Wie sieht das in der Praxis aus? Wir können uns davon überzeugen. Geriatrische Patienten, die schon im Pflegeheim sind, werden akut im Krankenhaus behandelt und gehen dann ohne geriatrische Reha zurück ins Pflegeheim. Die Angestellten in den Pflegeheimen, ob das nun Schwestern sind, Betreuerinnen sind, Altenpflegerinnen sind und so weiter und so fort, haben aber nicht die Befähigung, geriatrische Rehabilitation zu machen. Geriatrische Rehabilitation dient dazu, entweder Pflege abzuwenden oder weitere Pflege nicht notwendig zu machen, die Lebenssituation zu verbessern, relative Selbstständigkeit zu erhalten, zu fördern oder, so weit es möglich ist, wiederherzustellen –
geriatrische Reha, und keine Reha in den Rehabilitationszentren hier in Mecklenburg-Vorpommern ausschließlich. Das ist eine Forderung, die aus dem Altenparlament heraus kommt und die ganz wichtig ist umzusetzen. Wir können nicht mehr zusehen, dass die Überweisung in die geriatrische Reha hier in Mecklenburg-Vorpommern einfach missachtet wird.
Es gab bereits den Anfang bei der ambulanten Betreuung, die Schwerpunktpraxis – Frau Schwesig sprach davon – in Waren einzusetzen, um geriatrische und gerontopsychologische Behandlungen zusammenzuführen und ein Gesamtkonzept zu haben für die Behandlung geriatrischer Patienten beziehungsweise um ihre Lebenssituation so zu gestalten, dass sie würdevoll ist. Das sind gute Anfänge. Aber wir finden schon im Plan „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ Anforderungen der Vernetzung der verschiedenen Ärzte untereinander, um stationäre, teilstationäre und ambulante Betreuung in einen neuen Zusammenhang zu bringen zugunsten der älteren Menschen.
Diese Ansätze müssen weiterverfolgt werden. Dazu brauchen wir jetzt diesen Antrag nicht, weil diese Aufgaben bereits formuliert sind. Wenn Sie einen Antrag formulieren würden, liebe Koalitionäre, wo ganz genau festgeschrieben steht, welche Konzeption Sie verfolgen wollen, können wir gern diesem Antrag folgen. Einen Antrag mit Vorschusslorbeeren, wie Sie ihn uns hier vorlegen, werden wir nicht bewilligen, das ist zu billig.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Frau Lochner-Borst! Sehr geehrte Frau Ministerin!
Wir sind als FDP-Fraktion eigentlich sehr glücklich, dass dieses Thema hier offensichtlich eindeutig an Bedeutung gewinnt und dass die Regierungskoalition das auch für sich auf die Arbeitsagenda setzt.
Nichtsdestotrotz würden wir uns sehr freuen, wenn Sie bereit wären, Ihren Antrag durch unseren zu ergänzen.
Meine Vorrednerin hat zur geriatrischen Reha schon einiges gesagt. Wir müssen einfach eins bedenken. Stellen Sie sich vor: Ein über 80-jähriger sogenannter multimorbider Patient – das heißt, er hat Diabetes, er hat Herz-Kreislauf-Beschwerden und dann hat er sich außerdem noch den Oberschenkelhals gebrochen – wird also operiert, wird, wie das heute so üblich ist, blutig entlassen. Wenn er Glück hat, kommt er dann in eine normale organspezifische Reha. Der ist nicht in der Lage, einer normalen organspezifischen Reha zu folgen. Die verlangt eine gewisse selbstständige Bewegung, dass er selbstständig von einer Maßnahme zur anderen geht, dass der zu gewissen Zeiten an gewissen Orten ist. Der ist vielleicht gerade mal in der Lage, selbstständig aufzustehen. Nach den drei Wochen – wenn er Glück hat, werden ihm fünf Wochen genehmigt – wäre er eigentlich gerade erst vielleicht mal, wenn er Glück hat, in der Lage, an dieser Reha teilzunehmen, wird dann wackelig nach Hause entlassen, wenn er nicht schon ein Pflegefall ist. Und die Wahrscheinlichkeit, dass er zu Hause hinfällt, sich noch irgendetwas bricht, wieder im Akutkrankenhaus landet und danach endgültig zum Pflegefall wird, ist sehr groß.
Das weitere Problem ist, dass es aufseiten der Pflegeheime nicht nur an der Qualifikation der Mitarbeiter und auch an der Zeit der Mitarbeiter mangelt, es mangelt auch ein bisschen an der Motivation zur Rehabilitation, denn wird der Pflegepatient rehabilitiert, wird er in eine niedrigere Pflegestufe eingestuft und kriegt natürlich weniger Geld, das heißt, die Einrichtung kriegt weniger Geld. Das heißt, die Einrichtung hat eigentlich kein wirtschaftliches Interesse an der Rehabilitation. Ich will niemandem vorwerfen, dass es dann deswegen boykottiert wird, aber es ist einfach hier ein echter Mangel.
Das Hauptproblem ist die Einweisungspraxis. Es sind in Mecklenburg-Vorpommern die Hausärzte nicht berechtigt, in die geriatrische Reha einzuweisen. Es gibt nur einige ganz wenige Ärzte, die diese Berechtigung haben. Der Antrag dafür ist ein mehrseitiges Pamphlet. Ehrlich gesagt, der Kollege, der das für den anderen Kollegen Hausarzt macht, der muss den schon sehr gerne mögen, denn der kriegt fast überhaupt kein Geld dafür, dass er sich eine Stunde mit dem Patienten beschäftigt. Aus diesem Grund sind die drei im Land befindlichen geriatrischen Reha-Anstalten, die eine enorm gute Arbeit leisten …
Die Parkklinik in Greifswald hat eine ganze Abteilung geschlossen. Und der Bedarf, vom Bundesverband Geria trie eindeutig ermittelt, sieht eigentlich vor, dass wir zu wenig Betten im Land haben, wenn wir uns die Anzahl an älteren Bürgern hier im Land anschauen.
Ich darf Sie deshalb ganz dringend bitten, sich noch einmal zu überlegen, ob Sie hier nicht unseren Ände
rungsantrag annehmen wollen. Es ist dringend notwendig. Wir wollen nicht nur Gesundheitsland Nummer eins werden, wir wollen auch, wie Herr Holter mal so schön gesagt hat, das Florida Deutschlands werden. Das ist ein durchaus interessantes Ziel für dieses Land, aber das können wir nur, wenn wir hier an dieser Stelle wirklich etwas leisten.
Und wir haben ein weiteres Problem, das leider Gottes auch bei den Krankenkassen beheimatet ist. Die Krankenkasse hat natürlich das Problem, dass sie die geriatrische Reha bezahlen muss. Wenn der Patient zum Pflegefall wird, muss sie das nicht mehr bezahlen, das bezahlt dann die Pflegekasse. Hier gibt es ein starkes Budgetdenken, wo wir eindeutig kämpfen müssen, um das aufzubrechen.
Ich möchte Sie also hiermit noch mal herzlich bitten: Stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu! Dann haben Sie wirklich einen sehr guten Antrag hier und dann können wir wirklich etwas leisten für dieses Land und für die alten Menschen. – Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wieder einmal einer dieser Anträge der Regierungskoalition, bei dem man zu Recht die Frage stellen muss: Was bezwecken Sie eigentlich mit diesem Antrag? Der Landtag soll also Folgendes beschließen, Zitat:
„Mecklenburg-Vorpommern will das Gesundheitsland Nr. 1 werden. Dieser Anspruch erstreckt sich auf alle Bereiche unseres Gesundheitswesens und unserer Gesundheitswirtschaft. Er umfasst insbesondere die medizinische Versorgung der Bürger unseres Landes. Die sich gleichzeitig vollziehende demografische Entwicklung wird sich jedoch nachhaltig auf die künftigen Anforderungen an unsere medizinische Infrastruktur auswirken. Mit Blick auf diese Situation werden die Fortschreibung des vorhandenen Geriatriekonzeptes in Form eines Geriatrieplans sowie die explizite Berücksichtigung älterer Menschen im Landesaktionsplan zur Gesundheitsförderung positiv bewertet. Der Landtag begrüßt weiterhin alle Anstrengungen der Landesregierung, die Rahmenbedingungen für ein gesundes Alter und ein gesundes Altwerden in Mecklenburg-Vorpommern weiter zu entwickeln und damit zu optimieren.“
Toll, wirklich richtig toll, dieser Antrag! Aber, meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, wie wollen Sie denn die flächendeckende ärztliche Versorgung in unserem Land aufrechterhalten und wieder ausbauen? Wenn man zum Facharzt mehr als eine Stunde Fahrt benötigt, ist doch etwas falsch im Land. Wenn ein Herzpatient von einem Dorf nahe bei Anklam nach Greifswald oder Pasewalk fahren muss – und wir kennen hier einen konkreten Fall, wo er auch nicht nach Karlsburg darf –, dann ist doch jede Rede um eine bessere Altersheilkunde für die Katz. Auch Lungenfachärzte sind zum Beispiel nicht in jedem Landkreis vorhanden. Den Bürgern des Landes soll Herr Sellering, der als Minister für Soziales und Gesundheit in der Broschüre „Gesund und aktiv älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ des Landesseniorenbeirates Mecklenburg-Vorpommern noch vom „Gesundheitsland Mecklenburg-Vorpommern“ sprach, doch einmal aufzeigen, wo sich dieses Gesundheitsland
Herr Heydorn wurde Ende Februar sogar zu dem Zweck des Antrages wie folgt zitiert, Zitat: „Angesichts der zunehmenden Anzahl älterer Menschen in unserem Land müssen sich alle Bereiche des Gesundheitswesens auf neue Anforderungen einstellen. Dies betrifft vor allem die medizinische Infrastruktur.“ Zitatende. Aha, mit diesem Antrag wird die Infrastruktur des Gesundheitswesens auf neue Anforderungen eingestellt. Konkret werden Sie wieder einmal nicht, wenn es darum geht, den Bürgern aufzuzeigen, wie Sie eine lebenswerte Zukunft für Jung und Alt sicherstellen wollen. Stattdessen beinhaltet Ihr Antrag wieder einmal nur Absichtsbekundungen, ohne ernsthaft Maßnahmen und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Wie erklären Sie es denn, dass die Praktiker Ihre unterschiedlichen Vorhaben gar nicht kennen? Wie wollen Sie die langen Wartezeiten von Kassenpatienten bei nicht wenigen Fachärzten beenden oder zumindest verkürzen? Es wird Sie nicht wirklich überraschen, dass wir für solche Faschingsprodukte nur eine Antwort kennen:
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden immer älter. Freuen wir uns darüber! Langlebigkeit verpflichtet aber auch dazu, möglichst gesund und kompetenter älter zu werden. Jeder Einzelne ist aufgerufen, Vorsorge zu treffen, um körperlich und geistig aktiv zu bleiben. Neben gesunder Ernährung sind Sport, Bewegung, geistiges Training Voraussetzung für ein hohes Alter bei gutem Wohlbefinden. Eine große Rolle spielt außerdem das Gefühl, gebraucht zu werden. Auch der ältere Mensch braucht eine anregende Tätigkeit, die ihn fordert, aber weder über- noch unterfordert, die ihn einfach zu Aktivitäten anleitet. Gesellschaft und Unternehmen können auf die Mitarbeit älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht verzichten, im Gegenteil, sie sind gefordert, die Arbeitskraft ihrer Mitarbeiter zu erhalten und zu stärken. Gut beraten sind die Firmen, die schon jetzt die betriebliche Gesundheitsförderung zielgerichtet in die eigene Kultur integriert haben. Es beginnt bei gesunder Kantinenkost, bei der Beratung in Bezug auf eine gesundheitsfördernde Lebensweise, bei der Anregung zu sportlicher und geistiger Tätigkeit und schließt berufsbegleitende Weiterbildung mit ein.
Doch auch der Gesündeste wird irgendwann krank, im Alter immer häufiger und nicht selten schwerer. Kranksein im Alter ist stets anders zu bewerten als eine Erkrankung bei einem jungen Menschen. Heilungsprozesse dauern nun mal länger, Erkrankungen sind komplexer, der Mensch ist ganz einfach multimorbider. Daher gibt es auch hier eine spezielle Wissenschaft, die Geriatrie. Ein gebräuchliches Fachwörterbuch definiert wie folgt: Die Geriatrie ist die Lehre von den Krankheiten des alten Menschen. Die Altersheilkunde betrifft unter anderem die innere Medizin, aber auch die Psychiatrie, die sogenannte Gerontopsychiatrie. Die Gerontologie hinge
gen ist die Wissenschaft, die sich mit den somatischen, psychischen und sozialen Vorgängen des Alters befasst.
Zu den zentralen Aufgaben der Geriatrie gehört unter anderem auch die empfindsame und umsichtige Begleitung vor dem Sterben, aber sie ist dennoch ein sehr lebendiges und vielfältiges, sogar dynamisches Gebiet. Das unterstreichen insbesondere folgende Merkmale: In der Geriatrie begegnet man Fragestellungen aus nahezu allen anderen medizinischen Gebieten, ohne dass daraus unkritische Selbstüberschätzung der geriatrisch Tätigen werden darf. In der Geriatrie müssen besonders integrative Sicht- und Verhaltensweisen entwickelt werden, etwa im Hinblick auf körperliche und psychische Multimorbidität, auf psychosomatische Zusammenhänge und ganz besonders im Hinblick auf die Tatsache, dass gute emotionale Führung und Anregung bei alten Patienten die Grundlage nahezu jedes erfolgreichen Heilungsprozesses sind.
In der Geriatrie tätig zu sein, bedeutet mehr als in den meisten üblichen Medizingebieten, Angehörige anderer helfender Berufe kennenzulernen. Dazu gehört viel an Austausch, Auseinandersetzung und gegenseitiger Befruchtung. In der Geriatrie stellen sich, angestoßen durch die zentralen Themen Alter und Lebensende, besonders zahlreiche ethische, philosophische, psychologische, religiöse und sozialwissenschaftliche Fragen. Wir reden somit über ein höchst komplexes Themenfeld. Daher bedarf der geriatrische Patient je nach seiner individuellen Situation einer auf seine ganz speziellen Bedürfnisse und Erfordernisse zugeschnittenen qualifizierten medizinischen Versorgung. Grundsätzlich gilt hierbei Rehabilitation vor Pflege, ambulant vor stationär.
Geriatrische Medizin bietet unter Berücksichtigung regionaler Strukturen unterschiedliche Behandlungsansätze, die dem einzelnen Patienten je nach individuellem Erfordernis zur Verfügung stehen, ineinandergreifen und so ein ganzheitliches Therapiekonzept ermöglichen. Dem Hausarzt kommt von der Regelversorgung über die ambulante Akutintervention – gegebenenfalls mit dem Moment der Einweisung – bis zur ambulanten Nachsorge eine Pilotfunktion zu. Der Hausarzt ist daher der wichtigste Kooperationspartner der geriatrischen Einrichtungen in unserem Land.
Wie aus der demografischen Entwicklung unserer Bevölkerung zu schließen ist, muss von einer dramatischen Zunahme der Zahl vor allem pflegebedürftiger und abhängiger Menschen in Mecklenburg-Vorpommern in den kommenden Jahren ausgegangen werden. Bundesweit gehen die Prognosen bis hin zu einer Verdopplung während der kommenden drei bis vier Jahrzehnte. Wenn auch die Entwicklung nicht in exakten Zahlen vorhersagbar ist, so ist jedoch der Trend unumstritten. Gesundheitsförderung und Prävention im Alter sind geeignet, dieses Risiko schwerer Erkrankung und Pflegebedürftigkeit zumindest zum Teil zu vermeiden beziehungsweise hinauszuzögern.
Große gerontologische Studien belegen, dass die Vermeidung von Pflegebedürftigkeit durch gesundheitsfördernde Maßnahmen im Alter möglich ist. Geeignete Programme können das Risiko einer Pflegebedürftigkeit um über 20 Prozent, das Risiko einer nicht gewünschten, aufgrund intensiven Pflegebedarfs jedoch unabänderlichen stationären Pflege um über 30 Prozent reduzieren. Dies scheint nicht allein unter Aspekten der Lebensqualität und Selbstbestimmung im Alter, sondern auch unter Kostengesichtspunkten bedeutsam.