Ich habe mich sehr gewundert, weil ich darauf geachtet habe, was Sie im Detail vorgeschlagen haben. Wir haben vorgeschlagen, in diese Steuerreform neben den vorhandenen mittelstandspolitischen Komponenten auch die Fälle einzubeziehen, in denen Unternehmensinhaber ihre Unternehmen veräußern, weil sie in die Altersrente gehen, und die in diesen Unternehmen steckenden Kapitalien für ihre Altersrente nutzen. Das werden wir also als Sozialdemokraten über den Bundesrat noch neu in das Konzept hinein bringen. Ihre Antwort, meine Damen und Herren, sieht wie folgt aus: Spitzensteuersatz senken. - Das heißt, Sie wollen den Reichen, also denjenigen, die Spitzensteuern zahlen, noch mehr Geld schenken. Dem Bäckermeister, dem kleinen Handwerksmeister aber wollen Sie nichts zugute kommen lassen. Das ist Ihre Politik! Die lehnen wir ab!
Ebenfalls nach § 71 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung erhält jetzt der Kollege Wulff eine Redezeit von bis zu drei Minuten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herrn Plaue halten wir zugute, dass er vom Thema nichts versteht.
Mit dem Finanzminister wollen wir uns dann aber doch auseinander setzen. - Herr Aller, gerade das Halbeinkünfteverfahren, das Sie vorsehen, zielt auf
eine Entlastung der Großen ab; denn die Entlastung eines Aktionärs bei der Dividendenbesteuerung ist umso größer, je höher sein Spitzensteuersatz ist. Jetzt machen Sie einmal dem kleinen Bürger in Salzgitter klar, dass er hinsichtlich seiner Dividende eine geringere steuerliche Entlastung erfährt als derjenige, der wie die Deutsche Bank oder die Allianz große Aktienpakete besitzt. Das können Sie gar nicht rüberbringen. Das ist eine horrende Ungerechtigkeit.
Eine weitere Ungerechtigkeit besteht in der Besteuerung und der Entlastung bei thesaurierten Gewinnen, die im Unternehmen verbleiben. Diese Ungerechtigkeit führt faktisch dazu, dass sich der BDI freut; denn die großen Kapitalgesellschaften können viel Kapital im Unternehmen belassen. Aber der von Ihnen eben zitierte Mittelständler mit einem Jahreseinkommen von 60.000 bis 100.000 DM würde dann, wenn er diesen geringen Steuersatz für sich in Anspruch nehmen wollte, mit seiner Familie bei vollen Kassen verhungern, weil er diesen Steuersatz nur dann in Anspruch nehmen kann, wenn er das Geld im Unternehmen lässt. Eine solche Politik der Ungleichbehandlung kann doch nicht richtig sein!
Lieber Herr Plaue, Sie können natürlich so populistisch auftreten wie Sie wollen. Der Mittelstand hat Ihnen zum Teil die Hand gereicht und anschließend festgestellt, dass ihm an seiner Hand drei Finger fehlen.
Sie müssen auch einmal bedenken, was in den letzten Wochen in Deutschland abgelaufen ist: Der Verlustausgleich wurde geändert. Der Verlustabzug wurde begrenzt. Die steuerneutrale Übertragung von Wirtschaftsgütern wurde abgeschafft. Betriebsübergänge sind nicht mehr zum halben Steuersatz möglich. Die Betriebsfahrzeuge, wenn sie nur zu 1 % privat genutzt werden, sind nur noch zu 50 % vorsteuerabzugsberechtigt. Ich könnte jetzt noch weitere 20 rot-grüne Sünden gegenüber den mittelständischen Betrieben deutlich machen, aber - -
Herrn Plaue gestatte ich immer eine Zwischenfrage, weil er beim Thema Steuern wirklich noch hinzulernen kann. Bitte schön, Herr Plaue!
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass die Handwerksmeisterinnen und -meister Ihre Debatte über die Senkung des Spitzensteuersatzes überhaupt nicht mehr nachvollziehen können und dass dies ausschließlich eine Diskussion ist, die die Spitzenkräfte der Bundeshandwerksorganisationen gegen ihre Mitglieder organisieren?
Herr Plaue, ich kann Sie darüber aufklären, dass wir letzte Woche mit allen Hauptgeschäftsführern der Handwerkskammern in Niedersachsen und allen Präsidenten zusammen gesessen haben. Die Präsidenten und Hauptgeschäftsführer haben ohne Ausnahme gesagt, dass das Handwerk dringlichst eine Senkung der Einkommensteuersätze über den gesamten Verlauf der Progression brauche. Sie können aber nur senken, wenn Sie auch den Spitzensteuersatz senken; denn sonst gibt es einen geraden Steuerverlauf, der mit unserer Verfassung kaum vereinbar ist. Das heißt, eine Senkung der Einkommensteuersätze ist nur durch die Senkung des Spitzensteuersatzes möglich.
Wir sehen natürlich auch die Senkung des Eingangsteuersatzes auf 15 % vor - allerdings zu einem früheren Zeitpunkt als Sie.
Wie Sie den Mittelstand entlasten und den hohen Steuersatz für die Spitzenbesteuerung beibehalten wollen, müssten Sie wirklich einmal in einem Seminar vortragen. Es wäre sicherlich sehr spannend für das Auditorium, von Ihnen zu erfahren, wie das gehen soll. - Vielen Dank.
und Finanzen mit dem Antrag und den Änderungsanträgen federführend zu befassen und den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr mitberatend zu beteiligen. Gibt es andere Vorstellungen? - Die sehe ich nicht. - Das ist so beschlossen.
Die Fraktionen sind übereingekommen, den nächsten Tagesordnungspunkt wie vorgesehen noch vor der Mittagspause zu beraten.
Tagesordnungspunkt 21: Erste Beratung: Regierungskonferenz 2000 - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/1482
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den Parlamenten der Bundesrepublik Deutschland wird nach meiner Einschätzung viel zu wenig über Europa geredet. Es wird deshalb zu wenig darüber geredet, weil auch bei uns noch nicht - jedenfalls nicht mit der richtigen Konsequenz - die Tatsache angekommen ist, dass in der Diskussion über die Verlagerung von Zuständigkeiten auf die staatlichen Ebenen noch nicht die richtigen Konsequenzen und zureichenden Antworten auf die Frage gefunden worden sind, wie viele Aufgaben inzwischen von der bundesstaatlichen Ordnung auf die europäischen Institutionen verlagert worden sind.
Meine Damen und Herren, die Europäische Union, mit der wir uns seit vielen Jahren auseinander setzen, ist an einem Wendepunkt ihrer Entwicklung angelangt. Mit der in wenigen Jahren bevorstehenden Erweiterung der Union um bis zu zwölf weitere Mitgliedstaaten wird sich die neue Europäische Union - regionalpolitisch betrachtet - über das alte historische Gebilde Europa erstrecken. Selbst die Schweiz und Norwegen, die eigentlich Europa etwas skeptisch gegenüberstehen - die einen von Grundsatz her, die anderen aus aktueller Betroffenheit -, haben über Kooperationsmechanismen Zugang zur Europäischen Union gefunden.
Mit den Beschlüssen von Tampere und Helsinki in der EU ist deutlich geworden, dass Handlungsaufträge und Gestaltungsspielräume dieser Institution
verändert und neu entwickelt werden sollen. Wir haben dabei auch die Erarbeitung einer Grundrechtscharta im Blick und sehen, dass damit die Beziehungen des europäischen Wertesystems neu diskutiert und sortiert werden sollen.
Meine Damen und Herren, manchen Menschen macht diese Entwicklung Sorgen. Der Bayerische Ministerpräsident Stoiber z. B. hat vor einer schleichenden Aushöhlung der föderativen Ordnung des Landes gewarnt. Ich halte solche starken, markanten Äußerungen für weit überzogen. Ich kann nur eines sagen: Wenn wir nicht den parteiübergreifenden Konsens, den es jedenfalls in den letzten zehn bis 15 Jahren gegeben hat, aufrechterhalten und alle gemeinsam Ja zu Europa sagen, wird dieses Projekt Europa auch in den Augen der Bevölkerung nicht die Bedeutung bekommen, die es verdient, sondern es wird vielmehr zu Angst führen, statt etwas über die Chancen zu sagen, die diese Entwicklung für uns alle hat, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir stehen zu Europa. Für uns gibt es in der Europapolitik keine Ausgrenzung, keine Isolierungen und keine Schwächung föderativer Strukturen. Wir wollen ein Europa, in dem die Bundesländer nicht nur einen Anteil, sondern einen mitbestimmenden Anteil an der staatlichen Ordnung haben bzw. ihn dort, wo er noch zu entwickeln ist, bekommen.
Wir akzeptieren und stützen die Rolle Europas insbesondere als ein Partner bzw. eine Partnerin in der Frage, wie wir unser Land entwickeln können. Wir wollen stärker an der Formulierung der Positionen in Europa mitwirken.
Meine Damen und Herren, um es deutlich zu sagen: Wir wollen in Zukunft in Europa eine stärkere, eine offensivere Rolle spielen. Deshalb - das sage ich auch an dieser Stelle - ist es richtig, dass wir dies in Niedersachsen dadurch dokumentieren, dass wir einen Minister für Europafragen in die Landesregierung aufgenommen haben.
Meine Damen und Herren, die Europäische Union hat vor wenigen Wochen zwei wichtige Projekte zur Weiterentwicklung ihrer Vertragsgrundlagen begonnen: zum einen die Erarbeitung einer Europäischen Grundrechtecharta - ich habe bereits eingangs darüber gesprochen, allerdings möchte ich im Weiteren nicht darauf eingehen -; zum
anderen ist die Regierungskonferenz 2000 ein weiterer wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der europäischen Integration.
Beide Projekte sollten bis zum Ende des Jahres abgeschlossen sein. Ihnen kommt für die weitere Entwicklung Europas zentrale Bedeutung zu. Deshalb sage ich ganz klar und deutlich: Die Länder müssen sich zu dieser Regierungskonferenz verhalten. Sie müssen eigene Positionen in diese Diskussion einbringen, wenn sie nicht ausgeblendet werden sollen, und wenn wir es nicht erleben wollen, dass letztendlich die Bundesregierung bzw. die Landesregierungen über unsere Interessen mit beschließen. Dies, meine Damen und Herren, kann nicht im Sinne einer aktiven landespolitischen, durchsetzungsfähigen Kraft eines Landesparlaments sein. Deshalb wäre ich sehr dankbar, wenn es uns gelänge, diesen Diskurs fraktionsübergreifend und zielgerichtet miteinander zu entwickeln.
Ich hoffe, meine Damen und Herren, dass sich die Oppositionsparteien im Landtag an dieser Diskussion beteiligen. Wie ich gehört habe - jedenfalls habe ich manchmal mit Bedauern diesen Eindruck -, ist die größte der beiden Oppositionsparteien, zumindest auf bundespolitischer Ebene betrachtet, mehr und mehr auf dem Weg weg von der Zustimmung, die ihr alter Bundeskanzler über die 16 Jahre seiner Regierungszeit organisiert hat. Ich bin sehr interessiert daran, zu erfahren, ob die neue CDU - jedenfalls das, was uns als neu verkauft wird - etwa auf europäischer Ebene in den Fragen der europäischen Zusammenarbeit anfängt, mit uns mehr über Populismus denn über Praktikabilität zu diskutieren.
Meine Damen und Herren, es geht um die Funktionsfähigkeit und die Reform der europäischen Institutionen. Dazu gehört die Europäische Kommission, die schon jetzt eine Größenordnung angenommen hat, die durchaus als bedenklich anzusehen ist und die Abstimmungsprozesse innerhalb der Kommission immer schwieriger werden lässt. Wenn Sie die Entwicklung hochrechnen, werden Sie feststellen, dass durch das Hinzukommen neuer Länder in die Europäische Union die Kommission - wenn das bestehende Verfahren beibehalten würde - eine Kopfzahl erreichen würde, die die Arbeitsunfähigkeit dieses Gremiums endgültig zementieren würde.
Meine Damen und Herren, das heißt im Klartext: Wir müssen die Anzahl der Kommissare und Kommissarinnen in Europa beschränken. Das wird nicht gehen, ohne dass die großen europäischen Länder auf das Recht verzichten, zwei Kommissare bzw. Kommissarinnen zu benennen. Wenn wir das feststellen, sind wir automatisch bei der Frage der Gewichtung der Stimmen angelangt. Wenn man sich diese einmal anschaut, wird klar, dass die großen europäischen Länder von der Bevölkerungszahl her betrachtet deutlich mehr als die Hälfte der Bevölkerung innerhalb der EU repräsentieren. Umgekehrt wären aber die kleineren Mitgliedstaaten, die sozusagen die Minderheit der Bevölkerung darstellen, bei einer Benennung der Kommissare nach einem anderen Verteilungsmaßstab in der Lage, Mehrheitsentscheidungen dieser Kommission zu präjudizieren.
Das kann nicht sein, das darf nicht sein, zumindest dann nicht, wenn in entsprechende Rechte der Mitgliedsländer eingegriffen wird. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass es eine schlankere und entscheidungskräftigere Kommission gibt, die mit gestaffelten Stimmrechten ausgestattet ist, um eben den großen Ländern die Möglichkeit zu geben, ihre Interessen dort gewichtet durchzusetzen. Täte man das nicht, könnte man schon auf den Gedanken kommen, zu fragen, warum denn ausgerechnet ein Bundesland wie Niedersachsen mit immerhin 7,8 Millionen Einwohnern nicht durch einen Kommissar in Europa vertreten ist, ein anderes europäisches Land mit gleicher oder geringerer Größe aber mit einem Kommissar dort vertreten ist. Dieser Vergleich macht deutlich, meine ich, dass es dort eine Stimmgewichtung geben muss, meine Damen und Herren.
Das bezieht sich natürlich auch auf den Rat, auf die Ratsentscheidung. Ich meine schon, dass das Einstimmigkeitsprinzip, von dem sich die Europäische Union ja jedenfalls in Teilen verabschiedet hat, auch in weiteren Bereichen der Entscheidungskompetenzen abzubauen bzw. zurückzuführen ist. Die einstimmige Entscheidung, die in der Vergangenheit wichtig war, um überhaupt die Akzeptanz für dieses neue Gebilde zu erreichen, sollte in Zukunft auf wenige Bereiche beschränkt bleiben. Das Mehrheitsprinzip sollte auch in der Entscheidung der Europäischen Union seinen Durchbruch finden. Natürlich dürfen keinem Land grundlegende Veränderungen des Vertragstextes der EU durch Mehrheitsentscheidung aufgezwungen werden. Natürlich dürfen keinem Land haushaltsrelevante Entscheidungen durch Mehrheitsentscheidung
aufgezwungen werden. Aber darüber hinaus, meine ich, gibt es nur noch ganz wenige Punkte, bei denen man nicht zum Mehrheitsprinzip kommen kann. Deshalb müssen an der Stelle - der Auffassung bin ich - die europäischen Beziehungen neu geordnet werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Zu den inhaltlichen Zielen des Landes für die Regierungskonferenz haben wir schon einiges gesagt. Wir können das in den Diskussionen in den Ausschüssen des Landtags noch entsprechend erweitern.