Protokoll der Sitzung vom 30.01.2013

Am Zukunftsvertrag wird gearbeitet, weiter gearbeitet, erste Bestandteile – auch das wissen Sie –, wie der Kofinanzierungsfonds und der Konsolidierungsfonds oder auch die Vereinfachung der Doppik, sind in der Umsetzung oder stehen kurz davor. Die Kommunen profitieren also nicht nur von den 150 Millionen in den beiden Fonds und den 36 Millionen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Bis jetzt haben sie noch gar nichts davon.)

die als Anschubfinanzierung da sind. Wir haben es ja gehört – auch da wurde ja viel geschrieben drüber –, die Kommunen profitieren natürlich auch an den Steuermehreinnahmen. Zum einen haben sie 2012 35 Millio- nen selber mehr an Steuern eingenommen und zum anderen profitieren sie von den Steuermehreinnahmen des Landes, wovon ihnen ein Anteil von immerhin 50 Mil- lionen zusteht. Auch das sind noch mal 85 Millionen zusätzlich.

Dass damit am Ende noch längst nicht alle Probleme beseitigt sind, ist uns auch klar, und deshalb wird die CDU-Fraktion, wird die Koalition, wird die Landesregierung in einem stetigen Austausch mit der kommunalen Ebene bleiben. Und wir werden versuchen, das zu einem guten Gelingen zu bringen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Heinz Müller, SPD)

Vielen Dank, Herr Reinhardt.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Andrejewski für die Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag enthält nix, was den Landkreisen und kreisfreien Städten wirklich effektiv helfen würde. Vertrauensvolle enge Kooperation mit dem Land, Auftaktgespräche, Zukunftsvertrag – das sind alles Phrasen. Schön, dass wir drüber geredet haben. Was die Landkreise und kreisfreien Städte wirklich brauchen, ist schlicht Geld, und zwar jede Menge Geld. Sie benötigen eine finanzielle Grundausstattung, ein Starterpack sozusagen, um wieder handlungsfähig werden zu können. Einige müssen auch dringend weitgehend entschuldet werden. Bei der Schuldenlast, die zum Beispiel der Landkreis Vorpommern-Greifswald mit sich rumschleppt, ist es völlig egal, wer da Landrat spielt. Es ist egal, ob Frau Kuder die Wahl gewonnen hätte oder Dr. Syrbe oder ein Zwangsverwalter. Der Landkreis kommt nie auf einen grünen Zweig, wenn er diese Schulden weiter mit sich rumschleppen muss.

Der Berater, der dem Landkreis Vorpommern

Greifswald zur Seite gestellt werden soll und auch nicht eben billig ist – man spricht von etwa 200.000 Euro –, wird dort keine verborgenen Schätze finden, wie die Landesregierung vielleicht denkt, und auch keine sagenhaften, bisher leider übersehenen Einsparmöglichkeiten. Er wird feststellen, dass dort nix zu holen und nix einzusparen ist, es sei denn, man nimmt in Kauf, dass der Landkreis in Zukunft das absolute Minimum kommunaler Aufgaben nicht mehr erfüllen kann, das nötig ist, um überhaupt noch den Anforderungen gerecht zu werden, die an einen Landkreis zu stellen sind.

Das heißt, entweder treibt die Landesregierung das benötigte Geld irgendwie auf oder sie erklärt ihr diesbezügliches Unvermögen.

(Udo Pastörs, NPD: So ist das.)

In der Privatwirtschaft würde man in einer solchen Situation Bankrott anmelden beziehungsweise man würde als Mutterkonzern die heruntergewirtschaftete Filiale eben schließen müssen. Das geht mit Vorpommern-Greifswald nicht. Setzt man hier allein auf Kürzungen und Einsparungen, riskiert man die Auflösung nicht nur der staatlichen Strukturen, sondern auch des Vereinslebens, also der Gesellschaft. Die politischen Folgen wären auch nicht unbedingt angenehm.

Es ist auch keine Lösung, die Landkreise zu zwingen, ihre Lasten abzuwälzen auf die Gemeinden in Form von höheren Kreisumlagen, Altfehlbetragsumlagen, weil dann die Gemeinden kaputtgehen. Landkreise sind Gemeindeverbände, und wenn die Gemeinden platt sind, sind auch die Gemeindeverbände platt. Vielleicht muss ja Vorpommern-Greifswald erst aus der Bundesrepublik Deutschland austreten und sich der Republik Griechenland anschließen, um eines Rettungspakets teilhaftig zu werden?!

(Beifall Udo Pastörs, NPD: Ha!)

Wie auch immer, nächstes Jahr sind Kommunalwahlen. Also wird sich die Landesregierung wenigstens irgendwas scheinbar gerade mal für ein Jahr Überzeugendes einfallen lassen müssen, denn ansonsten wird sich das bitter rächen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ritter für die Fraktion DIE LINKE.

(Heinz Müller, SPD: Peter Ritter schießt, aber das Tor ist zugenagelt.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt im Hohen Haus eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen, die ich ob ihrer Kompetenz sehr schätze. Dazu gehört zum Beispiel der Kollege Liskow, der in einer Pressemitteilung vom heutigen Tag uns hat wissen lassen: Ich zitiere: „,Schlechte Finanzen sind nicht immer strukturell bedingt, sondern sind oft das Ergebnis falscher Finanzentscheidungen vor Ort. Die Stadt Schwerin ist hierfür ein ebenso gutes Beispiel wie der Landkreis Vorpommern-Greifs- wald‘, so Egbert Liskow abschließend.“

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Lieber Kollege Liskow, kennen Sie die Haushaltssituation des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte? Wissen Sie, wer dort Landrat ist?

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Kennen Sie die Haushaltssituation des Landkreises Vorpommern-Rügen? Wissen Sie, wer dort Landrat ist? Kennen Sie die Situation in Rostock? Wissen Sie, wer dort Oberbürgermeister ist? Oder kennen Sie den Hilferuf der Landrätin aus Nordwestmecklenburg? Und wissen Sie, welches Parteibuch Frau Hesse hat?

(Marc Reinhardt, CDU: Wie Schwerin und Vorpommern-Greifswald.)

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, so einfach sollte man es sich dann doch nicht machen.

(Egbert Liskow, CDU: Zwei Beispiele.)

Und, lieber Kollege Müller, so lange, wie wir uns kennen, so lange arbeiten wir gemeinsam am Thema Kreisgebietsreform,

(Heinz Müller, SPD: Ja.)

mit Höhen und Tiefen, mit Übereinstimmung und mit unterschiedlichen Positionen. Eines habe ich aber heute doch festgestellt: Wenn ich die Zusammenarbeit von Ihnen mit den Kolleginnen und Kollegen der CDUFraktion dann reflektiere – das eine oder andere war heute doch schon ein neuer Zungenschlag, weil seit Verabschiedung Ihrer Kreisgebietsreform hießt es immer, alles in Ordnung.

Ich darf vielleicht mal an der Stelle erinnern an den Antrag meiner Fraktion unter der Überschrift „Verhandlungen über Zukunftsvertrag unverzüglich beginnen“, Drucksache 6/79, ziemlich zum Anfang dieser Legislaturperiode, Abstimmungsergebnis: abgelehnt.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wollten Sie mal wieder schneller sein.)

Ich erinnere an den „Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Neuordnung der Landkreise“, Drucksache 6/165 – abgelehnt; unser Antrag „Kreisstruktur- und Aufgabenzuordnungsgesetz – landespolitische Verantwortung wahrnehmen“ – abgelehnt;

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aus guten Gründen.)

„Zukunftsvertrag und Dialog statt Kommunalschelte und Eigenlob“, Drucksache 6/1126 – abgelehnt, immer mit der Begründung, brauchen wir nicht, ist alles in Ordnung.

Heute haben wir zumindest gehört, nein, wir müssen miteinander reden, weil es hier und da Probleme gibt.

(Heinz Müller, SPD: Das tun wir von Anfang an. – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das tun wir die ganze Zeit.)

Das erkenne ich sehr wohl an, lieber Kollege Müller.

Es ist natürlich schön, dass die Landesregierung sich dann auch bewegt hat. Und da ist es mir relativ wurscht, ob das auf Grundlage unseres Antrages passiert,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Mit Sicherheit nicht.)

der Sie natürlich in Ihrer Selbstherrlichkeit überhaupt nicht interessiert, oder ob das auf Druck der kommunalen Ebene passiert. Wichtig ist, dass man miteinander ins Gespräch kommt.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Der ist ja nie abgerissen, der Dialog.)

Aber die heile Welt, die heile Welt, die uns der Innenminister hier wieder dargestellt hat, die ist offensichtlich so weit in kommunalen Verbänden nicht angekommen. Ich zitiere mal aus der Pressemitteilung des Landkreistages vom 25.01., also einen Tag nach dem ersten Spitzengespräch, welches in so vertraulicher Atmosphäre mit guten Ergebnissen stattgefunden hat. Da heißt es: „Erstaunen haben am 2. Tag der gemeinsamen Beratung der Vorstände der kommunalen Spitzenverbände Äußerungen von Ministerpräsident Erwin Sellering hervorgerufen.“ „Erstaunen“, nicht „Übereinstimmung“. Es heißt: „,Wir fordern vorbehaltlose Gespräche‘, erklärten“ die Vorsitzenden der kommunalen Spitzenverbände Dettmann und Christiansen. Es heißt weiter: „Die Umstellungskosten der Kreisgebietsreform müssen vom Veranlasser bezahlt werden.“ Und es heißt wörtlich: „Wir entlassen das Land nicht aus der Verantwortung“, so die kommunalen Landesverbände.

Und da Sie uns empfohlen haben, wir sollen mit den Chefs der kommunalen Landesverbände sprechen, heißt es hier weiter, lieber Kollege Müller: „Für Rückfragen steht Ihnen der Geschäftsführer Jan Peter Schröder … telefonisch … zur Verfügung.“

(Heinz Müller, SPD: Ja.)

Vielleicht hätten Sie ihn mal anrufen sollen nach dieser Pressemitteilung, oder Herrn Thomalla, der wissen lässt, ich zitiere. „Die Haushaltslagen in den Städten und Gemeinden sind katastrophal, aber die Stagnation im kommunalen Bereich sei frustrierend. Man kann einfach nichts mehr bewegen.“

Also nix mit heiler Welt!

Ich sage, es ist gut, dass die Gespräche begonnen haben. Und da ist es auch unwichtig aus meiner Sicht, ob nun eine Lokomotive oder zwei, Hauptsache sie sind an der gleichen Stelle, nicht eine vorn und eine hinten und reißen den Zug auseinander. Das ist mir alles egal. Wichtig ist, dass der Zug an Fahrt aufnimmt, denn die Situation – und das weiß jeder von uns, der in der Kommunalpolitik tätig ist, Herr Müller, jeder, der jetzt noch vor Ort in der Kommunalpolitik tätig ist, erlebt das tagtäglich –, die Situation ist dramatisch.

Und ob Neujahrsempfang des Ministerpräsidenten oder Appell der Landkreise und kreisfreien Städte oder Bürgermeisterkonferenz der CDU-Fraktion, eines ist inzwischen auf Landes- und Kommunalebene unübersehbar: Aus kommunalpolitischer Sicht ist die 6. Wahlperiode dieses Landtages bislang eine verlorene Zeit, eine Zeit des Stillstandes. Das müssen wir so konstatieren. Aber das kann sich unser Land nicht leisten. Und das haben die kommunalen Landesverbände in ihrem Appell deutlich gemacht. Das kann man nun drehen und wenden, wie man will, die Weichen für diesen Stillstand wurden in der Koalitionsvereinbarung gestellt. Auf dem Felde der Kommunalpolitik liest sich die Koalitionsvereinbarung wie das Versprechen von Vorruheständlern, nämlich kurz vor der Ziellinie die Hürden nicht mehr zu überspringen, sondern Hand in Hand drum herumzuschlendern.

Nehmen wir uns noch mal die gravierenden Probleme her:

Gemeindestrukturen