Protokoll der Sitzung vom 30.03.2000

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat nun der Kollege Wenzel.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem ich den Antrag gelesen hatte, dachte ich: Auch die CDU wäscht nur mit Wasser.

(Möllring [CDU]: Natürlich! Womit denn sonst? - Eveslage [CDU]: Wo- mit waschen Sie sich eigentlich?)

Der Antrag ist überschrieben mit "Neue Wege in der Verkehrsfinanzierung". Da habe ich mich gefragt: Wo sind denn die neuen Wege? Vorfinanzierung durch Kommunen? Das haben wir gerade lange diskutiert. Mautgebühren? Privatisierung des Straßennetzes?

Ich komme zu Punkt 1 und stelle fest: Die Landesregierung ist in diesem Punkt im Prinzip unserem Vorschlag gefolgt, arbeitet die Schildbürgerstreiche der Vergangenheit ab, schließt hier erst einmal eine Lücke. Die Prioritäten in Niedersachsen müssen neu gesetzt werden. Die Landesregierung verschweigt bislang aber noch die Herkunft der Mittel für die Vorfinanzierung. Der Bundesverkehrsminister hat bereits deutlich gemacht, dass Niedersachsen diese zur Verfügung stellen muss.

Die Punkte 2 und 3 würde ich nicht prinzipiell ablehnen, wenn grundsätzlich sichergestellt wird, dass die Schiene im Wettbewerb gleichgestellt wird, dass die Wettbewerbsverzerrung, die wir heute haben, beseitigt wird. Aber ich glaube, alle hier im Hause sind sich einig darüber, dass öffentliche Haushalte begrenzte Ressourcen sind und begrenzte Mittel enthalten. Die Frage ist: Wo müssen wir die Gelder, die wir haben, investieren, wenn wir die Zukunftsfähigkeit des Landes nachhaltig sicherstellen wollen?

Sie sagen in der Begründung Ihres Antrages, die Verkehrsinfrastruktur sei Voraussetzung für Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung und hier von herausragender Bedeutung, und Sie sprechen dann neue Fernstraßen an.

Meine Damen und Herren, ich möchte kurz die „Wirtschaftswoche“ vom Februar 2000 zitieren. Die London School of Economics hat im Auftrag der Europäischen Investitionsbank untersucht, wie sich die europäische Regionalförderung auswirkt. Man hat nämlich dort beobachtet, dass sich bestimmte Gebiete, die relativ viel Regionalförderung erhalten, schlechter entwickeln als andere Gebiete, die weniger erhalten. Die Ökonomen verglichen dann die Entwicklung der letzten zehn

Jahre in zwei spanischen Provinzen. Eine dieser Provinzen hat nur 10 % der Mittel erhalten, die die zweite erhalten hat. Dabei hat man festgestellt: Die Region, die weniger Mittel erhalten hat, hat sich besser entwickelt und steht heute von der Beschäftigung und von der wirtschaftlichen Entwicklung her besser da als die andere, die zehnmal so viel Geld erhalten hat.

Die „Wirtschaftswoche“ sagt, wichtigster Grund hierfür sei nach Auffassung der Ökonomen die falsche Ausrichtung der Regionalpolitik. So habe sich Galizien vor allem darauf versteift, mithilfe der EU seine Autobahnen auszubauen und habe Investitionen in Forschung und Entwicklung vernachlässigt. Neue Jobs seien fast ausschließlich im öffentlichen Sektor entstanden. Nun hülfen die neuen Straßen vor allem den Nachbarn, ihre besseren und billigeren Produkte in der Region zu verkaufen.

Meine Damen und Herren, ich habe ernsthafte Zweifel, ob die Prämisse, die Sie aufgestellt haben, richtig ist. Ich glaube auch vor dem Hintergrund der Debatte, die wir gestern in der Aktuellen Stunde geführt haben, dass heute Datenautobahnen und nicht Betonautobahnen der Wirtschaftsfaktor sind, der die Zukunft bedeutet,

(Beifall bei den GRÜNEN)

und dass es von entscheidender Bedeutung sein wird, darüber nachzudenken, ob wir knappe öffentliche Mittel in Datenautobahnen oder in Betonautobahnen investieren.

(Eveslage [CDU]: In die Datenauto- bahn investiert die Industrie! Da braucht der Staat nichts zu machen!)

Ich will noch ein ganz anderes Beispiel nennen, nämlich die Brennstoffzelle, die Wasserstofftechnologie. Die Amerikaner und die Japaner haben Programme aufgelegt, die schon seit sechs Jahren einen Entwicklungspfad aufzeigen, die also aufzeigen, wohin das gehen soll. Ich sage Ihnen: Die Brennstoffzelle wird den Energiemarkt für stationäre und mobile Anwendungen beim Auto, aber auch in der Kraftwerkstechnik in den nächsten zehn bis 15 Jahren vollkommen umkrempeln. Aber wer hat hier die Nase vorn? - Die deutschen Firmen, die hier engagiert sind, haben ihr Know-how in den USA und in Kanada eingekauft, und wir haben im Moment das Nachsehen. Auch DaimlerChrysler hat sein Know-how in Kanada eingekauft.

Meine Damen und Herren, diese Frage müssen wir uns ernsthaft stellen: Wo ist die Mark am besten investiert, wenn wir Beschäftigung in Deutschland sichern wollen? Das ist eine interessante Frage, die ich gerne mit Ihnen diskutieren würde. Ich kann nur sagen: VW hat diese Entwicklung lange verpennt. Der Aufsichtsrat auch. Mittlerweile ist man dort auf Trab gekommen. Ich glaube, dass wir hierauf in Zukunft mehr Gewicht legen sollten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Kollege Eppers hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um auf den Kollegen Schurreit einzugehen. Herr Kollege Schurreit, Sie haben durchaus Recht, dass der Bundesverkehrswegeplan seit vielen Jahren unterfinanziert war. Ich habe auch kein Problem damit, dies hier einzuräumen. Nur, Sie müssen sich vorhalten lassen, dass Sie diesen Zustand der Unterfinanzierung nicht bekämpfen und abstellen, sondern dass Sie die Unterfinanzierung noch vergrößern, denn Sie kürzen ja weiter.

(Schurreit [SPD]: Das stimmt nicht!)

Das machen wir Ihnen zum Vorwurf, weil Sie vor der Bundestagswahl andere Zusagen gegeben und Versprechen gemacht haben.

(Beifall bei der CDU)

Ich verstehe auch nicht, dass Sie unseren Antrag in Bausch und Bogen ablehnen, bevor wir im Wirtschaftsausschuss über ihn diskutieren. Das bedauere ich wirklich. Mein Kollege Dinkla hat ja hier zu Recht erwähnt, dass es, was Vorfinanzierungsmaßnahmen im Lande betrifft, keine Konzeption gibt. Ich finde das, was hinsichtlich der A 31 getan wird, toll. Aber wir müssen auch sagen: Es gibt noch andere Bereiche im Lande, für die bisher keine Vorfinanzierung angeschoben und möglich ist, die in der Priorität aber auch ganz oben stehen. Da fehlt mir die Konzeption, und da muss man auch klar und offen sagen: Die Landesregierung und insbesondere der Wirtschaftsminister versagen hier voll und ganz.

(Schurreit [SPD]: Überhaupt nicht!)

Ich habe Verständnis dafür, dass der Minister heute einen anderen Termin hat. Aber er hätte zumindest die Staatssekretärin herschicken können, damit sie dem Parlament seine Position deutlich macht. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir können die Beratungen beenden und kommen zur Ausschussüberweisung des Antrages, und zwar zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr und zur Mitberatung an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung: Verkürzung der Asylverfahren - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/1488

Dieser Antrag wird vom Kollegen Biallas begründet, dem ich das Wort erteile.

Hochverehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von uns gestellte Antrag zur Verkürzung von Asylverfahren nimmt im Grunde eine Erkenntnis auf, die sich, wie wir gehört haben, zunehmend auch in weiten Teilen der SPD ausbreitet. Diese Erkenntnis lautet: Die Asylverfahren dauern insgesamt zu lange.

Wenn man sich die Situation einmal näher ansieht, dann kann man feststellen, dass sich aufgrund des individuellen Asylanspruchs, der sich aus dem Artikel 16 des Grundgesetzes ableitet, natürlich auch entsprechende rechtliche Konsequenzen ergeben. Weil es individuelle Verfahren sind, gibt es auch eine Rechtswegegarantie. Im Asylverfahren ergeht zunächst einmal ein Bescheid des Bundesamtes. In den allermeisten Fällen wird dagegen vor den Verwaltungsgerichten geklagt. In nicht wenigen Fällen wird auch noch einmal vor dem OVG geklagt. Das heißt, allein aufgrund dieser Verfahren ziehen sich die Asylverfahren über mehrere Jahre hin. Das erscheint uns zu lang.

Wesentlich ist in diesem Zusammenhang auch der Umstand, dass für Nachgeborene, also für solche Kinder, die hier in Deutschland während des Asylverfahrens geboren werden, und für solche, die später nachreisen, jeweils neue Verfahren eingeleitet werden. Diese Verfahren haben zur Folge, dass zur Ausreise verpflichtete Eltern aufgrund der Tatsache, dass sie sorgepflichtig sind, so lange hier bleiben dürfen, bis jedes einzelne Verfahren abgearbeitet worden ist. Aufgrund dessen können wir - wie wir anhand konkreter Fälle aus dem Innenausschuss ja wissen - feststellen, dass in Deutschland bestimmte Asylverfahren mit allen damit zusammenhängenden weiteren Verfahren inzwischen zehn Jahre oder länger anhängig sind. Wenn man sich einmal danach erkundigt, wie viel Geld solch lange Verfahren die öffentliche Hand eigentlich kosten und wie hoch die Unterhaltsleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind, dann zucken alle zusammen, wenn sie hören, dass zum Teil 1 Million bis 1,5 Millionen DM für solche Familien aufgewendet werden müssen.

Wir haben dafür, dass wir dieses Thema heute zur Debatte stellen, einen weiteren konkreten Anlass. Der Arbeitskreis Innenpolitik der CDU-Landtagsfraktion hat neulich den Landkreis Osnabrück besucht. Dort wurde uns seitens der Verwaltung vorgetragen, dass von denjenigen, die rechtskräftig zur Abschiebung anstehen, tatsächlich nicht einmal 20 % abgeschoben werden können. Deshalb meinen wir, dass hier ein dringender Handlungsbedarf besteht. Aus diesem Grunde haben wir uns mit unserem Antrag dafür ausgesprochen, dass sich der Herr Innenminister über den Bundesrat dafür einsetzen möge, dass die Verfahren der Angehörigen ein und derselben Familien automatisch miteinander verbunden werden. Das heißt also, sowohl die Verfahren für die Nachgeborenen als auch die Verfahren für die später Eingereisten. Das ist der wesentliche Punkt.

(Beifall bei der CDU)

Wir meinen, dass dies nur ein erster Schritt sein kann. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, wie führende Innenpolitiker der SPD wie der Kollege Adam natürlich auch wissen

(Adam [SPD]: Danke, dass du mich erwähnt hast! Endlich komme ich mal ins Protokoll! Christian, du bist mein Freund!)

- richtig! -, dass wir im Hinblick auf eine europäische Harmonisierung des Ausländerrechts sicherlich noch über das eine oder andere nachdenken müssen.

Nun wissen wir alle - das ist etwas, was den einen oder anderen amüsiert oder nachdenklich stimmt -, dass in letzter Zeit sowohl der Herr Bundesinnenminister Schily als auch der von uns außerordentlich geschätzte Herr Innenminister Bartling - jetzt sage ich, warum er so außerordentlich geschätzt ist - Vorschläge machen, die in der Vergangenheit nur von der CDU gekommen sind. Als wir diesen Vorschlag schon vor einiger Zeit - auch presseöffentlich - gemacht haben, haben wir uns gewundert, als sich drei Wochen später der Herr Innenminister - das ist Ihnen, Herr Bartling, brillant gelungen; das muss man durchaus einmal sagen ebenfalls an die Presse wandte und so tat, als sei ihm etwas eingefallen, was vor ihm noch niemanden bewegt hat. Er forderte dasselbe, was wir schon drei Wochen vorher gefordert haben.

(Adam [SPD]: Er hat es aber überzeu- gend gefordert! - Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Wir fordern das schon seit einem Jahr!)

Er war aber insofern clever, als er sagte: Der Punkt, den die CDU vorgetragen hat, ist so gut, dass ich ihn ganz schnell umsetzen will. - Er hat gesagt: Ich werde das auf die Tagesordnung der Innenministerkonferenz im Februar setzen lassen. Er hat ferner gesagt: Ich weiß ja auch, dass die CDU diesem Antrag zustimmen wird.

(Beifall bei der CDU)

Herr Innenminister, Sie haben die Rechnung natürlich ohne uns gemacht; denn wir sind tätig geworden. Wir haben nämlich festgestellt: Er hat vergessen, diesen Punkt auf die Tagesordnung setzen zu lassen. Deshalb hatte er zwar die verbale Unterstützung der CDU, es konnte aber nicht umgesetzt werden, weil darüber gar nicht gesprochen worden ist. Deshalb haben wir gedacht: Wir wollen einmal ein bisschen nachhelfen und den Innenminister in dem, was er gut macht, auch unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Dabei ist es ja wie folgt - ich weiß nicht, ob es Ihnen da so geht wie uns; manchmal wundert man sich ja -: Wenn die SPD neuerdings Vorschläge zur Verschärfung des Asylrechts unterbreitet, dann

wundert man sich immer, dass das von den Menschenrechtsgruppen, von den Kirchen und all den Aktivisten relativ gelassen hingenommen wird. Wenn nun aber dasselbe von der CDU vorgeschlagen wird, dann geht ein Aufschrei durchs Land, als würde hier eine ausländerfeindliche Politik betrieben. Es marschieren Gruppen Straßen rauf und runter. Man wundert sich, warum das in dem einen Fall so, in dem anderen Fall aber so ist, obwohl es dieselben Vorschläge sind. Jetzt will ich Ihnen dazu einmal etwas ganz Neues sagen. Herr Kollege Groth, es gibt dazu eine Untersuchung. Ich weiß nicht, ob Sie darüber gelesen haben. Im Rahmen dieser Untersuchung ist der Frage nachgegangen worden: Warum ist, wenn von der SPD Vorschläge unterbreitet werden, Ruhe im Walde, warum aber gibt es, wenn die gleichen Vorschläge von der CDU kommen, Protest? - Jetzt will ich Ihnen einmal sagen, was bei dieser Untersuchung herausgekommen ist. Diese Untersuchung hat ergeben, dass dann, wenn die SPD so etwas fordert, niemand befürchtet, dass es auch umgesetzt wird.

(Beifall bei der CDU)

Die Untersuchung hat ferner ergeben, dass man dann, wenn die CDU so etwas fordert, damit rechnen muss, dass es auch umgesetzt wird, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU - Adam [SPD]: Wo? Wo?)

- Ich werde Ihnen die Quelle nachher einmal nennen. Manchmal ist man ja erstaunt, weil es gelegentlich noch etwas gibt, was Sie nicht kennen.