Protokoll der Sitzung vom 17.09.2003

Herr Gabriel, manchmal könnte ich Sie knuddeln.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Bei aller per- sönlichen Sympathie - so weit geht die Liebe nicht!)

- Bei mir auch nicht, Herr Gabriel.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Ich habe auch Ihr Horoskop!)

- Sie haben es eben vorgelesen. Ich bin auch Steinbock. Ich habe nur nicht gemerkt, dass das auf David und mich gleichermaßen zutrifft.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Mein Bei- leid!)

- Ich bin darüber sehr froh; denn mit David ist das schon eine gute Partnerschaft. Wenn wir dasselbe Horoskop haben - ich glaube zwar an den Kram nicht, aber es macht immer wieder Spaß, darüber in der Bild-Zeitung zu lesen.

Sie haben gefordert, wir sollten entsprechend kürzen. Wir reden vom Abbau der Subventionen in der Landwirtschaft. Wir reden über den Verzicht auf freiwillige soziale Leistungen in der Arbeitsbeschaffung, bei der Nichtsesshaftenhilfe und bei den Geldleistungen für Aussiedler. Wir wollen die Toto/Lotto-Konzession bei der Wohlfahrtspflege und im Sport deckeln. Wir wollen bei der Erwachsenenbildung eingreifen. Wir wollen die Zuschüsse für Dorferneuerungs- und Konversionsprogramme kürzen und im Umwelt- und Gewässerschutz sparen. - All das habe ich Ihrem Papier entnommen, das Sie auf dem Landesparteitag durchgedrückt haben. „Gerechtigkeit braucht solide Finanzen, solide Finanzen brauchen Gerechtigkeit“, Ministerpräsident Sigmar Gabriel zur Finanzplanung 2003 bis 2006, so beschlossen im Dezember letzten Jahres.

Jetzt stellen Sie sich hier hin und reden von Haushaltslüge. Sie haben dies alles in das Papier geschrieben, beweinen jetzt aber jede einzelne Kürzung. Sie müssen sich wenigstens ein Jahr lang einmal an das halten, was Sie auf Ihrem Parteitag durchgesetzt haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben zwei Monate vor der Wahl in dieses Papier geschrieben: „All diese Aufgaben und Verpflichtungen haben wir vor uns. Ich will und werde ihnen nachkommen.“ Sie haben Ihre Partei noch beschließen lassen, dass Sie all Ihren Verpflichtungen nachkommen wollen, obwohl Sie wussten die November-Steuerschätzung war vorbei -, dass es hinten und vorne nicht mehr finanzierbar war. Wir als CDU-Fraktion als Opposition mit den bescheidenen Mitteln einer Oppositionsfraktion haben Ihnen die Steuerausfälle für 2002, 2003 und

2004 genau vorgerechnet. Wir waren noch ein bisschen zu optimistisch, aber wir haben gesehen, dass es bergab geht. Und wir haben damals gefordert: Handelt.

Mit dem Haushalt 2003 und 2004 haben wir jetzt angefangen zu handeln, und wir werden weitermachen. Sie haben nicht gehandelt. Die Einnahmeerwartung in diesem Papier war um eine Milliarde höher als Ihre eigene Steuerschätzung vom November. Das heißt, Sie haben Ihre Partei etwas beschließen lassen, was um eine Milliarde neben der offiziellen Steuerschätzung lag. Das halte ich schon für eine Haushaltslüge.

Sie haben eben gesagt: Was redet man nicht alles für Dummheiten außerhalb des Landtages. Darauf muss man nicht unbedingt Wert legen.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Nein, da darf man Fehler machen!)

Sie haben am 1. September eine Presseerklärung herausgegeben, in der stand, dass die Mehrwertsteuer auf Gärtnereiprodukte auf 16 % erhöht werden muss, und jetzt sagen Sie: Was schreibt man nicht alles in eine Presseerklärung hinein?

(Sigmar Gabriel [SPD]: Das steht nicht drin!)

- Natürlich steht es drin. - Ich erwarte, wenn ich eine Zeitung lese, dass ich objektiv informiert werde. Wenn eine Zeitung mich objektiv informieren will, muss sie erwarten können, dass sich jemand an seine Aussagen in einer Presseerklärung mindestens einen Monat lang hält und nicht hinterher behauptet, es hätte gar nicht drin gestanden.

Sie werfen uns vor, einen Schattenhaushalt zu führen. Wir haben keinen Schattenhaushalt, sondern wir weisen alles offen aus. Aber wir finanzieren Krankenhausneubau und Krankenhaussanierung wenigstens noch, weil es dringend erforderlich ist und weil wir einen Reparaturstau ohne Ende haben. Weil wir das über die LTS, die Landestreuhandstelle, finanzieren, ist auch die Tilgung am Ende der Finanzierung sichergestellt, was beim Landeshaushalt nicht der Fall wäre. Deshalb ist das kein Schattenhaushalt, sondern Ehrlichkeit.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von der SPD: Ein Nebenhaushalt!)

- Nein, es ist eine Kontinuierlichkeit der Finanzierung; meinetwegen nennen Sie es auch Nebenhaushalt. Wir können nicht mehr machen, als es

offen auszuweisen und es Ihnen offen zu sagen. Sie können entscheiden, ob Sie diesen Weg, der im Haushaltsplan dokumentiert ist, mitgehen wollen. Wenn der Landtag es so beschließt, werden wir es so machen. Wenn Sie einen anderen Vorschlag haben und dafür eine Mehrheit bekommen, machen wir auch etwas anderes.

Ich verstehe überhaupt nicht, dass Sie sich hier hinstellen und darüber reden. Sie haben uns einen Fehlbetrag von 386 Millionen Euro hinterlassen. Obwohl Sie am 15. Dezember einen Nachtragshaushaltsplan mit 2,95 Milliarden Euro Nettokreditaufnahme beschlossen haben und obwohl Sie wussten, dass dieser Fehlbetrag kommt, haben Sie der Bevölkerung und uns als Parlament nicht die Wahrheit gesagt, dass Sie nämlich tatsächlich weit mehr als 3 Milliarden Euro brauchten. Am Ende des Jahres, fünf Tage vor Kassenschluss - am 15. Dezember haben Sie den Haushalt hier beschlossen, wir haben nicht mitgestimmt, am 20. Dezember ist Kassenschluss -, weiß ich doch, dass mir noch 386 Millionen Euro fehlen. Vielleicht weiß ich es nicht auf den letzten Euro genau, aber ich weiß zumindest, dass mir ein Betrag in dieser Größenordnung fehlt.

Wenn Sie uns hier empfehlen, die Reformvorhaben von Eichel im Bundesrat durchzuwinken, halte ich mich erst einmal an das Sprichwort meines alten Chefs: Unsinn ist immer verkehrt. Deshalb werden wir dieses nicht beschließen.

(Beifall bei der CDU)

Zweitens ist das, was Eichel vorgelegt hat, nicht geeignet für die Sanierung der Kommunen und der Länder, sondern das sind Luftbuchungen, die er in den Bundeshaushalt eingestellt hat. Er will, dass wir das jetzt nachvollziehen, damit sein Haushalt gedeckt wird. Das aber kann nur fehlerhaft sein, weil für Niedersachsen vieles - das haben Sie hier bereits in der letzten und vorletzten Sitzung gesagt - schädlich ist. Deshalb werden wir dem so nicht zustimmen.

Eines darf auf keinen Fall passieren: Auf keinen Fall dürfen sich einzelne Länder über die GA kaufen lassen können. Genau dieser Fehler ist mit Blick auf die Körperschaftsteuer gemacht worden. So kann es nicht gehen.

(Beifall bei der CDU)

Wir brauchen für das Steuerrecht eine solide Gesamtkonzeption. Deshalb haben wir ein Sofortpro

gramm für die Kommunen angeregt. Ab heute haben wir darüber hinaus 15 Monate Zeit, um ein vernünftiges Steuergesetz auf die Beine zu bringen, das vom Bund und vom Land gerechnet und gegengerechnet worden ist und auf soliden Beinen steht. Dann kann man ein vernünftiges Steuerrecht erlassen, das ein paar Jahre hält. Es gibt derzeit doch keinen Steuerberater, der zufrieden ist; denn er weiß nicht, wie er seine Mandanten beraten soll. Ein solches Chaos hat es noch nie gegeben. Er kann nicht sagen: So ist es auch noch in einem Monat oder in zwei Monaten. - Dann fragt der Mandant: Jetzt willst du auch noch Geld dafür haben, dass du nicht weißt, wie es ist? - Das kann es wohl nicht sein.

Deshalb brauchen wir hier Verlässlichkeit; denn wenn wir Wirtschaftswachstum haben wollen, dann brauchen wir mehr Arbeit und mehr Investitionen. Mehr Arbeit und mehr Investitionen werden wir aber nur bekommen, wenn die Leute verlässlich wissen, dass die heute geltenden Steuergesetze auch dann noch gelten werden, wenn mit den getätigten Investitionen Geld verdient werden kann. Es kann doch niemand sein eigenes oder auch geliehenes Geld in ein Projekt investieren, wenn er nicht weiß, ob er am Ende bei vernünftiger Vorhersage wenigstens die Chance hat, Geld zu verdienen, um damit das investierte Geld zu refinanzieren oder um damit eine gewisse kleine Rendite zu erzielen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie beklagen hier die Mischfinanzierung, Herr Gabriel. Wir müssen doch jetzt all das reparieren, was Sie in Sachen Mischfinanzierung versprochen haben. Sie wollten ein Schulbausanierungsprogramm auflegen. In den Haushaltsplan hatten Sie dafür aber nicht einen einzigen Cent eingesetzt. Sie haben ein Sozialarbeiterprogramm aufgelegt, um damit die Finanzierung bestimmter Maßnahmen anzuschieben. Die Verordnung tritt am 31. Dezember 2003 außer Kraft. Sie haben für drei Jahre eine Mischfinanzierung vorgesehen, wohl wissend, dass Sie nicht weiter bezahlen können. Wir retten jetzt noch, was zu retten ist.

Ich möchte jetzt noch zwei oder drei Sätze zum Kollegen Möhrmann sagen. Ich weiß nicht, welches Sternzeichen er hat. Er kann sich das aber von Herrn Gabriel vorlesen lassen.

(David McAllister [CDU]: Habe ich doch schon gemacht!)

- Ach, hast du ja schon gemacht.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Sie müssen Ihrem Fraktionsvorsitzenden zuhören, wenn er etwas Wichtiges sagt!)

- Mache ich ja, wenn er etwas Wichtiges sagt. Wenn er Horoskope vorliest aber nicht, obwohl das immer wieder Spaß macht. Außerdem lügen die Sterne angeblich nicht. Man muss sich aber nicht daran halten.

Ich will Ihnen eines sagen, Herr Möhrmann. Natürlich ist das mit der globalen Minderausgabe - sagen wir einmal - nicht gerade das, was ich mir hätte vorstellen können. Wenn Sie aus dem letzten Haushalt eine Deckungslücke in Höhe von 386 Millionen haben, wo wir nur den Sollbetrag abbilden müssen, dann heißt das nicht, dass der Rest in Höhe von mehr als 230 Millionen Euro nicht kommt. Wenn wir dann sagen, dass wir die Hälfte dieser 220 Millionen auf die Häuser verteilen - das haben Sie nie gemacht - und die Häuser dafür verantwortlich machen, dass dieses Geld in 16 Monaten auch ankommt - es muss ja nicht am 1. Januar bereit stehen, sondern am 31. Dezember -, dann stehen diese Häuser vor einer riesigen Kraftanstrengung. Das ist uns sehr wohl bewusst. Sie werden diese Kraftanstrengung aber leisten müssen, weil das in den Haushalten schon abgesetzt ist und sie eben nicht mehr Geld haben. Sie können nicht mehr Geld ausgeben, weil die Häuser keine Kredite aufnehmen.

Jetzt noch ein Wort zu den Domänen. Dazu will ich Ihnen einmal Folgendes sagen: Wir haben natürlich Gespräche geführt. Bei Grundstückskaufverträgen ist es in der Regel aber so: Es werden die Verträge abgeschlossen. In diese Verträge kommt ein Vorbehalt hinein. Dann wird dem Landtag alles zur Genehmigung vorgelegt. Dann beschließt der Landtag das oder nicht. Schließlich wird das Geld vereinnahmt. In einen Haushalt muss man die erwartete Größenordnung aber hineinschreiben. Von uns kann aber kein Mensch verlangen, dass wir Ihnen die Interna der Klosterkammer und Einzelheiten der Meinungsbildung der Regierung schon jetzt erläutern. Wir werden die Verhandlungen zu Ende führen.

(Zuruf von Axel Plaue [SPD])

- Ich habe den Prozess gegen Frau Griefahn in Sachen Auskunftspflicht ja auch gewonnen. Das ist doch gar keine Frage. Der Staatsgerichtshof hat gesagt: Jawohl, sie hätte antworten müssen. - In einem anderen Fall, als ich gegen Herrn Waike geklagt hatte, hat der Staatsgerichtshof gesagt: Das ist ein Kernbereich der Landesregierung. Darüber braucht sie keine Auskunft zu geben. - Da habe ich verloren. Auf diesen Punkt ziehe ich mich jetzt zurück. So einfach ist das Leben. Sehen Sie einmal: Sie sind Architekt, ich bin Jurist. Ich weiß wenigstens, wie es geht.

(Beifall bei der CDU - Axel Plaue [SPD]: Sie glauben, es zu wissen! - Rebecca Harms [GRÜNE]: Jetzt noch was zum Haushalt, Herr Möllring! - Zurufe von der SPD)

- Das habe ich gar nicht anders gesagt.

Herr Möhrmann, wenn Sie uns auffordern, die Nettokreditaufnahme schneller abzubauen - nicht in 350-Millionen-Euro-Schritten, sondern in 400oder 450-Millionen-Euro-Schritten -, dann müssen Sie aber auch sagen: Zunächst einmal muss ich die globale Minderausgabe abbauen. Dann kann ich daran gehen. Beides geht nicht. Sie dürfen dann keine einzelne Kürzung mehr kritisieren; egal, wo gekürzt wird. Der Ministerpräsident hat Ihnen eben den breiten Reigen aufgezählt. Das machen wir alles nicht gern. Wir haben Weihnachten und Ostern nicht an einem Tag, sondern wir müssen Haushaltspolitik betreiben. Wir können nur das machen, was ich vorhin erläutert habe: Geld, das wir nicht haben, können wir nicht ausgeben. - Das ist die oberste Priorität. Das ist wie bei einem Nichtraucher. Wenn Sie Nichtraucher werden wollen, müssen Sie aufhören zu rauchen. Wenn Sie schuldenfrei werden wollen, müssen Sie aufhören, Schulden zu machen. So einfach ist das. Das ist banal und einfach. Sie müssen damit aber anfangen und dürfen sich das nicht immer nur für das jeweils nächste Jahr vornehmen und sagen: Silvester nächsten Jahres fange ich damit an. - Am nächsten Neujahr sagt man dann aber: Na ja, nächstes Silvester ist auch noch ein guter Zeitpunkt, sich das vorzunehmen. - Man muss damit schon irgendwann anfangen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Uns fehlende Ehrlichkeit im Hinblick auf die Lehrer vorzuwerfen halte ich für ein starkes Stück. Ich

habe vor der Wahl gesagt, dass wir 2 500 Lehrerstellen schaffen. Als ich gefragt worden bin, was passieren wird, wenn die Zahl der Schüler zurückgeht und sich der Schülerberg verkleinert, habe ich gesagt: Wir passen dann an. - Es ist nämlich wie folgt: Wenn die Zahl der Schüler steigt, brauchen wir mehr Lehrer. Wenn die Zahl der Schüler aber sinkt, brauchen wir weniger Lehrer. Darauf werden wir flexibel reagieren. Da wir wissen, dass die Zahl der Schüler in den Jahren 2005, 2006 und 2007 sinken wird, werden wir die Zahl der Lehrer entsprechend anpassen. Wir machen dies aber nur an den allgemein bildenden Schulen. An den berufsbildenden Schulen können wir eine solche Anpassung nicht vornehmen, weil die Zahl der Schüler dort nicht sinken wird. Deshalb muss die Zahl der Lehrer dort konstant bleiben. Wir haben von Schule eben eine andere Vorstellung als mancher von Ihnen. Bei uns ist die Schule für die Schüler da, nicht aber als Arbeitsplatz für Lehrer.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Gegen wen ging das denn?)

- Das ging gegen einige von Ihnen, gegen die GEW und sonstige, die meinen, dass man einen Arbeitsplatz bräuchte. Das ist es aber nicht. Lehrer sind dafür da, Schüler zu unterrichten. Wenn nicht so viele Schüler da sind, brauchen wir auch nicht ganz so viele Lehrer. Wenn wir in einem Jahr 50 von mehr als 69 000 wegnehmen, dann schreien Sie hier von „Bruch des Wahlversprechens“. Selbst aber schreiben Sie Papiere, in denen steht, dass Sie 2 500 Lehrerstellen streichen wollen. Sie müssen Ihre Argumentation schon voreinander bringen.

Jetzt zum Schluss, Herr Möhrmann. Ich hatte Ihnen ja schon gesagt, dass im Anhang die Rede von 1,77 Milliarden Euro ist, die Sie sparen wollen. Vorne aber heißt es „1,9 Milliarden Euro“. Sie haben gesagt, Sie hätten das berichtigt. Herr Möhrmann, man sollte seine eigene Vorlage schon ganz durchlesen. Eine Zahl haben Sie berichtigt, die andere aber nicht. Hier unten steht nämlich noch einmal „1,9 Milliarden Euro“. Sie müssen schon sauberer arbeiten.