Protokoll der Sitzung vom 31.03.2010

Mitarbeiterzufriedenheit auch eine bessere Qualität zu erwarten ist.

Trotzdem gilt es, noch zwei kritische Punkte herauszugreifen, die in der gesamten Politik der Koalition deutlich werden: zum einen das Märchen von der stadtteilorientierten Arbeitsmarktpolitik und zum anderen die Illusion des Integrationserfolgs. Immer wieder wird im Bericht mit teilweise sehr blumigen Worten betont, wie Stadtteilorientierung und Arbeitsmarktpolitik miteinander verbunden werden. Auch wir Sozialdemokraten haben das Thema Stadtteilorientierung stets betont, aber die Strategie kann nicht sein, alle beziehungsweise die stark überwiegenden Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik auf die Stadtteilorientierung auszurichten. Ich möchte drei besondere Kritikpunkte hervorheben.

Erstens: Arbeit im Quartier kann zwar bestimmten Menschen helfen, ist aber für andere geradezu schädlich. Es gibt viele, die nicht in ihrem Quartier arbeiten möchten und sollten. Das hat ganz bestimmte Gründe, die wir bereits erläutert haben und im Ausschuss noch einmal vertiefen können.

(Jörn Frommann CDU: Hatten Sie nicht schon mal das Thema Redezeit? – Gegen- ruf von Klaus-Peter Hesse CDU: Nun lass sie doch!)

Zweitens: Die Einbeziehung der Bezirke funktioniert völlig unzureichend und ist auch in der Vollziehung der einzelnen Maßnahmen sehr mangelhaft. Erwähnt sei nur, dass im größten Hamburger Bezirk viele Stellenbesetzungen aufgrund verwaltungsinterner Probleme nicht erfolgen können, sodass erwogen wird, diese in einen kleineren Bezirk abzugeben. Das entspricht nicht der Logik der stadtteilorientierten Arbeitsmarktpolitik.

Die größte Lebenslüge aber, das ist mein dritter Kritikpunkt, wird an dem Prototyp der stadtteilbezogenen Arbeitsgelegenheit, nämlich an den Hausmeisterlogen deutlich. Während diese in ihrem eigenen Programm zur sozialen Stadtentwicklung, dem Programm RISE, noch tatsächlich als Prototyp der stadtteilorientierten Arbeit besonders angepriesen werden, sind sie im Interessenbekundungsverfahren brutal aussortiert worden. Nirgendwo können Menschen enger für den Stadtteil agieren als in den Hausmeisterlogen. Nirgends werden auf derart intensive Weise Sicherheitsgefühl und Zuwendung für die Bürgerinnen und Bürger des Stadtteils verwirklicht. Die Nichtförderung dieser Maßnahme ist ein gravierender Fehler, der unbedingt korrigiert werden muss.

Auch zum Thema Integrationserfolg möchten wir unsere Kritik äußern. Seitenweise wird darüber berichtet, für welche Zielgruppe Integrationsraten gesteigert werden konnten. Sieht man jedoch genauer hin, so heißt Integrationserfolg, dass maximal sechs Monate lang beobachtet wird, ob Menschen

weiterhin von Transferleistungen abhängig sind. Zu Integration zählen auch bestimmte Arbeitsmarktmaßnahmen, ja sogar die Jobperspektivemaßnahmen, die für die Schwächsten in unserer Gesellschaft ergriffen werden. Das ist keine ehrliche Integration in den ersten Arbeitsmarkt.

Die betriebswirtschaftliche Ausrichtung der Bundesagentur und der ARGE mit dem Zwang zur Erfüllung bestimmter Kennzahlen verführt zu sehr kurzfristigen Maßnahmen ohne einen ganzheitlichen Ansatz. Es ist zwar positiv zu bewerten, wenn zum Beispiel Schwerbehinderte einen Integrationsarbeitsplatz bekommen und eine voll geförderte Tätigkeit bei einem Arbeitsmarktträger ausüben können, und es ist prinzipiell ebenso positiv, wenn es sich um eine Tätigkeit im sozialen Arbeitsmarkt handelt, aber dies hat nichts mit Integration in den ersten Arbeitsmarkt zu tun, denn mit der Streichung von Bundes- oder Landesmitteln würde diese Maßnahme wieder entfallen. Deshalb appelliere ich an Sie, mit dieser Lebenslüge aufzuhören und den Integrationserfolg anders zu bestimmen. Ich wundere mich, dass diesbezüglich die Koalitionsparteien nicht auf ihren eigenen Antrag eingegangen sind, denn schließlich fordern sie darin eine genauere Evaluation, sodass auch die Auffassungen der Hilfeempfänger, wie von Frau Möller dargestellt, mit einbezogen werden können. Das fordern auch wir als SPD schon lange und wir werden auch diesem Antrag bedingungslos zustimmen.

Noch ein letztes Wort zur Organisation der Arbeitsverwaltung, über die wir noch ausreichend diskutieren werden. Es ist ein guter Kompromiss auf Bundesebene erzielt worden und vielleicht können wir in gemeinsamen Gesprächen, aber auch in Gesprächen, die wir als SPD mit den verschiedenen Organisationen und Beteiligten führen, zu einem Ergebnis kommen, wie die Arbeitsverwaltung zukünftig organisiert werden kann. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Joithe.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Interessant ist, dass immerhin eine meiner Vorrednerinnen, nämlich Frau Möller, überhaupt auf diejenigen hingewiesen hat, um die es in erster Linie geht, nämlich die sogenannten Kunden und deren Perspektiven. Frau Hochheim hat sich eher auf die Optionskommune bezogen, die gar nicht Bestandteil dieses Berichts ist,

(Dr. Natalie Hochheim CDU: Seite 55!)

und Frau Badde hat etliche Kritiken angebracht, die ich teile. Doch keiner meiner Vorredner hat, wovon ich ausgegangen bin, die Eckdaten erwähnt, die ich Ihnen eigentlich gerne erspart hätte,

(Elke Badde)

Sie jetzt aber doch darüber informieren möchte für den Fall, dass Sie den 81 Seiten umfassenden Bericht nicht gelesen haben.

Es gab 190 433 Kunden der team.arbeit Hamburg, von denen rund 138 000 erwerbsfähige und 52 671 nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige waren, und zwar interessanterweise in circa 104 000 Bedarfsgemeinschaften, in denen sie der ARGE oder dem Bericht zufolge von rund 1 900 sogenannten Mitarbeiterkapazitäten, also nicht Mitarbeitern, betreut wohnen. So technisch hört sich letztendlich auch der gesamte Bericht an, den ich keineswegs für gelungen halte, was ich noch weiter ausführen werde.

Das Gesamtbudget in 2009 für Transferleistungen belief sich auf rund 996 Millionen Euro; davon waren 502 Millionen Euro Arbeitslosengeld II beziehungsweise Sozialgeld und 475 Millionen Euro, das ist eine ganz schöne Summe, kamen zusammen für die Kosten der Unterkunft, also für Miete und Heizung. 19 Millionen Euro wurden für Darlehen und Beihilfen gezahlt, wie auf Seite 46 und Seite 80 des Berichts nachzulesen ist. Die Arbeitslosenquote im Rechtskreis des SGB II lag in Hamburg im September 2009 mit 5,9 leicht über dem Bundesdurchschnitt, der damals bei 5,3 lag, jedoch signifikant unter der Arbeitslosenquote der Stadtstaaten Berlin mit 11,4 und Bremen mit 9,5.

Heute, am 31. März, können wir der Tagespresse entnehmen, dass die Arbeitslosen- beziehungsweise Erwerbslosenzahl im März um 1 722 zurückgegangen ist. Damit liegt die Zahl der Erwerbslosen insgesamt bei 81 900, das heißt, die Erwerbslosenquote ist um 0,2 Prozent gesunken. Solche Statistiken sind eigentlich etwas Tolles, wenn man sie – so wie ich heute – frühmorgens im Radio hört und die Bundesagentur von einer vorherigen Frostphase spricht, die jetzt einer sogenannten Frühlingsphase Platz macht. So viel dazu, wie arbeitsmarktpolitische Mittel greifen und mehr oder weniger vom Wetter abhängig sind.

Die Kundenstrukturanalyse anhand der vier Betreuungsstufen in diesem Papier auf Seite 8 ist etwas sensibler zu sehen. Ich möchte Ihnen das nahebringen, damit Sie wissen, wie so eine Behörde – in Anführungszeichen – mit denjenigen umgeht, die sie Kunden nennt. Eine der vier Betreuungsstufen nennt sich integrationsnah, kurz IN; ihr werden 3 Prozent der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach circa einem oder eineinhalb Jahren, je nach Alter, zugerechnet. In der Betreuungsstufe mit Förderbedarf, das ist IK, sind 30,8 Prozent, also schon etliche mehr. In der Betreuungsstufe für Menschen mit sogenanntem Stabilisierungsbedarf, IG, befinden sich 42,8 Prozent – Sie sehen, es steigert sich – und in der Betreuungsstufe IF für Integrationsferne, das sind die ganz Schlimmen, 23,5 Prozent.

Man sollte sich einmal fragen, wie eine solche Einordnung zustande kommt. Wie dem Bericht zu entnehmen ist, nehmen sogenannte Integrationsfachkräfte die Einstufung vor. Wer um die methodische und systematische Unzulänglichkeit dieses sogenannten Profilingprozesses weiß, der weiß auch, dass dieser vom Versagen der Regierungspolitik im Umgang mit dem Phänomen der Massenerwerbslosigkeit ablenken soll und die Schuld dafür ganz individuell den Erwerbslosen zugewiesen wird. Da kann einem die Hutschnur hochgehen. Wenn ich mir ansehe, welche Stempel Menschen aufgedrückt werden – IN, IK, IG, IF –, kann ich nur sagen, nein danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte Ihnen noch einen kurzen Abriss zum besseren Verständnis der Kundenstrukturanalyse im Papier der ARGE geben, und zwar mit einem Zitat über das Profiling. Ich selbst habe mich übrigens so einem Profilingprozess – Profilingprozess, das hört sich doch richtig gut an – 2005 oder 2006, das weiß ich nicht mehr so genau, unterziehen müssen. Er dauerte 15 Minuten und die ARGE zahlte dann die hübsche Summe von 300 Euro an eine Firma namens Zeitwerk – das war natürlich ein Zeitarbeitsunternehmen –, damit diese mich vermittelte. Ich habe nie wieder von denen gehört; die haben sich die 300 Euro in die Tasche gesteckt und das war's. Nun aber zum Zitat:

"Im Profilingprozess wird eine auf den Bedarf des Arbeitsmarktes bezogene individuelle Chancen- und Risikoeinschätzung eines Kunden zur optimalen Vermittlung mit dem Ziel dauerhafter beruflicher Integration zur Beendigung/Verringerung der Hilfebedürftigkeit vorgenommen."

So steht es auf Seite 8 in der Fußnote 18. Sodann werden von den sogenannten Integrationskräften sogenannte Integrationsprognosen erstellt und die Betroffenen in eine der Ihnen schon genannten IN, IG-, IK- oder IF-Betreuungsstufen eingruppiert. So weit zum Papier der ARGE; und wie sieht das in der Praxis aus? Genau so, wie ich es Ihnen geschildert habe. Sie kommen entweder zu einer ARGE-internen oder zu einer externen Integrationsfachkraft – wie gut oder schlecht diese jeweils ausgebildet ist, ist noch die Frage –, die Sie innerhalb einer kurzen Frist in eine Schublade steckt, in der Sie dann lediglich verbleiben. Wenn man sich überlegt, dass nach einem Jahr nur noch 3 Prozent integrationsnah sind, dann muss man sich wirklich fragen, was da eigentlich abläuft.

Eine weitere Kritik betrifft die sogenannten Zielvorgaben, die in diesem Bericht beschrieben werden. Es sollen zum Beispiel 2,9 Prozent weniger für Arbeitslosengeld II und Sozialgeld sowie für Unterkunftskosten, allerdings 4,3 Prozent mehr für die Integration in Ausbildung oder Arbeit aufgewendet werden. Diese Zahlen sind abstrakt und berück

sichtigen in keiner Weise die tatsächliche Situation auf dem Mietmarkt und die Konjunkturentwicklung, es sei denn, man setzt auch hier wieder einmal auf das Wetter.

Es drängt sich die Frage auf, welcher Geist hinter der Zielvorgabe, das ALG II oder das Sozialgeld und die Kosten für Unterkunft um 2 bis 3 Prozent zu reduzieren, steht. Herr Bösenberg sprach einmal von insgesamt 8 Prozent, die innerhalb eines Jahres an Leistungen eingespart werden sollten. Was steckt da eigentlich dahinter? Es handelt sich dabei – das muss man sich einmal klarmachen – immerhin um Rechtsansprüche und es könnte der Eindruck entstehen, dass mit der Verfolgung einer solchen Zielvorgabe Menschen gezielt um ihre Ansprüche gebracht werden sollen. Nehmen wir zum Beispiel die Entwicklung der Mieten.

(Glocke)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Herr Joithe, entschuldigen Sie, dass ich Sie jetzt unterbreche, aber es ist im Plenum entschieden zu laut.

(Beifall bei der LINKEN)

Wolfgang Joithe-von Krosigk (fortfahrend) : – Vielleicht ist dieses Thema für den einen oder anderen nicht ganz so interessant wie Fußball.

(Arno Münster SPD: Nun man sachlich blei- ben!)

Das war sachlich, es war schließlich nur eine Vermutung.

(Glocke)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Entschuldigung, noch einmal, ich habe das eben wirklich ernst gemeint. Es ist zu laut im Plenum.

Die Nettomieten sind laut Mietenspiegel von 1997 bis 2007 um 17,1 Prozent gestiegen und der aktuelle Mietenspiegel verzeichnet sogar einen Anstieg der Mieten um 3,6 Prozent. Wie verträgt sich das mit dem ausdrücklichen kommunalen Ziel, die Kosten für Unterkunft weiter zu senken? Der Senat scheint die Realität auf dem Wohnungsmarkt schlichtweg zu ignorieren und übt auch keinen Einfluss auf die städtische Wohnungsgesellschaft hinsichtlich einer sozial verträglichen Mietpreisgestaltung aus. Vielmehr hat die SAGA die Mieten in den vergangenen zehn Jahren sogar überdurchschnittlich erhöht und tut das gerade jetzt auch wieder mit ihrem Schreiben an ihre Mieter, in dem steht, sie mögen doch einer Mieterhöhung zustimmen. Diese Realität auf dem Wohnungsmarkt ignoriert der Senat ebenso beharrlich wie die Realität auf dem Arbeitsmarkt.

Mir wurde gezeigt, dass meine Redezeit beendet ist. Vielleicht ist auch das einem stärkeren Interesse am Sport zu verdanken. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, dann können wir zur Abstimmung kommen.

Wer einer Überweisung der Drucksache 19/5302 an den Wirtschaftsausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das Überweisungsbegehren ist einstimmig angenommen worden.

Wir kommen zum Punkt 75 der Tagesordnung, Drucksache 19/5709, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Atomtransporte durch Hamburg verhindern!

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Atomtransporte durch Hamburg verhindern! – Drs 19/5709 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 19/5807 ein gemeinsamer Antrag der GAL- und der CDU-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktionen der GAL und CDU: Kontrollen von Transporten mit atomarem und anderem Gefahrgut durch Hamburg verstärken – kein unkontrollierter Umschlag von Containern mit radioaktivem Inhalt über den Hamburger Hafen! – Drs 19/5807 –]

Die SPD-Fraktion möchte beide Drucksachen an den Umweltausschuss überweisen.

Wird das Wort gewünscht? – Frau Heyenn, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als DIE LINKE anfing, sich um die Atomtransporte aus dem Hamburger Hafen durch das Hamburger Stadtgebiet hindurch zu kümmern, ahnten wir nicht, in welchem Ausmaß diese stattfanden. Dabei war durchaus bekannt, dass es Atomtransporte gibt, denn schon vor über zehn Jahren, nämlich 1997, hat der damalige GALAbgeordnete Lutz Jobs Anträge zu den Atomtransporten gestellt. Lutz Jobs ist heute Mitglied der Bezirksversammlung Bergedorf und vertritt allerdings nicht mehr die GAL, sondern DIE LINKE.

Im Mai 2009 stellten wir von der LINKEN eine Große Anfrage zu den Atomtransporten. Danach wurde das Thema an den Umweltausschuss überwiesen, in dem wir dann leider erlebt haben, dass vonseiten der Regierungsfraktionen die Bereitschaft, die Probleme wahrzunehmen und Transparenz herzustellen, nicht vorhanden war. Ganz im Gegenteil, die Problematik wurde abgewiegelt

(Wolfgang Joithe-von Krosigk)