Protokoll der Sitzung vom 19.02.2004

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Ina Korter [GRÜNE])

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Im Gesetzentwurf der CDU-Fraktion haben Sie noch recht großspurig von Einfädelungsspuren gesprochen und dabei die Assoziation von Autobahnauffahrten erweckt. Was ist heute daraus geworden? - Schauen

wir uns einmal die Chance zum Schulformwechsel aufwärts an: In Klasse 6 beginnt am Gymnasium die zweite Pflichtfremdsprache, die an der Realschule Wahlpflichtfach und an der Hauptschule nicht vorgesehen ist. Die erfolgreiche Realschülerin in Klasse 6, die eine passende zweite Fremdsprache gewählt hat, ist der einzige realistisch vorstellbare Fall eines solchen Übergangs. Ab Klassenstufe 7 werden die Zahl der Zusatzstunden am Gymnasium zu groß, die Abkoppelung der Hauptschule von den Strukturen der anderen Schulformen zu einseitig, als dass ein Wechsel noch machbar wäre. Sie entlarven sich selbst. In den Erläuterungen zu Ihrem eigenen Hauptschulerlass steht - ich zitiere wörtlich -:

„Da es sich hier landesweit nur um wenige Schülerinnen und Schüler handeln kann, wird darauf verzichtet, den Unterricht in der zweiten Fremdsprache an der Hauptschule vorzuhalten.“

Das ist von Ihrer Einfädelungsspur geblieben. Ich zeige es Ihnen: ein Nadelöhr. Sie können es kaum von der zweiten Reihe sehen. So ist es auch in der Schule. Versprochen, gebrochen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU)

Versprechen drei: Sie wollen ein begabungsgerechtes Schulwesen schaffen. So steht es in fast jeder Ihrer Veröffentlichungen. Aber das ist so oberflächlich wie falsch. Das Problem liegt darin, dass der Begriff „begabungsgerecht“ im Gesetz und in den Folgeverordnungen in höchst gefährlicher Weise verengt wird. Wer Begabungsgerechtigkeit und Dreigliedrigkeit - seien Sie ehrlich, mit den Förderschulen ist es eigentlich eine Viergliedrigkeit - des Schulwesens miteinander in Verbindung bringt, der verkennt - lassen Sie das einmal einen Praktiker sagen -, dass es in den Schulen so viele Begabungen gibt, wie es Schülerinnen und Schüler gibt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir kommen erst dann auf einen gemeinsamen Weg, wenn wir gemeinsam Politik für eine Schule machen, in der auf vielfältige Weise für alle Schülerinnen und Schüler herausfordernde und fördernde Angebote gemacht werden, die wirklich begabungsgerecht sind. Erst dann können wir von

ernsthaftem Bemühen um Chancengleichheit in unserem Schulsystem sprechen.

Herr Minister Busemann, Sie haben an die Eltern Briefe geschrieben, wonach sie auf Empfehlungen hören sollten. Aber die Eltern haben zu über 30 % nicht darauf gehört. Sie glauben Ihnen nicht mehr, Sie glauben Ihnen schon nach einem Jahr nicht mehr. Die Eltern haben gemerkt: Der Lack ist ab.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Dr. von Danwitz von der CDU-Fraktion. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in ihrem Antrag: Ganztagsschulen fördern und nicht ausbremsen.

Zunächst einmal warne ich davor, Ganztagsschulen als eine Art Allheilmittel zur Lösung aller schulischen Qualitätsprobleme zu betrachten. Dieser Eindruck wird immer wieder, insbesondere von der Bundesregierung, erweckt.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Der hat nichts verstanden!)

Aber Schulqualität wird nicht allein dadurch verbessert, dass man den Unterricht auf den Nachmittag ausdehnt.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Stimmt!)

Auch bei unserem ganzheitlichen Bildungskonzept spielen Ganztagskonzepte eine große Rolle. Für uns als CDU-Fraktion ist aber klar: Ganztagsschulen können und wollen dabei den Rückhalt in den Familien nicht ersetzen, Sie wollen aber sehr wohl das Familienleben ergänzen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Da die SPD-Kollegen im Kultusausschuss mit dieser Formulierung Probleme hatten, möchte ich sie auf ihre Kollegen im Baden-Württembergischen Landtag verweisen. Die formulieren das ganz genauso, wie wir es tun.

Meine Damen und Herren, bei der Regierungsübernahme gab es 155 Ganztagsschulen. Unter der neuen Landesregierung haben weitere 87

Schulen den Ganztagsschulbetrieb aufgenommen. Ihr Antrag, wir sollen hier nicht bremsen, ist insofern fernab jeder Realität. Bei mir löst er nur völliges Unverständnis aus.

Wir wollen bei den Ganztagsschulen zu Weiterentwicklungen kommen. Dabei wollen wir die Familien entscheiden lassen, ob und welche Angebote sie annehmen möchten. Wir wollen keinen Zwang ausüben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In unserem Flächenland Niedersachsen brauchen wir flexible Gestaltungsmodelle. Wir müssen uns an dem Bedarf und den Möglichkeiten vor Ort orientieren. Dabei müssen wir den Schulen Freiräume geben. Hier darf man sich auch einmal an den PISA-Gewinnern orientieren. Aufsteiger sind die Länder, die ihren Schulen in den zurückliegenden Jahren ein erhöhtes Maß an Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit überantwortet und manchmal auch zugemutet haben. Als Beispiel nenne ich nur Finnland.

Wir wollen unseren Schulen Freiräume geben. Das tun wir dadurch, dass wir die Personalversorgung der Ganztagsschulen in Zukunft auf eine einheitliche Basis stellen. Die Schulen haben dann die Möglichkeiten, Kontingente zu bilden und auch Stundenkontingente umzuschichten. Auf diese Weise können sie in den Bereichen Sport und Musik, aber auch im sozialen Bereich ganz tolle Angebote machen. Schauen Sie sich im Lande um: Es gibt diese tollen Angebote. Wir arbeiten weiter daran.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Kürzungen der Zuschläge für Ganztagsschulen im Sek. II-Bereich - Sie prangern das an - halten wir für vertretbar; denn echte Ganztagsangebote für Schülerinnen und Schüler im Sek. II-Bereich sind die Ausnahme. Ich frage mich auch, ob volljährige Schülerinnen und Schüler wirklich eine Ganztagsbetreuung brauchen. Die hier eingesparten Lehrerstunden werden zur Neueinrichtung von Ganztagsschulen in anderen Bereichen, insbesondere bei Hauptschulen in sozialen Brennpunkten eingesetzt. Sie bleiben also im Ganztagsschulbereich und werden keinesfalls eingespart.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wie geht es mit den Ganztagsschulen weiter? Von den etwa 100 Anträgen - der Minister sagte es - können zum 1. August 2004 mindestens 50

weitere genehmigt werden. Daneben wird die Zahl der Ganztagsplätze im kommenden Schuljahr allein dadurch steigen, dass an vielen Ganztagsschulen zum August auch die 5. und 6. Klassen neu eingerichtet werden. Wir müssen feststellen, dass ab August etwa doppelt so viele Schüler das Ganztagsangebot in Niedersachsen nutzen können wie vor der Regierungsübernahme.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Und Sie sprechen hier von Ausbremsen! Ich habe für diese Formulierung keinerlei Verständnis.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nun zum Investitionsprogramm des Bundes. Wir sollen es nach Meinung der Grünen noch mit zusätzlichen Mitteln kofinanzieren. Wo sind wir denn? - Es handelt sich bei diesem Investitionsprogramm um einen einmaligen Zuschuss. Alle Folgekosten, seien es die Kosten für die Schülerbeförderung, seien es die Personalkosten oder andere Dinge, bleiben beim Land und bei den Kommunen hängen. Meiner Meinung nach verschließen Sie die Augen vor der finanziellen Situation im Land. Ich habe für diesen Antrag kein Verständnis.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir als Land werden aber selbstverständlich das vom Bund bereitgestellte Geld anfordern. Die Fördermittel werden fortlaufend nach den in den Förderrichtlinien vorgegebenen Kriterien verteilt und bewilligt. Wir als CDU-Fraktion fördern die Ganztagsschulen und bauen sie weiter aus. Aber den Antrag der Grünen lehnen wir strikt ab.

Ich komme nun zu dem nächsten Antrag. Sie von der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen fordern, die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur auf zwölf Jahre auszusetzen. Die Eltern in Niedersachsen forderten und fordern etwas ganz anderes. Schon kurz nach Regierungsantritt wurden wir aufgefordert, möglichst schon im August 2003 die Orientierungsstufe abzuschaffen und sofort mit dem damaligen vierten Schuljahrgang das Abitur nach zwölf Jahren anzusteuern. Wir sind diesen Elternwünschen zum Teil nachgekommen, indem wir zwar die OS erst in diesem Jahr abschaffen, aber den heutigen Fünftklässlern schon die Möglichkeit geben, das Abitur nach zwölf Jahren abzulegen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für uns ist das nicht zu schnell. Wir geben das als normales Arbeitstempo vor und sind froh und dankbar, dass sich dies auch so zügig und gut mit dem Ministerium umsetzen lässt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für uns stehen immer die Zukunftsperspektiven der Kinder im Vordergrund. Dafür muss eben die Konkurrenzsituation der niedersächsischen Schülerinnen und Schüler gegenüber anderen Ländern verbessert werden. Wir gucken uns um. In anderen Ländern funktioniert das gut. Wir wollen auch, dass es bei uns möglichst schnell eingeführt wird.

Ich meine, dass es auch volkswirtschaftlich sinnvoll ist, möglichst schnell mit der Ausbildung fertig zu sein und ins Berufsleben einzutreten, um möglichst lange die Möglichkeit zu haben, in unsere Sozialversicherungssysteme einzuzahlen; denn sonst werden wir alle irgendwann einmal noch länger als bis zum 68. Lebensjahr arbeiten müssen, damit die Sozialsysteme nicht zusammenbrechen.

Meine Damen und Herren insbesondere von den Grünen, auch wenn in den 5. und 6. Klassen das eine oder andere Möhrchen gegessen wird, so sind diese Kinder noch lange keine Versuchskaninchen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jede Veränderung bringt Unruhe mit sich. Doch das ist für uns kein Grund, notwendige Veränderungen auf die lange Bank zu schieben. Wir wollen das Abitur nach zwölf Jahren so schnell wie möglich. Wir lehnen den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ab.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zum Schluss noch ein Satz zu Herrn Poppe. Herr Poppe, Sie sagen, an unseren Bildungskonzepten ist der Lack ab. Ich sage nur: Bei Ihnen war nie Lack dran. Wir setzen den eingeschlagenen Weg der Bildungsoffensive konsequent fort. - Danke.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine letzte Wortmeldung zu allen vier Tagesordnungspunkten liegt mir von Frau Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Frau Korter, bitte schön!