Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich weiß jetzt nicht, ob ich mit Bourdieu dienen kann, aber ich kann vielleicht mit etwas Menschenkenntnis dienen. Die zuvor vertretene These, dass einige, vielleicht auch jüngere, Menschen nicht wüssten, was BAföG ist, halte ich für sehr gewagt. Ich würde behaupten, dass zumindest in meinem Freundes- und Bekanntenkreis jeder weiß, was BAföG ist. Das ist, glaube ich, so, als würden Sie sagen, wir müssten eine Informati
onskampagne zu Hartz IV oder dergleichen machen, weil die Leute nicht wissen, dass es ALG II gibt. Also diesen Aspekt halte ich schon für ein wenig fragwürdig.
Sinnvoll am Koalitionsantrag ist aber auf jeden Fall die Information über das Stipendienangebot. Insofern ist der Koalitionsantrag auch deutlich moderater gehalten, als es die hochtrabenden Reden, die wir gerade gehört haben, vermuten lassen. Dem werden wir zustimmen. Nicht zustimmen werden wir dem Antrag der CDU. Die CDU möchte, was häufiger in CDU-Anträgen ein beliebtes Sujet ist, Lotsen einführen. Ich stelle mir dann immer die Frage, ob wir dann irgendwann auch einmal Lotsen für Lotsen brauchen, um das gesamte LotsenAngebot zu überblicken. Das ist, glaube ich, dann doch etwas übertrieben; das haben wir hier gerade auch von der Vorrednerin von der LINKEN gehört.
Die LINKEN haben diese Debatte jetzt zum Anlass genommen, um ein relativ eng zugeschnittenes Themengebiet zu nehmen und daraus dann wieder all ihre, ja, sozialistischen Forderungen im Bildungswesen im Rahmen einer Bundesratsinitiative in einen Komplettantrag zu packen. Auch das geht zu weit und würde unsere öffentlichen Kassen zu sehr belasten. Deswegen lehnen wir auch diesen Antrag ab. Ansonsten kann ich aber festhalten: Wir haben nichts dagegen, die Leute in unserer Stadt besser über Stipendien zu informieren. – Vielen Dank.
Wer möchte dann zunächst die Drucksachen 22/6877, 22/7033 und 22/7063 an den Wissenschaftsausschuss überweisen? – Das sind die DIE LINKE und die CDU. Und die Gegenprobe. – Das sind SPD, GRÜNE und AfD. Enthaltungen habe ich keine gesehen. Ist das richtig? – Ja. Dann hat dieses Überweisungsbegehren keine Mehrheit gefunden.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung in der Sache und beginnen mit dem Antrag der Fraktion DIE LINKE aus Drucksache 22/7063.
Wer möchte diesen annehmen? – Das ist DIE LINKE. – Die Gegenprobe. – Das sind alle anderen. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Wer möchte sich dann dem CDU-Antrag aus Drucksache 22/7033 anschließen? – Das ist die CDU. – Und die Gegenprobe. – Das sind alle Übrigen.
Wer stimmt diesem Antrag zu? – Das sind DIE LINKE, die GRÜNEN, die SPD, die CDU und die AfD. – Dann ist dieser Antrag einstimmig angenommen.
Dann kommen wir zum Tagesordnungspunkt 71, der Drucksache 22/6843, dem Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Innovation: Regionale Innovationsstrategie der Freien und Hansestadt Hamburg.
[Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Innovation über die Drucksache 22/4352: Regionale Innovationsstrategie der Freien und Hansestadt Hamburg (Senatsmitteilung) – Drs 22/6843 –]
Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Was sind aktuell die größten Herausforderungen, vor denen wir stehen? Der Klimaschutz, die Digitalisierung, der Fachkräftemangel, die Überwindung der Pandemie. Wir sind in vielen Bereichen in einer Stimmung des Um- und Aufbruchs, und das ist unsere Chance, die Chance, den großen Zukunftsthemen Gesundheit, Klima und Energie, Mobilität sowie Digitalisierung zu begegnen, die Chance, innovative und nachhaltige Lösungsansätze zu kreieren. Das ist das Kernanliegen der Regionalen Innovationsstrategie Hamburgs, und die Zeit dafür ist reif.
Hamburg ist ein attraktiver Standort. Wir haben die besten Voraussetzungen, hier ein innovatives Ökosystem zu schaffen, das die Ansiedlung zahlreicher Start-ups ermöglicht, ein innovatives Ökosystem, um Kompetenzen und kreative Köpfe für genannte Zukunftsthemen nach Hamburg zu holen. Wir brauchen noch mehr dieser kreativen Köpfe in Hamburg, und wir müssen ihnen Raum geben, Raum geben durch Ausprobieren und auch durch die Möglichkeit des Scheiterns, innovative Lösungen auf die dringenden Fragen unserer Zeit zu entwickeln.
Die Science City in Bahrenfeld, die Reallabore zur smarten Mobilität oder auch die geplanten InnoHubs sind bereits gute Beispiele für solche Innovationsräume. Darüber hinaus geht es um Vernet
zungsmöglichkeiten. Innovationen entstehen im Austausch miteinander, durch den Wissenstransfer und die Zusammenarbeit von Start-ups und großen Unternehmen und Universitäten. Die Clusterpolitik des Senats liefert hierzu bereits einen guten Beitrag.
Doch woran lässt sich Innovation eigentlich messen? Innovation lässt sich nicht nur am Wachstum einzelner Sektoren messen, so wie es uns die Union immer weismachen will. Die Anzahl von Startups und Fintechs ist vielleicht ein Indikator, aber sie allein kann nicht unser Maßstab sein. Vielmehr brauchen wir einen weitergefassten Innovationsbegriff, der ebenso soziale und gesellschaftliche Innovationen einbezieht. Letztlich macht das die Innovationsstrategie des Senats sehr gut deutlich.
Nehmen wir das Beispiel der Klimagerechtigkeit. Natürlich sind wir hier auf technisch-wissenschaftliche Lösungen angewiesen. Doch wenn wir eines gelernt haben, dann, dass solche Transformationsprozesse auch immer gesellschaftliche Herausforderungen bedeuten, dass wir bei solchen Veränderungen auch die Menschen mitnehmen müssen. Genau deswegen kommen wir allein mit einem technisch-wissenschaftlichen Verständnis von Innovation nicht weiter. Wir müssen die Hamburger:innen mitnehmen. Wir müssen ihnen erklären, welchen Nutzen jeder Einzelne von ihnen aus diesen Veränderungsprozessen zieht. Wir müssen Angebote machen, die deutlich machen, dass in diesen Transformationsprozessen niemand abgehängt wird, die zeigen, dass wir im gleichen Maße Innovationen fördern, die Antworten auf soziale Ungerechtigkeiten liefern. Deswegen spielt insbesondere auch die Social-Entrepreneurship-Strategie eine wesentliche Rolle. Genau dafür steht die Sozialdemokratie in dieser Stadt.
Dieser ganzheitliche Ansatz ist es doch, der uns maßgeblich von den Innovationsstrategien anderer Städte unterscheidet. Und wenn von der Opposition die Kritik kommt, Hamburg liege im Ranking der Start-up-Metropolen hinter Berlin und München, so kann ich darauf nur sagen: Wir scheuen diesen Vergleich gar nicht, weder den bundesweiten noch den europäischen.
Gesellschaftliche Herausforderungen und damit verbundene Innovationen sind dynamisch. So werden wir immer wieder aufs Neue in den Wettbewerb mit anderen Start-up-Standorten treten müssen. Besonders in Krisenzeiten müssen wir feststellen, wie wichtig Innovationen für einen starken Wirtschaftsmotor sind, um Arbeitsplätze und Inves
titionen zu sichern. Deswegen ist es ein wichtiges Signal, dass der Senat 46,5 Millionen Euro für innovationsfördernde Maßnahmen in die Hand nimmt. Ein starker Wirtschaftsstandort ist es, der uns in Zeiten sicher durch die Krise bringt und seinen Beitrag dazu leistet, dass Hamburg eine lebenswerte Stadt bleibt.
Letztlich geht es um nichts weniger als das: Was macht Hamburg zu einer lebenswerten Stadt? Auf diese Frage haben wir heute bereits die eine oder andere Antwort gehört. Sie alle zeigen, dass es gerade das Zusammenspiel verschiedener Faktoren ist, welches unsere Lebensqualität maßgeblich positiv beeinflusst. Eines ist doch klar: Wir wollen mit Innovationen eine lebenswerte Stadt schaffen. Innovationen sind kein Selbstzweck, sondern der Mensch muss hierbei im Mittelpunkt stehen. Und genau darum geht es in der Hamburger Innovationsstrategie. – Vielen Dank.
Sehr geehrtes Präsidium, werte Kolleginnen und Kollegen! Wo sind denn eigentlich die deutschen Googles, SpaceX, Amazon und Teslas? Geht man der Frage nach, wie erfolgreich Deutschland als Start-up-Standort ist, kommt man um den Vergleich mit den USA nicht umhin. Bezogen auf die Einwohnerzahl stellt man fest, dass wir zwar bei der Grundlagenforschung nahezu gleichauf sind, aber schon wenn es um die Kommerzialisierung geht, tut sich eine Lücke auf. Bei Patenten ist die Zahl in Deutschland nur noch 85 Prozent, die Anzahl der Unternehmerinnen und Unternehmer nur noch 44 Prozent so hoch wie in den USA, und guckt man weiter, bei Start-ups, Tech-Unicorns nur noch 23 Prozent und bei Wachstumskapital nur noch 14 Prozent im Vergleich zu den USA in den letzten 20 Jahren. So überrascht es nicht, dass deutsche Erfolgsgeschichten in der Größenordnung von BioNTech immer noch eher die Ausnahme als die Regel sind. Wenn wir das verändern wollen, wenn wir Deutschland und insbesondere Hamburg zu einem pulsierenden Start-up- und Tech-Standort machen wollen, gehört eben eine ehrliche und manchmal auch schonungslose Bestandsaufnahme dazu. Denn nur dann, wenn wir uns den Risiken und momentanen Schwächen stellen, können wir auch Stärken ausspielen und die Chancen nutzen, die in unserer Stadt stecken.
Unsere Stadt Hamburg ist eine attraktive Stadt mit hoher Lebensqualität. Wir sind führender Standort naturwissenschaftlicher Grundlagenforschung, und wir haben eine hohe Wirtschaftskraft mit etablier
ten Clusterstrukturen. Eine umfassende Innovationsstrategie für Hamburg zu entwickeln ist deshalb genau der richtige Schritt und zeigt vor allem eines: Rot-Grün packt die notwendigen Veränderungen an. Innovation braucht vor allem drei Dinge: Talente, Kapital und Ideen. Besonders deutlich wird der Handlungsbedarf beim Thema Talente. Während beispielsweise München mit zwei Topuniversitäten mit je 50 000 Studierenden einen exzellenten Talente-Pool aufbietet, ist es völlig richtig, dass wir in Hamburg mit der Wachstumsstrategie der TU Hamburg hier noch nachbessern müssen. Aber nicht nur die reine Anzahl ist entscheidend. Innovation, das ist im 21. Jahrhundert vor allem eines: Software, Software und noch mal Software, egal ob AI, ein Biotech-Start-up, Blockchain in Fintech oder die E-Commerce-Plattform. Das Salz in der Suppe, das sind allzu oft Code und Daten. Und auch hier haben wir noch eine Aufgabe vor uns. Hamburg ist zwar die Bundeshauptstadt der Digitalkonzerne, aber wir sind noch nicht die Bundeshauptstadt der Digitalfachkräfte. Und auch hier werden wir definitiv nachlegen, was die Ausrichtung und die Schwerpunktsetzung der Hamburger Hochschulen angeht.
Wenn Talente das Fundament von Innovationen sind, dann ist Wagniskapital das erste Obergeschoss. Kapital ist in Hamburg zwar reichlich vorhanden, es steckt aber in traditioneller Industrie, im Handel, in Immobilien, bislang aber eben noch nicht als Wagniskapital in Start-ups. Es geht also darum, privates Kapital zu mobilisieren, und genau das tun wir beispielsweise mit dem Hamburger Investor:innen-Netzwerk, der IFB Investitionsstarter GmbH. Das tun wir aber auch, indem wir gezielt staatliches Wagniskapital in diversen Förderprogrammen einsetzen, wie beispielsweise InnoFounder, InnoRampUp und im Innovationsstarter Fonds. Aber wir müssen auch hier zusehen, dass wir die Investitions- und Förderbank in die Lage versetzen, auch bei größeren Funding-Runden, bei erfolgreichen Start-ups in späteren Größenordnungen noch eine Rolle zu spielen.
Das dritte entscheidende Feld, das sind Ideen und Vernetzungen. Mit der Science City bauen wir den größten integrierten Forschungs- und Gründungsstadtteil Europas. Die DESY Innovation Factory steht dort bereits, gerade frisch eingeweiht wurden die Start-up-Labs Bahrenfeld, ein paar Meter weiter entsteht der Innovationspark Vorhornweg. Das Gleiche oder Ähnliches passiert in Harburg, in Bergedorf und in Finkenwerder. Wir bauen das Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung aus, und wir haben eine umfassende Clusterstruktur in Hamburg geschaffen, und das sind nur einige Beispiele aus diesem Bereich.
Das ist nur ein kleiner Ausblick dessen, was getan werden muss, um Hamburg zur Start-up-Stadt zu machen. Wir reden die Herausforderung dabei keineswegs klein, im Gegenteil. München, Berlin bei
spielsweise ernten heute die Früchte, deren Saat sie vor 20, 30 oder 40 Jahren ausgebracht haben. Machen wir uns nichts vor, das ist kein Sprint, das ist ein Marathon. Aber das, was uns im Ziel erwartet, das lohnt sich. Also lassen Sie uns losgehen.