Protokoll der Sitzung vom 16.05.2018

(Wolfgang Rose SPD: Das ist ja ganz was Neues von der CDU!)

Wie weit wollen die Sozialdemokraten ihre Ideale eigentlich noch für die Zwecke des politischen Marketings verleugnen, frage ich mich dabei.

(Beifall bei der CDU)

Und schließlich: Wie kommen Sie genau auf 12 Euro? Herr Rose sagt, alle sagten das. Aber was ist denn zum Beispiel mit der von der SPD ins Leben gerufenen Mindestlohnkommission? Die ist ja schließlich Ihrem SPD-geführten Arbeitsministerium angegliedert. Haben Sie die einbezogen in Ihre Überlegungen? Auch dazu sagt Ihr Antrag nichts aus. Vertrauen Sie dieser Kommission nicht mehr oder haben Sie Angst gehabt, dass diese Kommission Ihnen Ihren Marketingtrick verdirbt, indem sie ihn nämlich als einen solchen entlarvt?

(Wolfgang Rose SPD: Keine Ahnung, echt keine Ahnung! – Glocke)

Fazit: Die Forderung nach 12 Euro Mindestlohn …

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Herr Wolf.

… ist ein rein politischer Marketingtrick und wenn Sie …

(Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Herr Wolf, Ihre Redezeit …

… der Überweisung zustimmen …

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Herr Wolf, wenn der Präsident klingelt … Ich kann die Null anhalten, es wird davon auch nicht mehr. Die Redezeit ist schon länger abgelaufen. Insofern möchte ich Sie bitten, jetzt unmittelbar zum Schluss zu kommen.

(Beifall bei CDU)

Als Nächste erhält das Wort Antje Möller für die GRÜNE Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Wolf, was Sie eigentlich tatsächlich wollen, haben Sie jetzt nicht wirklich gesagt.

(Dr. Jens Wolf CDU: Ich durfte ja nicht mehr!)

Ach, Sie durften nicht mehr? Man muss versuchen, es ein bisschen einzuteilen und sich auch manchmal kürzer zu fassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

(Dr. Jens Wolf)

Vielleicht hätten Sie nicht ganz so oft das mit dem politischen Marketing sagen, sondern sich mehr inhaltlich einlassen sollen auf das, was wir gemacht haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Man kann ganz einfach sagen, warum dieser Antrag nötig ist und warum er in dieser Form nötig ist: Weil man nämlich einmal anfangen muss damit. Weil man nämlich zum Beispiel in diesem Parlament die Opposition überzeugen muss und auf Bundesebene dann auch die, die mitregieren, dass es schlicht und einfach nicht mehr ausreichend ist, was wir jetzt an Mindestlohn in dieser Republik und hier bei uns haben. Diese Löhne reichen nicht, um armutsfest, um einmal dieses Wort zu nennen, zu sein. Wir wollen, dass die Menschen, die hier Vollzeit arbeiten, die in einem großen Teilbereich dieser Gesellschaft unersetzlich sind mit ihrer Arbeit, aus der Armut rauskommen beziehungsweise gar nicht hineinkommen. Das ist das Hauptziel und das ist notwendig und damit muss man anfangen. Und das tun wir.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir tun das in dem Einflussbereich, den wir haben, in dem Einflussbereich der Hansestadt Hamburg. Wolfgang Rose hat es schon ausführlich gesagt, ich wiederhole es vielleicht einmal an zwei, drei Punkten: Alle Beschäftigten im Personalbestand der Stadt Hamburg sowie in den städtischen Betrieben und Unternehmen sollen mit den Gewerkschaften über den Mindestlohn von 12 Euro reden. Ich hoffe sehr, dass die Gewerkschaften sich da nicht lange bitten lassen werden und dass wir fix dazu kommen werden, müssen und können, uns mit den Details der Umsetzung, mit den Details der Forderung, mit den Details der Regelungen, die dafür notwendig sind, auseinanderzusetzen.

Und natürlich ist das, so wie Sie argumentieren, erst einmal nicht gerecht, weil es sowieso nicht für alle ist. Aber wenn Sie so wollen, ist die Welt nie gerecht, weil nie irgendetwas für alle ist. Das Entscheidende ist, dass wir anfangen und dass wir damit Impulse setzen und damit hoffentlich dann auch – vielleicht ja mit Ihrer Unterstützung, damit es gerechter wird – die privaten Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen unter den nötigen Druck setzen, damit auch dort vielleicht noch einmal darüber nachgedacht wird, die Tariflöhne armutsfest zu machen. All das wollen wir erreichen,

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

und man kann, man muss in kleinen Schritten anfangen.

Dass das auch ein finanzieller Kraftakt ist, ist das eine; dass wir uns mit diesem hübschen Wort – ich muss es noch einmal sagen – "Freibier-Politik" auseinandersetzen müssen … Das gibt es eigent

lich selten, Freibier für irgendetwas. Aber das zeigt einfach nur, welchen Ansatz Sie eigentlich in Tarifpolitik, welchen Ansatz Sie beim Arbeitsmarkt haben: nämlich doch eher den, dass das Entscheidende bei dem Umgang mit Beschäftigung nicht die Notwendigkeit von auskömmlichen Löhnen ist, sondern eher der Blick auf die manchmal durchaus mit Vehemenz, aber sehr zu Unrecht jammernde Industrie und die Unternehmen. Das reicht uns nicht. Die Gewinne in dieser Republik, darüber können wir noch einmal grundsätzlicher reden, haben Formen angenommen, die man in anderen europäischen Ländern nicht findet; das nur als kleiner Seitenhieb. Deshalb ist es notwendig, anzufangen, einzusteigen in den Impuls. Wir brauchen einen Mindestlohn von 12 Euro.

Ich weiß, DIE LINKE ist, das sieht man ja am Zusatzantrag, damit nicht zufrieden. Aber hier würde ich, nicht vergleichbar zu dem, was ich in Richtung der CDU gesagt habe, aber auch sagen: Es funktioniert einfach schrittweise. Wir können nicht alles gleich umsetzen. Wir müssen einsteigen in die Verhandlungen mit den Gewerkschaften, mit dem Lohn in dem Einflussbereich, den wir direkt und konkret haben, und dann sehen wir weiter.

Ich habe nicht wirklich ein Gegenargument gehört in dieser Debatte, auch tatsächlich nicht von der CDU, weil sie sich einfach nur über Marketing hier ausgelassen hat. Und deshalb hoffe ich, dass wir ein breites Bündnis für diesen Antrag zustande bekommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Als Nächster erhält das Wort Deniz Celik für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Hamburgerinnen und Hamburger! Lieber Herr Rose, ob Sie es wahrhaben wollen oder nicht, die heutige Debatte zur Einführung des tariflichen Mindestlohns von 12 Euro zeigt doch: Opposition von links wirkt.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit unseren Anträgen in der Bürgerschaft, zuletzt im November 2017, haben wir einen Stein ins Rollen gebracht. Und es ist gut, dass die Regierungsfraktionen nun eine unserer Kernforderungen aufgegriffen haben; das war zur Bekämpfung von Armutslöhnen und Altersarmut längst überfällig.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen einen deutlich höheren Mindestlohn, weil allein in Hamburg für 33 000 Menschen der Lohn nicht mehr zum Leben reicht und sie zusätzlich aufstocken müssen. Es darf doch nicht sein, dass Unternehmen – und das zum Nachteil von Wettbewerbern, die faire Löhne zahlen – vom

(Antje Möller)

Staat, also von uns allen, für ihre Dumpinglöhne auch noch subventioniert werden.

Viele Menschen in unserer Stadt können sich das Wohnen kaum noch leisten. Meine Kollegin Frau Sudmann hat es erwähnt: 45 Prozent der Hamburger Haushalte müssen die Hälfte ihres Nettoeinkommens für die Miete ausgeben. Ein deutlich höherer Mindestlohn ist auch eine wichtige Stellschraube, um dem Auseinanderklaffen von niedrigen Löhnen und teuren Mieten entgegenzuwirken.

(Beifall bei der LINKEN)

Zuletzt das Thema Altersarmut. Hamburg ist mit einem 7,4-Prozent-Anteil von Grundsicherungsempfängerinnen im Alter trauriger Spitzenreiter und der Bürgermeister hat recht, wenn er sagt: Man kann Menschen nicht ein ganzes Leben lang arbeiten lassen und ihnen im Alter sagen, geh doch zum Amt. Aber wenn wir ehrlich zueinander sind, wird auch 12 Euro Mindestlohn die Menschen vor Altersarmut nicht bewahren. Gerade hat doch die Bundesregierung auf die Anfrage der Links-Fraktion geantwortet, dass 12,63 Euro notwendig wären, um im Alter über die Grundsicherung zu kommen. Von daher dürfen wir nicht bei 12 Euro stehen bleiben und müssen zügig mindestens 13 Euro – wenn nicht mehr – anpeilen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Regierungskoalition möchte nun den Weg über Tarifvereinbarungen gehen. Wir sehen darin zwei kritische Punkte.

Erstens: Mit dem Verzicht auf einen gesetzlichen Mindestlohn unterlassen Sie es sträflich, die Privatwirtschaft in die Pflicht zu nehmen. Zu behaupten, Hamburg könne kein konkurrierendes Landesgesetz zum bundesweiten Mindestlohn einführen, entspricht schlicht nicht der Wahrheit, denn sechs weitere Bundesländer haben gesetzliche Landesmindestlöhne oder sind dabei, sie einzuführen.

(Beifall bei der LINKEN)

Statt folgenlose Appelle an die Privatwirtschaft zu richten und vor der Privatwirtschaft zu kuschen, sollten Sie Ihren Handlungsspielraum dafür nutzen, dass der Mindestlohn auch im Vergabegesetz verankert wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens befürchten wir, dass die Einführung des tariflichen Mindestlohns mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird. Noch vor wenigen Wochen zum Beispiel wurde den verhandelnden Beschäftigten in der Hauswirtschaft der Kitas und dem Bodenpersonal im Flughafen der Mindestlohn von 12 Euro verweigert mit der Begründung, für so etwas sei kein Geld da. Eine Wertschätzung der Leistung dieser Beschäftigten, liebe Kolleginnen und Kollegen, sieht nun einmal ganz anders aus.

(Beifall bei der LINKEN)