Protokoll der Sitzung vom 18.10.2007

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Will von der SPDFraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser Entschließungsantrag mit dem Titel „Berufstätigkeit älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmer fördern - Rentenzugang flexibel gestalten“ enthält sowohl die Forderung nach einer Berufstätigkeit älterer Arbeitnehmer als auch die Möglichkeit zum flexiblen Ausstieg aus dem Erwerbsleben.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Renteneintrittsalter wird bekanntlich ab 2012 schrittweise auf 67 Jahre erhöht. In diesem Zusammenhang ist es eine wichtige Aufgabe der Politik, die Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer endlich deutlich zu verbessern. Nicht einmal die Hälfte der 55- bis 64-Jährigen hat derzeit einen Arbeitsplatz, und - was noch schlimmer ist - nicht einmal die Hälfte der Unternehmen in Deutschland beschäftigt ältere Arbeitnehmer.

Wir haben aber auch schon einiges erreicht. Im Jahre 1999, vor den Reformen der Regierung

Schröder, lag die Beschäftigtenquote der über 55Jährigen noch deutlich unter 40 %. Mittlerweile haben wir aufgeholt und liegen bereits deutlich über dem Niveau der EU-Staaten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ziel muss es weiterhin sein, dass die Beschäftigung Älterer wieder zum Regelfall wird. Hierbei helfen sowohl die Beschäftigungspakte als auch die „Initiative 50plus“ der Bundesregierung. Wir müssen die Werbung für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer intensivieren; denn sie bringen oft hohe Qualifikationen und Erfahrungen mit. Der aktuelle Bedarf an solchen erfahrenen Fachkräften zeigt nachdrücklich, wie sehr unsere Gesellschaft auf das Potenzial der 50plus-Generation angewiesen ist.

Um Berufschancen und Arbeitsplatzsicherheit weiter zu verbessern, sind verstärkt Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anzubieten. Dazu muss auch eine gemeinsame Qualifizierungsinitiative mit der Wirtschaft gestartet werden. Das Land muss aber als Arbeitgeber mit gutem Beispiel vorangehen. Eine fortlaufende Qualifizierung und Weiterbildung auch und gerade bei älteren Arbeitnehmern sollte in einer Landesverwaltung selbstverständlich sein. Die massenhafte Ausmusterung älterer Beamter über die Regelung des § 109 NBG im Rahmen der sogenannten Verwaltungsreform beweist, dass die unsägliche Idee der Frühverrentung bei dieser Landesregierung noch immer präsent ist.

Die Landesregierung ist aber nicht nur Arbeitgeber, sondern auch als Dienstherr in der Pflicht. Es ist ein Akt der Feigheit, sich gegenüber den eigenen Beamtinnen und Beamten noch immer um die Frage herumzudrücken, ob das allgemeine Pensionsalter mit dem Renteneintrittsalter vereinheitlicht wird oder nicht. Wir sind der Auffassung, dass es hier keine Unterschiede geben darf. Sie sind nur zu feige, das Thema überhaupt anzusprechen.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch bei deutlich verbesserten Arbeitschancen wird es in Zukunft nicht möglich sein, dass alle Arbeitnehmer bis zum 67. Lebensjahr arbeiten. Aufgrund hoher physischer und psychischer Belastungen, sei es durch Schichtarbeit, schwere körperliche Arbeit oder durch besonders stressgelagerte Tätigkeiten, müssen ergänzende Regelungen gefunden werden. Wir wollen, dass die Rentenzugänge flexibili

siert und gleitende Altersübergänge möglich werden. Gerade ältere Arbeitnehmer müssen entsprechend ihrem Arbeitsvermögen den Umfang ihrer Erwerbstätigkeit mitgestalten können, um länger am Arbeitsmarkt aktiv zu bleiben. Dazu gehört die Weiterentwicklung der geförderten Altersteilzeit. In einer Reihe von Berufen hat sie beschäftigungssichernden Charakter. Bedingung der geförderten Altersteilzeiten muss allerdings sein, dass eine Beschäftigungsbrücke zu jungen Arbeitnehmern geschlagen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir möchten darüber hinaus für die Tarifpartner verstärkt Möglichkeiten des gleitenden Übergangs in die Altersrente schaffen. Erstaunlich dabei ist die neueste Wendung von Herrn Wulff zum flexiblen Ausstieg aus dem Arbeitsleben. Er denkt plötzlich über den früheren Ausstieg im Rahmen der Altersteilzeit nach und will bereits kurzfristig mit der IG Metall und dem Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall Gespräche darüber führen.

(Unruhe)

Herr Will, warten Sie einmal einen Augenblick. Es muss hier leiser werden. - Danke. Sie können jetzt weitermachen.

Ich sage auch deutlich: Sollten hierbei Eigeninteressen von Herrn Wulff mitspielen, können wir ihm im Hinblick auf den 27. Januar 2008 gern behilflich sein.

(Klaus Rickert [FDP]: Ha, ha, ha! - David McAllister [CDU]: Die Liste muss so weit ziehen, dass Sie noch hineinkommen!)

Wie war die bisherige Haltung der Landesregierung und der Mehrheitsfraktionen noch vor wenigen Monaten dazu, Herr Rickert?

(Klaus Rickert [FDP]: Was sagten Sie eben?)

- Sie hätten zuhören sollen! - 2004 forderten die Herren Hirche und Döring in einem gemeinsamen Vorstoß im Bundesrat die Einschränkung der viel zu großzügigen Vertrauensschutzregelung für Altersteilzeit und höhere angemessene Rentenabschläge bei Altersteilzeit. Weiter forderten sie die

sofortige Abschaffung der sogenannten 58erRegelung. Im Januar-Plenum nahm Herr Hillmer von der CDU-Fraktion zur geförderten Altersteilzeit wie folgt Stellung - ich zitiere -:

„Die Verlängerung der Altersteilzeit wäre ein fatales Signal, für das schneller, als Sie glauben mögen, ein hoher Preis zu zahlen wäre.“

Frau König von der FDP-Fraktion sagte in derselben Plenarsitzung:

„Eine Fortsetzung der geförderten Altersteilzeit lehnen wir daher ab. Der Weg über die Altersteilzeit ist falsch und teuer.“

Und Herr Hirche sagte:

„Ich glaube nicht, dass der einfache Weg, den Sie hier vorschlagen, nämlich die Altersteilzeit so zu verlängern, wie es sie bis 2009 gibt, richtig sein kann.“

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Das ha- ben Sie schön aufgearbeitet!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das haben Sie geglaubt und als richtig betrachtet, bis Herr Wulff - wie in so vielen anderen Fällen - eine 180-Grad-Drehung gemacht hat. Nach Ihren Äußerungen in der damaligen Debatte müsste Herr Wulff für die Regierungsfraktionen rückwärts gewandt, an der Seite der PDS-Linken stehend, ignorant, beratungsresistent und natürlich ein blanker Populist sein. - Das waren Ihre Worte.

Vor wenigen Tagen aber wird Herr Wulff mit den folgenden Worten zitiert:

„‘In dieser Branche“

- er meint die Metallindustrie -

„ist durch die hohe körperliche Beanspruchung der Arbeitnehmer - unter anderem durch Schichtarbeit - der Bedarf an Teilzeitregelungen am größten‘, sagte Wulff.“

Ferner sagte er:

„‘Ich kann mir vorstellen, dass flexible Übergänge in die Rente auch mit einem geringeren Zuschuss zu machen sind,‘ sagte Wulff. Für die Lücke

müssten die Tarifpartner in die Bresche springen.“

Fazit: Ein staatlicher Zuschuss - plötzlich doch nicht mehr falsch und teuer. Wer hätte das gedacht?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir warnen jedoch Interessierte, diesen unberechenbaren Kehrtwendungen des MP zu trauen; denn er hat sich bisher lediglich ganz allgemein zur Fortführung der geförderten Altersteilzeit geäußert. Auch hier hatte die Landesregierung fast fünf Jahre Zeit, um die Altersteilzeit, die bekanntlich 2009 ausläuft, durch eine Gesetzesinitiative im Bundesrat zu verlängern und damit abzusichern.

Wir haben dies mit dem Entschließungsantrag „Fortführung des Generationenvertrages durch Verlängerung der geförderten Altersteilzeit“ gefordert. Sie haben diesen Antrag hier im Plenum am 8. März 2007 noch abgelehnt. In diesem Zusammenhang ist auch die IG Metall gut beraten, dem „Wulff im Schafspelz“ nicht zu trauen.

(Beifall bei der SPD)

Leere Versprechungen werden nach der Wahl wieder einkassiert, und allgemeine Absichtserklärungen sind noch keine gesetzliche Neuregelung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir bleiben bei unserem Vorschlag. Die Tarifvertragsparteien haben den gesetzlichen Rahmen der Altersteilzeit durch Tarifverträge ausgefüllt. Für die Zukunft brauchen sie Planungs- und Rechtssicherheit, damit sie diese Tarifverträge entsprechend ausfüllen können. Hier gibt es ein großes Betätigungsfeld. Herr Wulff, Herr Hirche, handeln Sie endlich!

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Will. - Nächster Redner ist jetzt Herr Böhlke von der CDU-Fraktion.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Jetzt kommt wieder eine 180-Grad-Wende! „Halse“ nennt man das!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der SPDFraktion scheint ein weiterer Versuch zu sein, die

innerparteiliche Debatte der SPD, die wir in den letzten Wochen miterlebt haben, auch hier in unser Parlament zu tragen.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Schönes Ablenkungsmanöver!)

Mein Kollege Jörg Hillmer hat bereits bei den Beratungen im Januar dieses Jahres darauf hingewiesen, dass diese Situation für uns nicht neu ist. Die Worte, die der Kollege Will gerade für den Ministerpräsidenten gefunden hat, lässt zumindest mich darauf hinweisen, meine Damen und Herren, dass Ihr Spitzenkandidat nach meiner Auffassung so alt aussieht, dass er nicht nur ein vorgezogenes oder flexibles, sondern bereits ein Rentenalter erreicht hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Wann hast du das letzte Mal in den Spiegel geschaut?)

Nun also, meine sehr verehrten Damen und Herren, Kapitel zwei. Ich darf noch einmal das Zitat von Herrn Beck vom Februar dieses Jahres in Erinnerung rufen - Sie wissen, Herr Beck, der Bundesvorsitzende der Sozialdemokraten.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Reden Sie doch einmal über Herrn Wulff und seine Wendepolitik, diesen Wende- hals! - Zuruf: Wir sind hier aber im Landtag!)