Protokoll der Sitzung vom 27.06.2018

Ich habe von zwei Schritten gesprochen. Das, was man sofort machen kann, ist die Kannregelung, die könnte sofort kommen, die können wir heute beschließen, und dann ist es …

(Vincent Kokert, CDU: Und damit verschieben Sie das Problem auf die kommunale Ebene, ja, das ist richtig!)

Das Zweite, die völlige Abschaffung, das, das wissen wir auch alle, wird hier dauern, das wird hier dauern.

(Vincent Kokert, CDU: Sie wollten eine Kannregelung! – Torsten Renz, CDU: Das stand aber nicht in Ihrem Gesetzentwurf! In zwei Schritten, der zweite liegt noch nicht vor!)

Dann müssen wir zum Beispiel das Kommunalverfassungsgesetz anfassen. Die Kommunalverfassung muss geändert werden. Wir müssen auch gucken, ob das Ganze dann noch grundgesetzkonform ist.

(Vincent Kokert, CDU: Landesverfassungskonform, einigen wir uns mal darauf!)

Die Anträge von der AfD und der LINKEN sind überwiesen. Herr Caffier hat eine Regierungslösung für den Innenausschuss angekündigt, ich warte auch schon dringend auf Vorschläge.

(Vincent Kokert, CDU: Wo hat er das angekündigt?)

Vielleicht hätte der Antrag sein können, einen aktuellen Sachstand, was bis jetzt diskutiert wurde und wie die Vorschläge konkretisiert worden sind und so weiter, hier mal zu bringen. Das wäre besser gewesen.

Natürlich, in der Verwaltung kann Personal eingespart werden, in allen Verwaltungen der Kommunen und so weiter. Diese Leute können dann in den Vergabestellen eingesetzt werden, die das SPD-Vergabegesetz erfordert. So viel zu Einsparungen.

Den Minister würde ich gerne noch mal fragen: Wie weit ist denn nun der Sachstand?

Wir müssen die Problematik der Sanierungsgebiete ins Auge fassen. Wenn wir dann keine Straßenausbaubeiträge mehr haben, könnten die Gemeinden alle auf die Idee kommen, Sanierungsgebiete auszuweisen, und so werden die Leute das trotzdem wieder bezahlen. Wir müssten auch Satzungen und so weiter angehen. Das Ganze ist nicht ausgegoren. Wir schaffen mal die Straßenausbaubeiträge ab, pfiffige Gemeinden werden sich die wieder auf andere Art und Weise holen.

Wichtig wäre, solange es Straßenausbaubeiträge gibt, dass es endlich zu einer Beweislastumkehr kommt. In den Jahren 1990/1991 wurden die Straßen, egal, ob Anlieger- oder Durchfahrtsstraßen und so weiter, Pi mal Daumen geschätzt. Seit damals wurde in vielen Gemeinden nicht groß etwas wieder angefasst, obwohl mittlerweile durch eine Anliegerstraße sieben Buslinien fahren, Parkhäuser gebaut worden sind und so weiter und so fort. Trotzdem werden die Leute dort immer voll zur Kasse gebeten als Anlieger. Wenn sie dagegen klagen wollen, muss der Bürger immer den Beweis erbringen, dass es keine Anliegerstraße ist. Nein, da könnten wir mal über eine Beweislastumkehr nachdenken, dass die Kommunen den Bürgern beweisen müssen, was sie für Straßen haben. Also es gibt ganz, ganz viele Sachen, die wir im Ausschuss noch klären können.

(Torsten Renz, CDU: Ein richtig bunter Strauß, was Sie hier zur Diskussion stellen!)

Ich freue mich, dass hoffentlich nach der Sommerpause endlich ein paar Vorschläge seitens Herrn Caffier kommen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Vincent Kokert, CDU: Junge, Junge, Junge, das war ja ein mexikanischer Rundumschlag eben! Das Auftreten spricht von totaler Ahnungslosigkeit!)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Tegtmeier.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Seit ungefähr Anfang letzten Jahres befassen wir uns hier mal

mehr und mal weniger intensiv mit der Problematik der Straßenausbaubeiträge. Nicht umsonst haben wir im letzten Jahr dazu ein Expertengespräch geführt. Als die schwierigen Lagen in Schwerin zutage traten, wurden bereits im letzten Jahr sehr intensive Gespräche mit vielen geführt, mit Betroffenen, aber auch mit Verbänden, zum Beispiel dem VDGN. Den hatte ich hier öfter am Tisch sitzen und war auch bei der letzten Versammlung vor Ort, um mit ihnen dieses Thema noch mal zu besprechen.

Es ist in der Tat so, dass sich CDU und SPD kritisch zur vollkommenen Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen geäußert haben, aber, ich finde, aus gutem Grund. Wenn wir über die Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen sprechen, sprechen wir von einer Systemumstellung, bei der letztendlich Landesregelungen gegen Bundesregelungen stehen.

Herr Lerche hat eben in einem Nebensatz schon mal so einen Schwenk zu Sanierungsgebieten gemacht. Es ist im Baugesetzbuch zum Beispiel geregelt, dass in Neubaugebieten für die Ersterschließungsanlagen Erschließungsbeiträge – und Straßen sind Erschließungsanlagen – umzulegen sind. Das ist im Baugesetzbuch geregelt. In Sanierungsgebieten – das habe ich neulich als Argument gegen Straßenbaubeiträge gehört – dürften keine erhoben werden. Nein, dürfen sie auch nicht, weil man da eine Ausgleichsabgabe zu leisten hat,

(Rainer Albrecht, SPD: Korrekt!)

die nichts anderes in sich birgt als die Straßenausbaubeiträge.

Wir haben sehr viele Argumente ausgetauscht und verabredet, die Gesetzesvorlage sowie den Antrag, die bereits vorlagen, in den Ausschuss zu überweisen. Wir werden natürlich der Überweisung dieses Gesetzentwurfs ebenfalls zustimmen. Das unterstützen wir ausdrücklich. Zwar haben wir uns bereits öffentlich kritisch geäußert, die Beiträge vollkommen abzuschaffen, aber gleichwohl schauen wir, was passiert. Was sind die Konsequenzen daraus, wenn wir das tun? Was sind die Konsequenzen daraus, wenn wir für eine Gleichbehandlung eintreten und wir uns über unterschiedliche Betrachtungsweisen bei erstmaliger Erschließung, bei Sanierungsgebieten und beim Aus- oder Neubau von allgemeinen Straßen unterhalten?

Herr Lerche, das fand ich eben ein bisschen wirr, ehrlich gesagt. Gemeinden erheben Straßenausbaubeiträge aufgrund ihrer Satzung. In dieser Satzung werden Straßenkategorien ausgewiesen. Meistens sind es drei. Man kann aber genauso gut fünf Kategorien da hineinschreiben, also feiner differenzieren. Da wird sehr wohl unterschieden, ob das eine Straße ist, die der Allgemeinheit mehr zur Verfügung steht, also Durchgangsstraße, oder aber Straßen sind, die insbesondere den Grundstückseigentümern zugutekommen, nämlich die reinen Anliegerstraßen. Von meinem Verständnis her könnte man sogar diese Kategorie noch mal unterteilen, weil wir Mischgebiete haben. Wir haben Gebiete, da haben zum Beispiel Wohnbebauung, aber auch Gewerbebetriebe durchaus ihre Berechtigung, wenn das entsprechend im Bebauungsplan ausgewiesen ist. Dafür könnte man von meinem Verständnis her sogar noch mal eine spezielle Kategorie einrichten, weil man muss ungleiche Dinge nicht gleichbehandeln. Wenn jemand einen größeren Vorteil

hat als ein anderer, dann muss das auch zu Buche schlagen.

Ich möchte hier noch mal auf zwei Kritiken insbesondere eingehen. Zum einen wird teilweise ganz klar bestritten – das ist eben auch schon wieder vorgetragen worden –, dass sich der Grundstückswert erhöht dadurch, dass ich eine top ausgebaute Straße vor die Haustür gesetzt bekomme. Wir haben gerade ein ganz aktuelles, höchstrichterliches Urteil vom Bundesverwaltungsgericht vom 21.06., also noch sehr frisch. Das bezieht sich auf das Kommunalabgabengesetz in Hessen und das kann man so oder so sehen. Da wurde klargestellt, dass aufgrund der gesetzlichen Regelungen in Hessen Beiträge erhoben werden dürfen, so, wie sie da erhoben werden. Aber darauf will ich gar nicht hinaus. Allerdings wurde in einem Nebensatz der Grundsatz festgestellt, dass durch einen Straßenausbau eine Grundstückswerterhöhung erfolgt. Das Grundstück erfährt eine Werterhöhung, wenn die Erschließungsanlagen rundum ausgebaut werden.

(Torsten Renz, CDU: Aber doch nicht im ganzen Land! Sie müssen mal den ländlichen Bereich sehen!)

Das ist bereits in mehreren Gerichtsurteilen immer wieder angeführt worden.

Man kann natürlich sagen, bei uns spielt das nicht so eine Rolle. Wir haben Gegenden, da kriege ich mein Haus nicht verkauft, egal, wie toll die Straße auch ist. Aber als Grundsatz ist das schon höchstrichterliche Rechtsprechung. Deswegen finde ich es immer ein bisschen abenteuerlich, wenn von vornherein abgestritten wird,

(Zuruf von Sebastian Ehlers, CDU)

dass ein Grundstück einen besseren Verkaufswert hat, wenn die Straßen gut sind. Das ist übrigens auch bei unseren Gutachterausschüssen so. Die bewerten, wie viel die Grundstücke in den Gemeinden wert sind. Sie wissen, alle Gemeinden dürfen ihre Grundstücke nicht unter Wert veräußern. Die Gutachterausschüsse legen Bodenrichtwerte fest und auch da ist die Erschließungssituation ein wichtiger Bestandteil dieser Bewertung. Also das spielt durchaus eine Rolle.

Eine ganz tolle Aussage, die in der Vergangenheit immer wieder auf den Tisch kommt, möchte ich abschließend noch ansprechen, und zwar die Behauptung, wenn wir darüber sprechen, dass es eine Belastung der Grundstückseigentümer ist, die eine Grundstücksaufwertung erfahren durch eine Maßnahme – so wird immer gesagt –, und wir dabei sagen, wir wollen, dass diejenigen, denen die Grundstücke gehören, sich daran beteiligen und nicht die Mieter damit belastet werden. Wenn wir jetzt davon ausgehen, das wird alles über Steuern finanziert/bezahlt, dann wird uns entgegengehalten, ja, aber die Grundstückseigentümer legen das auf die Mieten um.

Zu Ihrer Logik: Wenn wir die Beiträge für die Grundstückseigentümer, die die Miethäuser haben, abschaffen würden, dann würden diese Mietwohnungen durch die Erschließungsanlagen an Qualität gewinnen, die Vermieter würden die Mieten trotzdem perspektivisch erhöhen, bloß ohne dass die Grundstückseigentümer dafür auch belastet würden. Wenn Sie das gerecht finden, ich denke, das sollte man wenigstens mal hinterfragen oder darüber nachdenken.

Wir haben SPD-seitig ganz viele Vorschläge zu einer Entlastung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger gemacht, wie man Spitzen abmildert. Ich habe eben durch die Ausführungen des Innenministers wahrgenommen, dass einige davon auf Wohlwollen stoßen. Ich bin sehr gespannt, auf welche Vorschläge wir uns als Koalition letztendlich einigen, die wir dann mit in das Verfahren hineingeben. Ich freue mich auf die Anhörung im Ausschuss, aber auch auf die Diskussion im Ausschuss, die wir sicherlich genauso leidenschaftlich wie in den letzten Monaten weiter fortführen werden.

Frau Tegtmeier, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Herrn Lerche?

Frau Tegtmeier, Sie kennen sicherlich die Straße hier in Schwerin, wo unser Parkhaus ist, was wir alle als Abgeordnete nutzen können. Sind Sie der Meinung, dass diese Straße genauso eine Anliegerstraße ist, wie man sie in einem Einfamilienhausgebiet kennt, und dass die Anlieger dieser Straße, wo mehrere Buslinien durchgehen und auch diese beiden Parkhäuser stehen, genauso behandelt werden sollen wie eine Einfamilienhaussiedlung mit ihren kleinen Straßen und Sträßchen?

(Andreas Butzki, SPD: Das sind aber Einzelfallbeispiele jetzt!)

Herr Lerche, hätten Sie eben zugehört, dann habe ich als Beispiel gerade eine Anliegerstraße genannt, die als solche deklariert ist, dass man meiner Auffassung nach hier unterschiedliche Kategorien einführen kann, weil wir auch Mischgebiete haben, wo es Gewerbe gibt und wo es eine reine Wohnbebauung gibt. Da kann man, finde ich, durchaus darüber diskutieren, ob man nicht differenziert.

(Martina Tegtmeier, SPD: Klatscht ihr gar nicht? – Heiterkeit und Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Ums Wort gebeten hat für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Rösler.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wir klatschen, Jeannine! – Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Rechtzeitig!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Sehr geehrte Kollegin und Kollegen der BMV! Sehr geehrter Herr Borschke! Selten habe ich einen so originellen Gesetzentwurf gesehen. Hierbei möchte ich sowohl „originell“ als auch „Gesetzentwurf“ in Anführungszeichen setzen.

Meine Damen und Herren, der Innen- und Europaausschuss befasst sich bekanntlich im Auftrag dieses Landtages bereits mit einem Gesetzentwurf zur Einführung einer Kannregelung und mit dem Antrag meiner Fraktion zur Prüfung rechtlicher und finanzieller Konsequenzen einer Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen. Für den 6. September wurde eine Anhörung beschlossen. Dennoch sollten wir das vorliegende Papier ebenfalls über

weisen, denn es benennt immerhin eine mögliche Antwort zur Beitragsproblematik. Wenn es sich hierbei förmlich auch um einen Gesetzentwurf handelt, inhaltlich wird er diesem Anspruch nicht gerecht. Ich komme darauf noch zurück.

Zunächst einmal nimmt es die BMV-Fraktion mit ihrem Entwurf nicht ganz so ernst mit Recht und Gesetz. „Die Pflicht zur Erhebung von Straßenbaubeiträgen“, so ist zu lesen, stehe „gegen die kommunale Selbstverwaltung“. Übersetzt heißt das, Paragraf 8 des Kommunalabgabengesetzes verstößt gegen das Prinzip kommunaler Selbstverwaltung. Nach einem Faktencheck wäre das eine Fake News.

Ich zitiere Paragraf 2 der Kommunalverfassung von Mecklenburg-Vorpommern: „Die Gemeinden sind berechtigt und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.“ Also: kommunale Selbstverwaltung nicht gegen, sondern im Rahmen bestehender Gesetze. Die Selbstverwaltung entfaltet sich dann wiederum im Erlass entsprechender örtlicher Satzungen.

Meine Damen und Herren, bei den Kosten verliert sich der Gesetzentwurf dann völlig in Spekulationen, an denen ich mich hier nicht beteiligen werde. Der Antrag meiner Fraktion fordert doch nicht ohne Grund hierzu fundierte Aussagen der Landesregierung, und zwar unter Auswertung der Erfahrungen anderer Bundesländer. So geht etwa Bayern mit seinen 2.056 Gemeinden von einer Zielgröße von 100 Millionen Euro pro Jahr aus, davon rund 35 Millionen Euro aus dem kommunalen Finanzausgleich. Ich denke, der Applaus unseres Städte- und Gemeindetages dürfte sich hierbei in Grenzen halten.

Auch an anderen Stellen wird dieser Gesetzentwurf mit reinen Behauptungen gestützt, wenn er, ich zitiere, „mit geringeren Ausbaukosten“ rechnet, „da die Kommunen durch Beschränkung auf unbedingt notwendige Ausbauparameter möglichst geringe Ausgaben tätigen“. Ja, warum denn das? Wer bestimmt diese Parameter? Gelten sie für jede Gemeinde gleichermaßen? Wie verhält es sich mit historischen oder städtebaulichen Besonderheiten?