Erstens ist die SPD für die Verlagerung der Reichsstraße. Das ist eine Riesenchance für den Stadtteil, und zwar unter zwei Gesichtspunkten. Da ist zunächst einmal die Lärmreduzierung. Auch jemand, der sich nicht gut in Wilhelmsburg auskennt, wird das schnell erkennen. Die Bündelung von zwei Lärmquellen eröffnet die Chance, diesen Lärm mit immer noch erheblichem, aber deutlich geringerem Aufwand zu isolieren und für den Stadtteil zu neutralisieren, als wenn beide Lärmquellen getrennt bleiben würden. Dafür reicht ein Blick auf die Landkarte.
Zweitens würde mit einer Verlagerung ein Riesengelände dort, wo der igs-Park gebaut wird, vom Lärm sozusagen freigeschaufelt und lärmisoliert.
Dass die SPD-Fraktion sich heute trotzdem enthält, ist der Tatsache geschuldet, dass es Mängel in der Planung gibt, die so gravierend sind, dass wir sie nicht mittragen können.
Ganz ruhig, Herr Frommann. Ich habe Sie ausreden lassen und kein Wort gesagt und ich hätte mehr zu grölen gehabt als Sie. Sie können nach mir noch einmal in die Bütt gehen, das ist gar kein Thema. Es ist die letzte Sitzung und noch nicht einmal halb sechs.
Wir kritisieren die Abfahrt Rotenhäuser Straße. Wer die Situation vor Ort kennt, wird erkennen, dass diese Abfahrt einfach nicht funktionieren kann. Sie wäre kein Abfahrtskreuz, wie wir es jetzt haben, sondern ein T. Der auf- und abfahrende Verkehr würde nur in eine Richtung gehen, nämlich nach Westen, und dann einmal im Kreis fahrend durch die gesamte sogenannte neue Wilhelmsburger Mitte geführt werden. Für diese Wilhelmsburger Mitte hat dieses Haus erhebliche Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt, die IBA und igs zugute kommen. Wenn es nach Ihnen geht, werden wir letzten Endes einen riesengroßen Autobahn- oder Bundesstraßenzubringer mit einem Riesendurchmesser haben
und in der Mitte dann das BSU-Gebäude und südlich den Eingangsbereich der igs. Das ist ein Schildbürgerstreich und hat nichts mit sozialdemokratischer oder christdemokratischer oder grüner Politik zu tun; die Abfahrt ist da einfach falsch. Bei der durchaus differenzierten Gefechtslage im Stadtteil – einige sind kategorisch dafür, einige dagegen, andere sehen das kritisch und differenziert – haben wir in dieser Frage übrigens Konsens. Wenn selbst der Kreisvorsitzende der CDU in öffentlicher Sitzung sagt, dass diese Abfahrt dort falsch sei, obwohl das Projekt ansonsten ganz toll wäre, dann sollte sich auch die CDU-Fraktion darüber Gedanken machen,
Ein weiterer Punkt ist der Lärmschutz für Kirchdorf. Auch wir wollen den geplanten Lärmschutz. Es gibt da aber etwas, das bei näherem Hinsehen – und dazu muss man auch bereit sein – echte Probleme birgt.
Wir haben zwei Lärmquellen mit unterschiedlichen Lärmqualitäten, einerseits eine Straße und andererseits eine Bahn. Diese unterschiedlichen Qualitäten von Lärm sind für die Rechtslage ein Problem, das ich Ihnen näher erläutern werde. Eine Bahnlinie zeichnet sich dadurch aus, dass von Zeit zu Zeit ein Zug durchfährt und danach Ruhe ist, also nur periodisch Lärm entsteht. Eine Autobahn oder eine Bundesstraße hingegen verursachen kontinuierlich und permanent Lärm.
Für die Mitglieder der CDU-Fraktion, die das noch nicht verstanden haben, mache ich es noch ein bisschen einfacher. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Flughafen mit Nachtflugverbot zwischen 24 Uhr 6 Uhr morgens. Wenn Sie dann die Tagesflüge um 25 Prozent reduzieren und die Hälfte dieser ehemaligen Tagesflüge nachts fliegen lassen, haben Sie rechnerisch im Durchschnitt einen Abfall des Lärms, also eine objektive Verbesserung.
Sie erkennen an diesem Beispiel, dass wir es hier mit einer Situation zu tun haben, die der rechtlichen Lage nicht gerecht wird. Wir arbeiten bei der TA Lärm und allen Bestimmungen, die sich nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz richten, mit Durchschnittswerten. Das ist auch grundsätzlich richtig so, aber in diesem besonderen Fall – Herr Frommann hat recht,
wenn er sagt, es sei ein Pilotprojekt –, bei dem zwei unterschiedliche Qualitäten von Lärmquellen nebeneinander gelegt werden, werden die gesetzlichen Regelungen der praktischen Situation nicht gerecht. Wir arbeiten nur mit Durchschnittszeiten von sechs, zwölf und 24 Stunden und deswegen kann man eben nicht sagen, dass sich die Situation tatsächlich einschlägig verbessern würde.
Natürlich würde die Bahn so laut, wie sie heute gehört wird, niemals wieder gehört werden, wenn der Lärmschutz kommt, da hat Herr Frommann vollkommen recht. Deswegen wollen wir diesen Lärmschutz auch. Man muss dabei aber berücksichtigen, dass eine andere Lärmquelle dazu kommt. Und was heißt das?
Damit komme ich zum dritten Punkt, einer Forderung, die die SPD-Fraktion auch bereits im Sommer 2009 aufgestellt hat. Das ist nichts Neues und das ist auch kein Wahlkampf. Wir brauchen ein Verkehrskonzept.
Man muss wissen, wie viele Autos mit welcher Geschwindigkeit über diese Straße fahren werden, dann wird man auch die Antwort geben können.
Jetzt komme ich noch einmal zum Beteiligungsverfahren. Man wird am Ende und nicht erst seit Stuttgart 21 solche Projekte nicht durchziehen können, ohne dass man die Bevölkerung angemessen beteiligt. Da hat sich die GAL nicht mit Ruhm bekleckert. Ihre Senatorin a. D., Frau Hajduk, hat bereits öffentlich erklärt, dass man in Zukunft Besseres versuchen werde; das hoffe ich auch.
Lassen Sie uns versuchen, dieses Projekt zu einem Erfolg zu bringen und die kritischen Punkte, die ich angesprochen habe, zu lösen. Bevor Sie das nicht getan haben, können wir dem Ganzen nicht zustimmen. Das Argument friss oder stirb, und zwar jetzt, oder das Zeitfenster ist zu,
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wilhelmsburg als größte Flussinsel Deutschlands ist zum einen von drei Verkehrsachsen durchzogen, die eine geschlossene Entwicklung dieses Stadtteils verhindern, und hat zum anderen eine Bahntrasse ohne Lärmschutz, weshalb die Anwohner schon heute im Ist-Zustand erheblich unter dem entstehenden Lärm leiden müssen. Darum wird seit vielen Jahren darüber diskutiert, ob es nicht möglich ist, diese beiden nachteiligen Effekte für den Stadtteil und insbesondere für die Menschen in diesem Stadtteil dadurch zu lösen, dass man aus den drei Verkehrsachsen durch den Stadtteil zwei macht und das dadurch erreicht, indem man die Wilhelmsburger Reichsstraße an die Trasse verlegt, die bisher überhaupt keinen Lärmschutz hat, um dann eine Situation zu erzeugen, dass sich einerseits in der Mitte dieses Stadtteils Entwicklungsmöglichkeiten auftun, nicht nur für einen Park der igs, sondern auch für mehr Wohnungsbau und mehr sozialen Wohnungsbau,
die auch dazu führen, dass die Menschen aus diesem Stadtteil nicht mehr wegziehen, sondern dass dort ein Zuzug stattfindet und durchaus auch eine Aufwertung. Es gibt viele Stadtteile in dieser Stadt, die zu viel Aufwertung haben und wo es Widerstand dagegen gibt. Es gibt aber auch Stadtteile, die eine gewisse Aufwertung durchaus gebrauchen können, und dazu gehört Wilhelmsburg nach Auffassung der meisten.
Zum anderen würde dieser Effekt dazu führen, dass die jetzigen lärmgeplagten Anwohner an der Bahntrasse trotz einer zusätzlichen Bundesstraße weniger von Lärm betroffen wären als heute. Insofern ist das ein gutes Konzept. Es ist ein Konzept, das aus den Reihen der Bevölkerung an die Politik herangetragen wurde, und das nicht nur im Jahr 2000, Herr Frommann. Zur Bürgerschaftswahl 2004 gab es einen Wahlprüfstein der Zukunftskonferenz Wilhelmsburg, die an alle Parteien, die sich zur Wahl gestellt haben, nur kurz und schlicht die einfache Frage gestellt hat, ob sie die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße unterstützen.
Wir sind jetzt in der Situation, dass wir dort sehr weit sind. Die einzige Chance, die es jemals zur Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße gegeben hat, war, dass der Bund – es handelt sich um eine Bundesstraße – bereit ist, Geld dafür auszugeben. Nur mit Hamburger Mitteln würde man diese Maßnahme nicht durchführen können. Diese Situation liegt jetzt vor. Es könnte ein sehr umfangreicher Lärmschutz für die Bevölkerung realisiert werden und das Projekt ist nicht um 10 oder noch mehr Millionen teurer geworden, sondern der Bund war nach harten Verhandlungen der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt bereit, den Lärmschutz für die dort lebenden Menschen zu verstärken. Das ist exakt das, was wir Grünen, die nicht unbedingt Befürworter von Straßenbauprojekten an allen Ecken sind, auch für notwendig halten. Wenn man Straßen saniert, verlegt oder baut, dann muss für einen guten Lärmschutz für die betroffene Bevölkerung gesorgt sein und das ist durch dieses Projekt jetzt gewährleistet.
Der dritte Punkt ist eine gewisse zeitliche Frist. Die internationale Gartenschau wird im Jahr 2013 starten und Teil des Konzepts der igs wird es sein, dass die Wilhelmsburger Reichsstraße verlegt wird. Diese drei Effekte führen dazu, dass wir, nachdem die Planungen abgeschlossen sind, nun an dem Punkt sind, ein Planfeststellungsverfahren einleiten zu können. Und es ist auch notwendig und sinnvoll, jetzt voranzugehen, denn wenn diese einmalige Chance jetzt nicht ergriffen wird, ist völlig unklar, ob die Millionen vom Bund, die gegenwärtig für diesen Lärmschutz bereitgestellt werden, der aus unserer Sicht unabdingbar ist und ohne den die Verlagerung der Wilhelmsburger Reichsstraße nicht geht, in einem halben Jahr noch zur Verfügung stehen, wenn sich ein neuer Senat gebildet
hat, der sich dann vielleicht entscheidet, das Verfahren weiterzuführen. Diese Töpfe sind klein und es gibt dort häufig deutlich mehr Wünsche aus den Bundesländern, diese Mittel in ihrem Bundesland einzusetzen. Wenn wir jetzt nicht das Signal nach Berlin an den Bund geben, dass Hamburg dieses Projekt durchführen wird, dann werden, bevor der nächste Senat sich eine Meinung bilden kann, diese Mittel aller Voraussicht nach in andere Bundesländer geflossen sein, und diese einmalige Chance für Hamburg, für Wilhelmsburg und die Menschen in Wilhelmsburg wäre vertan. Auch das Konzept der internationalen Gartenschau – man muss davon nicht unbedingt ein Freund sein – hätte einen schweren Schlag erlitten. Deshalb ist es sinnvoll und richtig, dieses Projekt heute auf den Weg zu bringen.
Herr Hakverdi, damit werden keine Fakten geschaffen, die nicht mehr verändert werden können. Es wird ein Planfeststellungsverfahren geben und jeder neue Senat, der unter Umständen zu einer anderen Bewertung kommt oder diese Planung verändern will, kann dieses Verfahren jederzeit sofort stoppen, neu bewerten und dann auch verändern. Insofern geht es darum, jetzt diese Chance für den Stadtteil zu nutzen, und in der Tat ist es so, wie Herr Frommann gesagt hat. Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens kann man über verschiedene Details reden und in aller Regel werden dabei auch in den Erörterungen mit der Bevölkerung die Planungen weiterentwickelt. Auch wir haben den Eindruck, dass man in Bezug auf die Ausfahrt Rotenhäuser Straße durchaus noch einige Gedanken verschwenden kann und unter Umständen das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Insofern geht es heute nicht darum, einen Plan kurz vor der Wahl durchzuziehen,
sondern eine Chance für Wilhelmsburg zu nutzen. Das ist richtig und darum sollten wir das heute auch gemeinsam beschließen.