Protokoll der Sitzung vom 11.04.2018

Ansonsten wurde in der Debatte zur Regierungserklärung schon ausgeführt, dass wir insgesamt 170 Stellen im Justizbereich schaffen. Also da sind wir sehr aktiv, da tun wir viel und sind jetzt – das ist ja das Thema hier mit diesen gemeinsamen Struktur- und Standortentscheidungen – auf einem guten Weg und werden den Prozess der Umsetzung weiter aktiv begleiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Jetzt erhält Herr Dolzer für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Hamburgerinnen und Hamburger! Wir sehen den Justizvollzugsfrieden ambivalent: Einerseits freuen wir uns sehr, denn es ist positiv, dass der Jugendvollzug nach Hamburg geholt wird. Es ist auch positiv, dass die SPD, die GRÜNEN und insbesondere die CDU sich geeinigt haben, sodass es nicht wieder vorkommen wird in Zukunft, dass ähnlich destruktiv agiert wird wie damals, als Senator Kusch die JVA Billwerder vom offenen Vollzug zum geschlossenen Vollzug umwidmete. Weitere Punkte hat Urs Tabbert schon benannt, wo ebenfalls aufgrund der Struktur gestritten wurde und dabei die Inhalte ein bisschen nach hinten gerückt sind. Wir hoffen auch, dass über diesen Justizvollzugsfrieden die Debatte um die Justizpolitik insgesamt ein Stück versachlicht wird. Deshalb werden wir dem Antrag auch zustimmen.

Wir haben aber trotzdem Kritik an mehreren Punkten und Vorschläge beziehungsweise Maßgaben, die eingehalten werden müssten. Als Allererstes ist es wichtig, dass der Jugendvollzug in Hahnöfersand bis zum Umzug zumindest auf dem gleichen Stand gehalten wird, bei gleicher Qualität. Aber eigentlich ist das bei Weitem nicht ausreichend, denn es gibt dort gravierende Probleme; die werde ich gleich noch konkret benennen.

Wir kritisieren auch, dass im Justizvollzugsfrieden in der angelegten Strukturplanung bisher insgesamt sehr stark an Kostenaspekte gedacht wird, der Mensch aber viel zu wenig im Vordergrund steht, die Struktur mehr als der Inhalt definiert wird. Es wäre deshalb besser gewesen, die Justizvollzugsbeamtinnen und -beamten und auch die Inhaftierten in diese Diskussion zumindest in Form von Evaluation intensiver einzubeziehen, und das werden wir auch im weiteren Prozess einfordern.

Es ist dabei wichtig, eine Problemanalyse zu machen und zu sehen: Was läuft in Hahnöfersand denn momentan schief, was gibt es dort für Mankos? Die JVA dort ist unterbesetzt an Beamtinnen

und Beamten. Es ist auch so, dass die Sozialtherapie nicht ausreicht, sondern eigentlich eine Psychotherapie notwendig wäre. Es gibt dort viele Menschen, die aufgrund ihrer Sozialisation traumatisiert sind, es gibt viele Menschen, die aufgrund von Kriegs- und Fluchterfahrungen traumatisiert sind, und es ist wichtig, dass diese eine Psychotherapie bekommen und keine Sozialtherapie. Als LINKE fordern wir in dem weiteren Prozess ein, dass dies in der neuen JVA umgesetzt wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Ebenfalls ist es sehr wichtig, dass genug Raum vorhanden ist. Und auch dazu muss Geld in die Hand genommen werden. Wir haben ja heute gehört, der neue Erste Bürgermeister und Herr Dressel haben ein bisschen Geld freigeschaufelt, und wir würden uns freuen, wenn dieses auch in den Ausbau des Jugendvollzugs in Billwerder investiert wird – auch wenn wir bei der Zentralisierung Bedenken haben, aber das ist der Standort, auf den man sich einigen kann.

(André Trepoll CDU: Die ganzen 2 Milliar- den?)

Nein, ein Teil des Geldes. 2 Milliarden sind es auch nicht, Herr Trepoll, aber darauf muss ich jetzt nicht weiter eingehen.

Es wäre wichtig, dass zwischen den Gebäuden genügend Platz ist und dass auch genügend Platz ist für Freizeitangebote und Sportangebote. Es könnte zum Beispiel ein Fußballfeld in Freiluft gebaut werden zwischen den Gebäuden und der Mauer, sodass ein bisschen der Blick nicht grau in grau geht. Die Justizvollzugsanstalt müsste auch nicht grau gestaltet werden, sondern könnte andere Farben bekommen. Denn ein menschenwürdiger Vollzug ist gesetzlich festgelegt.

(André Trepoll CDU: Hat Kusch auch ge- macht!)

In Paragraf 3 Absatz 1 heißt es, Herr Trepoll:

"Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit wie möglich anzugleichen. Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken. Der Vollzug ist von Beginn an darauf auszurichten, dass er den Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern."

Und auch die Würde des Menschen muss gewahrt werden. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir konstruktiv weiter zusammenarbeiten können in diesem gesamten Prozess. Das werden wir auch tun, kritisch und konstruktiv im Ausschuss, bei den Anhörungen, weiterhin diesen Prozess begleiten.

Wir sind aber auch der Meinung, dass es wirklich wichtig ist, genug Geld in die Hand zu nehmen. Diese Anstalt muss menschenwürdig werden. Diese Anstalt muss genau an den Problemen orien

(Dr. Carola Timm)

tiert, die es zu überwinden gilt, gestaltet werden. Es ist wichtig, dass die Anstalt letztendlich nicht aussieht wie eine Kaserne und auch nicht so gehandhabt wird. Und es ist auch wichtig, dass der offene Vollzug eigentlich an einem anderen Ort stattfinden würde als in Billwerder, denn der offene Vollzug soll die Menschen auf die Freiheit vorbereiten.

(André Trepoll CDU: Eine Kaserne ist nicht schlecht!)

Das ist für uns eine zentrale Forderung.

(Beifall bei der LINKEN)

Insgesamt bleibt es dabei: Struktur und Inhalt bilden eine Einheit. Deshalb müssen nun im geplanten Resozialisierungsgesetz noch weit mehr konkrete Verbesserungen umgesetzt und eingebaut werden als bisher geplant. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die FDP-Fraktion bekommt nun Frau von Treuenfels-Frowein das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Heute können die Liberalen einmal sagen: Opposition wirkt.

(Beifall bei der FDP)

Man muss nur beharrlich das Richtige vertreten, dann kann Oppositionspolitik auch zu Regierungshandlung werden. Aber diese sogenannte Einigung – wir sind sehr froh, dass das jetzt passiert – enthält viel und gute liberale Rechtspolitik. Das haben wir seit Jahren gefordert und nun wird es fraktionsübergreifend angegangen; das freut uns. Allerdings ist diese Einigung, wie Sie sich denken können, Herr Steffen, auf gar keinen Fall ein Blankoscheck, denn die vereinbarten Forderungen sind an klare Konditionen gebunden. Die müssen erfüllt werden und das werden wir ganz genau überwachen.

(Beifall bei der FDP)

Rückblickend müssen wir konstatieren, dass diese Einigung viel zu lange gedauert hat. Wir haben schon vor zwei Jahren gesagt: Die Idee des gemeinsamen Jugendvollzugs mit Schleswig-Holstein ist vollzuglich völlig ungeeignet und de facto realitätsfern. Und dazu muss man auch sagen, dass diese Prüfungen viel zu viel Geld gekostet haben und dass wir das Ganze schon viel früher hätten haben können. Nach dem Regierungswechsel in Schleswig-Holstein – Sie haben es vorhin gesagt, Herr Tabbert – und dem Scheitern Ihrer Verhandlungen mit Kiel ist nun auch Ihre Erkenntnis, Herr Steffen, gewachsen. Die Lösung am Standort Billwerder für den Jugendvollzug mit eigener Strafan

stalt kommt also – ein Glück. Das entspricht unserer Forderung von 2016 und wir hoffen, dass auch die Forderungen, die wir dort eingearbeitet haben, wirklich umgesetzt werden. Denn weitere wesentliche liberale Forderungen waren: Resozialisierung und moderner Jugendvollzug müssen ineinandergreifen. Das gilt auch für die inhaltliche Einbindung aller beteiligten Fraktionen, eine zeitnahe Expertenanhörung, Begleitung durch Expertise eines Projektbeirats und eben enge Verzahnung mit dem noch gesondert zu beratenden Resozialisierungsgesetz. Das sind Kernpunkte eines modernen Verständnisses einer Justizpolitik. Hamburg begibt sich damit auf einen zukunftsweisenden guten Weg mit liberaler Handschrift.

(Beifall bei der FDP)

Wir werden als Opposition den Prozess der weiteren Planungen nun aktiv mitgestalten. Wir werden den Senat an den Forderungen im gemeinsamen Antrag messen und die Umsetzungen prüfen. Wir werden also als Kontrollorgan fungieren und die weiteren Defizite in der Justizpolitik sehr im Blick behalten; darauf werden Sie sich verlassen können. Denn wir haben in den anderen Punkten noch lange keine Einigung erzielt, im Gegenteil: Dem von Ihnen bis jetzt vorgelegten Gesetz zur Resozialisierung fehlen wesentliche Inhalte. Vielleicht setzt sich ja bis zur Debatte in diesem Punkt wie in Sachen Justizvollzug bei Ihnen die Erkenntnis durch: Liberale Justizpolitik tut Hamburg gut. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Für die AfD-Fraktion bekommt nun Herr Nockemann das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Justizvollzugsfrieden, Schulfrieden, wenn Sie jetzt noch ein bisschen Straßenbaufrieden machen und ein bisschen Wohnungsbaufrieden, dann gibt es nur noch zwei Parteien – oder eine ernst zu nehmende Partei –, die Opposition macht, und das sind wir dann.

(Michael Kruse FDP: Das glaubt ihr doch heute schon!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so richtig ernst gemeint ist der Frieden ja auch nicht, denn Sie haben in Ihrem Vier-Fraktionen-Pakt zwei Parteien einfach außen vor gelassen. Frieden stelle ich mir eigentlich anders vor und vor allem auch ehrlicher. Und wenn Sie so friedlich miteinander umgehen, dann wundert mich, dass wir heute bei der Aussprache zur Regierungserklärung so viele böse Worte gehört haben. Das kann ich dann eigentlich gar nicht mehr so richtig ernst nehmen. Hier ist ja vorhin gesagt worden: Wir wollen mal ein bisschen ehrlicher und ein bisschen sachlicher miteinander

(Martin Dolzer)

umgehen. Also ehrlichen Frieden da, ehrlichen Frieden dort und dann aber den Bürgermeister angehen, weil er total falsche Politik macht – das passt doch nicht.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Haben Sie den Antrag gelesen?)

Liebe Frau Kollegin, ich habe ihn gelesen, ja. Ich komme ja auch dazu.

In den vergangenen Jahren war Justizpolitik und Justizvollzugspolitik vorwiegend geprägt durch eher parteipolitische und parteiideologische Vorgaben. Von daher freut es natürlich, wenn man wieder zur Vernunft zurückkommt, auch in diesem schwierigen Gebiet, denn die Unvernunft vergangener Jahre oder Jahrzehnte im Bereich Justizvollzugspolitik, die hat natürlich dafür gesorgt und dazu geführt, dass Millionen und Abermillionen an Investitionen fehlinvestiert worden sind. Von daher: Erst einmal herzlichen Glückwunsch dazu, dass Sie sich über Parteigrenzen zu einem Kompromiss durchgerungen haben. Wenn ich dann aber noch höre, dass jetzt auch für alle Generationen, für immer und ewig sozusagen, Schulfrieden gilt: Ja, wozu brauchen wir dann noch Parlamentarismus? Wenn wir die nächsten Jahre und Jahrzehnte immer nur friedlich miteinander umgehen,

(Dirk Kienscherf SPD: Ein bisschen Frieden ist doch auch ganz schön!)

dann können wir uns diese Veranstaltungen ja eigentlich schenken hier.

Deswegen: Wir machen gern bei diesem Antrag mit, wir stimmen ihm auch gern zu, weil er gut und richtig ist.

(Zurufe – Heiterkeit bei der CDU)

Ja, es ist schön am späten Abend, dass Sie noch wach werden und sich so herzlich freuen können.

Wir machen es also mit, aber wir müssen uns alle auch darüber im Klaren sein: Immer und ewig bindet dieser Frieden natürlich nicht. Es ist ja kein dreißigjähriger Frieden. – Vielen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)