. Genau dieses Problem haben wir in den IR-Klassen. Sie wollen das nur nicht wahrhaben.
Lieber Herr Heinemann, in diesem Fall hätten Sie selbst die Antwort des Senats korrigieren müssen, wenn Sie offen gewesen wären. Das ist eine missverständliche Darstellung.
In der gleichen Form hat der Senat bereits den Gesamtschulen falsche Zahlen unterstellt. Und wenn uns schon der Senat die richtige Antwort nicht gibt, hätten Sie, Herr Heinemann, dieses meines Erachtens korrigieren müssen, wie ich bereits erwähnt habe. Jedenfalls die Wissenschaftler werden nicht müde, genau diesen Umstand auch öffentlich darzustellen und den IR-Schulen sehr deutlich zu machen, dass sie unter diesen eingewechselten Schülern ihre Statistik natürlich erheblich verfälschen müssen.
Nun müssen wir heute nichts beschließen. Wir sollen nach drei Jahren Regierungsarbeit endlich zwei Pilotprojekte der integrativen Förderzentren parlamentarisch würdigen. Das tun wir auch, nämlich dadurch, dass wir den in den Förderzentren eingesetzten Pädagogen für ihre engagierte Arbeit unter schwierigen Rahmenbedingungen danken. Sie würden vermutlich weniger gern von Schule zu Schule reisen und mehr im Grundschulsystem selbst vor Ort arbeiten. Wir danken natürlich genauso den Lehrerinnen und Lehrern der IR-Grundschulen für ihre Arbeit an den Schulen in sozialen Brennpunkten der Stadt. Sie hätten sicherlich mehr Anerkennung für ihre kontinuierliche Arbeit in den überwiegend besonders schwierigen Stadtteilen Hamburgs verdient, als die Regierung hier austeilt.
Wir nehmen zur Kenntnis, dass Sie als Regierungsmehrheit das Recht und die Pflicht haben, Ihre Duftmarken zu setzen, aber begrüßen müssen wir diese Entwicklung nicht und das tun wir auch nicht.
Ich kann mich eigentlich meinem Vorredner anschließen, will aber an dieser Stelle noch einmal betonen, dass ich es für ausgesprochen unerträglich halte, dass gerade Professor Schuck und Professor Rauer für diese missratene Politik als Kronzeugen benutzt werden. Das ist bereits erwähnt worden, kann man aber nicht oft genug betonen. Beide Professoren haben sich in der Zwischenzeit öffentlich geäußert und klargestellt, wo und warum sie Probleme in einigen IR-Schulen sehen. Sie haben aber gleichzeitig erwähnt, dass sie deshalb aber nicht das ganze Konzept infrage stellen, sondern dass es darum geht, die IR-Klassen in ihrer Arbeit und in ihrer Weiterentwicklung zu verbessern. Daher kann man nicht gleich das ganze Konzept kaputtmachen und das mit der fadenscheinigen Begründung, dass man allen etwas zukommen lassen will.
Sie können sich doch lebhaft vorstellen, dass die IR-Klassen schon per se Kinder jeglicher Förderungsbedarfe haben und dass dort teilweise eine Ballung von Kindern mit Schwierigkeiten verschiedenster Art stattfindet. Ob das nun Sprachförderbedarf ist oder ob das wie auch immer geartete Benachteiligungen sind, die sie von zuhause mitbringen, sind sie natürlich nicht alle sonderpädagogisch zu fördern, aber es ist einfach - und das ist auch wieder stadtteilspezifisch - eine Ballung von Kindern sozusagen mit Mühsal beladen. Sie können hier so viele Förderstunden hineinstecken, wie Sie wollen, das wird nicht in dem Sinne weiterhelfen, sondern Sie müssen es hinbekommen, diese unsägliche Selektion in den Stadtteilen zu verändern und andere Mischungen herzustellen.
Insofern wird es mit den Förderzentren nicht gelingen. Das wird nicht nur Geld einsparen, sondern es wird auch insgesamt diese Tendenz, Integration zu verringern, wie das Ihre Philosophie beinhaltet, weiter vorantreiben. Das ist etwas, was wir nicht wollen.
Ich möchte vor allen Dingen noch einmal auf die Benotung eingehen. Hier sind wir wieder bei dem Thema Menschenbild, und was Integration eigentlich ist. Wir wünschen uns nicht nur, sondern fordern auch, dass alle Kinder mit oder ohne Handicaps und mit oder ohne Behinderung nicht weiter sortiert und nicht weiter kategorisiert werden. Keiner von Ihnen hat sich bisher dazu geäußert, was gerade die Gleichmacherei und die NichtGleichmacherei bedeutet. Hierzu will ich noch einmal Professor Schuck zitieren, der sagt:
"Wenn wir in diesen Fragen weiterkommen, wäre klar, dass eine einheitliche Leistungsbewertung in Integrationsklassen keine Gleichmacherei ist, sondern dass damit das Recht aller Kinder verwirklicht wird, alle für ihren eigenen Entwicklungsprozess förderlichen Rückmeldungen zu bekommen."
Das geht mit Lernentwicklungsberichten und nicht mit Ziffernzeugnissen. Es geht also nicht um das Verwischen von Unterschieden, aber es geht auch nicht um Gleichmacherei. Es geht um Anerkennung und das Zusammenbringen von unterschiedlichen Kindern, ohne zu stigmatisieren, zu demotivieren und ohne auszugrenzen.
Wenn Sie erinnern, im Hamburg Journal war eine sehr beeindruckende Berichterstattung von Zwillingen, die in einer solchen Klasse sind und als Zwillinge - ein Kind davon hatte eine Behinderung - erleben, plötzlich Noten zu erhalten.
Ich bin der Meinung, dass es schon seine Begründung hat, warum Integrationsklassen keine Noten geben wollen und Berichtszeugnisse bevorzugen, was überall und international in modernen Schulsystemen durchgeführt wird, siehe Skandinavien oder Kanada. Die Lehrer und Eltern wollen an dieser bewährten Praxis festhalten, weil sie damit gute Erfahrungen gemacht haben und sie diese Stigmatisierung nicht wollen.
Wenn Sie immer von der Selbstständigkeit der Schulen sprechen und vom wichtigen Engagement der Eltern sowie natürlich der Kollegen, warum überlassen Sie dann die Entscheidung nicht der Schule und den Eltern.
Wir schlagen - alles andere hat Herr Lein bereits angeführt - für die Weiterentwicklung der Integration einen ganz klaren Weg vor. Alle Förder- und Sprachheilschulen werden sukzessive nach unserem Konzept "9 macht klug" in die Regelschulen integriert. Dann haben wir genug Fachpersonal, Sonderpädagogen und Sprachheilexperten an den Schulen. Dann würden selbstverständlich Kinder mit und ohne Behinderung ihren richtigen Unterricht erhalten. Das wäre dann eine echte Bildungswende für Kinder mit und ohne Behinderung. Alles andere ist einfach wieder das bisschen Integration in der Grundschule, aber danach gehen sie auf die richtige Schule, wie Sie, Herr Heinemann, das so schön den Eltern gegenüber gesagt haben,
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich würde zu Beginn gern noch einmal auf eine Sache zurückkommen, weil Frau Goetsch gerade etwas unterschieden hat.
Sie sagten an einer Stelle, dass nicht alle Kinder sonderpädagogisch gefördert werden. Das heutige Thema ist: Wie gehen wir mit den Schülerinnen und Schülern um, die einen sonderpädagogischen Förderbedarf haben? Das ist die Ausgangsposition. Wenn das unser Thema ist, dann stellt sich die Frage, was wir in Hamburg haben.
Wir haben in Hamburg die integrativen Regelklassen, die wir alle seit über zwanzig Jahren kennen, wenn man einmal den gesamten Zeitraum nimmt. Dem gegenüber haben wir eigentlich für die anderen Kinder gar nichts. Beziehungsweise diese Kinder haben nur die Chance, in einer Sonderschule eine entsprechende sonderpädagogische Förderung zu erhalten. Ich denke, das kann nicht das Ziel sein, sondern wir wollen eine vergrößerte Basis für die Integration schaffen.
Man könnte natürlich ganz einfach IR für alle einrichten und dann hätte sich die Angelegenheit erledigt.
Herr Lein, Sie haben die wissenschaftliche Untersuchung angezweifelt. Das tue ich nicht. Wenn es Professoren
gibt, die sich mit dem Thema beschäftigen, maße ich mir nicht an, dass ich schlauer bin als sie. Das heißt, ich muss zunächst einmal diese Ausführungen so hinnehmen. Allerdings mit welcher Konsequenz ich das mache, ist ganz etwas anderes, aber erst einmal nehme ich die wissenschaftliche Untersuchung ernst.
(Gerhard Lein SPD: Ich habe sie auch ernst genommen! Ich habe auch gestern den Vortrag ernst genommen, den ich von den beiden gehört habe!)
Wenn ich diese wissenschaftliche Untersuchung durchlese, dann kann ich daraus nicht entnehmen, dass wir IR einfach auf alle Schulen ausweiten, sondern wir müssen weiterdenken und dazu werden wir auch von den Professoren Schuck und Rauer aufgefordert, weil sie der Meinung sind, dass noch mehr getan werden muss.
Wir werden die Professoren nicht als Kronzeugen verwenden. Das ist eine völlig falsche Definition dieser beiden Professoren, sondern es geht nur darum, diesen Bericht, den sie uns abgeliefert haben, als Grundlage zu nehmen, um zu sehen, ob wir ausweiten können oder nicht. Im Moment muss ich das stoppen, weil das nicht so leicht ist.
Wir gehen ganz bewusst mit einem anderen Modell in einen Piloten hinein und das auch mit einer wissenschaftlichen Begleitung, wiederum mit Professor Schuck, weil er langjährige Erfahrungen hat und häufig in bestimmten Kreisen als Vater der IR bezeichnet wird, um Erfahrungen zu sammeln und Erkenntnisse zu erhalten, die man dann miteinander vergleichen kann.
Ich glaube, dass wir dann in dem Vergleich dieser beider Ergebnisse schon ein Stück weiterkommen und das Kind in den Mittelpunkt stellen, denn wir wollen die integrative Förderung als Grundsatz haben.
Nein. - Ich denke, durch einen solchen Ansatz erhalten auch die Ergebnisse ein anderes Blickfeld. Wenn wir uns dann einmal anschauen, wie viele Kinder wo stehen, dann ist es im Moment unmöglich, die Situation zu beurteilen. Wenn sie an den Schulen mit den Kolleginnen und Kollegen sprechen, dann wissen sie - und das ist auch das Prinzip und das Konzept - nicht unbedingt, wie viele Kinder sie jetzt in ihrer Klasse haben, die einen sonderpädagogischen Förderbedarf haben, aber sie sagen natürlich auch ganz klar, dass sie aufgrund ihrer Professionalität schon erkennen, wer einen verstärkten und weniger verstärkten Förderbedarf benötigt.
Das ist aber noch nicht das ganze Thema, worüber wir sprechen. Wenn wir sagen, dass wir individuell fördern wollen, dann setzt es eigentlich auf der Basis von Erkenntnissen über das Kind an. Wir müssen wissen, wo das Kind steht und welche Form des eigenen Lernvermögens dieses Kind hat, um die entsprechende Hilfestellung zu gewährleisten.
Dieses Hinstellen und dieses Dokumentieren von besonderen Fördermaßnahmen mit dem Kind zeigen uns, ob das Kind im Lernerfolg dazu gewonnen hat, und zwar so, dass wir zu einer verstärkten Maßnahme übergehen können.
- So ist es. Wenn Sie aber in die integrativen Grundschulen gehen, so wird in manchen Fällen so etwas nicht dokumentiert.