Protokoll der Sitzung vom 23.04.2015

Kurz und gut: Schluss mit der Ankündigungspolitik und Nägel mit Köpfen gemacht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Egbert Liskow, CDU: Ja, die werden jetzt gleich gemacht.)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Dr. Backhaus.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es ja gut, dass man dieses Thema wieder auf die Tagesordnung gesetzt hat. Und ich bin es mittlerweile gewohnt, immer mal wieder auf das eine oder andere von Frau Dr. Karlowski angestoßen zu werden.

(Heiterkeit bei Minister Harry Glawe – Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das fordert Sie ja, Herr Minister.)

Ich gehe darauf auch konkret ein,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wenn du das nicht so verstanden hättest, dann wirft sie dir Arbeitsverweigerung vor.)

weil man sich auch nicht einfach in die Büsche schlagen kann. Wenn man ein bisschen Verantwortungsbewusstsein aus der Opposition voraussetzen darf, dann muss man daran denken, dass man in der Vergangenheit auch in Berlin Verantwortung getragen hat. Darauf komme ich aber nachher noch mal.

(Egbert Liskow, CDU: Ach so? – Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Na, da kommen Sie ja jetzt regelmäßig drauf.)

Fakt ist – und ich bin dankbar, Frau Karlowski, dass Sie daran schon erinnert haben –, dass wir mit unseren Großschutzgebieten – die haben Sie natürlich wieder ausgelassen –,

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

aber auch mit den FFH-Gebieten immerhin 34,5 Prozent der Landesfläche, also mehr als eine Million Hektar, in Mecklenburg-Vorpommern tatsächlich für die Natura2000-Gebiete gemeldet haben. Das war ein Prozess

über Jahre hinweg. Da haben Sie wahrscheinlich noch davon geträumt, dass Sie mal im Landtag sitzen werden.

(Heiterkeit bei Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber Sie waren daran nicht beteiligt, daran waren Sie gar nicht beteiligt.

(Heiterkeit bei Egbert Liskow, CDU: Davon haben die nicht mal geträumt. – Zuruf von Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und wie zäh der Prozess war, werden all diejenigen wissen, die in den Ministerien gearbeitet haben.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, ich meine, wenn das Thema nicht ernst zu nehmen wäre, dann wäre es eigentlich traurig, weil wir da in einer Vorreiterrolle gestanden haben.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu zählen im Übrigen die 60 europäischen Vogelschutzgebiete mit immerhin 927.500 Hektar sowie 235 FFH-Gebiete mit 573.800 Hektar. Damit nimmt unser Bundesland – Sie haben das zu Recht gesagt – tatsächlich einen Spitzenplatz ein. Viele beneiden uns darum, dass wir das geschafft haben.

(Vincent Kokert, CDU: Ja, ja.)

Im Übrigen hat das seinerzeit schon zur Rechtssicherheit beigetragen. Und ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass uns die Wirtschaft – Herr Seidel und der Wirtschaftsminister werden sich auch erinnern – bei den Großinvestitionen, zum Beispiel bei Nord Stream,

(Minister Harry Glawe: Ja, genau.)

extra immer wieder gesagt hat, macht es und meldet jetzt, damit wir Rechtssicherheit bekommen und damit letzten Endes diese Großinvestitionen und Rechtssicherheit entstehen.

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

Bereits in den Jahren 1998/99 wurden für 58 Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-Richtlinie sowie 41 Tier- und 8 Pflanzenarten nach Anhang II insgesamt 181.500 Hektar gemeldet. 2003 hat die Kommission sehr klar darauf hingewiesen, dass das nicht ausreichen wird. 2003/2004 sind dann weitere 284.500 Hektar dazugekommen. Und dann kam der Durchbruch, nämlich 2008, dass wir noch zusätzlich die reinen marinen Gebiete, nämlich 104.800 Hektar, mitgemeldet haben.

(Egbert Liskow, CDU: Das ist doch eine Menge.)

Die Aufnahme unserer Gebiete in das EU-Amtsblatt ist ja unter der Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung erfolgt, in den Jahren 2004, 2007 beziehungsweise im Jahr 2010. Binnen einer Frist – und dafür bitte ich um Verständnis –, binnen einer Frist von sechs Jah

ren mussten diese gemeldeten Gebiete erstens als Schutzgebiet nach nationalem Recht ausgewiesen werden – das ist der erste Hinweis, Frau Karlowski, da haben Sie etwas undifferenziert gesagt, die Bundesregierung, wir waren uns einig, wird darauf noch kommen, auch mit dem damaligen Bundesumweltminister, dass unter dem Bundesnaturschutzgesetz

(Egbert Liskow, CDU: Wann war denn das? – Zuruf von Minister Harry Glawe)

diese Anerkennung dann auch mit dem Status versehen ist, dass das aus der Sicht der Bundesregierung unter Herrn Trittin anerkannt war –, zweitens die Erhaltungsziele festgelegt und drittens die Managementpläne, also konkrete Erhaltungsmaßnahmen definiert werden.

Das sind zunächst einmal die Fakten. Es ist aber nicht so, wie man es im Unterton aus Ihrem Antrag herauslesen kann, dass wir nach der Meldung tatenlos die Hände in den Schoß gelegt haben, ganz und gar nicht. Sie haben sich ja bedankt bei den ehrenamtlichen Naturschützern. Ich bedanke mich bei denen auch ausdrücklich, aber ich bedanke mich auch bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Und ich will Ihnen eines deutlich sagen: Den Wald haben wir zum Beispiel, was die Managementpläne betrifft, komplett abgearbeitet. Das vergessen Sie hier wieder geflissentlich. Das heißt, wir sind auf einem vernünftigen Weg.

Die Bundesregierung, ich betone das, die Bundesregierung und die Mehrzahl der Länder, darunter auch Mecklenburg-Vorpommern, vertraten bislang die Auffassung, dass mit den Formulierungen – ich habe das eben angedeutet – im Bundesnaturschutzgesetz ein ausreichender Grundschutz gegeben ist und damit den Anforderungen von Artikel 4 Absatz 4 der FFH-Richtlinie Genüge getan wird. Damit war aus unserer Sicht eine gesonderte rechtliche Unterstützung und Unterschutzstellung entbehrlich. Deswegen haben wir es nicht gemacht.

Mit Eröffnung des Vertragsverletzungsverfahrens, auf die Sie hingewiesen haben, hat die EU-Kommission dieser mehrheitlichen Rechtsauffassung, auch der anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, widersprochen. Außer Dänemark, Sie haben das ja so vorsichtig angedeutet, haben alle Regionen Europas – in Klammern 15 Mitgliedsstaaten – damit ein Problem. Das bedeutet, wir müssen alle FFH-Gebiete als besondere Schutzgebiete ausweisen. Derzeit ist nur ein geringer Prozentsatz von rund zwei Prozent der FFH-Kulisse flächenhaft als Landschafts- und Naturschutzgebiet in MecklenburgVorpommern ausgewiesen, also die zwei Prozent.

Um die von der EU-Kommission geforderte Unterschutzstellung möglichst effektiv vorzunehmen, soll in Anlehnung an die Vogelschutzgebietslandesverordnung, die wir im Übrigen erlassen haben – das hätten Sie wenigstens erwähnen sollen –, nämlich im Jahr 2011 auf der Grundlage des Paragrafen 21 Landesnaturschutzausführungsgesetz, eine entsprechende Landesverordnung erlassen werden.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Entwurf befindet sich, was diese Verordnung betrifft, in der Hausabstimmung und wurde bereits in den unmittelbar betroffenen Ressorts vorgestellt. Wenn alles nach

unserem straffen Zeitplan abläuft – das ist für mich ganz wichtig –, kann diese Landesverordnung bis zum Jahresende 2015 in Kraft treten. Damit wäre das, was Sie ja auch angedeutet haben, in der Ziffer 1 Ihres Antrages hinfällig.

Aber damit ist auch ein wichtiger Schritt getan, denn die EU-Kommission fordert nach Artikel 6 Absatz 1 der FFHRichtlinie flächendeckende Managementpläne für alle FFH-Gebiete. Zurzeit liegen 52 derartige Pläne vor. In der zurückliegenden Förderperiode sind noch mal 3,5 Millionen Euro durch die Fachbehörden für Naturschutz erarbeitet worden und in der aktuellen Förderperiode sind jetzt 16 Millionen Euro für die Erarbeitung der Managementpläne vorgesehen und eingeplant, letzten Endes damit auch für die vorbereitenden Studien. Aber auch die Umsetzung soll damit massiv vorangetrieben werden.

Um den Forderungen Brüssels zu entsprechen und die drohende Anlastung für das Land Mecklenburg-Vorpom- mern abzuwenden, werden wir in Abstimmung – und da bin ich sehr, sehr dankbar – mit dem Finanzministerium, das ich im Übrigen heute in persona vertreten darf, in den StÄLU durch die Verschiebung des Personalkonzeptes fünf befristete Stellen, Frau Karlowski, für die Erstellung der Managementpläne zusätzlich einrichten. Insofern laufen gegenwärtig die entsprechenden Personalauswahlverfahren. Ich hoffe, dass wir möglichst schnell diese fünf qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei uns im Hause beziehungsweise in den StÄLU aufnehmen werden.

Aber unabhängig davon, wie viel Personal wir zusätz- lich einstellen, ist es schlichtweg unmöglich, die FFHManagementplanung bis zum Ende des Jahres 2015 abzuschließen. Das werden wir nicht schaffen. Das weiß die Kommission auch, ich habe denen das persönlich mitgeteilt. Denn es spielt eine Reihe von Faktoren hinein, die wir nicht beeinflussen können. Dazu zählen zum Beispiel die nur begrenzt verfügbaren Kapazitäten in Ingenieur- und Planungsbüros, auf die wir zwingend angewiesen sind. Hier stehen wir noch dazu in unmittelbarer Konkurrenz mit den anderen Bundesländern. Außerdem kann die Grundlagenerfassung teilweise in einer Saison natürlich nicht abgeschlossen werden, da witterungsbedingt manchmal Arten in einem Jahr nicht erfassbar oder Teilgebiete nicht begehbar sind. Nicht zuletzt ist derzeit nicht absehbar, welcher Arbeitsaufwand sich auch im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung ergeben wird.

Wir hoffen, dass wir mit der Managementplanung bis Ende 2018/2019 zum Abschluss kommen werden. Sie können mir glauben, dass das in Anbetracht der gewaltigen Aufgabe, die vor uns liegt, einen optimistischen Zeitplan darstellt. Ob dieser Zeitplan von der Kommission akzeptiert wird, wird sich im weiteren Verlauf des Vertragsverletzungsverfahrens zeigen.

Lassen Sie mich kurz auf die letzte Ziffer Ihres Antrages eingehen.

(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Kurz!)

Schließlich müsste ich als Fachminister Beifall klatschen, wenn die Opposition mir mehr Personal zur Verfügung stellen wird. Aber auch dieser Teil Ihres Antrages ist – wenn man wirklich ehrlich miteinander umgeht, das wollen wir hier auch – insofern entbehrlich. Den Erlass der

genannten Landesverordnung realisieren wir mit dem vorhandenen Personal. Für die Managementplanung können wir auch durch Verschiebung des Personalkonzeptes befristet, wie ich gesagt habe, zusätzliches Personal einstellen.

Außerdem stehen für die Managementplanung und die Umsetzung von Maßnahmen ausreichend EU-Förder- mittel im ELER zur Verfügung. Und auch im EMFF, der hoffentlich bald in Brüssel bestätigt wird, haben wir 1 Million Euro für die Entwicklung der Managementplanung, die Festsetzung der Gebietskulissen eingeplant. Gegenwärtig stehen also jährlich knapp 270.000 im Bereich der nicht mit EU-Mitteln finanzierbaren Maßnahmen zur Verfügung, sodass die EU-Mittel, die ich genannt habe, noch obendrauf kommen. Wir werden im Zweifel aufstocken müssen, um eine anlastungsfreie Umsetzung der Natura-2000-Gebiete mittelfristig zu bewerkstelligen.

Insofern erbitte ich mit Blick auf die in der Sache orientierte Arbeit, dass wir alles daransetzen voranzukommen. Und ich bin froh, dass die Mittel jetzt da sind. Der ELER ist bestätigt, wie Sie wissen. Ich gehe davon aus, dass wir zügig bei den Maßnahmen weiterkommen. Ich betone noch mal abschließend – das wissen Sie auch, wenn Sie sich fachlich damit auseinandergesetzt haben, und das haben Sie ja zum Teil auch wirklich –: Nehmen Sie bitte auch zur Kenntnis, dass wir die großen Managementpläne und die großen Gebietskulissen mittlerweile abgearbeitet haben und jetzt in die kleineren Gebiete einsteigen, die natürlich zum Teil erheblichen Diskussionsbedarf vor Ort auslösen. Aber für mich sind die großen Kulissen entscheidend und die haben wir festgesetzt und im Einvernehmen mit den Verbänden und mit den Menschen vor Ort festgelegt. Insofern hoffe ich, dass mein Vortrag zur Aufklärung beigetragen hat. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr gut! Sehr gut!)