Protokoll der Sitzung vom 27.03.2019

(Beifall bei der LINKEN und bei Farid Müller GRÜNE)

Es ist ein Zustand, der verbessert werden muss, nicht nur wegen Erdogan. Nicht nur, weil viele Imame, die aus dem Ausland kommen, nicht nur oder nicht oder nur wenig Deutsch sprechen, sondern auch, weil sie oft heute immer noch auf die gesellschaftliche Realität, auf das Leben in Deutschland nicht wirklich vorbereitet sind, weil ihre Ausbildung oft den Anforderungen, die sie hier erwarten, zum Beispiel was die vielfältigen seelsorgerischen Aufgaben betrifft, nicht genügt. Die realen Probleme lassen sich aber nicht damit lösen, dass sie per Änderung der Visabestimmungen dazu verpflichtet werden, bei der Einreise ein Sprachzertifikat vorzulegen. Eine Regelung, die nicht gemeinsam mit den islamischen Gemeinschaften getroffen wird, greift in deren Freiheit ein, ihr religiöses Personal selbst zu bestimmen. Und deshalb ist der Weg, wie ihn die SCHURA gemeinsam mit den zuständigen Behörden, insbesondere der Sozialbehörde, beschritten hat, nämlich eine Vereinbarung für eine Qualifizierung von Imamen zu beschließen und umzusetzen, der richtige Weg. Diese Qualifizierungsmaßnahmen, einschließlich der sprachlichen

(Phyliss Demirel)

Qualifizierung, müssen in Kooperation mit den islamischen Gemeinschaften, und das heißt hier in Hamburg mit den Vertragspartnern, getroffen werden. Die SCHURA hat in ihrer Stellungnahme zu Ihrem Entwurf gleich in der Überschrift deutlich gemacht, dass ihr die Qualifizierung von Imamen ein wichtiges Anliegen ist.

Und damit kommen wir zu einem zweiten Punkt, Herr Müller, den die CDU auch völlig zu Recht in ihrem Zusatzantrag angesprochen hat, nämlich die Versäumnisse der Politik. Was ist denn mit der Ausbildungsstätte für islamische Theologie an der Universität Hamburg, die 2012 in Artikel 5 des Staatsvertrags vereinbart wurde? Vor über sechs Jahren also. Wie lange wollen Sie denn jetzt den Prüfauftrag noch prüfen? Sechs Jahre war Zeit zu prüfen, und ich finde, jetzt kann gehandelt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ohne ausreichende Mittel zur Finanzierung der theologischen Ausbildung, auch staatliche Mittel, werden in Deutschland zu wenig Imame und islamische Seelsorger ausgebildet und sind viele Moscheengemeinden einfach auf Imame aus der Türkei, aus Nordafrika, aus Bosnien und so weiter angewiesen. Wir unterstützen, was die CDU im Begründungstext zu ihrem Zusatzantrag schreibt:

"Wer wirklich mehr deutschsprachige, gut ausgebildete islamische Theologen in Hamburgs Moscheen will, muss mehr tun."

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich gibt es eine Reihe weiterer Probleme, vor allem die Bezahlung – das ist vorhin angesprochen worden – von gut ausgebildeten Imamen, die nicht leicht zu lösen sind und die Veränderungen in der Verfassung der islamischen Religionsgemeinschaften hier notwendig machen. Das braucht Zeit. Aber jetzt mit einem Antrag um die Ecke zu kommen, nur um dem Seehofer zuvorzukommen.

(Farid Müller GRÜNE: Ja, ein zentrales Pro- blem!)

Ja, vielleicht hat es auch noch weitere Gründe.

Ein Antrag, der die angesprochenen Probleme ignoriert und die Kooperation mit den islamischen Religionsgemeinschaften beschädigt, löst kein Problem,

(Kazim Abaci SPD: Frau Schneider!)

sondern schafft neue.

(Glocke)

Wir werden deshalb

(Glocke)

den Punkt 1 Ihres Antrags ablehnen und dem Zusatzantrag der CDU zustimmen, obwohl das Erstere der CDU nicht so gefallen wird. Frau Demirel.

(Glocke)

Genau. Frau Demirel.

Es ist Ihnen doch bekannt, dass das Programm, das Angebot der BASFI, die wir sehr schätzen, auch auf freiwilliger Basis angeboten wird und nicht verpflichtend ist. Deshalb macht es Sinn, das parallel zu verfolgen. Es sollte das langfristige Ziel sein, dass wir die Imame oder insgesamt die Religionsgelehrten in Deutschland ausbilden, in Hamburg ausbilden, aber bis wir das erreichen, brauchen wir weitere Maßnahmen. Ich denke, da sind wir beide einer Meinung. Und an der Akademie der Weltreligionen ist es nicht so, dass die Stellen jetzt unbesetzt sind. Da sind doch Gastprofessoren dabei, und bei der Akademie der Weltreligionen ist die Stelle von Handan Aksünger nachbesetzt worden, da sind wir auf einem guten Weg und das verfolgen wir sehr nah.

Ja, aber Sie wissen auch, dass die Situation der Akademie sehr prekär ist, dass die Sorgen groß sind. Herr Wersich hat auf die Probleme in der Vergangenheit hingewiesen, und ich finde, wir sollten die Probleme für die Zukunft lösen, dann sind wir einen Schritt weiter.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Schneider. – Als Nächste erhält das Wort Frau von Treuenfels-Frowein von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Integration ist keine Einbahnstraße, Integration muss gefördert, aber auch gefordert werden. Und Integration kann nur dann gelingen, wenn klar ist, was die Beteiligten voneinander erwarten. Rot-Grün will jetzt am Antrag sicherstellen, dass die Imame Deutsch sprechen können. Das ist schon einmal nicht schlecht. Aber das ist zu kurz gegriffen, denn es kommt doch nicht darauf an, jedenfalls nicht nur darauf an, in welcher Sprache gesprochen wird, sondern darauf, was gesagt wird. Denn es macht doch keinen Unterschied, wenn ein DITIB-Imam das autokratische Erdogan-Regime nicht auf Türkisch, sondern in einem perfekten Hochdeutsch anpreist. Und es macht auch keinen Unterschied, wenn, und solche gibt es doch, das wissen wir, radikale Imame aus dem Iran religiösen Fanatismus auf Deutsch in die Gemeinden tragen.

(Beifall bei der FDP)

(Christiane Schneider)

Tun wir doch nicht so, als sei ein Anfängerkurs Deutsch bereits ein wichtiger und wirklicher Schritt für die Integration. Entscheidend ist doch, was für eine Botschaft bei den Menschen in den Moscheen ankommt. Ist es ein Aufruf für geteilte Werte und eine gemeinsam gelebte Gesellschaft? Oder ist es auch ein Aufruf, wie wir wissen, von Menschen, die da in den Moscheen sind, zur Spaltung und zur Desintegration? Und genau darauf kommt es an.

(Beifall bei der FDP)

Wir Freien Demokraten unterstützen jeden, der die Werte des Grundgesetzes mit Leben füllt, und das gilt auch für Religionsgelehrte. Aber wir fordern es auch von jedem. Für uns ist es schlicht eine Frage der Haltung, und wir finden, mit Halbherzigkeit und Symbolpolitik und Prüfaufträgen ist da überhaupt nichts gewonnen, sondern wir brauchen klare Regeln für Imame, die in Deutschland und in Hamburg nämlich dann auch ausgebildet werden müssen. Und das fordern wir seit Jahren. Es geht doch schlicht irgendwann einmal um die Frage, wie erreicht werden kann, dass alle in diesem Land aus dieser ewigen Sonderdiskussion um den Islam herauskommen. Gehört er zu Deutschland, gehört er nicht zu Deutschland, zu wem gehört er eigentlich? Und all das muss doch irgendwann aufhören. Irgendwann muss es doch so sein, dass der Islam eine Religionsgemeinschaft wie viele andere auch ist mit gleichen Rechten und Pflichten. Dahin wollen wir doch eigentlich alle.

(Beifall bei der FDP)

Denn es ist doch sehr einfach, die Werte des Grundgesetzes und des Rechtsstaats sind nicht verhandelbar. Wer diesem Fundament unserer Gesellschaft zustimmt, der ist immer herzlich willkommen. Wer nicht, eben nicht. Und wenn wir garantieren wollen und wirklich garantieren wollen, dass die Imame in Deutschlands Moscheen in Bezug auf unsere Werte, die wir alle leben wollen, sattelfest sind und nicht durch Autokraten gesteuert sind, dann müssen wir sie in Deutschland ausbilden. Wir brauchen einen unabhängigen Islam auf dem Boden des Grundgesetzes, und das fordern nicht nur wir, sondern das wird auch von vielen moderaten Muslimen in unserer Stadt unterstützt.

(Beifall bei der FDP)

Und deshalb sagen wir glasklar und fordern, DITIB und SCHURA müssen sich von den autokratischen Regimes in der Türkei und im Iran lösen. Das ist eine Forderung, in der wir nicht zurückgehen dürfen, was übrigens, liebe GRÜNE, auch Ihr Cem Özdemir immer lauthals fordert. Stellen Sie sich doch einmal dazu. Und was bedeutet das für Hamburg? Für Hamburg bedeutet das, wenn DITIB und SCHURA das verweigern, dann sind sie keine Staatsvertragspartner für diese Freie und Hansestadt Hamburg. Dabei bleiben wir.

(Beifall bei der FDP, der CDU und bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos und Andrea Oel- schläger AfD)

Und deswegen erwarten wir von der SPD, manchmal vielleicht auch von den GRÜNEN, wenn sie sich denn einmal aufraffen können – bei der CDU weiß ich, dass sie so denken –: Zeigen Sie endlich Rückgrat und stärken Sie die muslimischen Mitbürger dieser Stadt, die einen moderaten Islam haben wollen und mit ihrer Stimme vertreten werden wollen. Unterstützen Sie nicht hinten herum dadurch die autokratischen Systeme, indem sie sich nicht trauen, gegen diese anzugehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der CDU und der AfD)

Vielen Dank, Frau von Treuenfels-Frowein. – Als Nächster erhält das Wort Herr Nockemann von der AfD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die AfD plädiert schon lange deutlich vernehmbar für eine grundsätzliche Neuregelung der Einreisebestimmungen sowie der Qualifikation von islamischen Rechtsgelehrten. So haben wir bereits im Juni 2016 in der Drucksache 21/4874 ein neues Anforderungsprofil für Imame gefordert. Dieses behandelte insbesondere als wichtigen Punkt das Vertrautsein mit unseren Werten, natürlich auch die deutsche Sprache. Ich darf einmal zitieren, unter Punkt 1 heißt es:

"Der Senat wird aufgefordert, auf der Grundlage des Staatsvertrages ein Anforderungsprofil zu erarbeiten, das künftig für solche Imame verbindlich ist, die im Ausland ausgebildet worden sind und von dort aus bezahlt werden. Dazu gehört, dass Imame vor ihrer Einstellung einen Nachweis der deutschen Sprache erbringen, ihre Ausbildung anhand von Diplomen belegen sowie ein polizeiliches Führungszeugnis einreichen, sofern sie bereits längere Zeit in Deutschland leben."

Kurioserweise ist dieser Antrag seinerzeit von allen in der Bürgerschaft vertretenen Fraktionen – Herr Dr. Wersich, auch von Ihrer Fraktion – abgelehnt worden, das sollen die Hamburger ruhig wissen. Insofern sehen wir die vorliegende Initiative als nachträgliche Bestätigung unserer Politik an.

Wir haben die Notwendigkeit, verbindliche Voraussetzungen insbesondere für DITIB-Imame zu erlassen, nicht primär mit dem Angebot verbesserter Teilhabemöglichkeiten begründet. Uns ging es vielmehr primär darum, die politische Einflussnahme der Türkei, die bislang in DITIB-Moscheen stattfindet, zu verhindern, denn DITIB-Imame sind türkische Beamte, die für die türkische Religionsbehörde arbeiten. Ihre Aufgabe besteht darin, die Gläu

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein)

bigen politisch im Sinne Ankaras zu beeinflussen. Eine Integration im Sinne einer Annäherung an die deutsche Gesellschaft auf Kosten ihrer türkischen Identität wird gerade nicht angestrebt. Man muss auch wissen, dass die Freitagspredigten in den Moscheen gemeinhin in der Türkei verfasst werden.

Die unmittelbare Steuerung durch die Türkei ergibt sich aus Paragraf 11 und Paragraf 12 der DITIBSatzung. Deswegen wird sich daran auch nichts ändern. Diese Paragrafen legen fest, dass DITIB den Präsidenten des Amtes für religiöse Angelegenheiten der türkischen Republik weisungsgebunden ist. Zusätzlich hat die Religionsbehörde das Recht, sämtliche Unterlagen von DITIB einzusehen und Entscheidungen über Aufnahme und Ausschluss von Mitgliedern zu treffen. Folglich hat der Senat den Staatsvertrag mittelbar mit einem islamischen Staat, nämlich der Türkei, geschlossen. Diese aber kann kein Partner sein.

Die türkische Religionsbehörde diffamiert darüber hinaus die liberale Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin als unislamisch. Das ist etwas, was wir überhaupt nicht akzeptieren können. Es ist so, dass DITIB als politischer Akteur entmachtet werden muss. Solange dies nicht geschieht, macht die vorliegende Drucksache wenig Sinn.

(Beifall bei der AfD)

Deshalb darf der Senat den Staatsvertrag nicht verlängern mit DITIB. Das wäre gemäß Artikel 13 des Staatsvertrages frühestens im November 2022 möglich. Und wir haben schon immer gefordert, auch in der damaligen Drucksache, eine eigene Ausbildung für Imame in Deutschland aufgrund der deutschen Werteregelung und in deutscher Sprache, damit die Imame auch hier am gesellschaftlichen Leben selbst teilnehmen können. Und nur derjenige, der das kann, kann auch entsprechend ausbilden und unterrichten und Teilnahme gewährleisten. – Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Nockemann. – Als Nächster erhält das Wort der fraktionslose Abgeordnete Professor Kruse.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich über das Thema des Antrags gefreut. Ich habe mich zunächst darüber gefreut, dass die SPD- und GRÜNEN Fraktionen offenbar einen Lerneffekt hatten. Es hat zwar fast drei Jahre gedauert, aber immerhin. Ich habe an dieser Stelle am 29. Juni 2016 eine Rede gehalten zum Thema Anforderungsprofil für Imame, damals noch für eine Fraktion, die hier üblicherweise diffamiert wird, und danach bin ich in der üblichen Weise niedergemacht worden. Von Herrn Wysocki war das ohnehin klar, aber auch Herr Wersich, den ich als Person durchaus schätze, hat Dinge gesagt, die ich