Protokoll der Sitzung vom 23.01.2008

(Beifall bei der CDU - Erhard Pumm SPD: Das ist ja nur noch peinlich! - Dr. Willfried Maier GAL: Gelegentlich muss man Scheiß reden!)

Das Wort bekommt Herr Dr. Steffen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Spethmann, das erinnerte mich an die Büttenrede von Otto Waalkes:

"Die Presse und der Umweltschutz die ziehn die Chemie in Schmutz

Des het uns lang genug verdrosse

ab heute word zurückgeschosse!"

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Nach diesem Motto haben Sie eben geredet und es ist tatsächlich sehr putzig, dass Sie zwei Fälle genannt haben und sich darüber empören, dass wir Sie nicht gleich erwischt haben, sondern ein bisschen länger gebraucht haben, um mitzubekommen, was für ein falsches Spiel Sie treiben; das ist in der Tat erstaunlich. Wenn Sie sagen, ich würde Mitarbeiter belasten und in den Dreck ziehen, dann frage ich einmal, wer es denn ist, der die ganze Zeit die Verantwortung von sich schiebt und sagt, ich trage dafür keine Verantwortung, das war die Mitarbeiterin in der Statistikabteilung. Wir brauchen nur ins Hamburg-Handbuch zu schauen und sehen, wer namentlich gemeint ist. Dieser Justizsenator macht das reihenweise, nie ist er verantwortlich, es sind immer die Mitarbeiter.

(Wolfhard Ploog CDU: Da stimmt doch die Statis- tik!)

Sein Markenzeichen ist, dass er nie irgendetwas mitbekommen hat und sich auf Kosten seiner eigenen Mitarbeiter entlastet; soviel zur Loyalität gegenüber den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Wenn man in einer Führungsposition in der Verwaltung ist, dann kann man auch schon einmal Kritik ab; das ist durchaus in Ordnung. Aber nicht in Ordnung ist, sich auf niedere Chargen herauszureden und die Verantwortung nach unten abzuschieben.

Was ist die Geschichte dieses Statistikskandals in der Justiz? Es gab schlicht und einfach zwei Zahlen, die immer wieder öffentlich diskutiert wurden. Bei der Frage, wie sich die Verurteilung junger Straftäter entwickele, wie viele Bewährungsstrafen verhängt wurden und wie viele der Haftstrafen tatsächlich verbüßt werden mussten, gab es seit dem Jahre 2002 einen Wechsel in der statistischen Darstellung. Das wurde immer wieder öffentlich

gefeiert und es ist zunächst auch in Ordnung, dass Sie sich darüber freuen, aber das war Gegenstand der öffentlichen Debatte und deswegen konnte sich auch niemand der Erkenntnis entziehen, dass das ein wichtiger Punkt ist. Wenn so eine Zahl veröffentlicht wird - wir haben jetzt einen tollen Schwenk bei der Verurteilung, die jungen Straftäter erhalten nicht mehr Bewährungsstrafen und freuen sich, sondern gehen in den Bau -, dann erwartet man von der Justizbehörde, selbst wenn sie diese Freude der CDU-Fraktion nicht teilt, dass sie sagt, es könnte sein, dass wir ein Kapazitätsproblem im Jugendvollzug bekommen. Wenn es wirklich drastisch mehr Haftstrafen gibt, wird man das erwarten. Tatsächlich - zweite Zahl - ging die Belegung in den Haftanstalten insgesamt und insbesondere im Jugendvollzug zurück. Jeder vernünftige Beobachter musste sich da wundern und sich fragen, wie passen diese beiden Zahlen zusammen. Entweder stimmt eine der beiden Zahlen nicht, stimmen beide Zahlen nicht oder gibt es eine überraschende Erklärung, wie es sein kann, dass immer mehr Jugendliche von den Richtern in die Haftanstalten geschickt werden und gleichzeitig immer weniger dort ankommen.

(Gerhard Lein SPD: Nach Bayern!)

Nachdem ich zwei Anfragen gestellt hatte, eine im Herbst 2004 und eine im Herbst 2005, habe ich gesehen, dass die Belegung im Jugendvollzug erheblich zurückgeht. Dann bin ich im Gespräch mit Journalisten natürlich dieser Frage nachgegangen und im Herbst 2005 konnte man in der "Welt am Sonntag" die Frage lesen: Lassen die Jugendrichter die Zügel schleifen und verhängen weniger Haftstrafen? Dieses würde zu den Jubelmeldungen im krassen Widerspruch stehen.

Diese Frage ist immer wieder aufgeworfen worden und hat sich jedem vernünftigen Beobachter der rechtspolitischen Entwicklung aufgedrängt, jedem, der sich für die Politik in Hamburg interessiert. Nun frage ich Sie, Frau Spethmann, warum Sie sich diese Frage nicht gestellt haben. Herr Hesse, Sie haben die Anfragen mit diesen tollen Zahlen gestellt. Warum haben Sie nicht danach gefragt, wieso diese Zahlen nicht zusammenpassen?

Der Justizsenator hat im Rechtsausschuss letzten Freitag gesagt, er hätte sich in den Jahren, in denen er Staatsrat in der Justizbehörde gewesen sei, nie die Frage gestellt, warum diese beiden Zahlen nicht zusammenpassen. Herr Bürgermeister - das ist eine zentrale Frage der Wahlauseinandersetzung im Jahre 2001 gewesen, Herr Dressel hat es hier betont -, warum haben Sie sich nie die Frage gestellt, warum diese beiden öffentlich diskutierten Zahlen, weniger Belegung in den Haftanstalten und mehr Verurteilungen zu zu verbüßenden Haftstraßen, nicht zusammenpassen?

(Viviane Spethmann CDU: Haben sie die Lösung?)

Tatsächlich behaupten Sie hier, blöd zu sein, um die Täuschung nicht zugeben zu müssen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt Senator Lüdemann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wie Sie in den letzten Wochen den Medien ent

nommen haben, gab es bei der Erstellung der Strafverfolgungsstatistik in den letzten Jahren Probleme, deren Umfang erst in den vergangenen Monaten bekannt geworden ist. Diese Fehler stehen im Zusammenhang mit dem 2002 eingeführten Statistik-Modul im Datenverarbeitungssystem MESTA und der Verknüpfung mit dem Statistikamt Nord. Es gab Fehler bei der Eingabe. Die Fehler sind zum überwiegenden Teil durch einen Bedienfehler bei der Eingabe erfolgt.

In den insgesamt sehr umfangreichen Eingaben für die Statistikerstellung ist in zahlreichen Fällen vergessen worden, in der Eingabemaske eine bestimmte Markierung bei Jugendstrafen zur Bewährung zu setzen; es gab auch Übertragungsfehler. Wie wir im Zuge der Überprüfung festgestellt haben, gab es auch technische Probleme bei der Übertragung und Weiterverarbeitung der elektronisch kodierten Daten an das Statistikamt, die die einmal elektronisch kodierten Angaben verändert haben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Lesen Sie jetzt wieder Ihre Pressemitteilung vor?)

Wir haben wahrscheinlich auch uneinheitliche statistische Erfassungen bei der sogenannten Vorbewährung in den einzelnen Ländern. Ich kann Sie beruhigen, ich möchte Ihnen jetzt nicht alle technischen Details erläutern, dies würde circa eine Stunde dauern.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben sehr ausführlich auf die Schriftliche Kleine Anfrage geantwortet und letzten Freitag alle Probleme im Rechtsausschuss stundenlang erklärt. Ich habe nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub Anfang Oktober 2007 von Fehlern bei der Datenerhebung gehört. Wir haben versucht, durch Nacherhebungen die korrekten Zahlen zu erfahren. Dabei sind wir auf weitere Probleme gestoßen und ich gebe zu, das habe ich auch schon gesagt, dass ich die Dimension dieser Probleme zunächst nicht erkannt habe.

(Rüdiger Schulz SPD: Armutszeugnis!)

Bei nachträglicher Betrachtung muss ich sagen, dass ich die Öffentlichkeit früher hätte informieren müssen. Mein Haus hat zwar den Kriminologen Professor Villmow sehr früh über die Erhebungsfehler informiert und wir haben auch dem Statistikamt Mitteilungen über die Fehler gemacht. Wir haben auch im September in einer Antwort auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Dressel auf Erhebungsfehler und die laufende Nacherhebung hingewiesen, die Probleme damit aber nicht hinreichend transparent gemacht.

Ich habe aber - auch das habe ich bereits gesagt - nicht wissentlich mit falschen Zahlen Politik gemacht und auch meine Mitarbeiter bei der Staatsanwaltschaft - das sage ich hier für Herrn Dr. Steffen noch einmal sehr deutlich - haben nicht vorsätzlich getäuscht. Ich mache ihnen auch keinen Vorwurf, weil die Eingabe dieser statistischen Daten wirklich sehr, sehr kompliziert ist.

(Beifall bei der CDU - Nebahat Güclü GAL: Inter- pretieren Sie auch manchmal diese Daten?)

Wir haben zwischenzeitlich Maßnahmen getroffen, um die Fehler abzustellen. Wir haben die Eingabemaske bei der Staatsanwaltschaft so verändert, dass bei Jugendstrafen zur Bewährung für die statistische Erhebung die erforderliche Markierung automatisch gesetzt wird, so wie es übrigens auch bei den Erwachsenenstraftaten bisher

üblich war. Diese unterschiedliche Behandlung bei Erwachsenen und Jugendlichen hat die möglichen Eingabefehler noch begünstigt.

Wir haben das technische Problem bei der Datenermittlung erkannt und werden dies mithilfe von externem Sachverstand beheben. Wir werden in der Behörde eine Controllingstelle einrichten, die die verschiedenen Statistiken, die wir bisher in unterschiedlichen Bereichen erhoben haben, zusammenfügt und auf Plausibilität prüft.

(Farid Müller GAL: In 2008 oder so!)

Wir haben einen Fehler erkannt, der seit Jahrzehnten gemacht worden ist, Herr Müller, dass Statistiken über die Gefangenenzahlen in einem Amt geführt werden, dass Strafverfolgungsstatistiken woanders geführt werden, aber keiner - das war auch schon zu SPD-Zeiten so - diese Statistiken zusammenfügt und auf Plausibilität überprüft.

Jetzt zur politischen Bewertung. Der Vorwurf lautet, die Justizbehörde hätte das alles viel früher wissen und erkennen müssen; das ist sehr interessant. Jetzt sagen Sie natürlich, es war doch ganz offensichtlich, das hätte jeder viel früher sehen müssen. Fakt ist, dass wir es nicht bemerkt haben.

(Jens Kerstan GAL: Eben, das ist das Problem!)

Ich frage alle Schlaumeier, die sich jetzt melden, warum ihr euch nicht früher gemeldet habt, wenn ihr das offensichtlich gewusst habt.

(Beifall bei der CDU)

Dann möchte ich gerne auf den wirklich sehr gelungenen Aufsatz von Professor Villmow verweisen, der am Ende sehr selbstkritisch sagt und sich ausdrücklich mit einbezieht, auch wir zahlreichen Hamburger Kriminologen, die sich quasi berufsmäßig mit diesen Zahlen befassen, auch uns Hamburger Kriminologen ist es jahrelang nicht aufgefallen. Ich glaube, alle diejenigen, die jetzt so laut schreien, sollten diese Selbstkritik einmal sehr ausführlich durchlesen.

(Beifall bei der CDU)

Aber Fakt ist auch, dass die Opposition im Moment gar kein Interesse an der Sachaufklärung hat. Die Opposition fordert eine Sondersitzung des Rechtsausschusses, damit das Parlament umfassend informiert werde; dazu waren wir gern bereit. Aber schon vor Beginn der Sitzung geben die Herren Dressel und Steffen Fernsehinterviews, schreien "Skandal" und fordern Rücktritt. Die Inhalte der Beratungen im Ausschuss hat sie offensichtlich überhaupt nicht interessiert.

(Beifall bei der CDU - Dr. Andreas Dressel SPD: Sie haben das Gleiche noch einmal erzählt, wie in Ihrer Pressemitteilung!)

Und dann, Herr Dr. Dressel, haben Sie eine Presseerklärung herausgegeben, in der Sie mir vorwerfen, ich hätte gelogen. Ich sage hier noch einmal: Ich habe die Frage des Journalisten, so wie ich sie verstanden habe, korrekt beantwortet und das gilt auch heute noch.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, alles ein großes Missverständnis!) - Herr Dressel, nicht murren und scharren in der Startbox, Sie können sich gleich ja noch einmal melden. A C B D Herr Dressel wird jetzt nämlich schon nervös, weil wir ihn überführt haben. (Beifall bei der CDU)

Herr Dressel gibt dann eine Presseerklärung heraus, in der die Frage des Journalisten ein ganz klein wenig verändert wird, so wie es seiner Interpretation passt, und fügt meine Antwort an und sagt, ich hätte gelogen. Herr Dr. Dressel, das nenne ich Tarnen und Täuschen, wenn man Interviews bewusst verzerrt.

(Beifall bei der CDU - Glocke)

Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dressel?