Protokoll der Sitzung vom 05.04.2006

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD und CDU – Der Abgeordnete Dr. Ulrich Born ist nicht anwesend. – Zurufe aus dem Plenum: Ah, weiter! Weiter! – Minister Erwin Sellering: Ist jetzt verfallen. – Der Abgeordnete Dr. Ulrich Born betritt den Plenarsaal. – Minister Erwin Sellering: Jetzt aber schnell!)

Herr Dr. Born, Sie haben das Wort.

(Der Abgeordnete Michael Ankermann betritt den Plenarsaal. – Zurufe aus dem Plenum: Ah!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kreistag von Nordwestmecklenburg hat bei einer Gegenstimme und zwei Stimmenthaltungen folgenden Beschluss gefasst: „Der Kreistag Nordwestmecklenburg macht sich die Stellungnahme des Landkreistages Mecklenburg-Vorpommern vom 16. August 2005 zu eigen und hält im Übrigen an seiner Stellungnahme vom 17. Februar 2005 fest.“ In der Begründung heißt es unter anderem: „Der Nachweis einer mangelnden Leistungsfähigkeit der bestehenden Landkreise zur Wahrnehmung der ihnen obliegenden Selbstverwaltungsaufgaben ist nicht ansatzweise geführt. Die vorgesehenen Aufgabenübertragungen bieten keinen tragfähigen Ansatzpunkt für eine Landkreisneuordnung. Die Begründung des Gesetzentwurfes basiert teilweise auf falschen Annahmen, vermag in weiten Teilen nichts zur Begründung einer Kreisgebietsreform beizutragen und ist darüber hinaus lückenhaft und in sich widersprüchlich. Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob das dem Entwurf des VwModG offenbar zugrunde liegende Leitbild des Kreises dem Bild des Grundgesetzes und der Landesverfassung von dem Kreis als Gebietskörperschaft und Gemeindeverband entspricht.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist bemerkenswert für das Demokratieverständnis von Mitgliedern dieser Landesregierung, dass der besagte Kreistag...

(Volker Schlotmann, SPD: Geht das schon wieder los?!)

Ja, das geht leider so los. Dann werde ich das jetzt

wörtlich zitieren, was Ihr Landesvorsitzender heute Morgen wieder dem Kreistagspräsidenten unter Zeugen gesagt hat: „Sie sind ein Schaumschläger.“ Und mir hat er dann später die Frage gestellt, ob denn jedes Mitglied 10 Euro bekommen hätte im Kreistag, damit es so abstimmt.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU – Vincent Kokert, CDU: Ja, das ist das Niveau. – Zurufe von Torsten Renz, CDU, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so äußern sich Mitglieder der Landesregierung gegenüber frei gewählten ehrenamtlichen Mandatsträgern.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ich wiederhole es noch einmal: Der Beschluss ist gefasst worden bei einer Gegenstimme und zwei Stimmenthaltungen. Ich freue mich übrigens sehr, dass der Landrat des Landkreises Nordwestmecklenburg anwesend ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Wir werden morgen im Kreistag darüber sprechen, was heute hier beschlossen wird.

(Peter Ritter, Die Linkspartei.PDS: Das wird morgen ausgewertet.)

Wenn es nach dem Willen der Koalitionsfraktionen geht, dann wird der Landkreis Westmecklenburg zukünftig eine Fläche von 6.900 Quadratkilometern haben. Das ist zweimal so viel wie das Saarland. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist einfach unaufrichtig zu sagen, wir haben in Zukunft noch einen Kreistag. Was da als so genannter Kreistag bezeichnet wird, ist eine Versammlung von Leuten,

(Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS: Mehr als jedes Regierungspräsidium.)

die jedenfalls nicht mehr ehrenamtlich und nur noch ansatzweise das tun können, was die Kommunalverfassung vorsieht, weil sie gar nicht in der Lage sind, wenn sie berufstätig sind,

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

das zu überblicken, was sie dort beschließen sollen. Es geht hier um kommunale Angelegenheiten. Es zeigt sich einmal mehr, wie wir das heute Morgen bei der Föderalismusdebatte feststellen konnten, dass sich diese Regierung unter Verantwortung des Ministerpräsidenten in zentralen Fragen des Landes schlicht als reformunfähig unter Beweis stellt,

(Heiterkeit bei Siegfried Friese, SPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, ja, ja!)

und zwar ganz einfach deshalb, weil man bei solch grundl e g enden Fragen einen Konsens braucht.

(Torsten Renz, CDU: Richtig, richtig.)

Und wenn Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, hier heute gesagt haben – es war ja ein schönes Zitat, das macht sich wunderbar –: „Mehrheit ist Mehrheit“, dann müssen Sie bitte einmal zur Kenntnis nehmen, dass Sie heute versuchen wollen, mit einer knappen Mehrheit kurz vor Ende der Legislaturperiode eine Entscheidung zu treffen, die sich auf Jahrzehnte für dieses Land sehr nachteilig auswirken wird. Das ist ein Demokratieverständnis, was für sich selbst spricht. In solch grundlegenden Strukturfragen hat jeder die Aufgabe, sich darum zu bemühen, so, wie es in anderen Bundesländern selbstverständlich ist, zuletzt in Sachsen-Anhalt,...

(Siegfried Friese, SPD: Herr Born, Sie kennen die Jahre 1990 bis 1994 nicht. Mit einer Stimme haben Sie Gesetze gemacht hier im Lande. Mit einer Stimme!)

Herr Friese, jetzt rede ich, nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!

(Torsten Koplin, Die Linkspartei.PDS: Aber die Wahrheit ist anders.)

Herr Friese, ich habe jetzt das Wort.

(Siegfried Friese, SPD: Mit einer Stimme Mehrheit! – Glocke der Vizepräsidentin)

Ich lasse mich von Ihnen auch nicht daran hindern, das zu sagen, was ich für richtig halte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Volker Schlotmann, SPD: Dann tun Sie das!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine solch grundlegende Frage, in der es um die Zukunft des Landes geht, wo Strukturen für Jahrzehnte festgeschrieben werden sollen, ist nicht nur eine Frage des politischen Anstandes, sondern auch des Demokratieverständnisses, dass man sich um einen Konsens bemüht, und zwar um eine möglichst breite Mehrheit,

(Angelika Peters, SPD: Das haben wir ja. Das wollten Sie ja nicht.)

so, wie das in Sachsen-Anhalt und in anderen Bundesländern wie in Rheinland-Pfalz selbstverständlich geschehen ist.

(Heiterkeit bei Lorenz Caffier, CDU – Siegfried Friese, SPD: 1990 bis 1994, mit einer Stimme!)

Das spricht für Sie. Das spricht für Sie, dass Sie genau das nicht für nötig halten.

(Siegfried Friese, SPD: Jaja!)

Stattdessen berufen Sie sich hier auf Verbände, die endlich Ihrem Ruf nachgekommen sind, die gesagt haben, wir brauchen dringend eine Reform. Das bestreitet ja niemand, dass wir die Reform brauchen. Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie beziehen sich auf Stellungnahmen...

(Volker Schlotmann, SPD: Herr Born, das stört Sie. Diese Stellungnahme, die hat Sie richtig getroffen. Die hat Sie richtig getroffen. – Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Die stört mich überhaupt nicht. Hören Sie doch erst einmal zu! Hören Sie doch zu, Herr Schlotmann! Hören Sie doch mal zu!

(Volker Schlotmann, SPD: Ich höre Ihnen immer zu. Nicht immer mit Vergnügen, aber ich höre zu. – Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Sie versuchen, anstatt auf die zuzugehen, die demokratisch legitimiert sind,

(Vincent Kokert, CDU: Richtig.)

auf die Vertreter von zwölf Kreistagen und sechs kreisfreien Städten, sich eine Pseudolegitimation zu verschaffen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Vincent Kokert, CDU: Richtig, genau. – Torsten Renz, CDU: Richtig. – Minister Dr. Till Backhaus: Na, na! – Volker Schlotmann, SPD: Herr Born, wir haben als frei gewählte Abgeordnete dieses Parlaments eine demokratische Legitimation. Das sollte auch Ihnen nicht verborgen geblieben sein!)

Und das können Ihnen die Verbandsvertreter nicht besorgen, auch nicht hauptamtliche Geschäftsführer, von denen ich gelegentlich Briefe bekomme, die mit Grün unterschrieben sind.

(Volker Schlotmann, SPD: Er tut so, als wenn wir keine Legitimation hätten.)

Die ersetzen nicht die Pflicht,

(Volker Schlotmann, SPD: Unnütz! Unnütz!)

sich mit den dazu berufenen und gewählten Vertretern der Kommunen auseinander zu setzen. Das ist geradezu

putzig, wenn man meint, sich damit im Nachhinein eine Legitimation verschaffen zu wollen. Wissen Sie, wir müssen uns die Frage von unseren ehrenamtlich tätigen Verbandsvertretern gefallen lassen,