Protokoll der Sitzung vom 27.01.2016

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß ja, dass das der letzte Tagesordnungspunkt hier heute Abend ist, den wir gemeinsam absolvieren möchten, dass wir uns der Debatte zur Unterrichtung „Kunst am Bau“ widmen. Ich glaube, dass die Baukultur ein zu wichtiges Thema ist, als dass wir das in einem allgemeinen Murmelteppich untergehen lassen sollten, und ich würde Sie herzlich darum bitten, bei den künftigen vier Beiträgen noch Ihre Aufmerksamkeit dem Redner zu schenken.

Jetzt hat das Wort der Abgeordnete Herr Albrecht von der SPD-Fraktion.

(Andreas Butzki, SPD: Rainer, gib alles! – Vincent Kokert, CDU: Oh, mit der ganzen Mappe geht er nach vorn! – Rainer Albrecht, SPD: Oh, Vincent! – Vincent Kokert, CDU: Mehr sagst du nicht, Rainer, ne?)

Sagt schon alles, ne?

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Der Landtag hat in seiner 61. Sitzung am 30. Januar 2014 eine Entschließung zum Thema „‚Kunst am Bau‘ als Ausdrucksmerkmal der Baukultur in Mecklenburg-Vorpommern stärken“ gefasst. Darin hat der Landtag die Landesregierung unter anderem gebeten, „bei der Förderung von Baumaßnahmen die Möglichkeiten zur Berücksichtigung von ‚Kunst am Bau‘ im Rahmen der vorhandenen Fördermöglichkeiten fortzusetzen“. Und weiter hat der Landtag die Landesregierung zudem aufgefordert, „zu prüfen, ob … bei sonstigen, mit Mitteln der öffentlichen Hand geförderten Hochbauten ‚Kunst am Bau‘ Berücksichtigung finden kann und ob dazu gegebenenfalls gesetzliche und untergesetzliche Regelungen erforderlich sind.“

Kunst am Bau ist ein Element von Baukultur, das deren Qualität und Ausdruckskraft mitprägt. Kunst am Bau ist daher ein integraler Bestandteil der Bauaufgabe und der öffentlichen Bauherrenverantwortung. Kunst am Bau ist eine besondere künstlerische Aufgabe mit unmittelbar öffentlichem Bezug. Die künstlerische Idee und die Bauaufgabe sollen sich ergänzen. Der Ort zum Objektbezug der Kunst am Bau trägt dazu bei, Akzeptanz und Identifikation der Nutzer mit ihrem Bauwerk sowie in der Öffentlichkeit zu stärken.

(Udo Pastörs, NPD: Ha, wenn das mal gelingen würde!)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung fühlt sich dieser Zielsetzung nicht nur im Rahmen der eigenen Bautätigkeit verpflichtet – Richtlinie für den Landesbau Mecklenburg-Vorpommern –, …

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Realität sieht anders aus, Herr Albrecht.)

Warten Sie es doch ab, Frau Berger!

… sondern auch bei der Gewährung von Zuwendungen. So können Kunstwerke und künstlerisch gestaltete Bauteile im Rahmen der Städtebauförderung, der Förderung der wirtschaftsnahen Infrastruktur aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ und der Förderung der integrierten ländlichen Entwicklung gefördert werden.

Weiter hat der Landtag den Kommunen in seiner 61. Sitzung am 30. Januar 2014 empfohlen, „die Richtlinie für den Landesbau Mecklenburg-Vorpommern im Bereich ‚Kunst am Bau‘ bei eigenen Hochbaumaßnahmen entsprechend anzuwenden“.

(Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Landesregierung hat im Rahmen der Prüfung ihre Erfahrungen aus der Förderpraxis bei sonstigen, mit Mitteln der öffentlichen Hand geförderten Hochbaumaß

nahen analysiert. Diese Analyse hat ergeben, dass für den Bauherrn als Zuwendungsempfänger in erster Linie die Funktionalität des Gebäudes von Bedeutung ist. Nach der Einschätzung der Landesregierung kann Kunst am Bau in diesen Fällen möglicherweise durch eine Verpflichtung des Zuwendungsempfängers, zum Beispiel durch die Erteilung einer entsprechenden Auflage im Bewilligungsbescheid, eine stärkere Berücksichtigung finden.

Dabei sollte aber von einer generellen Verpflichtung abgesehen werden. Die Zuwendungen werden an Private gewährt, um einen Anreiz für die Durchführung der geförderten Hochbaumaßnahmen zu schaffen. Dazu soll der Anteil der öffentlichen Hand entsprechend dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auf ein Minimum beschränkt werden. Der überwiegende Teil der Investitionskosten ist vom Zuwendungsempfänger aufzubringen.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung beabsichtigt, in Einzelfällen, in denen wegen der Lage und der Bedeutung des Vorhabens ein dringendes öffentliches Interesse an der Umsetzung von Kunst am Bau besteht, eine Auflage im Zuwendungsbescheid zu erteilen, wenn die mit der Auflage verbundene Belastung in einem angemessenen Verhältnis zu der Höhe der Zuwendung und der Leistungsfähigkeit des Zuwendungsempfängers steht und die Auflage nicht im Widerspruch zu etwaigen zu berücksichtigenden Vorgaben des Bundes oder der EU steht.

Die Aussage unserer Finanzministerin Frau Heike Polzin, ich zitiere: „Unser Augenmerk ist der zweckmäßige Landesbau, das ist die Pflicht. Kunst am Bau die wünschenswerte Kür“, kann ich vollumfänglich unterstützen.

(Udo Pastörs, NPD: So sehen die Bauten dann aus.)

Frau Berger, das ist eben der Unterschied zwischen uns beiden, weil ich weiß, wie Bauabläufe funktionieren.

(Heinz Müller, SPD: Vermutlich nicht der einzige Unterschied. – Zuruf von Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für Kunst am Bau sollen alle dauerhaften Ausdrucksformen der bildenden Kunst berücksichtigt werden. Vorfestlegungen auf bestimmte Kunstgattungen sind zu vermeiden. Die Kunstwerke sollen eigenständige Beiträge zur Bauaufgabe sein, die einen Bezug zur Architektur beziehungsweise zur Funktion des Bauwerkes herstellen.

Im Ergebnis der Umsetzung von Kunst am Bau kann es dann aber auch zu sehr strittigen Auffassungen in der Öffentlichkeit kommen, so geschehen in meiner wunderschönen Heimatstadt Rostock.

(Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

Im Rahmen der Neugestaltung des Vorplatzes des Hauptbahnhofes wurden über einen Wettbewerb die sogenannten fünf Schaukeln, welche nicht zur Nutzung vorgesehen waren, aufgestellt. Diese Schaukeln sollten die fünf Kontinente darstellen – im Zusammenhang mit dem Hauptbahnhof als Reiseausgangsort beziehungsweise -ziel durchaus plausibel. Leider wurden sie von der

Öffentlichkeit dann doch zum Schaukeln benutzt und mussten letztendlich aus Sicherheitsgründen festgestellt werden. Diese Kunstobjekte sind bis heute leider noch immer von der Öffentlichkeit nicht richtig eingeschätzt und angenommen worden.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Dass die Kunst am Bau auch immer wieder im Auge des Betrachters liegt, zeigt das Beispiel des Kunstobjektes auf dem Doberaner Platz in meiner Heimatstadt Rostock nach dessen Umgestaltung. Diese Kunstobjekte wurden fälschlicherweise als Aschenbecher benutzt, obwohl sie als Echosprachobjekte dienten. Hier fehlte die öffentliche Aufklärung. Die Verantwortlichen haben ihre Lehren gezogen und heute wird dieses Thema besser kommuniziert.

Meine Damen und Herren, es gibt aber auch viele gelungene Beispiele bei der Umsetzung von Kunst am Bau, sei es im Rahmen der Umsetzung von Maßnahmen der Förderprogramme „Soziale Stadt“ und „Stadtumbau Ost“, zum Beispiel in den Rostocker Stadtteilen Groß Klein und Schmarl, oder auch im Rahmen der Städtebauförderung und Stadtsanierung im Rostocker Innenstadtbereich. So können bis zu fünf Prozent der Baukosten für Kunst am Bau verwendet werden. Diese finanziellen Mittel sind auch öffentliche Mittel des Landes, Frau Berger. Gerade wurde eine über drei Meter große Angelpose im Petriviertel in Rostock aufgestellt.

Die Aussage vom Präsidenten der Architektenkammer Mecklenburg-Vorpommern Joachim Brenncke in der gestrigen OZ-Ausgabe kann ich so nicht ganz nachvollziehen. Ich zitiere: „Wenn ich die Baukosten insgesamt nicht im Griff habe, kommt Kunst am Bau häufig an letzter Stelle.“ Er weiß doch, wie ein Bauprojekt geplant und umgesetzt wird. Schließlich sind es Architekten und Ingenieure, die den Bauherren – hier den BBL – begleiten und beraten. Und wenn dann während der Bauphase, welche auch über mehrere Jahre dauern kann, unerwartete Mehrkosten auftreten, sind diese selbstverständlich zu tragen. Als Architekt weiß Herr Brenncke selbst, wie schnell es dazu kommen kann.

Selbstverständlich ist das Kostenmanagement von Bauherren ständig in Abstimmung mit dem Planer im Blick zu behalten. Kunst am Bau ist und darf kein Selbstzweck sein, sondern ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Sicher ist aber an der einen oder anderen Baumaßnahme des Landes noch Luft nach oben und der zuständige Betrieb für Bau und Liegenschaften in MecklenburgVorpommern wird entsprechend dem Leitfaden „Kunst am Bau“ des Bundes und der Richtlinie des Landes Mecklenburg-Vorpommern seiner Verantwortung unter den oben gemachten Ausführungen gerecht werden. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Koplin von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vom Minister für Bil

dung, Wissenschaft und Kultur ins Leben gerufene Landeskulturrat äußerte zum Thema „Kunst am Bau“ Folgendes, ich zitiere:

„Der Kulturrat des Landes begrüßt die Praxis der Landesregierung, bei jedem geeigneten Landesbauvorhaben die Anwendung der Richtlinie ‚Kunst am Bau‘ anzuwenden. Er sieht in dieser Praxis nicht nur das Bemühen, Kunst- und Kulturschaffenden neue Tätigkeitsmöglichkeiten zu eröffnen sondern auch die Absicht, Kunst und Kultur im öffentlichen Bewusstsein zur Geltung zu bringen. Er empfindet es als wichtig, die entsprechenden Ausschreibungen für ‚Kunst am Bau‘ nicht regional zu beschränken.

Darüber hinaus empfiehlt der Kulturrat darauf hinzuwirken, dass bei allen Bauvorhaben, die mit finanziellen Mitteln des Landes unterstützt werden sowie beim Einsatz von Städtebaufördermitteln und bei Projekten der Dorferneuerung ‚Kunst am Bau‘ in angemessener Weise zur Geltung kommt.

Der Kulturrat macht darauf aufmerksam, dass ehemalige ‚Kunst am Bau‘-Vorhaben dem natürlichen ‚altern‘ unterliegen und zur Sicherung und Instandhaltung finanzielle Mittel erforderlich sind.

Der Kulturrat regt an, bei der Besetzung der ‚Kunst am Bau‘-Gremien nicht nur – wie bisher – Künstler bzw. Kulturschaffende auf Vorschlag des Künstlerverbandes zu berücksichtigen sondern dies freier zu gestalten und auch auf entsprechend qualifizierte Personen auszuweiten, die nicht dem Künstlerverband angehören.“

So weit das Zitat, das der Landeskulturrat als beratendes Expertengremium im September 2012 auch uns ins Stammbuch geschrieben hat. Ich erwähne an dieser Stelle auch, dass sich – weil er anwesend ist – der Vorsitzende des Landeskulturrates Dr. Körner zum Thema selbst sehr verdient gemacht hat.

(Rainer Albrecht, SPD: Jawohl.)

Was ist nun aber in der Folge passiert? Es gab einen durchaus guten und wichtigen Antrag der Großen Koalition im Januar 2015 und eine Unterrichtung durch die Landesregierung im Juni 2015, also vor sieben Monaten. Wir haben diesem Antrag seinerzeit zugestimmt. Von den vorangegangenen Vorstellungen des Landeskulturrates ist leider nicht viel übrig geblieben, ganz im Gegenteil sogar. Beim Lesen beschleicht einen das Gefühl, man könne uns – weil wir es ja auch mitgetragen haben – eines Tages vorwerfen, wir hätten dem Landeskulturrat lediglich signalisiert: „Seht, wir kümmern uns!“

Bedauerliches gab es eben bereits zu Beginn der Befassung mit dem Thema „Kunst am Bau“, Frau Kollegin Berger hat darauf schon hingewiesen. Trotz der vehementen Beteuerung, einen gemeinsamen Antrag aller demokratischen Fraktionen zu erarbeiten, brachten SPD und CDU seinerzeit den Antrag letztlich allein in einer Fassung des kleinsten gemeinsamen Nenners ein. Ich wage die Behauptung, wäre es seinerzeit gelungen, dass alle demokratischen Fraktionen von Anbeginn an als Einreicherinnen und Einreicher dieses Antrages unter dem Antragstext gestanden hätten, hätte dieser Antrag ein anderes Gewicht gehabt.

(Rainer Albrecht, SPD: Das wage ich zu bezweifeln.)

Das war – zumindest diese Vorgänge, die ich jetzt ganz kurz skizziert habe – für meine Fraktion enttäuschend, dementsprechend groß war die Ernüchterung. Die Euphorie, dass etwas bewirkt werden sollte mit diesem Antrag, ist mit der vorliegenden Unterrichtung endgültig verflogen. Es bleibt der fade Eindruck, dass Kunst und Kultur auch in Bezug aufs Bauen für SPD und CDU offenbar nur eine Feigenblattfunktion haben.

Also, Herr Albrecht, auch wir sind an dieser Stelle doch ein Stückchen weit auseinander.

(Rainer Albrecht, SPD: Ja, das ist leider so.)

Einzig die Möglichkeiten, im Wege der Städtebauförderung Kunst im öffentlichen Raum zu fördern, wurden und werden von den Kommunen rege genutzt, wohlgemerkt von den Kommunen.

(Rainer Albrecht, SPD: Mit Landesförderung! Nicht vergessen!)