Sie selbst bemängelten damals, dass, schon wenn man Tatsachen anspreche und eine sachliche Bewertung versuche, man als Bremser oder Reformgegner tituliert würde und dass die SPD-Fraktion dieses Mittel öffentlich für sich genutzt hat. Nun, als Reformgegner möchte man nicht gelten, selbst wenn die Reform Fehler aufweist. Koalition hin und Gewissen her – dann werden Probeabstimmungen und Parteitage gemacht, bis es eben passt. In diesem Zusammenhang fand ich den Vergleich von Herrn Koplin von der falsch geknöpften Jacke ganz passend: falsch begonnen, falsch endend und sieht auch noch blöd aus.
Hier im Sonderausschuss habe ich nun erlebt, wie Sie Ihre Grundsätze ziemlich genau zum Parteitag über Bord geworfen haben und das Gegenteil von dem vertreten, was Sie den Bürgerinnen und Bürgern bis dato erklärten. Einen Ausweg, wie Sie gesagt haben, zu suchen, indem ich diesem Gesetz einfach zustimme, ist auch keine Lösung des Problems.
(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Das wäre ja auch ein Wunder. – Heiterkeit bei Ute Schildt, SPD)
Am 9. März des letzten Jahres stellten Sie vor diesem Hohen Hause fest, dass Anhörungen als ein notwendiges Instrument zur Akzeptanzsicherung anzusehen seien und der Referentenentwurf vor enormen Herausforderungen seiner Überarbeitung stehe. Der Gesetzentwurf der Landesregierung negiert entgegen dieser Prämisse das Votum der Kreistage. Die Landräte und Kreistage sind zur Anhörung zwar noch einmal im Sonderausschuss gewesen, ich erinnere jedoch keine tief greifenden Vorschläge der ebenfalls anwesenden Spitzenverbände in den letzten Sitzungen, die von den Koalitionsfraktionen aufgegriffen wurden, im Gegenteil. Es gibt einen Ausdruck für besonders grundsatz- und charakterloses Verhalten, meine Damen und Herren, und die Abstimmung wird zeigen, wer sich diesen Ausdruck gefallen lassen muss.
Wenn uns Städte, Gemeinden, Landkreise, Verbände, Vereine und so weiter, inklusive die gewählten Volksvertreter, bedeuten, dass sie für sich mehr Nachteile durch das Gesetz erfahren, dann müssten auch die Befürworter das Vorhaben überdenken. Schließlich sind die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und Bürgernähe der unverrückbare Anspruch.
Am 15. September 2005 – um noch einmal auf den Kreistag Ludwigslust zurückzukommen – hat der Kreistag Ludwigslust die Kreisgebietsreform als solche wie fast alle Gebietskörperschaften mit folgender Begründung abgelehnt: „Der Kreistag... lehnt die vom Gesetzentwurf vorgeschriebene Kreisgebietsreform ab, da sie das im Grundsatzbeschluss vom 12. Mai 2004 genannte Ziel der Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung nicht erreicht. Den geplanten Regionalkreisen fehlt es an territorialer Überschaubarkeit, dadurch fehlt es an der Kenntnis örtlicher und regionaler Belange für mögliche kommunale Mandatsträger. Der Zeitaufwand für die Teilnahme an Fraktions- und Ausschusssitzungen für Mitglieder des Kreistages bzw. für... kommunalpolitisches Engagement wird dadurch erheblich erschwert und ist nur für Bevölkerungsteile mit entsprechender Freizeit machbar.“
„Dem künftigen ehrenamtlichen Kreistag steht ein durch ihn kaum zu kontrollierender ,Verwaltungsmoloch‘ von über 2.000 Beschäftigten gegenüber. Während der künftige Landrat eines Großkreises die ihm direkt zuarbeitenden Stabsstellen entsprechend ausbauen kann,“
„wird den künftigen Fraktionen im Kreistag als ,Feigenblatt‘ die Möglichkeit eingeräumt, sich durch hauptamtliches Personal – womöglich ergänzt mit Hinweisen auf die Haushaltslage und dem Appell zur entsprechenden Zurückhaltung – unterstützen zu lassen.“ Das war das Zitat.
Der Landkreis Ludwigslust, ich hatte es schon erwähnt, ist so groß wie das Saarland und man braucht je eine Stunde, um an das jeweils gegenüberliegende Ende zu gelangen.
Das ist nur die reine Fahrzeit mit dem Pkw. In dieser Zeit hat man jedoch keine wirkliche Arbeit geleistet. Wie soll der Ehrenamtler, der möglicherweise nicht einer öffentlichen Verwaltung angehört, sein Mandat bei einer vier Mal so großen Kreisausdehnung wirklich gewissenhaft erfüllen? Wie kann ich mir Verdienstausfallregelungen vorstellen, sodass ein mit 40 Stunden Vollbeschäftigter sich überhaupt traut, ein Mandat anzunehmen oder zu kandidieren? Selbst wenn die Verfassung sagt, dass niemand am Mandat gehindert werden darf, sichert eine Aufwandsentschädigung von 30 Euro niemandem die Existenz. Ich möchte gern wissen – ich weiß gar nicht, ob der Innenminister noch da ist –,
welche wirklich neuen Aufgaben Kreistagsmitgliedern später zugeordnet werden oder besser, welcher qualifizierte Unterschied zu den heutigen Kreistagsmitgliedern besteht. Der Gesetzentwurf jedenfalls verändert das kommunalpolitische Ehrenamt realitätsfern.
Und, Frau Meˇsˇt’an, diejenigen von der unterkreislichen Ebene, die die Abschaffung der Landkreise wollen, können Sie mir hoffentlich dann auch noch nennen.
Wenn mir auch noch jemand erzählt, dass die Arbeit von Abgeordneten mit Hilfe neuer Steuerungsmethoden, mit so genannten Zielvereinbarungen, verwaltungsseitig als beherrschbar angesehen wird, schwant mir, dass dies Kreistage gänzlich überflüssig macht. Irgendjemand hatte das heute sogar schon angedeutet. So etwas hat es nicht einmal zu DDR-Zeiten gegeben. Ich glaube, dann muss man einigen Leuten den Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur noch mal erklären. – Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Gabriele Meˇsˇt’an, Die Linkspartei.PDS: Dann gehen Sie mal ins Amt Hagenow-Land und fragen dort nach!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Modernisierung der Verwaltung im Land Mecklenburg-Vorpommern liegt auf dem Tisch und ich darf Ihnen hier sozusagen einige Meinungen auch aus dem Kreistag in Nordvorpommern mitteilen.
Meine Damen und Herren, für den Landkreis Nordvorpommern ist es besonders bitter, dass diese Funktionalreform kommt und gleichzeitig auch noch eine Kreisgebietsreform.
Der Landkreis Nordvorpommern ist einer der wenigen Landkreise, der es über Jahre geschafft hat, alle Aufgaben, die ihm gestellt worden sind, zu erfüllen,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Sehr gute Arbeit! – Zuruf von Michael Ankermann, CDU)
Und die Kritik an Wolfhard Molkentin heute Vormittag durch einige Regierungsmitglieder, glaube ich, ist weit verfehlt, meine Damen und Herren, denn gucken Sie sich mal Ihre Bilanz an! Ihre Bilanz ist eine vernichtende!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Egbert Liskow, CDU: Richtig, so ist es. – Zuruf von Karin Strenz, CDU)
(Unruhe bei Abgeordneten der SPD – Volker Schlotmann, SPD: Wer hat dich denn geweckt? – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Langsam! – Glocke der Vizepräsidentin)
den Sie jetzt teilweise auf die Verwaltungen in den Landkreisen und in den Städten übertragen wollen.