Protokoll der Sitzung vom 30.01.2013

Arbeitsmarkt darstellen. Voraussetzung dafür ist aber oftmals, dass erst einmal bestehende Vermittlungshemmnisse abgebaut werden. Und wenn dank der Ar- beit der Integrationsbegleiter die Verschuldungssituation aufgelöst, Krankheit, mangelnde Sozialkompetenzen und andere Dinge abgebaut werden können, also die Profil- lagen der Teilnehmer nachhaltig verbessert werden, dann ist dies auch ein Erfolg, selbst wenn am Ende der Maßnahme keine Vermittlung in eine ungeförderte Arbeit erfolgen kann.

Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Hintergründen für zu geringe Integrationsquoten setzt aus meiner Sicht Ursachenforschung im Dialog mit Trägern und Jobcentern voraus. Die Zielvorgaben für eine Arbeitsmarktintegration dagegen eben mal um das Fünf- bis Zehnfache anzuheben, ist einfach nur unredlich. Vermutlich hatten Sie einfach nur Angst vor der fachlichen Schlussfolgerung, die ja auf eine intensivere Betreuung der Betroffenen und demzufolge auf die Verkleinerung des Betreuungsschlüssels hinauslaufen würde.

Merkwürdig ist auch, dass Sie die Hauptursache für die zu geringen Integrationsquoten gar nicht in der Arbeit der Integrationsberater, sondern in geänderten Vorgaben zum Modellprojekt „Bürgerarbeit“ sehen und trotzdem aus der Förderung aussteigen wollen – ein deutliches Indiz dafür, dass es nicht um fachliche, sondern ausschließlich um rein finanzielle Erwägungen geht.

Werte Kolleginnen und Kollegen, den Arbeitsagenturen und Jobcentern standen 2009 noch insgesamt 427 Millionen Euro für die Eingliederung Arbeitsloser in beiden Rechtskreisen zur Verfügung. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 183 Millionen Euro. Das entspricht einer Kürzung um 57 Prozent innerhalb von vier Jahren, während die Arbeitslosigkeit im gleichen Zeitraum lediglich um 12 Prozent sank.

Dies allein müsste Grund genug sein, sich mit den arbeitsmarktpolitischen Akteuren und vor allem auch den Vertretern der Arbeitslosen an einen Tisch zu setzen. Und wenn klar ist, dass weniger Bundes- und ab 2014 auch noch 100 Millionen Euro weniger EU-Mittel zur Verfügung stehen und diesbezüglich eine stärkere arbeitsmarktpolitische Schwerpunktsetzung erforderlich ist, dann sollten doch diejenigen, die jahrzehntelange Erfahrung haben, und diejenigen, die ganz eng an den arbeitslosen Frauen und Männern dran sind, wenigstens darüber mitreden dürfen, welche Maßnahmen am sinnvollsten erscheinen.

Und selbst im aufgrund von EU-Anforderungen zu beteiligenden Begleitausschuss knirscht es offenbar gewaltig. Dies zeigte zuletzt die barsche Kritik der Vereinigung der Unternehmensverbände an einsamen Entscheidungen und der Hinterzimmerpolitik der Arbeitsministerin bei der Aufstellung des neuen Operationellen Programms.

Im Begleitausschuss sitzt darüber hinaus gar kein Vertreter der Erwerbslosen, im Landesbeirat zur Umsetzung der Landesarbeitsmarktpolitik nur einer. Dieser Beirat tagt höchst selten, das letzte Mal im November 2012 und das nächste Mal im Mai 2013. Vor diesem Hintergrund ist höchst fraglich, inwieweit dann noch die Möglichkeit besteht, wichtige Anliegen zu platzieren.

Deshalb kann es auch nicht verwundern, dass der Erwerbslosenbeirat in einem Schreiben an Ministerin Schwesig die aktive Einbeziehung in die Erarbeitung

des Operationellen Programms zum ESF fordert. Es geht den Kolleginnen und Kollegen eben um echte Mitwirkung und nicht um einen Platz am Katzentisch. In diesem Prozess muss zum Beispiel geklärt werden, wie man die abstrakt formulierte EU-Vorgabe zur Armutsbekämpfung verstehen will, welche Projekte in der Vergangenheit ihre Eignung aus der Sicht der Beteiligten nachgewiesen haben und welche nicht. Sie kennen die Forderung nach einem Modellprojekt zum sozialen Arbeitsmarkt aus der letzten Landtagssitzung, übrigens auch ein SPDWahlversprechen an die Betroffenen.

Angesichts der gesellschaftlichen Folgekosten einer sich immer weiter verfestigenden Langzeitarbeitslosigkeit im Land darf es auch kein Tabu sein, wieder darüber zu reden, ob und in welchem Umfang nicht doch Landesmittel zur unterstützenden Finanzierung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen herangeführt werden können. Der Verweis auf 2019 und das Auslaufen des Solidarpaktes oder auf 2021 und die Ungewissheit über eine weitere finanzielle Unterstützung aus Brüssel sind reine Totschlagargumente. Bis 2019 müssen wir die Probleme des Landes minimiert und nicht vor uns hergeschoben haben. Wir müssen jetzt handeln.

Meine Damen und Herren, wir haben in weitaus schlechteren Zeiten mit deutlich geringeren Steuereinnahmen, höherer Verschuldung und trotzdem eingeleiteter Haushaltskonsolidierung schon einmal mehr getan, um die Arbeitslosigkeit im Land wirksam zu bekämpfen. Fakt ist, unser Land hatte mit einer Arbeitslosenquote von zwölf Prozent im Dezember 2012 wieder die „rote Laterne“ inne. Fakt ist auch, dass der Arbeitsmarkt im Land tief gespalten ist – Fachkräftemangel auf der einen Seite, eine verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit auf der anderen. Fakt ist auch, Politik – auch eine erfolgversprechende Arbeitsmarktpolitik – lebt vom Dialog mit den Partnern oder sie lebt gar nicht und agiert an den Menschen und an ihren Problemen vorbei.

Herr Foerster, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Stimmen Sie daher unserem Antrag zu! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Frau Schwesig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sie erleben heute einen weiteren untauglichen Versuch des Abgeordneten Herrn Foerster, weiterzumachen mit dem, was er offensichtlich nur kann: die Arbeitsmarktpolitik im Land schlechtzureden,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Es gibt ja auch keine.)

oft unter Herbeiführung falscher Fakten, einfach mehr Geld zu fordern

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wo nichts ist, da kann man auch nichts schlechtreden.)

und Dialog zu fordern, den es schon längst gibt.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Da gibts dann doch Beschwerdebriefe.)

Auch dieser untaugliche Versuch heute mit diesem Antrag, ich bin sicher, dieser wird scheitern.

Der Dialog mit Betroffenen und den Akteuren der Arbeitsmarktpolitik ist der Landesregierung wichtig und der wird selbstverständlich geführt. Ich bin sicher, dass auch heute die Argumente in den Wortbeiträgen, Erwiderungsbeiträgen der Linkspartei nicht fruchtbringend sind, weil am Ende doch nur der vorgeschriebene Textbeitrag der Referenten verlesen wird. Aber natürlich will ich den Damen und Herren Abgeordneten noch mal zu einigen Punkten aus dem Antrag erwidern.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Es gibt auch Abgeordnete, die schreiben ihre Reden alleine.)

Zum Dialog der Landesregierung: Ich selbst habe gerade in der vergangenen Woche mit Unternehmern und Vertretern der Bundesagentur für Arbeit beim Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung diskutiert.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sie hat ihre Rede selber geschrieben, das merkt man doch an der Qualität.)

Am Freitag war ich zu Gast bei der gemeinsamen Betriebsrätetagung von SPD-Fraktion und IG-Metall, die sehr gut besucht war und im Gegensatz zu dieser Debatte von Konstruktivität geprägt war.

Ich bin im regelmäßigen Gespräch mit der Regionaldirektion der Bundesanstalt für Arbeit und den Gewerkschaften. Mein Staatssekretär war auf dem Workshop mit den Trägern zum Thema Bürgerarbeit, hatte Gespräche mit dem Arbeitslosenverband, dem Erwerbslosenbeirat, dem Landesbeirat und den Regionalbeiräten in Greifswald und Mirow. Meine Abteilungsleiterin Frau Dr. Draheim war in diesem Zeitraum zweimal beim Erwerbslosenverband, zweimal beim Mecklenburg-Vor- pommerschen Verband der Arbeitsförderungs-, Beschäftigungs- und Strukturentwicklungsgesellschaften, besuchte mehrere Träger und Projekte, und das zusätzlich zu den ohnehin institutionalisierten Gesprächen, zum Beispiel im Landes-ArBI oder in den Regionalbei- räten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Linksfraktion, Dialog ist allerdings keine Einbahnstraße. Meine Abteilungsleiterin hat mit Ihnen ein mehrstündiges Einzelgespräch zur Arbeitsmarktpolitik und zur Vorbereitung der neuen ESF-Periode geführt.

(Vincent Kokert, CDU: Das hört sich aber anders an.)

In der folgenden Woche kam ein Großteil der im Gespräch beantworteten Fragen nochmals als Kleine Anfrage auf uns zu. Und wie das so weitergeht, können die Abgeordneten aus dem Arbeitsausschuss ja sicherlich auch berichten.

(Minister Dr. Till Backhaus: Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

In der Öffentlichkeit behaupten Sie trotzdem, trotz all dieser Dialoge, wiederholt falsche Dinge.

Und, Herr Foerster, entweder Sie haben es nicht verstanden

(Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

oder Sie wiederholen es bewusst falsch. Beides spricht nicht für Sie, denn nur durch Wiederholung werden die Dinge nicht richtiger.

(Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

Sie verunsichern die Langzeitarbeitslosen des Landes ganz bewusst,

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

um politisches Kapital zu schlagen, und das ist unsozial.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das ist unsozial, sehr geehrte Damen und Herren der Linksfraktion.

(Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das ist ja wohl ein Witz.)

das Bundesprogramm „Bürgerarbeit“ geht – anders als von Herrn Foerster in der Öffentlichkeit behauptet – natürlich weiter. Die Bürgerarbeit ist nämlich, wie gesagt, ein Bundesprogramm.

(Zuruf von Henning Foerster, DIE LINKE)

Es lief sehr schwer an. Daher hat sich das Land entschlossen, von Anfang an, befristet für zwei Jahre,

(Unruhe bei Vincent Kokert, CDU, und Barbara Borchardt, DIE LINKE)

helfend ebenfalls in die Förderung zu gehen. Zusätzlich zu den Bundesmitteln hatte das Land für zwei Jahre Integrationsbegleiter mit fast 2 Millionen Euro finanziert,