Protocol of the Session on September 16, 2020

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(Sabine Boeddinghaus)

stellenbedingte Verlagerung des Busverkehrs aus der Mönckebergstraße in die Steinstraße.

[Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN: Maßnahmenpaket "Attraktive Hamburger Innenstadt": Baustellenbedingte Verlagerung des Busverkehrs aus der Mönckebergstraße in die Steinstraße – Drs 22/1290 –]

[Antrag der CDU-Fraktion: Keine Vorfestlegung zulasten der Mobilität – (Innen-) Stadt der kurzen Wege durch ergebnisoffenen Beteiligungsprozess und verkehrsmittelübergreifendes Konzept möglich machen – Drs 22/1410 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 22/1410 ein Antrag der CDU-Fraktion vor.

Die Fraktionen der CDU und der LINKEN möchten beide Anträge federführend an den Verkehrsausschuss sowie mitberatend an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Herr Kienscherf, Sie haben es für die SPD-Fraktion und offensichtlich auch die kürzeste Anreise aller Abgeordneten ans Rednerpult.

Danke, Herr Präsident. – Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Hamburgerinnen und Hamburger! In den letzten zwei Jahren haben wir viel über die Innenstadt diskutiert. Es gab viele Vorschläge unterschiedlichster Qualität, von Ballermann-Pontons auf der Binnenalster bis hin zu Initiativen für autofreie Quartiere. Es gab viel Dogmatismus, und es gab auch viele Emotionen.

Ich glaube, dass wir jetzt im rot-grünen Koalitionsvertrag niedergelegt haben, dass wir auf eine pragmatische Art und Weise diese Innenstadt fit für die nächsten Jahre machen wollen. Das ist eine gute Nachricht, dass wir dies umsetzen.

(Beifall)

Wir wollen das umsetzen, was viele Hamburgerinnen und Hamburger möchten, wie sie sich das Herz ihrer Stadt vorstellen. Eine attraktive Innenstadt, das bedeutet eine vielfältige Innenstadt. Eine attraktive Innenstadt, das bedeutet mehr Wohnraum. Eine attraktive Innenstadt bedeutet auch mehr öffentlichen Raum für Fußgänger und für Radfahrende und für Freizeitgestaltung. Das bedeutet nicht, dass es keinen Autoverkehr mehr in der Stadt geben soll, aber es bedeutet eben auch, dass es weniger Verkehr geben sollte. Und es freut mich, dass insbesondere die Innenstadtakteure auch begriffen haben: Weniger Autoverkehr in der Innenstadt bedeutet mehr Aufenthaltsqualität, bedeutet eine attraktive Innenstadt. Das ist etwas,

was wir mit den Hamburgerinnen und Hamburgern teilen, und so wollen wir die Innenstadt weiterentwickeln.

(Beifall)

Rot-Grün haben im Koalitionsvertrag viele Projekte aufgeführt, um dies zu erreichen und die Innenstadt fit zu machen. Fünf Jahre lang wollen wir uns dafür Zeit nehmen. Aber ich glaube, es ist ein wichtiges Signal und es zeigt die Ernsthaftigkeit, mit der wir dieses Thema angehen, dass wir schon nach rund 100 Tagen zwei Projekte konkret angehen und den Startschuss für zwei große Leitprojekte geben, das eine der Jungfernstieg und das andere die Mönckebergstraße. Ich glaube, das macht deutlich: Rot-Grün steht zur Hamburger Innenstadt und steht für deren Weiterentwicklung.

(Beifall)

Aber es ist nicht nur ein Zeichen der Ernsthaftigkeit, sondern es ist, glaube ich, auch genau das richtige Signal in einer Zeit, in der es der Innenstadt nicht gut geht. Gerade die Innenstadt leidet unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie. In keinem anderen Bereich wird es so deutlich spürbar wie hier, im Herzen unserer Stadt. Der wegbrechende Tourismus, das Wegbrechen der Geschäftsreisenden, aber auch der verstärkte Einsatz von Homeoffice, gerade in den Betrieben in der inneren Stadt, hat dazu geführt, dass Nachfrage entfallen ist, und es hat dazu geführt, dass wir bedenkliche Entwicklungen haben. Deswegen ist es, glaube ich, so wichtig, dass die Hamburger Bürgerschaft hier und heute sagt: Wir wollen gerade in dieser Situation, die nicht einfach ist für die Innenstadt, das Signal geben, und wir wollen alles tun, wir wollen unsere Verantwortung wahrnehmen, dass sich die Rahmenbedingungen für die Hamburger Innenstadt und damit auch für die Beschäftigung verbessern.

(Beifall)

Dabei ist das Thema Mönckebergstraße ein besonderes Thema, denn hier geht es darum, die Aufenthaltsqualität zu verbessern. Hierzu gibt es unterschiedlichste Vorschläge, und hier geht es darum, Busverkehre zu verlagern. Hier geht es darum, ob eine Herausnahme, ob eine Verlagerung dazu führen kann, die Aufenthaltsqualität zu verbessern. Und das ist eine sehr komplexe Frage, denn sie betrifft eine Vielzahl von Buslinien, und sie betrifft die Erreichbarkeit der Innenstadt. Von daher ist es ein neuer, aber, ich glaube, ein sehr sinnvoller Weg, dass wir sagen: Wir wollen nicht irgendwelche Entscheidungen treffen aufgrund irgendwelcher Verkehrsberechnungen, nein, wir wollen die Gunst der Stunde nutzen. Wir wollen das, was ohnehin in der Mönckebergstraße passiert, diese große Baustelle im Rahmen der Sanierung der U3, nutzen und einen großen Praxistest durchführen, eine Baustellenumleitung. Und wir

(Vizepräsident André Trepoll)

wollen mit den Hamburgerinnen und Hamburgern zusammen beraten und zusammen testen, ob es eine Lösung für die Mönckebergstraße und für die Innenstadt ist, diesen Busverkehr dort herauszunehmen. Wir wollen das begleiten mit Befragungen, mit Stadtwerkstätten, mit öffentlichen Veranstaltungen. Damit stoßen wir, glaube ich, ein neues Kapitel der Innenstadtentwicklung auf, aber wir stoßen auch ein neues Kapitel der Bürgerbeteiligung auf. Von daher hoffe ich, dass es heute eine große Mehrheit für diesen Beschluss geben wird. – Vielen Dank.

(Beifall)

Danke, Herr Kienscherf. – Für die GRÜNE Fraktion erhält jetzt das Wort die Abgeordnete Domm.

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Hamburgerinnen und Hamburger! Dass uns eine Baustellenumleitung eine Befassung in der Bürgerschaft wert ist, das kommt nicht alle Tage vor. Diese Baustellenumleitung aber ist weit mehr, als sie scheinen mag. Mit der Verlagerung des eng getakteten Busverkehrs aus der Mönckebergstraße in die Steinstraße schaffen wir den Startschuss in das zweite Leitprojekt der Umgestaltung der Hamburger Innenstadt. Nach der Verkehrsberuhigung des Jungfernstiegs wird nun auch die Mönckebergstraße spürbar attraktiver und den Passantinnen und Passanten eine deutlich höhere Aufenthaltsqualität versprechen. Das stärkt das bunte innerstädtische Leben und den ansässigen Einzelhandel. Nicht nur das Leben auf der Mönckebergstraße wird sich dadurch erheblich entspannen, sondern auch die Umbauten der Haltestellen der U3 werden so schneller über die Bühne gehen.

Aus der Umleitung des Busverkehrs geht aber, und auch nicht unwesentlich, die Steinstraße als Gewinnerin hervor. Denn effektiv richten wir auf der Steinstraße eine Einbahnstraße für den Autoverkehr ein, wodurch insbesondere die Außengastronomie und Passantinnen und Passanten vom gewonnenen Platz profitieren. Wo heute noch Autos parken, werden im kommenden Jahr Menschen ihr Mittagessen genießen oder ihren Roller abstellen. Darüber hinaus richten wir nicht nur breite Radspuren, sondern auch Busspuren für einen fließenden Busverkehr ein. So kommen alle zügig an ihr Ziel.

(Beifall)

Gerade durch die zeitweise eingerichteten Bushaltestellen wird der Straßenzug sicherlich ab Frühling stärker belebt, die Gastronomie stellt ihre Tische und Stühle vor die Tür. Diese Aufwertung der Aufenthaltsqualität verbindet die dann verkehrsberuhigte Mönckebergstraße mit dem grünen Domplatz und dem Kontorhausviertel. Das Netz der lebendigen Innenstadt wächst weiter und weiter und

wird von den Menschen vor Ort gestaltet. Diese temporären Veränderungen bieten uns aber auch die Möglichkeit, testweise auszuprobieren, was wir aus dem Stadtteil, aus der Innenstadt alles machen können, was eigentlich wirklich gewollt wird, was gebraucht wird und wie das Wohnen im innersten Stadtkern unserer Stadt verbessert werden kann. Ab Frühling sammeln wir damit also wichtige Erfahrungen für die langfristige Aufwertung dieses bedeutsamen Verkehrsknotens, die wir im Rahmen der Stadtwerkstatt mit den Hamburgerinnen und Hamburgern diskutieren. Und auch für die Buslinienverläufe durch die Innenstadt können wir aus diesen gewonnenen Erfahrungen später Schlüsse ziehen.

Ich freue mich sehr, dass wir diese neuen Leitlinien der Hamburger Verkehrspolitik bald effektiv spüren können, um die Innenstadt für alle Hamburgerinnen und Hamburger und mit allen Hamburgerinnen und Hamburgern zu gestalten. Wir werden in Zukunft auf barrierearme, bunte und ruhige Orte setzen. Die gesamte Geschwindigkeit, der Puls der Stadt wird sich an denen orientieren, die am schwächsten, die am langsamsten, die zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind. So entschleunigen wir spürbar das Leben, den Alltag und geben allen die Möglichkeit, entspannt anzukommen.

(Beifall)

Die Innenstadt soll sowohl für die vor Ort Berufstätigen als auch für die Besucherinnen und Besucher Orte für Mittagessen, für Entspannung, für Einkauf bieten können. Dafür müssen wir aber auch die Realitäten der verschiedensten Gruppen in den Blick nehmen, von Kindern über Mobilitätseingeschränkte bis hin zu jenen, die weitab der Innenstadt wohnen, und uns ihre Geschichten anhören, was sie mit der Innenstadt verbinden, warum sie kommen und warum sie auch nicht kommen. Denn dieser öffentliche Raum gehört uns allen, gestalten wir ihn gemeinsam. – Vielen Dank.

(Beifall)

Vielen Dank, Frau Domm. – Jetzt erhält für die CDU-Fraktion Herr Seelmaecker das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren! Zunächst dachte ich, dies sei wieder ein sprachlich schlechter, weitgehend unkonkreter Allgemeinantrag. Bei genauem Hinsehen allerdings offenbarte sich mir: Es war viel schlimmer.

(Zuruf)

Ehrlich gesagt, Herr Kienscherf, sind Sie reingefallen. Anders kann ich das nicht bezeichnen. Ich beginne einmal mit den Allgemeinplätzen und zitiere aus der Prosa:

(Dirk Kienscherf)

"Die vor der Corona-Krise festgestellte Einigkeit der Akteure in der Innenstadt, dass die Hamburger Innenstadt über großes Potenzial verfügt, es aber bestimmter Entscheidungen und Maßnahmen bedarf …"

Klammer auf, welche?, frage ich, Klammer zu –

"… um die Innenstadt fit für die Zukunft zu machen, ist gerade vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie umso dringlicher."

Da fehlt noch, wir brauchen einen veganen Aufenthaltsraum mit hoher Qualität, der nachhaltig ist, auch unter Berücksichtigung von Minderheiten. Also ein bisschen was Konkretes wäre doch einmal schön, an den echten Problemen orientiert.

(Beifall)

Und wenn es dann in Ziffer 4 des Petitums heißt:

"nach Abschluss des Testzeitraums die Vorund Nachteile sorgfältig abzuwägen"

−also wenn wir das schon hineinschreiben müssen, dann gnade uns Gott, was sonst so in den Behörden passiert.

(Beifall)

Dann geben Sie in Ziffer 9 noch zum Besten,

"die notwendigen Mittel hierfür aus den Einzelplänen der zuständigen Fachbehörden zur Verfügung zu stellen".

Natürlich, Geld bedarf es auch; es wäre schön zu wissen, wie viel.

Nun aber zum Kern des Ganzen. Sie verabschieden sich hier letztlich von der sachlichen Verkehrspolitik, wie wir sie von der SPD noch in der letzten Legislatur erlebt haben,

(Zuruf)