Protokoll der Sitzung vom 30.03.2000

- Ich werde Ihnen die Quelle nachher einmal nennen. Manchmal ist man ja erstaunt, weil es gelegentlich noch etwas gibt, was Sie nicht kennen.

Uns geht es darum, dass wir in diesem wesentlichen Punkt voran kommen.

Wir sagen aber auch: Es muss im Hinblick auf die Harmonisierung des europäischen Rechtes in diesen Fragen noch einiges passieren. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur kurz einige Punkte ansprechen. Wir wissen, dass man das alles nicht von heute auf morgen machen kann. Es gibt aber einen gewissen heilsamen Zwang, der darin besteht, dass alle Mitgliedstaaten der EU europaweit bestimmte Absprachen getroffen haben. Da müssen wir natürlich mitreden. Insofern wollen wir den Innenminister überall dort unterstützen, wo etwas Vernünftiges erreicht werden kann, was einsichtig ist und dem besseren Verständnis der Bevölkerung dient; denn das, was auf dem Gebiet des Ausländerrechts zum Teil praktiziert wird, ist für viele Menschen innerhalb der Bevölkerung schlichtweg

nicht nachvollziehbar. Es ist ja interessant, dass das Recht, das wir hier anwenden, in keinem anderen Mitgliedsland der Europäischen Union so praktiziert wird. Das hier festzustellen ist doch interessant.

Deshalb meine ich, dass wir uns um folgende Punkte kümmern müssen:

Zum einen um eine Abkürzung der Rechtswegegarantie. Unserer Meinung nach kann nicht länger hingenommen werden, dass in jedem Verfahren zwei weitere gerichtliche Verfahren bemüht werden können.

Zweitens müssen Asylbewerber auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gleichmäßig verteilt werden. Den Hohensteiner Schlüssel, den wir innerhalb Deutschlands als Verteilungsmaßstab anlegen, müsste man eigentlich auch zur Grundlage der Verteilung von Asylbewerbern innerhalb der europäischen Mitgliedstaaten machen. Eines kann auf Dauer nämlich nicht so bleiben, dass nämlich 50 % aller Asylbewerber, die nach Europa kommen, nach Deutschland einreisen, die anderen 50 % sich aber mehr oder weniger gleichmäßig auf die übrigen Mitgliedstaaten verteilen. Hier müssen wir also etwas machen.

Hinzu kommt auch, dass wir uns um eine Angleichung der Leistungen für Asylbewerber bemühen müssen. Ich habe mir einmal eine Übersicht der Leistungen für Asylbewerber in allen europäischen Mitgliedstaaten geben lassen. Ich empfehle Ihnen, das auch einmal zu lesen. Danach werden - trotz aller Kritik mancher Gruppen an der Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes, die wir vorgenommen haben -, nach wie vor in Deutschland die allermeisten Leistungen in Gutscheinen erbracht.

(Jansen [CDU]: Das ist relativ! So viel ist das auch nicht!)

- Das ist relativ. Man kann natürlich auch sagen, Abgeordnete bekommen etwas mehr oder auch viel mehr. Ich meine, es geht darum, dass man diejenigen, die hierher kommen, ordentlich versorgt, aber man muss schon darauf achten, dass die Maßstäbe eingehalten werden und dass eine Vergleichbarkeit gegeben ist. Wenn es z. B. in Deutschland das Doppelte gibt wie in Griechenland, Herr Kollege Jansen, dann wird sich jeder dafür entscheiden, nach Deutschland zu kommen, statt nach Griechenland zu gehen. Dann können Sie auch nichts mehr verteilen.

(Zuruf von Möhrmann [SPD])

Wir sind uns also darin einig.

Ein weiterer Punkt - das möchte ich abschließend sagen - ist die Frage der Einwanderung, die der Bundeskanzler mit seiner Green Card angeschoben hat. Man kann darüber reden, ob man ein Zuwanderungsbegrenzungs- oder Einwanderungsgesetz einführt. Aber man muss dann gleichzeitig - das haben einige in der SPD völlig zu Recht gesehen auch darüber nachdenken, ob man bei Artikel 16 des Grundgesetzes mit dem individuellen Anspruch auf Asyl bleiben kann. Wir sind der Meinung, beides zusammen geht nicht.

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Bisher haben wir noch keine Einwan- derung!)

Darüber müssten wir uns unterhalten und dazu Initiativen ergreifen.

Die Diskussion über all diese Punkte ist nun eröffnet. Aus Berlin kommen auch immer wieder neue Denkanstöße.

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Das war 16 Jahre lang nicht der Fall!)

Wir werden uns aktiv an dieser Diskussion beteiligen und würden uns außerordentlich freuen, wenn der Innenminister einmal bis auf Punkt und Komma das umsetzt, was die CDU-Fraktion vorschlägt. Damit könnten wir die nächsten drei Jahre bis zur nächsten Wahl leben. Wenn der Innenminister dann alles so macht, wie wir es vorschlagen, wird er auch Beifall bekommen. Wenn er es nicht macht, werden wir ihn kritisieren. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Adam [SPD])

Frau Stokar von Neuforn hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Damen und Herren von der CDU, Ihre Ausländerpolitik ist erbärmlich und populistisch

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Oh! bei der CDU)

so der Kommentar des Präsidenten der Arbeitgeberverbände Hundt vor nicht allzu langer Zeit.

(Biallas [CDU]: Das war vor dem Grünen-Parteitag! - Zuruf von der CDU: Wenn Hundt das sagt, ist das ja kein Problem! - Weitere Zurufe von der CDU - Glocke des Präsidenten)

Ich schließe mich dieser Wertung durchaus an. Nein, das war nicht auf dem Grünen-Parteitag, sondern das war ein Kommentar aus der Wirtschaft. Schließlich hat sich nicht nur Herr Hundt zu Ihrer Kampagne in Nordrhein-Westfalen „Kinder statt Inder“ geäußert,

(Zuruf von McAllister [CDU])

die nun - in Plakatform – mit dem Motto „Ausbildung statt Ausländer“ fortgesetzt wird.

Herr Wulff will den Sprachtest aus Bayern, bei dem von 69 deutschen Hauptschülern 41 durchfielen, auch in Niedersachsen einführen.

(Zuruf von der CDU: Hervorragend! - Biallas [CDU]: Und Herr Schmalstieg wirbt auf Türkisch für die deutsche Staatsbürgerschaft!)

Meine Damen und Herren, mit Ihrer dumpfen Ausländerfeindlichkeit gefährden Sie den Wirtschaftsstandort Deutschland, und sie verabschieden sich von den humanitären Grundwerten der Europäischen Union.

(McAllister [CDU]: Ich bin auch Ausländer!)

Ihre Politik ist wirtschaftsfeindlich und europafeindlich.

(Jansen [CDU]: Das stimmt überhaupt nicht!)

Meine Damen und Herren, die Asylverfahren dauern in Deutschland deswegen so lange, weil wir uns nicht entscheiden können. Eines ist richtig: Wir brauchen einen gesellschaftlichen Konsens darüber, wer aus humanitären Gründen bei uns bleiben darf und wer aus volkswirtschaftlichen Gründen bei uns bleiben darf.

Ihre Sprache und Unsortiertheit wird deutlich,

(Zuruf von der CDU: Was?)

wenn Sie immer wieder von einem Einwanderungsbegrenzungsgesetz sprechen, und das zu einem Zeitpunkt, zu dem die CDU immer noch davon ausgeht, dass Deutschland gar kein Einwanderungsland ist.

(Beifall bei den GRÜNEN - Klare [CDU]: Wer spricht denn davon? - Frau Pothmer [GRÜNE]: Silke, das ist Dialektik auf CDU-Weise!)

Gegen eine Verkürzung der Asylverfahren haben auch wir nichts einzuwenden, meine Damen und Herren. Sie haben vor drei Wochen angefangen, darüber nachzudenken. Ich muss Sie enttäuschen. Zu den von Ihnen angesprochenen so genannten Kettenverfahren liegt längst auf Bundesebene ein Entwurf vor, der zurzeit zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Bundesjustizministerium abgesprochen wird.

(Zuruf von der CDU)

Sie kommen also wie immer - das hatten wir vorhin bei Ihren Anträgen auch - etwas zu spät und versuchen, Niedersachsen aufzufordern, sich in Berlin für etwas einzusetzen, das dort längst geregelt wird, meine Damen und Herren.

Jetzt einmal zu Ihren Kenntnissen in diesem Bereich: Die so genannten Kettenverfahren, die sich so gut populistisch darstellen lassen, haben nur einen ganz geringen Anteil an den langen Verfahren.

Meine Damen und Herren, Sie müssen für sich einmal klären, ob Sie eine Asylverfahrensgesetzänderung unter Einhaltung der Verfassung wollen - das muss man die CDU schließlich heutzutage immer wieder fragen -, ob Sie sich also an die Verfassung halten wollen, die einerseits das individuelle Asylrecht und andererseits eine Rechtsweggarantie enthält, oder machen Sie politische Vorschläge, die außerhalb unserer Verfassung stehen? Das ist die erste Frage, die Sie beantworten müssen.

(Schünemann [CDU]: Aber Sie sitzen doch mit Herrn Schily da! Dann müs- sen Sie Herrn Schily fragen!)

Die große mögliche Entlastung der Verwaltungsgerichte - an den Verwaltungsgerichten liegt nämlich die lange Dauer der Asylverfahren - haben Sie im Bundesrat verhindert. Ein wesentlicher Grund für die lange Verfahrensdauer sind ungefähr

250.000 Altfälle, die bei den Verwaltungsgerichten liegen. Unser Ansatz, die Verwaltungsgerichte mit einer Altfallregelung zu entlasten, ist von Ihnen verhindert worden.

(Schünemann [CDU]: Ungerechteres gibt es gar nicht als die Altfallrege- lung!)

Es gibt weitere sehr sachliche Gründe für die lange Verfahrensdauer. Ein Grund liegt darin, dass die Verwaltungsgerichte Verfahren immer wieder zum Teil über Jahre aussetzen. Ausgesetzt werden z. B. Asylverfahren von afrikanischen Asylbewerbern, weil die Verwaltungsgerichte positiv entscheiden müssten. Sie lassen die Verfahren so lange liegen, bis der Bürgerkrieg in den afrikanischen Ländern beendet ist. Es liegt also nicht in der Verantwortung der Asylbewerber, dass die Verfahren so lange dauern, sondern sie werden von den Gerichten liegen gelassen.

Ein weiterer Grund im Zusammenhang mit Abschiebungen von Kurden, die Sie auch angesprochen haben - dafür trägt der Landtag insgesamt die Verantwortung -, waren die Abschiebestopps, die wir politisch verhängt haben. Kurdische Familien sind seit zehn Jahren in Niedersachsen, weil es - ich sage: aus guten Gründen - Abschiebestopps gegeben hat, da wir nicht verantworten wollten, Kurden in die Türkei abzuschieben. - Das sind die Gründe für die lange Verfahrensdauer.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich muss zum Schluss kommen.