„Niedersachsen hat im vergangenen Jahr, ebenso wie schon 2004, im Standortwettbewerb der Länder an Boden verloren.“
Das, meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, ist die Wahrheit und nicht die eher peinliche Überschrift des gestern von der FDP-Fraktion zur Aktuellen Stunde eingebrachten Themas zur Jugendarbeitslosigkeit. Niedersachsen ist eben nicht die Nummer eins - weder bei der Arbeitslosigkeit der unter 25-Jährigen noch in den Disziplinen, die über die Zukunftsfähigkeit unseres Landes entscheiden.
Sie haben abgewirtschaftet. Sie rutschen im Ranking der Bundesländer ab. Beim Wirtschaftswachstum der Jahre 2000 bis 2005 nimmt Niedersachsen vor Berlin und Mecklenburg-Vorpommern den schlechtesten Platz aller 16 Bundesländer ein.
Im vergangenen Jahr ging eine Pleitewelle über das Land. Die Zahl der Gewerbeanmeldungen ist ebenso zurückgegangen wie die Zahl der Patentanmeldungen. Hierbei liegt Niedersachsen mittlerweile weit unter dem Bundesdurchschnitt. Aber die Anmeldung von Patenten ist doch das Resultat der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit eines Betriebes, kurz gesagt: seiner Innovationsfähigkeit.
Die von der Landesregierung in Auftrag gegebene SWOT-Analyse des NIW hat hier eine klare Schwäche des Landes aufgezeigt. Außerhalb des Fahrzeugbaus ist die FuE-Intensität stark unterdurchschnittlich. Zusätzliche Jobs, meine Damen und Herren, entstehen aber vornehmlich in innovativen Unternehmen. Hiervon gibt es in Niedersachsen leider viel zu wenige, und eine Trendwende kann ich leider nicht erkennen.
Diese Zahlen und ihr Zusammenhang machen das ganze Dilemma niedersächsischer Wirtschaftspolitik deutlich. Die langfristige Sicherung von Wachstum und Beschäftigung in Niedersachsen ist nur durch eine Verstärkung der Innovationen möglich. Hierzu brauchen wir überhaupt erst einmal eine Vorstellung davon, in welchen Wachstumsfeldern sich Niedersachsen entwickeln soll.
Wir brauchen eine gezielte und wirksame Förderung von Schlüsseltechnologien wie z. B. der Brennstoffzelle oder der regenerativen Energien.
Wir brauchen eine viel stärkere Vernetzung zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Wir brauchen ein ganzheitliches Mittelstandskonzept zur Stärkung der Innovationsfähigkeit. Wir brauchen auch mehr Risikokapital durch die NBank, damit niedersächsische Unternehmen bessere Vermarktungschancen für ihre Innovationen haben.
Meine Damen, meine Herren, die Weltwirtschaft hat sich in einer dramatischen Geschwindigkeit verändert. Immer mehr Branchen, wie z. B. die Automobilzulieferindustrie, verlagern erst ihre Produktion, später auch ihre Forschung und Entwicklung vornehmlich ins osteuropäische Ausland. Das wirklich Dramatische an dieser Entwicklung ist aber, dass es in wenigen Jahren gar nicht mehr um die Lohnkosten gehen wird, die anderswo noch geringer sind. Viel wichtiger ist unser Know-how, und das droht verloren zu gehen, meine Damen und Herren. Es ist eben kein Naturgesetz, dass deutsche Ingenieure und Facharbeiter ihren Kollegen in anderen Ländern fachlich überlegen sind. Wir erleben einen rasanten technologischen Aufholprozess in Ländern wie Indien und China. Und was ist Ihre Antwort darauf? - Es gibt keine. Ich fürchte, diese Regierung sieht noch nicht einmal das Problem. Diese Regierung meint, das werde die Wirtschaft schon selbst regeln. Wenn wir nichts tun, meine Damen, meine Herren, dann wird es auch so sein. Aber diese deutsche Wirtschaft wird sich dann aus dem Standort Deutschland weitestgehend verabschiedet haben.
Wir dürfen dieses nicht einfach zur Kenntnis nehmen. Wir sind aufgefordert, hier zu handeln. Wir müssen zurück an die Spitze der technologischen Entwicklung, um unsere wirtschaftliche Stellung und damit den Wohlstand in unserem Lande langfristig erhalten zu können.
- Ja, ich weiß, dass er da ist. - Aber wenn es darum geht, entsprechende Akzente zu setzen, dann können zumindest wir keine Handschrift erkennen.
Das sieht man auch, meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, wenn man sich den Bericht des NIW zur „Bildung und Qualifizierung in Niedersachsen“ anschaut, der kürzlich an die Öffentlichkeit gekommen ist. Dieser Bericht belegt den eklatanten Handlungsbedarf im Bereich von Schule und Hochschule; wir haben eben darüber gesprochen. Ich erwarte, dass der Wirtschaftsminister auch dabei auf seine Kollegen im Kultus- und Wissenschaftsministerium Einfluss nimmt.
Der wirtschaftliche Erfolg eines Landes ist eine ressortübergreifende Aufgabe. Die gezielte Förderung praxisorientierter Innovationen und die Ausschöpfung aller Qualifizierungspotenziale sind die Schlüssel für eine erfolgreiche ökonomische Entwicklung. Wenn wir auf diesen Gebieten nicht zu den Besten gehören, haben wir unsere Zukunftsfähigkeit verspielt.
Meine Damen, meine Herren, aus früheren Wahlkämpfen kannten wir den CDU-Slogan „Wo die CDU regiert, geht es den Menschen besser“.
Macht man dies aber an der Einkommensentwicklung in Niedersachsen fest, dann ist es leider genau umgekehrt. Das niedersächsische Verdienstniveau lag 2006 sage und schreibe 4,1 % unter dem Bundesdurchschnitt. Damit wir uns an dieser Stelle auch richtig verstehen: Im EXPO-Jahr 2000 betrug dieser Unterschied nur 1,2 %. Das heißt ganz klar: Sie kosten die Menschen in Niedersachsen bares Geld. Sie machen die Menschen in Niedersachsen ärmer.
Da hilft auch ein Niedersachsen-Kombi nicht, bei dem Sie unbedingt Vorreiter sein wollten. Wir wissen, dass bis zum 31. August 321 Personen gefördert worden sind. Die 1 000 Personen, die Sie sich selbst zum Ziel gesetzt haben, werden wohl kaum zu erreichen sein. Entscheidend aber ist, dass es an der Passgenauigkeit des Niedersachsen-Kombi hapert. 71 % der Geförderten - das kann man Ihrer Statistik entnehmen - waren eben nicht unter 25 oder über 50 Jahre alt, d. h. sie gehörten nicht zur Kerngruppe der zu Fördernden. Hier liegt also ein klassischer Fall von Fehlsteuerung vor.
Es hat doch auch einen Grund, warum Jugendliche und Ältere als Zielgruppen definiert worden sind. Es ist doch nicht so, dass wir einem 30- oder 40-Jährigen keinen geförderten Job gönnen würden. Wir können doch aber einen flächendeckenden Kombilohn wirklich nicht wollen; denn wir können ihn auch nicht finanzieren.
Wir brauchen Menschen, die von ihrem Einkommen leben können, die von ihrer Arbeit leben können, wenn sie 8, 9 oder 10 Stunden täglich arbei
ten. Selbst die Arbeitgeber fordern nun kräftige Lohnerhöhungen für die Beschäftigten. Es geht dann doch in die falsche Richtung, wenn sich Langzeitarbeitslose, die sich im Zenit ihrer Leistungsfähigkeit befinden, mit Löhnen auf McDonald‘s-Niveau abspeisen lassen sollen.
Deutschland muss ein Hochlohnland bleiben. Ansonsten droht uns ein Rückfall auf das Niveau von Schwellenländern.
Meine Damen und Herren, Sie haben bei der Einführung des Kombilohns leider vergessen, das Thema Mindestlohn anzugehen. Ich darf in diesem Zusammenhang noch einmal an unsere gemeinsame Bundeskanzlerin erinnern, die dem Spiegel am 9. Januar 2006 sagte - ich zitiere -:
„Deshalb muss jede ernsthafte Debatte über Kombilöhne eine zweite Frage beantworten, nämlich die Frage des Mindestlohnes. Es ist natürlich nicht hinnehmbar, wenn Tariflöhne beliebig sinken. Wir wollen schließlich Arbeitsplätze schaffen und keinen Selbstbedienungsladen für findige Unternehmer eröffnen.“
Schöner und zutreffender kann man es, wie ich glaube, nicht formulieren. Leider scheint das nicht in das Bewusstsein der Niedersächsischen Landesregierung gedrungen zu sein. Immer mehr Menschen in Deutschland und auch in Niedersachsen haben kein auskömmliches Einkommen mehr und sind auf ergänzende staatliche Leistungen angewiesen. Immer mehr Menschen befinden sich in prekären Arbeitsverhältnissen.
Herr McAllister hat gestern von den Infrastrukturprojekten berichtet, die das Land finanzieren wird. Er sprach vom Forschungsflughafen Braunschweig, vom Seehafen Brake und von den Planungskosten für die Autobahn A 22.
Ich sage für die SPD-Fraktion ausdrücklich: Alle diese Projekte unterstützen wir natürlich. Sie sprachen aber auch vom Haushaltsansatz für den Tiefwasserhafen. Das wichtigste Infrastrukturprojekt Niedersachsens ist zweifellos der JadeWeserPort. In den Jahren 2009/2010 soll er in Betrieb gehen. In jedem Haushaltsplanentwurf der letzten
Jahre ist aber auch zu lesen gewesen, dass der anstehende Investitionsschwerpunkt wieder um ein Jahr verschoben wird. Als Gründe wurden stets Schwierigkeiten beim Planungsfortschritt oder umweltschutzrechtliche Belange angeführt. Der Fertigstellungstermin hingegen, Frau Ortgies, soll nicht gefährdet sein. Herr Hirche, wir hoffen für Niedersachsen, dass diese Gründe nicht nur vorgeschoben sind. Ich hoffe, dass der Hafen spätestens in fünf Jahren tatsächlich ans Netz gehen wird.
Die Steigerung besonders des Containerverkehrs um jährlich mindestens 10 % erfordert neben den genannten Investitionen für den JadeWeserPort aber auch weitere Investitionen für unsere Häfen in Emden, Cuxhaven, Stade-Bützfleth und Wilhelmshaven.
Es ist wichtig, dass wir unsere Vorhaben deutlich beschleunigen. Wir können es uns nicht länger leisten, dass die Umsetzung wichtiger Infrastrukturprojekte von der Planung bis zur Fertigstellung Jahrzehnte in Anspruch nimmt.
Der Bereich der maritimen Wirtschaft ist der größte Wachstumsbereich in Niedersachsen. Es ist für Niedersachsen ein positiver Ausfluss der Globalisierung, dass der Seehandel boomt. Niedersachsen muss als Küstenland daran teilhaben und darf die nötigen Investitionen nicht auf die lange Bank schieben.
„Investitionen“ ist natürlich ein Stichwort, das in keiner Haushaltsrede fehlen darf. Die Investitionen des Landes sind zu gering. Sie sind zu gering, um das Landesvermögen zu erhalten, und sie sind zu gering, um die heimische Wirtschaft zu stimulieren. Niedersachsen ist mit einer Investitionsquote von 7 % Schlusslicht in Deutschland. Das haben Sie zu verantworten.
Wenn man in die mittelfristige Finanzplanung schaut, stellt man fest, dass auch perspektivisch keine Besserung in Sicht ist. Ganz im Gegenteil, im Jahr 2010 wollen Sie nur noch 6,4 % der Ausgaben investiv einsetzen. Die Menschen in Niedersachsen - das will ich Ihnen an dieser Stelle sagen - können nur hoffen, dass Sie im Jahre 2010
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin mir sicher, dass Sie hier gleich ausführen werden, dass dies alles nicht stimme