in den Neubaugebieten aus DDR-Tagen mehr Kinder in Armut leben als in den Dörfern oder im Speckgürtel der Städte. Aber auch ich verrate Ihnen mal was: Ihre destruktive Sozialstatistik bringt Ihnen am Ende des Tages nichts, aber auch gar nichts.
Als Sozialpädagoge weiß ich, dass jeder Schutzbefohlene, der bei uns in den Verein kommt, ein Einzelfall ist, eben ein Individuum. Jeder Fall hat seine ganz eigenen Probleme und Rahmenbedingungen, jeder Mensch seine ganz eigenen Stärken und Schwächen. Es nützt uns nichts, wenn wir daraus Mittelwerte bilden, Quartile berechnen oder mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten. Wenn ich Kinder- und Jugendarbeit ernst nehme – und das tue ich –, dann versuche ich, für das Kind oder den Jugendlichen vor mir durch meine Arbeit das bestmögliche Ergebnis zu erzielen, völlig unabhängig davon, wie groß die statistische Wahrscheinlichkeit ist, dass ich damit Erfolg habe.
Das ist übrigens auch der Grundgeist, der das Landesprogramm Kinderschutz durchzieht. Und am Ende des Tages ist es sogar der Weg, der volkswirtschaftlich für unser Land am günstigsten ist. Effektiver Kinderschutz – das ist ressort- und rechtskreisübergreifendes Arbeiten. Er bedingt die permanente Weiterbildung, Sensibilisierung und Vernetzung der Akteure. Diesem trägt das Landesprogramm Rechnung.
Auf diesem Weg werden wir auch in den folgenden Jahren Schritt für Schritt vorangehen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist ein sensibles Thema. Es ist ein Thema, dem wir uns kontinuierlich widmen müssen und bei dem wir mit unseren Anstrengungen nicht nachlassen dürfen. Hier besser zu werden, ist ein anhaltender Prozess, der auf der Agenda der Landesregierung einen wichtigen Platz einnimmt.
Wie wachsam wir alle sein und bleiben müssen, hat uns der schauerliche Fall von „Power for Kids“ mit Wucht vor Augen geführt. Das ungläubige Entsetzen über die mehrfachen Missbrauchsfälle und die so zögerliche Reaktion der Behörden ist eine Mahnung an alle, die sich auf den Verbesserungen im Kinderschutz auszuruhen drohten. Damit will ich Erfolge nicht kleinreden, sondern nur sagen, es sind Fortschritte, es ist kein Zieleinlauf. Kinderschutz ernst zu nehmen, heißt für uns auch, sich auszutauschen mit unseren Partnern, um immer wieder die zentralen Fragen zu diskutieren: Wo stehen wir? Was haben wir erreicht und mit welchem Erfolg? Was brauchen wir noch und wie lässt es sich realisieren? Welche Werte und Prinzipien leiten unser Handeln?
Das vorliegende Landesprogramm ist eine gute Grundlage, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Dies haben uns auch die mitwirkenden Experten und Praktiker bescheinigt. Es bündelt die Aktivitäten der Landesregierung und zeigt wichtige Handlungsfälle im Kinderschutz auf. Das Landesprogramm Kinderschutz belegt die fachübergreifende und gesamtgesellschaftliche Verantwortung für das Thema und berücksichtigt die Zuständigkeiten der Kommunen und die Organisationshoheit der freien Träger.
Meine Damen und Herren Abgeordnete, was will das Landesprogramm? Zuallererst soll es den Prozess eines immer besser werdenden Kinderschutzes unterstützen. Dafür artikuliert das Programm Ziele, die zu eben dieser Verbesserung beitragen. Dazu zählen unter anderem die Einbindung von Regelangeboten wie Kitas in das System „Frühe Hilfen“, mehr anschlussfähige Angebote über die „Frühen Hilfen“ hinaus, also kommunale Präventionsketten, die Hilfsangebote entlang der Entwicklungsphasen von Kindern sicherzustellen und einen gelingenden Übergang zu ermöglichen, die Ausrichtung der Aus-, Fort- und Weiterbildung an den Anforderungen eines modernen Kinderschutzes und die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren, zum Beispiel durch die Aktionswoche Kinderschutz, die in diesem Juni stattfindet.
Ich sagte es bereits, Kinderschutz ist ein fortlaufender Prozess und auch das Landesprogramm ist nicht abschließend. Vielmehr soll es helfen, Lücken und Bedarfe aufzuspüren. Dazu gehört auch die Frage, die Frau Bernhardt mir gestellt hat: Brauchen wir ein Landeskinderschutzgesetz? Sie alle wissen, dass wir eine Entscheidung darüber zurückgestellt hatten, weil das Bundeskinderschutzgesetz umfangreiche Regelungen implementiert hat, deren Auswirkungen abzuwarten waren. Eine solche Evaluation liegt nun vor und der entsprechende Bericht hat das Bundeskabinett im vergangenen Dezember passiert. Einen ersten Indikator haben wir also. Und Bund und Länder arbeiten an der Umsetzung der Handlungsempfehlungen, die aus der Evaluation des Bundeskinderschutzgesetzes resultieren. Sie sehen, wir arbeiten weiter.
Aber auch auf Landesebene haben wir in den vergangenen Jahren einiges getan, um den Kinderschutz in Mecklenburg-Vorpommern voranzubringen. Wir haben es bereits gehört, Beispiele sind das Landesprogramm Familienhebammen, das Erinnerungssystem und die Kinderschutzhotline. Auch diese Maßnahmen brauchen Zeit, um ihre Wirkung zu entfalten und um ihre Wirkung erfassen zu können. Zusammen mit der Auswertung des Bundeskinderschutzgesetzes werden wir dann eine Grundlage haben, um die Frage, ob wir auf Landesebene gesetzlich nachsteuern müssen, neu und fundiert zu erörtern.
Ich bin mir sicher, das Landesprogramm Kinderschutz wird seinen Teil dazu beitragen. Insofern werte ich den Antrag der Linksfraktion als Unterstützung zu dem von mir angestrebten weiteren Verfahren und wünsche mir, dass wir bei diesem wichtigen und sensiblen Thema einen gemeinsamen Weg einschlagen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kinder sind unsere schwächsten, aber auch unsere wertvollsten Geschöpfe. Und Kinder sind unsere Zukunft. Ihr Schutz liegt uns besonders am Herzen. Genau deshalb wurde das Thema heute auf die Tagesordnung gesetzt. Aber auch im Koalitionsvertrag zwischen uns und der SPD findet das Thema Kinderschutz in Ziffer 273 Berücksichtigung.
Kinderschutz geht uns alle an. Auch für meine Fraktion und für mich hat der Schutz der Kinder besonders hohe Priorität. Ich möchte ein klein bisschen ausholen: Der erste wesentliche Schritt in Richtung Kinderschutz wurde mit der Kinderrechtskonvention der UN gegangen. Diese verpflichtet die Staaten, auf die Umsetzung der Kinderrechte hinzuwirken, und gilt in 193 Ländern, selbstverständlich auch bei uns. Gesetze, Verordnungen und sonstige Regelungen mussten deshalb angepasst werden. Seit der Ratifizierung der Kinderrechtskonvention wurden die Rechte der Kinder in Deutschland in vielfältiger Weise gestärkt und ausgebaut, sowohl im rechtlichen als auch im sozialen Bereich. So wurde der Jugendschutz an vielen Stellen verbessert, auch die Straftatbestände zum sexuellen Missbrauch von Kindern wurden mehrfach überarbeitet und verschärft.
Ein sehr wichtiges Gesetz stellt das Bundeskinderschutzgesetz dar. Das Gesetz wurde damals noch von CDU-Ministerin Schröder vorgestellt und verabschiedet und trägt zur Förderung des Kindeswohls und der körperlichen, geistigen und seelischen Entwicklung der Kinder bei. Das Bundeskinderschutzgesetz wurde bereits evaluiert, Frau Hesse hat das eben auch schon gesagt. Aus dem Evaluationsbericht wird deutlich, dass bei dem Thema nicht nachgelassen werden darf und weitere Verbesserungen notwendig sind. Für einen umfassenden Kinderschutz ist noch viel zu tun. Bundesministerin Schwesig kündigte eine Gesamtreform der Kinder- und Jugendhilfe noch in 2016 an, und vielleicht ist es sinnvoller, ein Landesgesetz zum Kinderschutz in diesem Kontext zu erarbeiten.
Dass weitere Verbesserungen notwendig sind, zeigt uns der jüngste Fall aus Mecklenburg-Vorpommern. In dem Schweriner Verein „Power for Kids“ gab es vielfachen sexuellen Missbrauch von Kindern und nun stand gestern auch in der Zeitung, was alles getan werden soll, um die Reputation des Vereins gegebenenfalls wiederherzustellen. Risiken zu erkennen, der entscheidende Umgang mit Gefährdungssituationen – das sind Faktoren, die zum Schutz der Kinder beitragen. Denn jeder Fall, bei dem Kinder Opfer von Misshandlungen, Missbrauch oder Gewalt sind, ist einer zu viel. Für meine persönlichen Begriffe hat der Schweriner Verein möglicherweise seine Gemeinnützigkeit verwirkt und seinen satzungsmäßigen Zweck auf alle Fälle gröblich verletzt – leider auf Kosten der schutzbedürftigen Kinder und Jugendlichen. Genau deshalb wird sich der Sozialausschuss des Landtages auf Antrag von SPD und CDU im Rahmen einer öffentlichen Anhörung mit den Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe beschäftigen. Der Umgang der Schweriner Oberbürgermeisterin und des Schweriner Jugendamtes mit dem Missbrauchsskandal machen das notwendig.
Es wird sehr deutlich, wie wichtig Kinderschutz ist und wie wichtig es ist, dass wir uns heute darüber austauschen. Zum Schutz unserer Kinder sind Maßnahmen notwendig, die zum Kindeswohl beitragen. Ich muss noch mal ein bisschen ausholen: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion
hatte bereits eine Kinderschutzhotline für Heilberufe auf den Weg gebracht. Für Ärztinnen und Ärzte ist es wichtig, in solchen Situationen kompetente Ansprechpartner und Informationen zu erhalten, denn so kann ein möglicher Fall von Kindesmissbrauch erkannt und die Einleitung von Maßnahmen vollzogen werden. Doch wir können uns nicht nur auf die Bundesregierung verlassen und sie in die Pflicht nehmen, es müssen alle Akteure an einem Strang ziehen.
Meine Damen und Herren, auch unser Land ist bei dem Thema aktiv. In unserer Landesverfassung sind die Kinderrechte verankert. Zudem gab es in den vergangenen Jahren bereits zwei Bundesratsinitiativen des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Festsetzung von Kinderrechten im Grundgesetz. Eine weitere Aktion bildet nun das Landesprogramm zum Kinderschutz. Das Landesprogramm in Mecklenburg-Vorpommern strebt eine ressortübergreifende Zusammenarbeit im Kinderschutz an. Nicht nur die Landesregierung, auch die regionalen und überregionalen Verantwortungsträger sollen die Möglichkeit haben, am Gestaltungsprozess teilzunehmen. Es wird mit dem Landesprogramm ein Austausch zum Schutz der Kinder und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern angestrebt.
Das Landesprogramm wirft verschiedene Handlungsfelder auf und beschreibt sie nach meiner Auffassung sehr schön in den Tabellen. Früherkennungsuntersuchungen sind zum Beispiel ein sehr gutes Instrument, um den Kinderschutz zu gewährleisten. Mögliche Misshandlungen und Missbrauchsfälle können durch medizinisches Personal schnell erkannt werden.
Wichtig ist, dass auch nur ein Verdacht gemeldet wird. Zudem ist die Kindertagesbetreuung in unserem Land sehr gut. Auch in den Kindertagesstätten können mithilfe der Erzieher mögliche Kindeswohlgefährdungen erkannt und solchen nachgegangen werden. Wichtig ist, dass dies auch schnellstens dem Jugendamt angezeigt wird. Um eine Kindeswohlgefährdung zu erkennen und richtig zu deuten, sind regelmäßige Fortbildungen und Schulungen in den Bereichen der mit Kindern Arbeitenden notwendig. Hierfür gibt das Land auch Finanzhilfen. Eine hohe Qualität ist an dieser Stelle unerlässlich. Auch die Aufarbeitung wie im damaligen Fall „Lea-Sophie“ sehe ich als einen Schritt in die richtige Richtung, um Fälle wie diesen zukünftig zu vermeiden.
Aus dem Landesprogramm geht hervor, meine Damen und Herren, dass ressortübergreifend für den Kinderschutz gearbeitet wird. Eine sehr gute Arbeit leisten die Familienhebammen in unserem Land, aber auch die Kinder- und Jugend- beziehungsweise die Elterntelefone tragen zum Schutz der Kinder bei.
Zudem unterstützt die Landesregierung im Rahmen des Bündnisses Kinderschutz in Mecklenburg-Vorpommern die Jugendämter. Unsere Familien sollen unterstützt und Kinder vor Gefährdungen besser geschützt sein. Es helfen im Kinderschutz nicht nur einzelne Modelle. Wichtig ist,
dass alle Akteure zusammenarbeiten mit dem Ziel, unsere Kinder vor Missbrauch und Misshandlungen zu schützen. Die Transparenz der Angebote ist entscheidend. Umso schöner ist es, dass alle Jugendämter in MecklenburgVorpommern Mitglied in dem Bündnis Kinderschutz sind.
Der Kinderschutzbund Schwerin beispielsweise kümmert sich seit vielen Jahren um Kinder und Jugendliche in der Landeshauptstadt. Es wird nicht nur der pädagogische Mittagstisch angeboten und Hilfe bei den Hausaufgaben gegeben, nein, der Kinderschutzbund unterstützt im Rahmen der psychosozialen Prozessbegleitung Kinder und Jugendliche, die von sexueller Gewalt und anderen Formen von Gewalt betroffen sind und vor Gericht aussagen müssen. Unsere Fraktion fördert diese wichtige Arbeit.
Doch zurück zur Unterrichtung über das Landesprogramm: Die wichtigste Aussage für uns ist, dass staatliche Institutionen zusammenwirken müssen, um Entwicklungsperspektiven von Kindern und Familien zu verbessern. Einen lückenlosen Schutz werden wir auch in Zukunft nicht garantieren können, aber eine gute Gesamtstrategie kann helfen, dass es immer seltener zu tragischen Fällen von Missbrauch oder Misshandlungen kommt. Gefährdungseinschätzungen erfordern Fachkompetenz, eine Kultur des Hinsehens, aber auch kritische Wahrnehmung. Öffentlich Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen zu übernehmen, heißt, Realitäten, Lebenslagen, Milieus und Sozialräume zu betrachten. Insofern ist es erfreulich, dass auch der Kinderschutz im ländlichen Raum erfasst wurde, beispielsweise aufsuchendes Angebot sowie Betroffene mit Migrationshintergrund. Auch Rahmen und Strukturen regionaler Netzwerke spielen darin eine Rolle.
Wenn es in dem Papier heißt, dass systemübergreifende Zusammenarbeit im Kinderschutz elementare Kenntnisse über Zuständigkeiten, Möglichkeiten und Grenzen der jeweiligen Institution und Dienste erfordert, dann meine ich, dass es nicht allein mit einer neuen Broschüre oder einer neuen Internetseite getan ist. Ich finde, es muss dann etwas dauerhaft Erkennbares sein.
Der Aufbau einer Präventionskette ist eine Herausforderung. Daher ist es gut, dass auch die Freie Jugendhilfe in die Überlegungen einbezogen wird. Ich bin gespannt darauf, ob der interprofessionelle Qualitätszirkel den gewünschten Effekt in der Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Gesundheitswesen beziehungsweise niedergelassenen Ärzten erzeugt oder ob der organisierte Sport sensibel mit dem Thema umgehen wird. Niederschwellige Infrastruktur und Einzelfallhilfen müssen gut aufeinander abgestimmt sein und dabei geht es nicht nur um sozial belastete Gebiete. Kindeswohlgefährdungen kommen nicht nur dort vor.
Was mich noch nicht ganz überzeugt, ist die Öffnung des Tätigkeitsfeldes der Familienhebammen für vergleichbare Berufsgruppen.
Familiengesundheitspfleger und -pflegerinnen und Kinderkrankenpfleger und -pflegerinnen sind leider Mangelware in unserem Land.
Bei der Wirkungssteuerung in der Jugendhilfe werden die systematische Erhebung und Auswertung von Sozialdaten gefördert. Für jugendhilferelevante Entscheidungen ist das hilfreich, wenn diese überall zugänglich sind und direkte Hilfe vor bürokratischen Hürden steht.
Zum Thema Frauenhäuser: Es würde mich sehr freuen, wenn dort tatsächlich eine Fachkraft mehr pro Einrichtung zur Verfügung stünde. Das war ja mehr auf die Kinder bezogen. Die Frage der Finanzierung ist in der Tat an dieser Stelle offen.
(Peter Ritter, DIE LINKE: Ach, das haben Sie gelesen?! Es wäre besser gewesen, Sie hätten was gemacht.)
Und wenn es um die Maßnahmen zur Intervention und Prävention geht, die grundsätzlich in allen möglichen Einrichtungen fest verankert und überprüft werden sollen, kann man das Wort „grundsätzlich“ wegen mir gern streichen, denn es ließe Ausnahmen zu. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.