Protokoll der Sitzung vom 30.03.2000

(Schurreit [SPD]: 40 Millionen!)

Wenn man diese gewaltigen Investitionen in die Hand nimmt, dann könnte das alles Sinn machen. Herr Kollege Schurreit, wenn Sie jetzt schon Zahlen nennen, die denkbar sind, dann muss ich Ihnen sagen: Ich weiß nicht, inwieweit diese Zahlen belastbar sind. Deshalb möchte ich auch nicht mit Zahlen spekulieren, sondern ich möchte, dass dieses ernsthaft überprüft wird. Ich sage dazu: Das Land Nordrhein-Westfalen hat für eine Sackgasse, denn das ist es jetzt, 70 Millionen DM in die Hand genommen.

(Schurreit [SPD]: Ein Exponat daraus gemacht!)

- Ein Exponat daraus gemacht. - Ich frage mich: Warum ist das nicht in Niedersachsen, das ja das EXPO-Land ist, denkbar?

(Schurreit [SPD]: Weil die Region es nicht gewollt und beantragt hat!)

- Ja, gut. - Aber jetzt sagen wir ja - ich glaube, das kann man so darstellen; das ist ja auch von Ihnen, einem Abgeordneten, der aus der Region und nicht aus Hannover kommt, gesagt worden -, dass zukünftig die Mittel für die Region zur Verfügung gestellt werden sollen. Von daher tun Sie es nicht mit einer Handbewegung ab. Wir erwarten, dass die Berechnungen, die ja eigentlich schon vorgenommen werden - das Wirtschaftsministerium hat uns gesagt, dass wir zwischen Ostern und Pfings

ten die entsprechenden Unterlagen bekommen sollen -, belastbar sind. Damit werden wir uns auseinander setzen. Ich füge hinzu: Um abschließend eine dauerhafte Wirtschaftlichkeit nachweisen zu können, müssen eben die Punkte, die ich zum Güterverkehr, zu den Klöckner-Werken und zu der eventuellen neuen Schienenführung gesagt habe, überprüft werden, weil wir natürlich eine Bahn, die dauerhaft erhebliche Subventionen erfordert, nicht wollen können. Das würde dazu führen, dass dort die Bahn im Gerede ist und wir dann doch nicht das haben, was wir wollen, nämlich eine leistungsfähige Bahn.

Unter diesen Prämissen sind die Gebietskörperschaften vor Ort, die Städte und Gemeinden, der Landkreis Osnabrück und - Frau Steiner hat es gesagt - die Stadt Osnabrück, dafür. Wir glauben, dass das eine Aufwertung der Region ist und dass das ein Wettbewerbsvorteil für den einen oder anderen Betrieb sein kann.

Auch die Fraktionsvorsitzenden der SPD, sowohl im Stadtrat als auch im Kreistag, haben sich vor Ort vehement dafür eingesetzt. Ich kann nicht verstehen, warum die SPD nicht in der Lage war, mit uns gemeinsam diesen Antrag einzubringen. Ich unterstelle einmal, dass wir das gleich im Einzelnen hören. Wir erwarten nichts Unsinniges, sondern wir erwarten auf der Basis von belastbaren Berechnungen sinnvolle Investitionsentscheidungen für die Region - nicht mehr und nicht weniger.

Ich sage, dass wir im Ausschuss etwas Ähnliches auch für die Bentheimer Eisenbahn fordern werden. Es gibt ja auch Untersuchungen, die nun von der Landesregierung angestellt werden, und zwar für eine Reaktivierung der Bentheimer Eisenbahn auf dem Streckenabschnitt zwischen Bentheim und Nordhorn. Auch dort wollen wir seriöse Untersuchungen darüber, was sinnvoll und machbar ist. Auch da möchten wir, wenn das zu begründen ist - -

(Beckmann [SPD]: 154 Regionalbah- nen können wir wieder aufleben las- sen!)

- Herr Kollege Beckmann, Sie sind nicht informiert. Es werden noch vier Bahnen weiter untersucht.

(Beckmann [SPD]: Zurzeit!)

- Nein. - Es hat ja eine Untersuchung aller Regionalbahnen gegeben. Hier hat man schon gesagt,

dass es bei den anderen Strecken keinen Sinn hat. Aber bei diesen vier Bahnen - eine davon ist die Haller Willem und eine die Bentheimer Eisenbahn - gibt es weitere Untersuchungen. Ich glaube, ich bin halbwegs im Stoff. Wenn bei diesen Untersuchungen herauskommt, dass das eine wirtschaftlich sinnvolle Sache ist und für die Region etwas bringt, dann erwarten wir auch für die Bentheimer Eisenbahn, also für die Strecke zwischen Bentheim und Nordhorn, dass dafür Investitionsmittel zur Verfügung gestellt werden.

Ich sage noch einmal: Das flache Land hat in der Vergangenheit Solidarität gegenüber dem Zentrum Hannover gezeigt, und wir erwarten, dass jetzt schwerpunktmäßig in Hannover Solidarität für die Regionen gezeigt wird. In diesem Sinne bitte ich Sie, mit uns diesen Antrag zu beraten. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Regierungsfraktion spricht der Abgeordnete Biel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Den vorliegenden Antrag zu bewerten heißt, einen lick ins Jahr 1997 zurückzuwerfen.

(Endlein [SPD]: Das ist richtig!)

Ausgehend von der Entschließung des Landtages zur Umsetzung des ÖPNV-Gesetzes, war die Landesregierung gehalten, Zielvorstellungen zum Ausbau, zur Modernisierung und zum Betrieb des Schienenpersonennahverkehrs sowie die darauf basierenden Investitions- und Finanzierungspläne offen zu legen. Dem hat die Landesregierung Mitte 1997 mit der Vorlage des Schienenpersonennahverkehrskonzeptes Rechnung getragen. Dieses Konzept ist in dem zuständigen Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr diskutiert und akzeptiert worden. Ich möchte Ihnen die Kernaussagen dieses Konzeptes in Erinnerung rufen: Diese sind, erstens den Schienenpersonennahverkehr als Gerüst des öffentlichen Personennahverkehrs in Niedersachsen zu erhalten und zu stärken, zweitens den Einsatz der verfügbaren Mittel zu optimieren, d. h. die Mittel dort einzusetzen, wo sie den vergleichsweise größten Nutzen erwarten lassen, und drittens ist darauf aufbauend ein Finanzierungskonzept von mehreren 100 Millionen DM entwickelt worden,

mit dem konkret der Ausbau von Strecken und die Beschaffung neuer Fahrzeuge gefördert werden sollen.

Meine Damen und Herren, in diesem Maßnahmenkatalog sind bewusst Streckenreaktivierungen nicht enthalten. Angesichts des sichtbaren Nachholbedarfs genießen die Sicherung und Verbesserung des heutigen Schienenpersonennahverkehrsangebotes absolute Priorität. Losgelöst von dieser vom Landtag mitgetragenen Konzeption, wollen Sie, Frau Steiner, und Sie, Herr Schirmbeck, jetzt ungeprüft eine einzelne Strecke reaktivieren, auf der der Personenverkehr bereits 1984 eingestellt wurde,

(Wenzel [GRÜNE]: Zwei Oberzent- ren hängen daran! - Gegenruf von Adam [SPD]: Ich kann Ihnen zig O- berzentren sagen, die von der Bahn abgehängt wurden! - Weitere Zurufe)

und das vor dem Hintergrund der jüngsten Überlegungen der DB AG zu so genannten regionalen Netzen sowie der Ungewissheit über die Zukunft von rund 1.000 km bestehender Nahverkehrsstrecken in Niedersachsen.

Meine Damen und Herren, diese Ungewissheit gilt im Übrigen auch für das viel gepriesene angeblich so zukunftsweisende EXPO-Projekt Bielefeld Dissen - Bad Rothenfelde - -

Herr Kollege Biel, der Kollege Wenzel möchte Ihnen eine Frage stellen. Wollen Sie die zulassen?

- das kann er dann im Ausschuss auch machen -, d. h., für die Verlängerung des Haller Willems auf nordrhein-westfälischem Gebiet. Auch diese Strecke befindet sich in der Liste der über 260 Strecken, über deren Zukunft die Bahn neu nachdenkt.

Meine Damen und Herren, auch ich bin dafür, offen und vorbehaltlos über die Reaktivierung von Strecken zu diskutieren. Warum sonst untersucht die Landesnahverkehrsgesellschaft derzeit 57 Strecken im Lande mit einer Gesamtlänge von 1.400 km auf ihre Reaktivierungswürdigkeit hin? Warum sonst werden vier Strecken, die sich bei den bisherigen Untersuchungen als interessant herauskristallisiert haben, weitgehend untersucht? Darunter ist auch der Haller Willem; er ist einer

von diesen vier Strecken. Daher appelliere ich an Sie: Lassen Sie uns die Ergebnisse dieser Untersuchungen abwarten! Es ist uns allen bekannt, dass diese Ergebnisse zum Frühsommer dieses Jahres auf dem Tisch liegen sollen. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse werden wir dann darüber zu diskutieren haben und auch mit den örtlichen Gebietskörperschaften darüber reden, wie die Reaktivierung und die Finanzierung dieser Vorhaben durchgeführt werden können.

Auf eines muss ich aber heute schon hinweisen. Wir werden dabei nicht nur über die Investitionskosten diskutieren können. Viel wichtiger sind die Kosten des laufenden Betriebs; denn gerade die laufenden Zuschüsse engen - das wissen Sie ganz genau - die Gestaltungs- und Finanzierungsmöglichkeiten des Landes und des Auftraggebers auf lange Zeit ein.

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion plädiert dafür, die Ergebnisse der Untersuchung abzuwarten und auf der Grundlage dieser Ergebnisse dann zu diskutieren und die weiteren Schritten einzuleiten.

Im Übrigen möchte ich für die vielen Landtagskolleginnen und Landtagskollegen, die mit Haller Willem nichts anzufangen wissen, noch Folgendes sagen. Haller Willem war ein Fuhrmann, der die Strecke Bielefeld - Osnabrück mit dem Pferdefuhrwerk befahren hat.

(Adam [SPD]: Wilhelm Stuckmeyer!)

- Wilhelm Stuckmeyer, jawohl, ein Fuhrunternehmer aus Halle in Westfalen. Anfang der 20er-Jahre ist aus dem Pferdefuhrwerk ein Dampfbetrieb geworden, und daraus hat sich dann der Eisenbahnbetrieb entwickelt.

Ich sage auch noch einmal, was Herr Schirmbeck vorhin schon gesagt hat: Auch die Georgsmarienhütte lässt ihre vollen Kapazitäten nicht mehr über diese Linie laufen. Wenn ich das der Presse richtig entnommen habe, hat die Werksleitung auch kein großes Interesse mehr an dieser Strecke.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Steiner hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Biel, der Ansatz, mit dem Sie dieses Thema angehen, ist überprüfungsbedürftig, da müssen Sie etwas ändern. Nachdem Sie die ganzen technischen Daten aufgelistet und die Entwicklungen dargestellt haben, verweisen Sie auf die Regionalisierungsmittel und sagen, Sie wollten sich Ihren Spielraum nicht einengen, Sie wollten sich jetzt nicht binden, Sie wollten sich das offen halten.

(Beckmann [SPD]: Das ist auch sinn- voll!)

Die Regionalisierungsmittel sind aber da. Sie sind lange Zeit für das Zentrum gebunden worden. Es ist höchste Zeit, dass sie jetzt angemessen in der Fläche eingesetzt werden, natürlich nach Nützlichkeits- und Effektivitätskriterien.

(Biel [SPD]: Warum warten Sie nicht erst das Ergebnis ab?)

Wir haben uns das überlegt, und ich hoffe, es ist mir gelungen darzulegen, dass hier die Basis für einen effektiven Einsatz gegeben ist.

Ich habe vorhin gesagt, der Verkehr sei auf die Straße verlagert worden.

(Biel [SPD]: Warum ist der Verkehr auf die Straße verlagert worden?)

- Nun reden Sie doch nicht immer dazwischen, sondern lassen Sie mich den Satz zu Ende führen! Ich weiß schon, warum Sie die A 33 wollten. Sie ist heute noch nicht fertig. Die Verbindung der beiden Wirtschaftsräume auf der Straße ist eine Qual. Es dauert, egal wie auf vier Rädern, länger als eine Stunde, um von dem einen in den anderen Wirtschaftsraum zu gelangen, und zwar sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr. Eine bessere Verbindung ist dringend notwendig. Im Sinne einer Zukunftsbetrachtung wäre es unsinnig, nicht das vorhandene Schienennetz zu nutzen, das man einfach wieder in Betrieb nehmen müsste, sondern darauf zu warten, dass in zehn Jahren die A 33 fertig ist.

Ich glaube, hinter Ihrer Zurückhaltung steckt etwas Anderes. Sie wollen sich den Spielraum nicht einengen lassen, weil sie mit den Regionalisierungsmitteln vielleicht noch etwas ganz anderes vorhaben. Im Hintergrund wird so manches gemunkelt, und dem wollen wir vorbeugen. Es ist jetzt an der Zeit, diese Entscheidung zu treffen.

Wir haben im Übrigen nicht gesagt, dass wir die Überprüfung durch die LNVG nicht abwarten wollen. Aber diese sollte eigentlich schon im letzten November fertig sein, dann im März, und nun ist sie für Mai angekündigt. Jetzt geht es darum, ein politisches Signal zu setzen, indem man sagt: Es ist richtig und lässt sich begründen, diese Strecke wieder in Betrieb zu nehmen.

Die Bahn AG verfolgt hier eine ganz andere Konzeption, und der muss man entgegenwirken; ich habe schon versucht, das mit einigen Zwischenrufen deutlich zu machen. Der westniedersächsische Raum ist im Bahnkonzept, was die Schiene anbelangt, extrem benachteiligt. Diese Region wird Stück für Stück aus den Großplanungen herausgenommen. Die Personenverkehr-Fernverbindungen sind in den letzten drei oder vier Jahren ohnehin schon extrem abgeschmolzen worden.

Wenn man als Landespolitiker also die Möglichkeit hat, zumindest die Infrastruktur in dieser Region zu stärken, dann sollte man das auch tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)