Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich habe mir die Frage gestellt: Warum gelingt es den Sozialdemokraten vor Ort bei eigentlich ge
sellschaftlich verbündeten Organisationen und Eltern- und Schülervertretungen nicht, ein Reformkonzept rüberzubringen, wenn damit versprochen wird, dass tatsächlich eine Förderung erreicht wird? Warum gelingt Ihnen das nicht? - Das gelingt Ihnen meiner Ansicht nach in erster Linie deshalb nicht, weil Sie nicht nachweisen können, dass die Potenziale, die in den bestehenden Schulstrukturen liegen, vor allen Dingen in der Orientierungsstufe, durch eine Reform dieser Schule nach den Prinzipien, die Sie selbst für die Förderstufe formulieren, erreicht werden können. Warum gehen Sie nicht den Reformschritt in der Orientierungsstufe? Warum nehmen Sie die bestehende Schulstruktur nicht auf, die eine vollständige Schülerversorgung gewährleistet, weil sie nicht an eine bestimmte Schulform angebunden ist?
In vielen Gemeinden, in vielen Schulzentren werden nicht alle Schulformen angeboten, auch in meiner Wohngemeinde nicht. Das führt dazu, dass wir auch bei sozialdemokratisch geführten Schulträgern massive Diskussionen darüber haben, wohin überall noch ein Gymnasium muss, obwohl - wie in meiner Wohngemeinde - bereits eine 40prozentige Gymnasialbeschulung ohne Gymnasium erreicht wird. Die Kinder werden nach Braunschweig geschickt. Jetzt sagt mein Schulträger, er könne das Gymnasium im Augenblick leider nicht finanzieren, obwohl der Schulausschuss der Gemeinde gesagt hat: Aber schnell her mit dem Gymnasium!
Was passiert jetzt nach Ihrem Gesetz? - Dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, dass die Leute ganz misstrauisch werden. Diese 40 %, die bisher auf das Gymnasium gehen, werden in Braunschweig aller Voraussicht nach keine Chance bekommen, in entsprechender Zahl in eine Förderstufe an einem Gymnasium zu gehen, weil es dieses Angebot dort raummäßig in absehbarer Zeit gar nicht geben kann. Folglich werden sie in die Förderstufe des alten Schulzentrums ohne Gymnasium gezwungen, zumindest anteilig. Das haben Sie gesetzlich in Ihrem § 59 a - Aufnahmebeschränkungen - bereits so geregelt. Auf dieser Basis werden sich konkret in diesem von mir geschilderten Fall verschlechterte Bildungsbedingungen für die Kinder und für die Eltern ergeben.
Sie haben insgesamt gesehen keine Chance, diese Auseinandersetzung zu gewinnen, wenn Sie nicht den Nachweis führen, dass Sie tatsächlich das Ziel erreichen können, das Sie nach der PISA-Studie berechtigterweise hier eingefordert haben, nämlich
mehr Kinder in die Gymnasien zu bringen, insgesamt höhere Bildungsabschlüsse zu erreichen und insgesamt mehr Qualität in die Bildung zu bringen. Wenn Sie die Mittel nicht darauf konzentrieren - wenn Sie die Schulträger z. B. zwingen, Gebäude zu bauen, anstatt Geld für neue Computer einzusetzen - und wenn Sie selbst durch die ganzen Umstrukturierungen gezwungen sind, nicht mehr Geld in den Unterricht und die Qualität des Unterrichts, sondern in die Umstrukturierung zu stecken, dann werden Sie insgesamt gesehen keine überzeugenden Mehrheiten in der Bevölkerung für ein solches Konzept gewinnen, weil es schlicht und ergreifend nicht logisch ist. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, sind Sie auf dem besten Wege, die Lufthoheit im Bildungsbereich vollständig an die konservative Seite zu verlieren.
Ich bin davon überzeugt, Herr Präsident, meine Damen und Herren, dass wir die Lufthoheit in dieser Frage sehr wohl beherrschen und in der Lage sein werden, das den Menschen auch beizubringen.
Sie, Herr Busemann, haben sich gerade selbst ein Ei ins Nest gelegt, als Sie gefragt haben: Warum denn diese Eile? Warum das jetzt realisieren? Dem Kultusausschuss liegt nämlich derzeit ein Antrag zur Beratung vor, in dem die CDU-Fraktion die Landesregierung auffordert, zum nächsten Schuljahr das Gymnasium ab Klasse 5 einzuführen.
Wer also macht hier Eile? - Sie! Sie haben hier ganz konkrete Vorstellungen. Sie verschweigen das an dieser Stelle, und das halte ich schlichtweg für unredlich.
Mit der Einführung des Gymasiums, das Sie ab der 5. Klasse wollen, werden Sie genau das produzieren, was Sie uns vorwerfen. Würden wir nämlich tatsächlich ab dem 1. August dieses Jahres die Gymnasien ab der 5. Klasse realisieren, wie Sie es wollen, dann hätte man das pure Chaos an den Schulen, weil es einen Run auf diese Schulen gäbe.
Dann wären die vielen Kinder da. Es würde genau das passieren, was Sie wollen: Eine Auslese würde dort an den 5. und 6. Klassen realisiert werden. Es würde Abbruchquoten geben, und die Sitzenbleiber wären wieder da.
Das ist genau das, was Sie uns hier vorführen wollen. Das ist das, was Sie möchten. Das ist verantwortungslos. Wir werden das nicht zulassen. Wir werden eine solche Bildungspolitik in Niedersachsen nicht realisieren.
Meine Damen und Herren, wir werden die Strukturen in Niedersachsen ändern. Ein Weiter-so hilft uns in dieser Frage überhaupt nicht. Das ist auch durch die Ministerin sehr deutlich zum Ausdruck gebracht worden. Die Strukturreform in Niedersachsen, die wir nach einem langen Diskussionsprozess, nach der Auswertung von zwei Untersuchungen
und in einem langen Dialog auch mit den Menschen im Lande realisieren, ist eine Schulreform, mit der wir das Bildungsniveau an unseren Schulen heben werden, indem wir Leistung, Qualität und Demokratie fördern und Chancengleichheit und Durchlässigkeit realisieren.
An dieser Stelle ganz eindeutig allen Wunschträumen auch der Grünen mal entgegengesetzt: Wir haben einen Diskussionsprozess gehabt, in dem nichts durchgedrückt worden ist, sondern in dem wir gerade auch innerhalb der Partei eine Mehrheitsmeinung in einer übergroßen Mehrheit
auf unserem Parteitag erhielten. Unsere Positionen sind klar. Wir haben mit der Schulgesetznovelle jetzt einen ersten Schritt in dieser Richtung getan. Da sind Ihre Behauptungen wirklich mehr Wunsch als Wirklichkeit.
Die Menschen im Lande machen auch schon deutlich, dass sie auch in diese Richtung gehen. Es gibt zahlreiche Kommunen, in denen bereits jetzt Vorstellungen entwickelt werden, wie unsere Schulgesetznovelle umgesetzt werden kann. Das zeigt: Die Menschen werden es tatsächlich realisieren. Es wird so sein, dass es gerade die CDU-geführten Kommunen sein werden, die es mit als Erste machen.
Es ist hinreichend deutlich geworden, dass für den ländlichen Bereich unsere Position, unser Gesetz genau das ist, was gefordert wird. Wir werden die gymnasialen Angebote in der Fläche verstärken. Wir werden mehr Menschen vom Land die Möglichkeiten geben, höherwertige Schulabschlüsse zu erhalten. Wir werden in der Tat verstärkt darauf setzen, in der Fläche kooperative Systeme zu entwickeln, um dort mehr Durchlässigkeit möglich zu machen, um dort mehr Chancengleichheit mit gymnasialen Angeboten bis zur 10. Klasse zu realisieren.
Wir werden darauf achten - darum sagen wir das bewusst auch im Schulgesetz -, dass wir die Möglichkeit entwickeln, die Hauptschule auch bis zur
Jetzt ein Wort zu den Grünen, die uns an dieser Stelle eine Rückkehr zu konservativen Vorstellungen unterstellen. Vielleicht sollte Rebecca Harms doch eher bei der Atompolitik bleiben, als sich mit diesem Gebiet zu beschäftigen. Die Grünen haben offensichtlich überhaupt nicht unsere zentralen Aussagen zur Kenntnis genommen, wie wir mit kooperativen Systemen arbeiten werden, wie wir beispielsweise die KGSn forcieren wollen, wie wir z. B. verstärkt kooperative Haupt- und Realschulen entwickeln wollen. Das ist ein Schritt, der notwendig ist und der auch Sorge dafür trägt, dass es mehr Durchlässigkeit im Schulsystem in Niedersachsen gibt.
Auch die Behauptung, es gäbe in Niedersachsen bei unserem Modell keine gemeinsame sechsjährige Schulzeit mehr, ist falsch. Diese Behauptung ist eindeutig zurückzuweisen. Dadurch, dass die Förderstufe an allen Schulen, an denen sie geführt wird, für alle Kinder zugänglich ist, dass an ihr alle Lehrämter unterrichten und dass sie über einen einheitlichen Lehrplan verfügt, wird gewährleistet, dass sie zusammen mit der Grundschule insgesamt eine sechsjährige gemeinsame Schulzeit aller Schülerinnen und Schüler beinhaltet. Es gibt keine Vorsortierung in der Grundschule. Es gibt keine Aufteilung der Schülerinnen und Schüler nach der 4. Klasse auf irgendwelche Förderstufen erster oder zweiter Ordnung, wie uns das von dieser Seite unterstellt wird. An dieser Stelle also eindeutig: Diese Vorwürfe sind absurd und mit keiner Art und Weise und mit keinem Hinweis zu rechtfertigen.
Ihr fällt nichts anderes ein, als das alte Modell des dreigliedrigen Schulsystems aus den 50er-Jahren aus der Rumpelkammer zu holen. Das CDUModell ist kein Hit. Sehen Sie sich mal die DIPFUntersuchung an. In der DIPF-Untersuchung ha
ben 60 % der Eltern klar zum Ausdruck gebracht, dass sie es als richtig empfinden, dass eine Entscheidung über den weiteren Bildungsweg jedes Kindes erst am Ende des 6. Schuljahres erfolgt. Das sollten auch Sie zur Kenntnis nehmen.
Sie wollen die so genannte freie Schulwahl. Was ist das für Sie? - Sie wollen die weiterführenden Schulen mit der 5. Klasse beginnen lassen und verwenden dafür das Wort „Durchlässigkeit“. De facto sind das für Sie das Gymnasium, die Realschule und die Hauptschule. Sie pressen damit nach der 4. Klasse die Kinder in Schubläden. Für die CDU gibt es dann immer nur noch den Hauptschüler, den Realschüler, den Gymnasiasten. Das nennen Sie begabungsgerecht.
Für Sie scheint im Alter von zehn Jahren die Begabung der Kinder festzustehen und überhaupt nicht mehr entwickelbar zu sein. Spätentwickler, pubertierende Jugendliche, Begabungsreserven haben bei der CDU überhaupt keine Chance.
Meine Damen und Herren, wir orientieren uns an den Interessen der Eltern, der Kinder und Jugendlichen. Unser Modell ist zukunftsorientiert. Es ist keine Widerspiegelung der CDU-Vorstellungen. Bei der SPD gibt es keine Auslese nach der 4. Klasse. Das ist aber auch kein Auswechseln des Türschildes.