Ich eröffne die Abstimmung. Dazu werden Sie hier vom Präsidium namentlich aufgerufen und gebeten, vom Platz aus Ihre Stimme mit Ja, Nein oder Enthaltung abzugeben. Damit Ihr Votum korrekt erfasst werden kann, bitte ich Sie, sich nach Aufruf, wenn möglich, von Ihrem Platz zu erheben und Ihre Stimme laut und vernehmlich abzugeben. Darüber hinaus bitte ich alle im Saal Anwesenden, während des Abstimmungsvorganges von störenden Gesprächen Abstand zu nehmen.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung.
Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen, und unterbreche die Sitzung für zwei Minuten.
An der Abstimmung haben insgesamt 56 Abgeordnete teilgenommen. Mit Ja stimmten 40 Abgeordnete, mit Nein stimmten 11 Abgeordnete. Es enthielten sich 5 Abgeordnete. Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 6/386 angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 33: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Übernahme der verfügbaren BVVG-Liegenschaften in Landeshoheit, Drucksache 6/380.
Antrag der Fraktion DIE LINKE Übernahme der verfügbaren BVVG- Liegenschaften in Landeshoheit – Drucksache 6/380 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist unbestritten, dass der Boden nicht vermehrbar und nur begrenzt verfügbar ist. Er ist die entscheidende Produktionsgrundlage der Landwirtschaft. Das heißt also auch, Bodenpolitik ist Grundlage jeglicher Agrarpolitik. Je höher der Bedarf an landwirtschaftlichen Produkten wird, je höher die Preise steigen, je länger der Verbrauch an landwirtschaftlicher Nutzfläche für andere Nutzungen anhält, desto stärker setzt sich die Erkenntnis über die Endlichkeit der entscheidenden Ressource durch.
Für DIE LINKE gilt der Grundsatz, dass der Boden in die Hände derer gehört, die davon leben wollen und müssen – also in die Hände der Bauern. Von diesem Grundsatz sind unsere agrarpolitischen Anträge im Landtag geprägt. Das zieht sich durch alle Wahlperioden und ist unter anderem auch in den Chroniken des Landtages nachzulesen.
genschaften wurde in allen Wahlperioden sowohl durch die jeweiligen Landtage als auch durch die Agrar- beziehungsweise Landwirtschaftsausschüsse thematisiert. Die massive Kritik an der Tätigkeit und dem Wirken der BVVG vor allem aus linker Sicht, beinhaltet seit jeher, dass die BVVG als Hauptakteur am Bodenmarkt die Preisspirale antreibt. Das zeigt sich statistisch, wenn man zum Beispiel die durchschnittlichen Kaufpreise landwirtschaftlicher Grundstücke nur im Jahre 2008 betrachtet und feststellt, dass der mittlere Preis bei 5.741 Euro pro Hektar im Lande lag, aber die BVVG-Preise im gleichen Jahr einen Durchschnitt von 7.492 Euro pro Hektar erreichten. Im Jahre 2010 betrug die Relation schon 9.187 Euro im Gesamtdurchschnitt und 12.186 Euro im BVVG-Durchschnittspreis. Das liegt aus unserer Sicht daran, dass die BVVG mit zwei Dritteln aller Verkäufe marktprägenden Einfluss hat und ihre Verkaufspolitik hauptsächlich auf die Erzielung von Höchstpreisen ausgerichtet ist.
Boden sollte, statt ihn zu verkaufen, langfristig und dauerhaft verpachtet werden, so die politischen Forderungen in den ersten Jahren der Privatisierungspolitik der BVVG. Die starre Ausrichtung des Bundes auf die Privatisierung verhinderte eine gesellschaftlich vernünftige Bodenpolitik. Stattdessen, und das gilt auch heute noch, haben hohe BVVG-Bodenpreise Geld aus den ländlichen Räumen abgezogen. Durch überteuerten Bodenkauf fehlt Geld für Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Das hatte auch beschleunigende Auswirkungen auf die Rationalisierung in den Betrieben und damit auf den Abbau von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum.
Nun hat kürzlich die BVVG in ihrer Jahresbilanz für 2011 erklärt, dass sie im Vergleich zu den Erlösen von 2010 mit den bereits erwähnten 12.186 Euro pro Hektar sogar 14.989 Euro pro Hektar im genannten Jahr 2011 erzielt hat. Das ist eine durchschnittliche Preissteigerung von 23 Prozent in einem Jahr.
DIE LINKE fordert, dass Bodenpreise, die vom Staat wie im Falle der BVVG gemacht werden, sich an den zu erwirtschaftenden Erträgen orientieren müssen. Ansonsten gerät die bewährte Agrarstruktur in Gefahr. Das sieht übrigens auch die SPD im Lande so. Agrarstrukturen und Entwicklung ländlicher Räume sind jedoch für die BVVG leider keine Verkaufskriterien. Nur der Höchstpreis ist Maßstab des Handelns. Damit werden auch Bodenspekulanten angelockt, die die Preisentwicklung des Ackerlandes und des Grünlandes als willkommene Geldanlage betrachten.
LINKE und SPD in Mecklenburg-Vorpommern haben immer versucht, dieses Preistreiberkarussell anzuhalten. So wurde in der 4. Legislaturperiode zwischen ihnen vereinbart, den damaligen Bestand an BVVG-Flächen durch Kauf in Landeseigentum zu übernehmen. Damit sollte der Verkaufs- und Preisdruck aus dem Markt genommen und durch die langfristige Verpachtung ein gutes Fundament für die nachhaltige Entwicklung der Agrarwirtschaft in unserem Lande erreicht werden. In letzter Minute wurden 2005 die vereinbarten und durch das Land leistbaren Verhandlungspreise durch den Bund fast verdoppelt und somit platzten die Verkaufsverhandlungen. Verhandlungen zur Änderung der Privatisierungsrichtlinien der BVVG mit den Ländern haben kleine Änderungen in den Vorschriften erwirkt, konnten jedoch die Höchstpreispolitik nicht aufhalten.
DIE LINKE hat sich in ihrem Programm zur Wahl 2011 aus Verantwortung für die Entwicklung der ländlichen
Räume und der Agrarstrukturen im Lande gegen die Fortführung dieser Bodenpolitik des Bundes ausgesprochen. Auch die SPD verfolgte dieses Ziel und schrieb, dass sie sich für den sofortigen Stopp des Verkaufs der landwirtschaftlichen Flächen durch die BVVG und die Übernahme dieser Flächen durch das Land Mecklenburg-Vorpommern zum Ertragswert, das heißt zu einem Wert, bei dem die Refinanzierung der Kreditkosten aus den Erträgen der Flächen möglich ist, einsetzt. Was ist davon nach der Weiterführung der rot-schwarzen Koalition geblieben?
In der Koalitionsvereinbarung heißt es in der Ziffer 126, dass „die Koalitionspartner sich dafür einsetzen (wer- den), dass die Privatisierung von Flächen der bundeseigenen … (BVVG) ausgesetzt wird und dass seitens des Bundes eine Ausrichtung der Bodenpolitik erfolgt, die den agrarstrukturellen Besonderheiten des Landes Rechnung trägt“. Die Partner – ich zitiere weiter – „werden sich für eine vernünftige Preisgestaltung durch die BVVG einsetzen“ und „in der Übergangszeit wird eine langfristige Verpachtung angestrebt.“
Nun kann man lange darüber philosophieren, was vernünftige Preise sind. Das wird Herr Schäuble wohl ganz anders sehen als Minister Dr. Backhaus. Was aber nicht in die Koalitionsvereinbarung aufgenommen wurde, ist die anzustrebende Übernahme der BVVG-Liegenschaften in Landeshoheit, wie wir es in unserem Antrag formuliert haben. Nun kann es ja sein, dass diese Sache für die Koalitionäre nicht den ausreichenden Stellenwert hatte, um erwähnt zu werden. Dass Minister Dr. Backhaus jedoch intensiv an der Übernahme der BVVGFlächen arbeitet und darüber mit dem Bund verhandelt, sagte er in der 2. Sitzung des Agrarausschusses.
Es ist also mehr als verwunderlich, warum so ein Schlüsselvorhaben nicht im Koalitionsvertrag steht. Wahrscheinlich ist man sich hier nicht einig geworden. Wer sich an die Debatten im Landtag in der 5. Legislatur erinnert, die durch Anträge der LINKEN zur Bodenreform, die ungerechtfertigte Bevorzugung von nicht wirtschaftenden Alteigentümern beim Zweiten Flächenerwerbsänderungsgesetz und anderen Grundfragen einer nachhaltigen Agrarpolitik geprägt waren, der weiß, wie tief die Gräben in dieser Frage bei den Koalitionären waren.
Meine Damen und Herren, unser Antrag soll die Landeregierung bestärken, ich wiederhole das gerne, die Landeregierung bestärken, die mit der Bundesregierung begonnenen Verhandlungen zur Übernahme der noch verfügbaren landwirtschaftlichen Flächen in Mecklenburg-Vorpommern aus dem Besitz der BVVG weiterzuführen, um diese in geeigneter Weise in Landeshoheit zu überführen. Dazu, meinen wir, bedarf es der Mehrheit des Landtages, damit dieses wichtige Ziel legitimiert ist und weiter daran gearbeitet werden kann. Übrigens gibt es ein gutes und erfolgreiches Beispiel beim Erwerb der BVVG-Seen.
Unser Antrag beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Kaufoption, obwohl diese wohl noch in Verhandlung steht. Wir können uns auch die Variante des sogenannten Treuhandmodells vorstellen, indem das Land Besitzer der BVVG-Flächen wird und die Verwaltung übernimmt. Beide Varianten sind allemal besser, als die Flächen in den Händen des Bundes zu belassen, wo sie bis zum letzten Tag und dem letzten Quadratmeter dazu genutzt werden, zulasten der Landwirte die Bodenpreise und die Pachtpreise in die Höhe zu treiben.
In jedem Falle aber ist es aus unserer Sicht notwendig und für den Erfolg entscheidend, einen langfristigen, auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Umgang mit diesen vielleicht noch verfügbaren 30.000 Hektar zu erarbeiten. Dazu halten wir es für notwendig, eine langfristige Verpachtungsstrategie zu erarbeiten, die natürlich Bestandteil des vorgesehenen Masterplanes Land- und Ernährungswirtschaft sein muss. Das sollte mit allen Beteiligten – ich wiederhole gern – mit allen Beteiligten und den Verbänden und Partnern in der Landwirtschaft und in den ländlichen Räumen diskutiert werden, um optimale und beständige Nachhaltigkeitskriterien zu erarbeiten. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Ihre Unterstützung.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erster hat das Wort der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Herr Dr. Backhaus.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich die Situation richtig einschätze, und ich will da auch Herrn Professor Tack nicht zu nahetreten, ist dies natürlich über die letzten 20 Jahre hinweg hier permanent Thema gewesen. Es zieht sich im Übrigen für mich und meine Fraktion wirklich wie ein roter Faden hindurch, dass wir immer versucht haben, die ehemals volkseigenen Flächen in die Hand der hier wirtschaftenden Betriebe zu legen und auf der anderen Seite natürlich auch zum Wohle des Landes einzusetzen.
Wenn man es jetzt positiv betrachtet, dann ist der Antrag sicherlich auch eine Unterstützung für das, was die Landesregierung seit Jahren versucht, und wenn ich es ketzerisch betrachten würde, Herr Holter,
dann würden Sie, Herr Holter – insofern ist das ganz gut –, dann hätten Sie wahrscheinlich in alten Zeiten den Vaterländischen Verdienstorden bekommen, nämlich für das unermüdliche Einsetzen für den Erhalt des Volkseigentums.
Insofern will ich das auch ganz offen und ehrlich hier darstellen: Es ist doch seit Langem bekannt, dass der Bund und die Bundesfinanzverwaltung natürlich alles daransetzen, Einnahmen zu erzielen. Und im Übrigen, das vergessen viele, ich glaube, mit Recht sagen zu können, der einzige Volkswirtschaftszweig, der tatsächlich zum Schuldenabbau der Bundesrepublik Deutschland beiträgt, ist die Landwirtschaft, nämlich durch den Verkauf der landwirtschaftlichen Nutzflächen. Die gesamte DDR, die ja im wahrsten Sinne des Wortes wirklich pleite war – und da kann man sich auch trefflich drüber streiten, ob die Menschen im Lande das verstanden haben, aber richtig ist, die DDR war pleite,
und der einzige Zweig, der tatsächlich Erlöse erbringt, ist der Grund und Boden. Und wenn man sich das überlegt, allein im letzten Jahr sind es fast 600 Millionen Euro an Erlösen gewesen, die die Landwirtschaft und damit der Verkauf von Grund und Boden in die Kassen der Bundesfinanzverwaltung und damit des Bundesfinanzministers gesprudelt hat – im Übrigen nach Abzug der Kosten. Immerhin 660 Menschen sind in diesem Bereich heute noch beschäftigt und machen Kosten von fast 50 Millionen Euro aus. Deswegen habe ich immer wieder betont, und dazu stehe ich auch nach wie vor, dass wir mit der Privatisierungspolitik der Bundesregierung nicht einverstanden sind, dass wir die einseitigen fiskalischen Interessen nicht akzeptieren.
Wir haben im Übrigen auch in der Großen Koalition in Berlin die gleiche Formulierung getroffen, die jetzt in der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und FDP drinsteht, nämlich dass die besonderen Belange bei der Privatisierung des Grunds und Bodens der neuen Länder berücksichtigt werden sollen. Für mich findet dies nicht statt. Es ist aus meiner Sicht leider so, dass dieses Geld, nämlich die 600 Millionen Euro, natürlich nicht für Investitionen zur Verfügung stehen, und damit den ländlichen Räumen und der Wertschöpfungskette in den neuen Bundesländern oder, wenn man so will, in den fünf neuen Bundesländern nicht zur Verfügung stehen.
Wir haben immer wieder deutlich gemacht, dass wir die Ausschreibungen zum Höchstgebot nicht akzeptieren können und die BVVG oder die Bundesregierung damit im Übrigen natürlich diese Spirale der Preistreiberei hochschraubt.
Oder wenn ich mir die Steigerungsraten anschaue, meine Damen und Herren! Am Anfang der 90er-Jahre hat in Mecklenburg-Vorpommern – der eine oder andere von Ihnen wird das wissen – der Hektar 800 D-Mark gekostet, 800 D-Mark! Heute liegen wir im Durchschnitt bei fast 18.000 Euro pro Hektar. Also das sind Gewinnmargen, da träumen Analysten an der Börse von, welche Steigerungsraten der Grund und Boden in den neuen Bundesländern und insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern tatsächlich hat.
Diese Art der Privatisierung vernachlässigt natürlich alles, wofür wir auf der anderen Seite große Anstrengungen unternommen haben:
bewerbsfähigen Landwirtschaftsbetrieben ist – und das gilt im Übrigen auch für die Gutshäuser und deren Ensembles –, ich habe das immer wieder gesagt, in jedem Stall im ländlichen Raum haben vor über 20 Jahren Tiere gestanden. Dass diese Diskussion uns im Übrigen heute auf die Füße fällt, ist damit auch klar. Nicht umsonst sind überall Bürgerinitiativen entstanden.