Protokoll der Sitzung vom 10.07.2007

Sie lehnen das für Niedersachsen ab. Ich habe wenigstens die Hoffnung, dass es noch eine Verordnung geben wird. Aber eine gesetzliche Ermächtigung für eine solche Verordnung gibt es an keiner Stelle. Warum lehnen Sie gegenüber der Praxis in neun Bundesländern eine solche gesetzliche Normierung ab? - Das ist der erste Grund.

Der zweite Grund ist der, dass es im Bereich des Interhospitaltransfers - das steht so auch im schriftlichen Bericht - zu einer Rosinenpickerei kommen wird, wodurch der Regelrettungsdienst teurer wird. Das sind die Bedenken der Kassen und der Hilfsorganisationen. Sie handeln an dieser Stelle gegen einen einstimmigen Beschluss des Landesausschusses für den Rettungsdienst. Das muss Ihnen bewusst sein. Gegen die Position aller am Rettungsdienst Beteiligten liberalisieren Sie den Interhospitaltransfer. Diese Position, die zu Recht von allen im Lande abgelehnt wird, können wir nicht mittragen.

Zu den gewachsenen Strukturen der folgende Hinweis: Wir müssen gemeinsam vernünftige Regelungen formulieren, durch die verhindert wird, dass z. B. die Hilfsorganisationen, die mit ihren hauptamtlichen Kräften eine wesentliche Stütze

bei einem Massenanfall von verletzten Personen sind und die im Rettungsdienst sowie im Katastrophenschutz aushelfen, im Falle einer Ausschreibung auf ihren Investitionen sitzen bleiben und dass es bei einer Übergabe der Dienste an Organisationen wie FALCK - mit denen sollen Sie ja, hörte ich, gesprochen haben; diese kommen möglicherweise ins Land - zu einer Verschlechterung unseres Katastrophenschutzes kommt. Das kann nicht so einseitig im Gesetz geregelt werden, indem die gewachsenen Strukturen aufgegeben werden; denn damit würden wir die Hilfsorganisationen nicht nur brüskieren, sondern sie auch als Partner im Katastrophenschutz verlieren.

Des Weiteren möchte ich darauf hinweisen, dass Sie vor dem Hintergrund des Versprechens, das erst im Katastrophenschutzgesetz regeln zu wollen, die ehrenamtlichen Kräfte im Rettungsdienst bewusst weiterhin schlechter stellen als die Angehörigen freiwilliger Feuerwehren, weil sie nämlich nicht für ihre Einsätze vom Dienst unter Weiterzahlung der Bezüge freigestellt werden. Auch diese Position haben Sie abgelehnt. Sie wissen aus dem schriftlichen Bericht, dass wir uns in sieben gravierenden Punkten in großer Übereinstimmung mit der Fachöffentlichkeit befinden.

Diese Punkte gestatten es uns nicht, sehenden Auges derartige Verschlechterungen im Rettungsdienstgesetz mitzutragen. Das sind die Gründe für unsere Ablehnung. Meine Damen und Herren, wenn Sie es bislang noch nicht verstanden hatten, dann hoffe ich, dass es jetzt der Fall ist. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Professor Dr. Lennartz. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu dem Stichwort integrierte regionale Leitstellen, bunte Leitstellen hat Herr Bachmann schon etwas gesagt. Ob es jetzt der Erfolg der SPD war, dass die CDU auf den richtigen Weg gebracht worden ist, weiß ich nicht; das wage ich nicht zu sagen. Auf jeden Fall aber ist es ein Erfolg, dass in diesem Gesetz jetzt Kannregelungen und keine Soll

regelungen mehr enthalten sind. Wenn man das in Relation zu Ihrem ursprünglichen Ansatz stellt, Herr Schünemann, mit der Einführung des Digitalfunks acht bis zwölf bunte Leitstellen im Land zu errichten, dann ist das doch ein ziemlich großer Unterschied. Ich glaube, Sie haben einfach einmal persönlich oder im Kreise Ihrer Lieben - sprich: Ihrer Kabinettskollegen - Bilanz gezogen: Was haben wir eigentlich vor der nächsten Landtagswahl noch an Konflikten auf der Agenda, und welche wollen wir noch haben und welche nicht? Den wollten Sie nicht mehr haben. So würde ich das einmal einschätzen.

Fakt ist jedenfalls, dass man mit dieser Kannregelung gut leben kann; denn sie stellt sicher, dass eine Mehrheit der Kommunen als Träger der Rettungsdienstleitstellen freiwillig Ja sagen muss zu einer kooperativen oder bunten Leitstelle und dass auch die Zuständigkeiten in einer solchen Leitstelle nach den Funktionen getrennt bleiben würden. Das ist in Ordnung.

Der Grund, warum wir Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen, ist im Wesentlichen die Streichung der Regelung in § 5 - Stichwort „gewachsene Strukturen“. Um es denjenigen, die sich mit dieser Materie nicht so intensiv befasst haben, kurz zu beschreiben: Bei der Ausschreibung von Rettungsdienstleistungen sind bestimmte Kriterien zu beachten, die im Gesetz definiert sind, u. a. die Wirtschaftlichkeit des Anbieters. Nach dem jetzt geltenden Recht sind auch die sogenannten jeweils regional gewachsenen Strukturen zu berücksichtigen und zu beachten.

Interessanterweise gibt es gegen die Streichung dieser Regelung, die im ursprünglichen Gesetzentwurf nicht vorgesehen war, sondern erst als Ergebnis der Beratungen im Innenausschuss in der Beschlussempfehlung des Ausschusses auftaucht, Widerstand der gemeinnützigen Rettungsdienstanbieter, beispielsweise des Deutschen Roten Kreuzes, der Caritas, der Johanniter und der Malteser - um einige große Anbieter zu nennen. Aber es gibt in gleicher Weise Widerstand der privaten Rettungsdienstanbieter. Das müsste Sie, meine Damen und Herren von der CDU und von der Landesregierung, doch eigentlich stutzig machen.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Vor allem die FDP müsste das stutzig ma- chen! Aber die spielen alle mit ihren Handys!)

- Ja, auch die FDP müsste das eigentlich stutzig gemacht haben. Aber die FDP erklärt uns gleich noch - wahrscheinlich durch Herrn Bode -, weshalb sie dieser Streichung zustimmt. Der Punkt ist: Das, was Herr Bachmann schon zum Stichwort „Verknüpfung zwischen Rettungsdienstpersonalkapazitäten und Katastrophenschutzpersonalkapazitäten“ gesagt hat, ist einer der Gründe, die dafür sprechen, den Begriff der gewachsenen Strukturen beizubehalten.

Ich möchte jetzt gerne eine Passage aus dem Brief eines privaten Anbieters an den Ministerpräsidenten vom 26. Juni 2007 zitieren, die die Sicht der privaten Anbieter - ich glaube, der Brief ist repräsentativ - dokumentiert:

„als... das derzeitig gültige Niedersächsische Rettungsdienstgesetz... Anfang 1992 beschlossen wurde, waren die Fraktionen der CDU und FDP verlässliche Partner in der Wahrnehmung der Interessen der damals noch rund 50 privaten Leistungsanbieter im Rettungsdienst in Niedersachsen.... Zwar mussten wir als privater Leistungsanbieter erst das Verwaltungsund Oberverwaltungsgericht wiederholt anrufen, aber die Formulierung im § 5“

- Stichwort „gewachsene Strukturen“

„... schaffte die notwendige Rechtssicherheit...“,

um private Anbieter weiter im Markt zu halten. Inzwischen hat sich die Zahl der privaten Anbieter von 51 etwa halbiert.

Sie nehmen mit der Streichung dieser Regelung offensichtlich in Kauf - das ist ja im Vergleich zu Ihrer sonstigen Herangehensweise überraschend -, dass Sie sich nicht nur die großen gemeinwohlorientierten Anbieter, die ich eben genannt habe - auch das Deutsche Rote Kreuz unter Leitung von Herrn Horrmann, einem früheren CDU-Schulminister -, sondern auch die privaten Anbieter, die Sie ja ansonsten pflegen, zum Gegner machen. Ich frage mich: Warum haben Sie nicht die Fähigkeit, in diesem Bereich eine Korrektur anzubringen?

Es gibt noch einige andere Punkte, die für die Ablehnung des Gesetzentwurfs sprechen, z. B. Stichwort „Qualitätsstandards“. Herr Bachmann hat

bereits das Thema der Besetzung von Fahrzeugen beim qualifizierten und genehmigten Krankentransport angesprochen. Ich will dieses Thema nicht vertiefen, weil es schon dargestellt wurde. Die diesbezüglichen Formulierungen sind problematisch. Aber für unsere Begriffe ist der entscheidende Fehler, den Sie machen, dass Sie den Begriff der gewachsenen Strukturen streichen. Deswegen werden wir Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön. - Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Herr Kollege Bode das Wort. Bitte schön!

(Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Jetzt sind wir aber gespannt!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin über die unterschiedlichen Wahrnehmungen in Bezug auf diesen Gesetzentwurf nach dieser Zeit ganz erstaunt. Herr Bachmann, dass Sie hier auf einmal erklären, Sie würden den Gesetzentwurf wegen der teilweisen Herausnahme des Interhospitalverkehres aus dem Anwendungsbereich des Rettungsdienstgesetzes nicht mittragen, finde ich schon interessant.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Es sind insgesamt sieben Punkte!)

Im schriftlichen Bericht steht nämlich, dass Sie dem Gesetzentwurf nicht zustimmen könnten, weil den Forderungen, das Ehrenamt zu stärken und Regelungen zur Bewältigung von Großschadenslagen zu treffen, nicht nachgekommen worden sei. Im Ausschuss - das darf ich hier leider nicht zitieren - haben Sie sich diesbezüglich noch ganz anders verhalten.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Gu- cken Sie mal den Bericht insgesamt durch!)

Herr Bachmann, wir sollten immer bei der Ehrlichkeit bleiben.

(Zustimmung bei der FDP)

Herr Kollege Bode, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bachmann?

Nein, ich möchte im Zusammenhang vortragen.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Dann musst du nicht die Unwahrheit sagen!)

Wir haben im Rahmen der Beratungen zu diesem Gesetzentwurf einige Regelungen beschlossen, die zur Entbürokratisierung und zur Verbesserung der Leistungen für die Betroffenen beitragen. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur die Themen Bergrettung und Wasserrettung nennen. Wir haben erstmalig Vorgaben zur Mindestbesetzung der Krankenwagen in das Gesetz aufgenommen. Diese gab es bisher nicht. Wir haben vernünftige Regelungen für die integrativen und kooperativen Leitstellen getroffen. Wir haben Möglichkeiten für die Zusammenarbeit mit der Polizei geschaffen. Wenn wir einmal nach Oldenburg schauen, dann sehen wir, wie diese Entwicklungen weitergehen. Es gibt in anderen Bereichen virtuelle Leitstellen. Wir haben hier eine Diskussion angestoßen, die, meine ich, für alle Betroffenen sehr von Vorteil sein wird.

Wir haben nicht alle Mindestbestimmungen usw. aufgenommen. Das ist auch nicht sinnvoll. Denn wenn man an diesen Regelungen wieder etwas ändern will, ist es nicht sinnvoll, erst ein langwieriges Gesetzgebungsververfahren anlaufen lassen zu müssen, sondern es ist sinnvoller, über Verordnungen, Erlasse und untergesetzliche Regelungen Möglichkeiten zum Eingreifen zu schaffen.

Wir haben - das ist richtig - auf den Begriff der gewachsenen Strukturen verzichtet, Herr Dr. Lennartz, weil wir zum einen - das zum Aufbau des Rettungsdienstgesetzes - bewusst Überkapazitäten für den Katastrophenfall vorhalten, auch durch ehrenamtliche Organisationen. Das ist richtig und so gewollt. Zum anderen wollen wir aber durchaus Wettbewerb. Wir wollen es auch anderen Anbietern ermöglichen, in das System hereinzukommen. Deshalb kann jede Kommune selber entscheiden, ob sie die gewachsenen Strukturen als Ausschreibungskriterium verwenden will oder nicht. Die Kommune hat die Freiheit, darüber selber zu entscheiden.

Wir haben auf viele Schreiben reagieren müssen, in denen Befürchtungen über einen Qualitätsverlust geäußert worden sind. Damit haben wir uns besonders auseinandergesetzt. Insbesondere beim qualifizierten Krankentransport wird dies nicht eintreten; denn es gibt nach wie vor die Legaldefinition in § 2 des Gesetzes. In allen Bescheiden und Genehmigungen, die erteilt werden, werden diese Qualitätsstandards festgeschrieben. Das wird beim qualifizierten Krankentransport so sein. Das wird auch beim Interhospitalverkehr so sein, den wir nur eingeschränkt mit aufgenommen haben. Falls es vor Ort einmal Probleme geben sollte, wird das Innenministerium nach meiner festen Überzeugung rechtzeitig handeln. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Zustimmung bei der FDP)

Danke schön. - Herr Kollege Bachmann hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Sie haben anderthalb Minuten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Bode, lesen können Sie also auch nicht.

(Jörg Bode [FDP]: Das ist eine Frech- heit! - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Herr Bachmann!)

Ausweislich des schriftlichen Berichts steht in der Präambel das Thema der Ehrenamtlichkeit. Zu den einzelnen Punkten des Gesetzentwurfs finden Sie im Bericht das Thema der Hilfsfrist, das Thema der Ehrenamtlichen, das Thema „Keine Vorsorge bei einem Massenanfall verletzter Personen“, das Thema „Gewachsene Strukturen“, das Thema Interhospitalverkehr, das Thema „Qualifikation der Rettungsmittelbesatzungen“ und aus der Ausschussberatung auch das Thema Luftrettung. Dabei haben wir deutlich gemacht, dass das Land zwar für die Luftrettung zuständig ist. Herr Schünemann rühmt sich ja nach der Übergabe des Rettungshubschraubers Christoph 4 - den im Übrigen der Bund bezahlt hat -, dass er die Luftrettung perfekt organisiert. Aber das Sozialministerium und er streiten sich über die Frage, wer eigentlich die Landeplätze an den Kliniken zu finanzieren hat. Das überlässt man allein den Kommunen.

Aufgrund dieser Punkte, die nicht optimal geregelt sind, lehnen wir den Gesetzentwurf ab. Wenn Sie

lesen könnten, dann hätten Sie alles gelesen und eben nicht die Unwahrheit gesagt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Zur Antwort erteile ich Herrn Kollegen Bode das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Bachmann, ich empfehle Ihnen, genauer zuzuhören. Im Zusammenhang mit den Punkten in Ihrer Rede, die ich kritisiert habe, habe ich lediglich den Interhospitalverkehr angesprochen. Im schriftlichen Bericht stehen als Gründe, die Sie im Ausschuss dafür genannt haben, dass die SPD-Fraktion dem Gesetzentwurf nicht zustimmen kann - ich zitiere -:

„weil den Forderungen aus dem Entschließungsantrag, das Ehrenamt im Rettungsdienst zu stärken und Regelungen zur Bewältigung von Großschadenslagen zu treffen, nicht nachgekommen worden sei.“

Das Thema Interhospitalverkehr taucht dort nicht auf.