Protokoll der Sitzung vom 06.02.2008

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält die Abgeordnete Köncke.

Herr Reinert, ich möchte mich ganz kurz in die Debatte einmischen. Sie haben der SPD vorgeworfen, sie sei nicht an Lösungen interessiert. Ich habe das Gefühl, Sie haben das Problem nicht erkannt. Wenn Sie zu dem Problem Stellung genommen hätten, dann wären wir vielleicht einen Schritt weitergekommen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das zentrale Problem bedeutet, dass wir in Hamburg - das streiten Sie sicherlich nicht ab - Fälle von Lohndumping und massiver Absenkung des Lohnniveaus

haben, und zwar auch im Zusammenhang mit öffentlicher Auftragsvergabe. Wir müssen uns überlegen, welche Verantwortlichkeit besteht und welche Vorbildwirkung die Stadt und der Senat bei der Auftragsvergabe haben, um solche Lohnstrukturen zu verhindern. Meine Frage brauchen Sie jetzt noch nicht zu beantworten, aber denken Sie einmal darüber nach: Hat der Staat, hat die Stadt Hamburg tatsächlich eine Vorbildfunktion für andere Unternehmen, wenn es darum geht, bestimmte soziale Bedingungen zu gestalten? Ich denke dabei zum Beispiel daran, wenn es heißen würde, verstärkt Migranten einzustellen oder Familienförderung über Arbeitsbedingungen zu gestalten. Das würden Sie sicherlich nicht ablehnen. Hier geht es um die Auftragsvergabe. Auch da könnte man feststellen, dass es eine Verantwortung gibt.

(Barbara Ahrons CDU: Haben Sie sich das Verga- begesetz einmal durchgelesen, Frau Köncke?) - Ich war sogar dabei, Frau Ahrons, im Gegensatz zu Herrn Reinert.

Es gab während der Anhörung zu dem Vergabegesetz zwei kritische Punkte: Das Korruptionsregister, das noch gar nicht zur Sprache gekommen ist, und die Tariftreueerklärung. Es würde also darum gehen, diese Tariftreueerklärung entsprechend auszuweiten.

Während der Diskussion gab es in der Evaluierung des Senats keine kritische Auseinandersetzung mit diesen beiden Punkten, man ist darüber hinweggegangen.

Ich möchte bei dieser Auseinandersetzung auf die Problematik zurückkommen, die die SPD angesprochen hat.

Wir haben in den beiden relativ aufgeregten Wahlkampfreden von Herrn Freytag und Herrn Schira nur wenig mitbekommen, aber wir haben kurz vor dem Wahlkampf erkannt, dass die CDU, nachdem sie sechs Jahre Kahlschlagpolitik in der Sozialpolitik veranstaltet hat, eine Idee davon hat, was soziale Lebenslagen in der Stadt bedeuten könnten. Soziale Spaltung wollen wir das nicht nennen, denn diesen Ausdruck haben die Grünen mit geprägt. Das hässliche Wort wollen wir bitte nicht in den Mund nehmen.

Sie haben gestern zusammen mit Senator Gedaschko, Ole von Beust und einigen Staatsräten großartig dargestellt, dass Sie zumindest "Geld in die Hand" nehmen wollen. Was Sie genau mit dem Geld machen wollen, wissen wir nicht genau, aber Sie sprechen von 10 Millionen Euro.

Es hat mich ganz besonders gewundert, dass einer, der im Wesentlichen für diese Lebenslagen verantwortlich ist und der die Gründe, die zur Armut führen, mit bewegen könnte, nicht da war.

Was begründet eigentlich Armut? Das sind die entsprechenden Einkommensverhältnisse in der Stadt Hamburg. Die könnten Sie mit bewegen, gerade weil wir wissen, dass es von 21.000 neuen sozialversicherungspflichtigen Jobs ungefähr 16.000 neue Aufstocker in der Stadt gibt. Also übernehmen Sie die Verantwortung auch für die Gehaltsentwicklung.

Herr von Frankenberg, Sie haben sich kürzlich vehement gegen Mindestlöhne ausgesprochen und gesagt, wir brauchen mehr Allgemeinverbindlichkeitserklärungen, das heißt, wir müssen die Tarifverträge stärken. Die Ausweitung der Tariftreueerklärung hieße nichts anderes, als Tarifverträge zu stärken. Dazu würde ich Sie trotz der

formalen Unsicherheiten des Antrags auffordern. - Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Grund.

Frau Präsidentin! Jetzt wollte ich eigentlich gern Herrn Reinert antworten, aber ich sehe ihn nicht. Ach, da hinten ist er, ich habe ihn gefunden.

(Ingo Egloff SPD: Er nimmt schon hinten den Sitz für die nächste Legislaturperiode ein!)

Herr Reinert, wenn die CDU in der letzten Legislaturperiode die gleiche Mehrheit gehabt hätte wie in dieser, dann gäbe es das Vergabegesetz gar nicht. Sie waren immer dagegen.

(Beifall bei der SPD)

Hätten sich neben der Opposition nicht die Gewerkschaftsbewegung und vor allen Dingen die Kammern - vor allen Dingen die Handwerkskammer - für ein Vergabegesetz und für Tariftreue eingesetzt, dann hätte dies gar nicht stattgefunden. Nun hat der Senat berichtet - man höre und staune -, dass das Gesetz, das die CDU eigentlich gar nicht wollte, ein gutes Gesetz ist, weil die Bauwirtschaft und andere das bestätigt haben. Das Ergebnis der Arbeit der letzten Jahre, die der Senat, die Bürgerschaft, die Bauwirtschaft, die Gewerkschaft BAU betrieben haben, liegt uns als Bericht kurz vor Ende der Legislaturperiode vor.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Grund, zeigt das nicht geradezu beispielhaft, wie ehrlich der Senat in all seinen Äußerungen ist?

(Beifall bei der CDU und Lachen bei der SPD)

Herr Reinert, selbst die CDU kommt gelegentlich nicht drumherum, etwas zu lernen; manchmal passiert es.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Der Bericht ist kurz vor Ende dieser Legislaturperiode eingetroffen. Wir haben im Ausschuss vorgeschlagen, gemeinsam zu erklären, wir machen uns bis zum Jahresende auf, ein Gesetz zur Entfristung einzubringen. Da hat die CDU gesagt, das ginge gar nicht, das sei nur eine Kenntnisnahme, man könne keine Beschlüsse fassen. Wir haben also einen Antrag gestellt und gesagt, dann ist es Aufgabe dieses Parlaments, noch vor Ende der Legislatur zu sagen, wir haben das evaluiert, wir haben das geprüft, der Senat ist der gleichen Meinung, bringt ein Gesetz auf den Weg, das die Entfristung dieses Gesetzes beinhaltet. Das halte ich für einen anständigen parlamentarischen Abschluss dieses wichtigen Vorganges. Mehr ist es gar nicht.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt haben wir das noch korrigiert und den Senat aufgefordert, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzubereiten. Damit sind die letzten formalen Hürden beseitigt und Sie können diesem Antrag jetzt getrost zustimmen.

Das zweite Thema: Faire Löhne für Dienstleister der Bürgerschaft. Es geht nicht um irgendjemand, sondern wir reden über Damen und Herren, die - beispielsweise heute, wenn wir hier tagen - in der Eingangshalle für Sicherheitsfragen zuständig sind, die dafür sorgen, dass es unseren Gästen gut geht, dass sie freundlich empfangen werden und dass ihre Garderobe bewacht wird. Das ist die Arbeit, die dort geleistet wird. Nun haben wir festgestellt, dass sie für diese Tätigkeit einen Stundenlohn von 6,62 Euro erhalten. Wir würden ihn als "Hungerlohn" bezeichnen, denn das ist keine angemessene Bezahlung für vollwertige Arbeit.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Wir haben gesagt, wir bitten, dafür Sorge zu tragen - unser Fraktionsvorsitzender hat das bestätigt -, dass Dienstleistungen, die für diese Bürgerschaft erbracht werden, nicht unterhalb 7,50 Euro liegen sollten. Das ist ein leicht verständlicher Antrag.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Sie dürfen gern unsere Gäste fragen, ob sie nicht auch der Meinung sind, dass diese Dienstleistungen, die für sie und uns erbracht werden, angemessen sind, und die Damen und Herren, die auf unsere Mäntel aufpassen, nicht hinterher zum Sozialamt gehen und aus der Sozialkasse Lohnaufstockung verlangen müssen. Das gehört sich einfach nicht für ein Parlament.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Ich bin zu einem anderen Schluss gekommen als Sie, Herr Reinert. Die Bürgerschaftskanzlei hat geprüft und immer, wenn sich Juristen mit so etwas befassen, werden mehrere Seiten gefüllt, die ganz interessant zu lesen sind. Kennen Sie das Fazit der Spezialisten der Bürgerschaftskanzlei? Nach den geltenden Regeln in dieser Stadt dürfen wir bei dem Ausschreibungsverfahren überhaupt keinen Einfluss darauf nehmen, ob Menschen, die für uns arbeiten, angemessen bezahlt werden. Das heißt, wenn jemand seine Dienste für 3,30 Euro anbietet, wären wir am Ende auch gezwungen, ein solches Angebot anzunehmen.

(Bernd Reinert CDU: Stimmt doch gar nicht!)

Es gibt kein Beispiel, das deutlicher macht, dass wir einen gesetzlichen Mindestlohn brauchen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wenn uns unsere eigene Verwaltung sagt, das Parlament sei nicht in der Lage, in einem Ausschreibungsverfahren festzulegen, dass die Beschäftigten einen Lohn von 7,50 Euro erhalten, dann brauchen wir einen gesetzlichen Mindestlohn. Es gibt keine bessere Antwort darauf.

(Beifall bei der SPD)

Ich gehe sogar noch weiter. Wenn sich das bis dahin nicht realisieren lässt, würde ich die CDU in jeder Sitzung neu vor die Frage stellen, notfalls ein Gesetz einzubringen, das sicherstellt, dass unsere Dienstleister angemessen bezahlt werden. Und Sie stimmen darüber ab und wenn es sein muss namentlich.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Der letzte Punkt, die Ratsdiener. Das ist wirklich der Gipfel am Ende der Legislaturperiode. Als der neue Landesbetrieb Rathausservice gegründet worden ist und klar war, dass es die Ratsdiener in ihrer bisherigen Gestalt auf absehbare Zeit wahrscheinlich nicht mehr lange geben wird - viele Dienstleistungen wurden fremd vergeben, wie wir inzwischen wissen, mit unseren Steuergeldern zu Dumpinglöhnen -, da ist den Ratsdienern versprochen worden, ihre persönlichen Dienstvereinbarungen seien von dieser Entscheidung nicht berührt. Dann gingen Bürokraten, die offensichtlich "Tinte im Knie" haben, über die Probleme her. Das Ergebnis ist, dass ernsthaft erklärt wird, es sei notwendig und gerecht, vom Gehalt der Ratsdiener, die für unseren Service zuständig sind, möglichst noch 300 oder 400 Euro zu streichen. Es wird nicht berücksichtigt, zu welcher Zeit die Menschen ihre Arbeit erbringen, dass sie uns immer zur Verfügung stehen müssen, wann immer wir "verrückterweise" bis in die Nachtstunden tagen wollen, weil die Aktuelle Stunde ein bisschen länger dauert. Das alles spielt gar keine Rolle, die Ratsdiener stehen zur Verfügung. Sie bedienen die Gäste der Stadt, beispielsweise im Großen Festsaal, höflich, freundlich und professionell.

(Beifall bei der SPD und der GAL)