Protokoll der Sitzung vom 08.04.2021

Ich muss Ihnen wohl nicht noch extra etwas über unsere erfolgreiche Beantragung von vier Exzellenzclustern erzählen, aber besonders hervorheben möchte ich dann doch an dieser Stelle, dass es mit der Manuskriptforschung gelungen ist, einen geisteswissenschaftlichen Exzellenzcluster zu bekommen, und dass im Klimaexzellenzcluster seit Jahren interdisziplinär gearbeitet wird.

Mit der Science City Hamburg-Bahrenfeld werden erstmals in der Geschichte Hamburgs Wissenschaft, Wirtschaft und Wohnen bei der Entwicklung eines neuen Quartiers als Ganzes gedacht. Rund um den Forschungscampus entstehen neue wissenschaftliche Institutionen und Einrichtungen sowie rund 2 500 Wohnungen. An der Science City wird sich einmal mehr zeigen, Wissenschaft und Forschung stehen nicht für sich, sondern gehören in unsere Gesellschaft, denn nur so funktioniert Fortschritt.

(Beifall)

Die letzten Monate haben uns allen noch einmal deutlich gezeigt, dass auch wir im Parlament unser Handeln in großem Umfang an der Wissenschaft ausrichten, und die Coronapandemie hat sogar das Vertrauen der Deutschen in Wissenschaft

noch einmal deutlich gestärkt. Wenn ich mir nun das Doppelinterview Ihres Fraktionsvorsitzenden und Ihres Landesvorsitzenden anschaue, bei dem die beiden Herren − man muss sagen, endlich − der Wissenschaft eine zentrale Rolle für Wohlstand zusprechen, dann kann ich Sie nur freundlich fragen, wo Sie die letzten sechs Jahre waren. Das machen wir doch schon längst alles.

(Beifall)

Und wenn Sie uns vor Bremen warnen: Bremen muss uns keine Warnung sein, denn wir geben unseren Hochschulen doch Planungssicherheit und Perspektiven mit individuellen Profilstärken und ‑schärfungen. Wir denken in Clustern, auch jenseits der vier Exzellenzcluster, die inter- und transdisziplinär forschen und zum Transfer beitragen. Dies ist unser übergeordnetes Vorgehen, und zwar bereits seit Jahren. Richten Sie Ihre Optimierungsvorschläge doch lieber der zuständigen Bundesministerin aus, da haben Sie doch als CDU einen guten Draht. – Vielen Dank.

(Beifall)

Für die Fraktion DIE LINKE erhält jetzt Frau Boeddinghaus das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die CDU fragt, inwiefern Rot-Grün Hamburgs Zukunft als Technologie- und Wissenschaftsstandort verspielt, dann offenbart sie damit zuallererst, dass ihre Vision der Hamburger Wissenschaftslandschaft wenig tragfähig ist. Für die CDU sind Wissenschaft und Innovation vor allem vor dem Hintergrund ihrer Vermarktungsfähigkeit denkbar. Das zeigt sich daran, dass es Ihnen um den Standort Hamburg geht. Für die CDU ist also relevant, wie Wissenschaft dazu nutzbar gemacht werden kann, in der internationalen Weltmarktkonkurrenz gegen andere Städte bestehen zu können. Dass Sie uns als LINKE nicht mit Standortlogik zu kommen brauchen, ist sicher nicht neu für Sie.

(Beifall)

Neu ist durch die Corona-Krise aber einmal mehr die Bedeutung von öffentlich finanzierter Wissenschaft.

(Beifall)

Keiner der lebenswichtigen Impfstoffe wäre ohne die Forschung von staatlichen Universitäten denkbar gewesen. Es ist diese Art von kritischer Grundlagenforschung im internationalen Austausch, die es ermöglicht, Probleme der Menschheit sinnvoll zu bearbeiten. Solche Forschung ist nur möglich, weil sie aus der Hand der Steuerzahler:innen finanziert wird und sich nicht von vornherein irgendwelchen Profitinteressen von Start-ups andienen

(Maryam Blumenthal)

muss; ein Irrweg, den gerade auch Rot-Grün mit der Science City in Bahrenfeld weiter beschreitet.

(Beifall)

Gegen diese Marktlogik, die auf Konkurrenz statt Kooperation setzt, kämpfen wir darum, Hochschulen handlungsfähig zu machen, globale Problemlagen zu erforschen und Mittel und Wege zu ihrer Bewältigung herauszuarbeiten. Als LINKE haben wir auch konkrete Vorstellungen, wie das funktioniert. Wissenschaft mit Zukunft heißt nämlich für uns eine bedarfsdeckende Grundfinanzierung, ohne dass um staatliche oder wirtschaftliche befristete Drittmittel konkurriert werden muss, gute Beschäftigungsverhältnisse, insbesondere auch im Mittelbau und bei den studentischen Beschäftigten −denn Dauerbefristung, schlechte Löhne und hohe Belastung hemmen die wissenschaftlichen Potenziale der Hochschulmitglieder −, eine bedarfsgerechte Infrastruktur hinsichtlich Forschungs- und Arbeitsräumen, Software und Technik, bei der nicht als verstecktes Konjunkturprogramm, sondern nach den Bedarfen der Mitglieder gebaut wird, eine umfassende soziale Infrastruktur, die es sowohl für Studierende als auch für Mitarbeiter:innen der Hochschulen völlig unerheblich macht, aus welchem sozioökonomischen Hintergrund sie kommen.

Aber gegen all das, also gegen eine zukunftsfähige Wissenschaft, macht der rot-grüne Senat momentan Politik. Statt einer auskömmlichen Grundfinanzierung drängt der Senat die Hochschulen monatelang in eine finanzielle Handlungsunfähigkeit, weil er sich weigert, einen Übergangshaushalt aufzustellen. Obendrauf kommt die konsequente Leugnung des millionenschweren Defizits in den Wirtschaftsplänen der Hamburger Hochschulen, denn der finanzielle Abwärtstrend bei der Hochschulfinanzierung wird auch nicht mit ein bisschen weniger im Minus umgekehrt. Auch bei der Frage um gute Arbeit spielt der Senat lieber Verantwortungs-Pingpong mit Hochschulen, als die AG Code of Conduct endlich substanziell handlungsfähig zu machen.

Doch nicht nur der Mittelbau, auch die studentischen Beschäftigten werden mit Ansage in ihren prekären Arbeitsverhältnissen im Stich gelassen. Gebaut wird undemokratisch für Prestigeobjekte, während Hochschulen ihre zentralen Lehr- und Lernorte weiter selbst anmieten müssen. Wie soll das Studierendenwerk eine tragfähige soziale Infrastruktur für alle, die sie brauchen, ermöglichen, wenn es mit mickrigen Aufwüchsen abgespeist wird, welche ein Einsparprojekt des Schill-Senats jetzt schon seit über einem Jahrzehnt fortsetzen?

Ja, es braucht so dringend eine Trendwende bei dieser Politik, aber die Antwort heißt nicht Standort. Sie lautet, die Reichen für die Krise zur Kasse zu bitten

(Zuruf)

und ihre Auswirkungen nicht auf die Schultern unserer öffentlichen Infrastruktur zu laden.

(Beifall)

Deshalb ist unsere Erwartung jetzt an die Haushaltsverhandlungen, dass massiv nachgebessert werden muss, denn es sind auch wissenschaftliche Einrichtungen, die entscheidend dafür sind, wie wir Klimakrise, Rassismus und soziale Spaltung überwinden können. – Vielen Dank.

(Beifall)

Herr Walczak erhält jetzt das Wort für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die CDU geriert sich häufig als Partei der staatspolitischen Verantwortung. Doch was gehört eigentlich zu dieser staatspolitischen Verantwortung? Natürlich, dass man seine Schwerpunkte in den Bereichen setzt, die für die Zukunft unserer Stadt wichtig sind. Dazu gehören zweifelsohne Forschung, Lehre und Wissenschaft. Doch was Zukunftsthemen angeht, sind das eben nicht die einzigen Themen. Jede Regierung sieht sich ständig mit einem bunten Bauchladen drängender Zukunftsthemen konfrontiert. Bildung nicht nur an den Hochschulen, sondern auch an den Grund- und weiterführenden Schulen ist wichtig. Die wirtschaftliche Entwicklung unserer Stadt ist wichtig. Fragen der Migration und Integration sind wichtig. Einige hier im Hause, die AfD eingeschlossen, würden möglicherweise sogar die kühne These aufstellen, dass ein ausgeglichener Haushalt wichtig ist, denn was bringt eine Politik, die die Zukunft im Blick hat, aber künftigen Generationen Schuldenberge hinterlässt?

Ich dachte eigentlich, auch die CDU legt Wert auf fiskalische Disziplinen, zumindest die schwarze Null müsste doch für die Christdemokraten noch zum Fundament ihrer Weltanschauung gehören. Aber auch das ist nun passé, denn in der Opposition jedenfalls schlägt die populistische Ader der Union voll zu.

Natürlich hätten wir uns alle gewünscht, dass es mehr Mittel für Technologie und Wissenschaft gegeben hätte. Niemand in diesem Hause verkennt die Wichtigkeit solcher Investitionen. Insofern begrüßen wir es auch, dass die Zukunftsverträge zwischen Wissenschaftsbehörde und Hochschulen geschlossen wurden. Diese sehen immerhin für die nächsten sechs Jahre Investitionen von zusätzlich 750 Millionen Euro vor − keine Selbstverständlichkeit, wenn man bedenkt, in welcher Situation Wirtschaft und Haushalt sich wegen der Lockdown-Krise befinden.

(Sabine Boeddinghaus)

Aber wenn die CDU jetzt kritisiert, der Senat habe weder Plan noch Ziel für den Technologie- und Wissenschaftsstandort, frage ich mich, wie die CDU ihre Pläne und Ziele eigentlich finanzieren möchte. Allein wenn man sich die Tagesordnung unserer heutigen Bürgerschaftssitzung anschaut, sieht man doch, wie unseriös die CDU-Forderungen sind.

(Beifall)

750 Millionen Euro mehr für die Hochschulen sind Ihnen nicht genug? Unter Tagesordnungspunkt 44 beantragen Sie aber gleichzeitig die Auszahlung eines Unternehmerlohns für Selbstständige und Kleinunternehmer. Wer soll das bezahlen? Mit dubiosen Maskendeals lässt sich allenfalls die Apanage christdemokratischer Politkrimineller bezahlen, nicht aber ein Staatshaushalt finanzieren.

(Vereinzelter Beifall)

Wo ist eigentlich noch − wenn man jetzt einmal von der Klassenkampfrhetorik absieht − der Unterschied zwischen Ihrer Position und der Position der Linkspartei? Ist "Mehr hilft mehr" jetzt das universelle Dogma aller Parteien außer der AfD geworden? Hier ist doch ein wenig Differenzierung erforderlich, finden Sie nicht?

Ich will Ihnen ein Beispiel geben. Als die Universität Hamburg im Februar ankündigte, Studienplätze abzubauen, waren auch wir nicht begeistert. Das hat aber weniger etwas damit zu tun, dass die Zahl der Studienplätze verringert wurde, als damit, welche Studienplätze abgebaut werden sollen, Informatik und Mathematik beispielsweise. Das schadet in der Tat unserem Wissenschaftsstandort, und hier erwarten wir auch vom Senat, dass er gegensteuert. Aber doch nicht, indem wir immer mehr Geld in ein Fass ohne Boden pumpen, sondern indem wir die richtigen Schwerpunkte setzen. Dazu gehört, die MINT-Fächer zu priorisieren und in den geisteswissenschaftlichen Fächern das Angebot auf diejenigen zu begrenzen, die tatsächlich eine intellektuelle Begabung hierfür haben. Das mittlerweile herrschende Leitbild, dass jeder, der das will, studieren können soll, ist völlig verfehlt.

(Lachen im Plenum)

Ja, Sie können gern lachen, beschäftigen Sie sich doch einmal mit der Forschung. Es gibt …

(Zurufe)

Entschuldigen Sie bitte, beschäftigen Sie sich doch einmal mit den Erkenntnissen der Lernforschung. Wissenschaftlerinnen wie Elsbeth Stern predigen seit Jahren, dass Sie nicht einfach die gesamte Bevölkerung an die Universitäten schicken und wissenschaftlich ausbilden können. Das geht einfach nicht. Und dass Sie das verkennen und darüber lachen, entlarvt doch diesen Ansatz, den Sie hier verfolgen.

Was wir also nicht brauchen, sind Investitionen in Heerscharen mediokrer Akademiker, sondern die Förderung von Begabung und intellektuellem Spitzentalent. Das heißt im Zweifel: Weniger ist mehr. – Vielen Dank.

(Beifall)

Das Wort erhält jetzt Frau von Treuenfels-Frowein.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vorab möchte ich klarstellen, dass das ganze Haus hier der Auffassung ist, dass Wissenschaft und Forschung und Lehre frei sein sollen für die ganze Gesellschaft, nicht nur für einen Teil der Gesellschaft und schon gar nicht die von der AfD bestimmten Intelligenten oder was weiß ich, wen Sie da haben. Das finde ich so separatistisch, mein Gott, wirklich.

(Beifall)

Jeder, finde ich, hat jetzt auch hier gerade seine eigenen Sachen gesagt. Die SPD möchte nicht, dass irgendetwas kritisiert wird, und wenn etwas kritisiert wird, dann heißt es, wir reden schlecht – mache ich übrigens auch gleich. Und die LINKEN meinen, die Reichen sollen mal wieder ran. Jetzt komme ich von der FDP, schauen wir mal, was ich hier so bringen kann.

Anfang Februar hat Wissenschaftssenatorin Frau Fegebank einmal wieder ein, finde ich, sehr großes Wort gewählt: Sogenannte Zukunftsverträge mit den Hamburger Universitäten und Hochschulen hätten alle strukturellen Probleme gelöst, so hieß es da. Heute wissen wir, dass diese sogenannten Zukunftsverträge eigentlich nichts als weitere Sparmodelle sind. Ein Ausgleich für die jahrelange strukturelle Unterfinanzierung der Hochschulen findet sich ebenso wenig in den Vereinbarungen wie ein nachhaltiges Konzept zur Sanierung der Institute. Die letzten Bauvorhaben zeigen es. Am Ende wird es teurer und dauert länger als geplant. So sieht also die rot-grüne Wissenschaftspolitik aus, und ich muss das gar nicht vergleichen mit einer Vorgängerpolitik, sondern wir reden über das, was wir heute hier vorfinden.

Die Uni will jetzt über 1 500 Studienplätze abbauen, fast 150 weniger in Informatik, 174 in Mathematik und außerdem minus 220 in der BWL, minus 36 in Jura. Bei den Lehramtsstudenten betrifft es vor allem Biologie, Mathe und Physik, also ganz genau die Falschen.

Ich finde am allerpeinlichsten, dass die drei Berufungsverfahren im Bereich Informatik abgebrochen worden sind, was den Schaden für den Ruf der Universität noch verstärkt. Wie Sie jetzt mit dem Programm ahoi.digital noch 35 Professuren für die Informatik, Digitalisierung besetzen wollen, bleibt

(Krzysztof Walczak)