Protokoll der Sitzung vom 12.07.2007

Im Abschlussbericht der Arbeitsgruppe „Eigenverantwortliche Schule“ des Kultusministeriums vom Februar 2005 finden sich dazu zwei ganz wichtige Hinweise. Dort steht erstens:

„Die Entwicklung von Qualität kostet Geld. Der Erfolg der Eigenverantwortlichen Schule erscheint aus Sicht der Arbeitsgruppe in Gefahr, falls die Schulen zumindest in der Startphase der Eigenverantwortlichkeit nicht in der notwendigen Weise unterstützt werden.“

Diese Unterstützung hat der Kultusminister den Schulen bis heute verweigert.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Aber Sie wa- ren doch in einer Ausbildung der Un- terrichtsentwickler! Sie waren doch da! Sie haben es sich doch ange- guckt!)

Er glaubt offenbar, die Eigenverantwortliche Schule sei zum Nulltarif zu führen.

Der Abschlussbericht sagt zweitens:

„Eigenverantwortliche Schulen müssen auf Beratungs- und Unterstützungsleistungen direkt zugreifen können, weil nur sie selbst in erster Linie ihren Bedarf und die Qualität der Beratung und Unterstützung beurteilen können.“

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Sie haben es sich angeguckt!)

Wenn man diese Empfehlung ernst nimmt, muss man die bestehenden Unterstützungsstrukturen grundsätzlich neu ausrichten.

Einmal: Die Eigenverantwortliche Schule bestimmt auf der Grundlage der externen und internen Evaluationen ihrer Arbeit selbst, welche Unterstützung sie benötigt. Und: Das Land sorgt dafür, dass geeignete und qualifizierte Unterstützungsangebote vorhanden sind. Es gibt den Schulen ein Budget, mit dem sie die notwendige Unterstützung einkaufen können.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung verspricht den Schulen seit Langem ein Budget. Den Worten sind bislang aber keine Taten gefolgt.

Wenn die Eigenverantwortlichen Schulen am 1. August an den Start gehen, wird ihnen kein Budget für Fortbildung und Qualitätsentwicklung zur Verfügung stehen. Im Haushaltsplan 2007 sind dafür keine Mittel vorgesehen.

Meine Damen und Herren, im Jahr 2008 müssen diese Budgets endlich da sein. Was ist im Kultusministerium eigentlich los, dass es mit dieser Neuausrichtung nicht vorangeht? Noch immer herrscht hier offensichtlich die Auffassung vor, die Beamten in der Landesschulbehörde wüssten am besten, was für die Schulen nötig ist und was nicht.

Immerhin hat die Landesregierung einzelne Stellen für Schulentwicklungsberater eingerichtet - aber viel zu wenige. Ende 2007 sollen hierfür ganze 16 Stellen zur Verfügung stehen. Eine Schulentwicklungsberaterin für 200 Schulen! Eine Beraterin hat damit pro Schule gerade einmal einen Tag pro Jahr, um den nachhaltigen Schulentwicklungsprozess einzuleiten und zu unterstützen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann wohl nicht mehr als eine Stippvisite sein.

Auch die Ausbildung von Unterrichtsentwicklern hat viel zu spät begonnen. Ich habe mir das angesehen. Sie werden auf hervorragende Weise qualifiziert. Dies geschieht aber viel zu spät. Diese Unterrichtsentwickler sollen erst zum Sommer 2008 mit ihrer Ausbildung fertig sein und zur Verfügung stehen. Bis dahin müssen die Schulen, die schon jetzt Konsequenzen aus ihren Inspektionsberichten ziehen wollen und müssen, vertröstet werden. Auch dann werden die Unterrichtsentwickler zahlenmäßig so wenige sein, dass sie lange nicht allen Schulen zur Verfügung stehen.

Die Sorge einiger Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen scheint aber vor allem darin zu bestehen, ob diese Unterrichtsentwicklungsberater auch schulformbezogen und fachspezifisch genug eingesetzt werden. Auch hier geht es offensichtlich vor allem um Kontrolle, Ideologie und Besserwisserei, um ein ängstliches Festhalten am Bestehenden.

Meine Damen und Herren, leider gibt es noch immer keine systematische Berichterstattung des Kultusministers über das, was bei den Schulinspektionen herausgekommen ist. Das würde das Parlament doch einmal interessieren. Mühsam

muss man sich die Antworten auf einzelne Fragen selbst zusammensuchen.

Wir haben aus diesen Berichten gelernt, unsere Schulen müssen in erster Linie bei der inneren Differenzierung des Unterrichts und bei der Förderung des selbstständigen Lernens besser werden. Vor allem die Realschulen und Gymnasien benötigen diese Verbesserung. Noch viel zu oft wird an unseren Schulen aussortiert und eine Klassenwiederholung beschlossen, statt individuell zu fördern und gezielt zu helfen. Deshalb sollten wir jetzt endlich Nägel mit Köpfen machen und eine Qualifizierungsoffensive für einen Unterricht einleiten, der jedes Kind und seine Talente optimal fördert.

Herr Busemann, Sie sind sehr forsch den ersten Schritt mit der Schulinspektion gegangen. Die folgenden Jahre haben Sie aber leider völlig vertrödelt. Parallel zur Schulinspektion hätten Sie sofort ein professionelles Unterstützungsangebot aufbauen müssen. Das haben Sie versäumt. Geschah dies aus lauter Angst vor Ihrem Finanzminister, weil Sie immer gesagt haben, die Eigenverantwortliche Schule habe keine Folgekosten? Geschah dies, weil Sie davon ausgehen, dass man Leistungsverbesserungen schon alleine durch Tests und Messungen erzielt? Ich glaube, das ist leider Ihr pädagogisch wenig qualifiziertes Verständnis von Qualitätsentwicklung.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Frau Korter, Sie wissen viel mehr, als Sie jetzt sa- gen!)

Herr Minister, ich habe am Anfang meiner Rede gesagt, vom Wiegen wird die Sau nicht fett. Wenn messen und inspizieren alles ist, was Sie zum Thema Qualitätsentwicklung beizutragen haben, sollten Sie vielleicht lieber als Fleischereifachverkäufer Würstchenscheiben abwiegen, statt die Verantwortung für die Schulentwicklung in Niedersachsen tragen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Joachim Albrecht [CDU]: Unerhört!)

Danke schön, Frau Korter. - Für die CDU-Fraktion spricht Frau Bertholdes-Sandrock. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Korter, so heiße Tipps wie die Sache mit dem Ab

wiegen von Würstchenscheiben habe ich nicht parat. Aber ich denke, unsere vorrangige Aufgabe sollte auch sein, uns mit der Sache zu beschäftigen.

Sie fordern in Ihrem Antrag eine Qualifizierungsoffensive zur Verbesserung der Schul- und Unterrichtsqualität. Ich sage Ihnen: Wir machen das kontinuierlich seit 2003.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben jetzt einen qualitativ neuen Schritt. Ich würde sagen, wir haben einen Paradigmenwechsel. Ich glaube, das ist nicht in Abrede zu stellen. Es folgt die Eigenverantwortliche Schule, zu der es wesensmäßig gehört, dass alle an Schule Beteiligten selbst die Verantwortung für die Qualität der Schulleistungen übernehmen. Auch der Staat übernimmt seinen Part an Verantwortung.

Eine Menge Maßnahmen ist bereits durchgeführt worden bzw. in Vorbereitung, um diesen Prozess zu begleiten. Etliche haben Sie selbst genannt. Ihnen passt nur manchmal die Art nicht.

Verehrte Frau Korter, dieser Prozess beginnt im Übrigen erst am 1. August und setzt sich dann schrittweise fort. Ihr Antrag erweckt im Gegenteil den Eindruck, eine Chose liefe schon endlos, während die Landesregierung untätig zugesehen habe.

Wenn Sie Schulwirklichkeit betrachten, habe ich generell den Eindruck, dass Sie Ihre Schwerpunkte bei der Analyse häufig so hin- und herschieben, dass Realität und gezeichnetes Bild keine Chance haben, überhaupt deckungsgleich zu werden.

(Beifall bei der CDU)

Man könnte es auch ein bisschen einfacher sagen: Ihre Analyse stimmt hinten und vorne nicht.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Hans-Werner Schwarz [FDP])

Liebe Kollegin Korter, Sie leiten aus der Tatsache, dass die Schulinspektion bei einem Bruchteil der Schulen einen deutlichen Handlungsbedarf festgestellt hat, einfach ab: Her mit der Fortbildung, her mit 15 Millionen Euro auf den Markt. - Ich sage Ihnen, ganz so einfach geht es nicht.

Wenn sich vor der Einführung der Eigenverantwortlichen Schule jetzt naturgemäß viele Fragen auftun, zeugt dies in erster Linie von der hohen Verantwortung, die die Schulen übernehmen, weil

sie sich optimal in diesen Prozess einbringen wollen. Deswegen fordere ich Sie auf: Deuten Sie doch nicht jede interessierte Frage gleich als einen Hilfeschrei!

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Hans-Werner Schwarz [FDP])

Wenn Sie jetzt dieses ganze Bündel fordern, das Sie am liebsten schon super festgeklopft hätten, halten wir fest: Trauen wir auch einmal den Lehrerinnen und Lehrern etwas zu! - Sie stehen nicht beim Stande null. Sie sind in der Regel gut qualifiziert. Das möchten Sie in anderer Runde auch immer feststellen. Hinsichtlich der Förderung von Schülern sind sie durch ihre Unterrichtspraxis kompetent. Insofern dürfen wir auch einmal etwas optimistisch sein.

Gleichwohl fordert die Eigenverantwortliche Schule natürlich auch ein ganzes Bündel neuer Qualifikationen. Dabei werden die Schulen aber eben nicht alleingelassen. Im Gegenteil.

Wir haben zum ersten Mal in der Geschichte der niedersächsischen Schulen - sonst würden Sie sich nicht über die einzelnen Dinge aufregen überhaupt ein umfassendes System der Beratung und Unterstützung. Es war noch nie so weit verzweigt, vielfältig - sonst hätten Sie die einzelnen Punkte gar nicht nennen können - und gleichzeitig auch vernetzt wie jetzt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dabei erfolgt diese Unterstützung auf zwei Säulen. Das ist mir ganz wichtig. Sie erfolgt landesseitig z. B. durch die Landesschulbehörde und das NiLS, aber auch - wenn die Schulen es wollen - durch auf dem freien Markt eingekaufte Unterstützung.

Ich bitte Sie: Lassen Sie diesem - zugegebenermaßen komplexen - Unterstützungssystem doch erst einmal die Chance anzulaufen, damit wir es gemeinsam - auch Sie - fortentwickeln können. Ich habe bei allem, was Sie sagen - Sie sagen immer, Sie wollten das professionell haben; das ist Ihre Diktion -, eigentlich den Eindruck, Sie hätten am liebsten ein System, das bis in die letzten Verästelungen ganz starr und fest ist - und das für einen Prozess, Frau Korter, der erst am 1. August beginnt und erst nach und nach greifen wird. Ich frage Sie: Wo bleibt da eigentlich die Flexibilität? Schule ist ein organisches und dynamisches Ganzes und keine Planwirtschaft.

Meine Damen und Herren, dieses Doppelsystem zwischen landesseitigen und frei erwerbbaren Angeboten, von dem ich sprach, ist genau das Richtige. Die Landesschulbehörde leistet dabei jede Menge Fachberatung schulformspezifisch, und zwar für alle Schulformen, Frau Korter, auch für die von Ihnen geliebten Gesamtschulen. Sie leistet sie auch schulformübergreifend. Auch das sollten Sie einmal anerkennen. Beides ist gleichermaßen wichtig. Sie leistet die Fachberatung im Wesentlichen zur Unterrichtsqualifizierung, zur Evaluation und auch zu vielem anderen. Jede Schule, auch die kleinste, wird, wenn sie in der Eigenverantwortlichkeit ist, auch ein Budget haben, aus dem sie die Leistungen - natürlich je nach Haushaltslage - bezahlen kann. Auch dabei werden die Schulen seitens der Landesschulbehörde nicht im Stich gelassen.

Diese Doppelstrategie aus landesseitigen und frei auf dem Markt eingekauften Leistungen, von der ich sprach, liebe Kolleginnen und Kollegen, zeugt von etwas ganz Wichtigem, nämlich von der Balance zwischen der Selbstbestimmung der einzelnen Schule einerseits und der Verlässlichkeit des Staates andererseits. Das zusammen bildet eine ausgesprochen wichtige Einheit, und darauf kommt es an.

So wird das NiLS - das haben Sie sicherlich auch schon einmal im Zuge der Vorbereitung Ihres Antrages eruiert - zur Qualifizierung der Schulleiter und der Lehrer, auch des Unterstützersystems selbst - das ist selbstverständlich wichtig -, zur Koordinierung von Fortbildungsangeboten und Ähnlichem beitragen.

Liebe Kollegin Korter, hier haben Sie eine ganze Menge von dem, was Sie erwarten. Erkennen Sie das doch auch einmal an!

(Beifall bei der CDU)

Ich sage Ihnen zu der von Ihnen auf den Markt geworfenen Summe von 15 Millionen Euro: Machen Sie sich die Mühe, addieren Sie die Kosten für all die Maßnahmen, die in das Unterstützersystem eingehen, und Sie werden keine Schwierigkeiten haben, genau diese 15 Millionen Euro zu erreichen. Auch das prüfen Sie bitte einmal nach!

(Beifall bei der CDU)