Protokoll der Sitzung vom 10.03.2004

Die Beteiligung der Kommunen im Umland des Flughafens Hannover im Rahmen des Verfahrens für die neue Nachtflugregelung ist bereits zugesagt und wird auch selbstverständlich durchgeführt.

Die Forderung, umweltspezifische Informationen am Flughafen Hannover per Internet abrufen zu können, ist aufgegriffen worden und wird von der Lärmschutzkommission beraten.

Am Flughafen gibt es eine privatrechtliche Entgeltordnung, die seit Jahren lärmbezogene und nachtflugbezogene Komponenten enthält. Eine Geschäftsführung wird immer darüber beraten, ob eine solche Entgeltordnung angepasst bzw. verändert werden soll. Dazu bedarf es nicht einer Aufforderung durch den Landtag.

Die geforderte regelmäßige und umfassende Lärmkontrolle findet durch eine von der Flughafengesellschaft vor kurzem vollständig erneuerte Lärmmessanlage, die den rechtlichen Anforderungen entspricht, statt. - Meine Damen und Herren, so etwas in einem Antrag zu fordern, soll ja wohl den Eindruck erwecken, dass das künftig noch gemacht werden muss. In Wirklichkeit passiert das alles schon.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Festlegung einer geplanten maximalen Ausbaustufe für den Flughafen Hannover-Langenhagen ist verfahrensrechtlich nicht möglich. Ich halte sie auch nicht für sinnvoll. Für einen eventuellen weiteren Ausbau wäre im Übrigen ein Planfeststellungsverfahren erforderlich, in dem Interessen Dritter berücksichtigt werden.

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich dafür, dass die Sprecher von SPD-, FDP- und CDUFraktion hier deutlich gemacht haben, dass dieser Flughafen einen industriepolitischen Nutzen für die Arbeitsplätze in der Region hat.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das Erhalten und Schaffen von Arbeitsplätzen - dazu sind heute Morgen in der Aktuellen Stunde erregte Debatten geführt worden - ist das wichtigste Thema unserer Zeit. Das bedeutet natürlich nicht, dass Anliegerinteressen weggebügelt werden. Die sind aber in ordentlich ablaufende Verfahren eingespeist worden bzw. werden noch eingespeist.

Meine Damen und Herren, wir sollten nicht immer so tun, als müssten wir alle möglichen Leute ermahnen, dass sie sich an die bestehenden Verfahren halten. In Deutschland ist es Gott sei Dank so, dass diese Verfahren eingehalten werden. Wenn sie nicht eingehalten werden, hat man hinterher immer noch die Möglichkeit, dagegen zu klagen. Aber dieses sozusagen Madigmachen von Entscheidungsprozessen, nur damit man einen Punkt in den Landtag einbringen kann, stört das ordentliche Verfahren der Anhörung der Betroffenen und ist nicht in Ordnung. Deswegen ist es wichtig, dass dieser Entschließungsantrag mit breiter Mehrheit abgelehnt wird.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Jetzt hat noch einmal Herr Wenzel für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Sie haben noch dreieinhalb Minuten Redezeit, Herr Wenzel.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mittlerweile hat offenbar auch die Flughafenleitung Zweifel am Sinn einer schrankenlosen Ausweitung von Nachtflügen. Herr Hennighausen hat sich entsprechend geäußert. Er hat deutlich gemacht, dass es durchaus Zweifel gibt, ob das dann auch immer wirtschaftlich darzustellen ist.

Herr Hirche, ich habe selber 14 Jahre lang ganz in der Nähe der Nordlandebahn des Flughafens Hannover-Langenhagen gewohnt und weiß, was Nachtflug heißt. Ich weiß auch, was das für den

Schlaf in der Nacht heißt. Insofern denke ich, dass man dieses Thema sehr, sehr ernst nehmen sollte. Auch die neuesten medizinischen Untersuchungen zeigen, dass das Wort „Belästigung“ eine Verharmlosung des Vorgangs ist, den man erlebt, wenn man Nacht für Nacht aus dem Bett gerissen wird und wenn man Nacht für Nacht gucken muss, dass die Kinder wieder einschlafen; jeder, der kleine Kinder hat, weiß, was das bedeutet.

(Zuruf von Ulf Thiele [CDU])

- Wir können das ja nachher im Dialog zu Ende bringen.

Vielleicht verstehen Sie nun auch, Herr Hirche, warum ich von dem Konzept der FDP „Freiheit für Billigflieger im Nachtflug“ nichts halte. Das ist kein Konzept, das ist nur eine Parole, und die bringt am Ende auch nicht mehr Arbeitsplätze.

Wir wollen den Dialog mit allen Beteiligten. Wir wollen, dass sich Wirtschaftsministerium und Flughafen ernsthaft auf Gespräche mit allen Betroffenen einlassen. Das ist in der Vergangenheit so nicht der Fall gewesen. Vielmehr hat man sich immer sehr nach Gutsherrenart gedacht: Was die Anliegerkommunen, was die Betroffenen dort machen, das lassen wir an uns abprallen. - Letztlich hat man doch immer eine weitere Ausweitung der Nachtflüge im Visier gehabt. Das ist auch der Grund, warum wir sagen, dass das so nicht weitergehen kann.

Lassen Sie uns ernsthaft darüber nachdenken, wie das Ganze für die Zukunft verträglich gestaltet werden kann. In diesem Zusammenhang ist uns die wirtschaftliche Situation des Flughafens sehr wichtig, Herr Hirche; wir wissen schließlich um die Überkapazitäten. Also: Wie bekommt man eine bessere Auslastung in den Kernzeiten hin? Wie bekommt man vor allen Dingen Carrier dahin, die am Ende auch Landegebühren zahlen? Die Billigflieger sagen doch: Wir wollen noch Geld dazu haben, wenn wir bei euch landen. - Im Übrigen ist Ihnen doch auch bekannt - das weiß die Flughafenleitung auch -, dass Billigflieger keinen Flughafen sanieren.

Und da ist noch ein ganz entscheidender Punkt, Herr Hirche: Wir wollen, dass konkurrierende Regionalflughäfen nicht noch extra mit Landesgeld gefördert werden. Deswegen erwarte ich, dass Sie sich hier eindeutig zu Kassel-Calden positionieren und deutlich machen, dass wir keine weitere Konkurrenz im Süden brauchen; denn dadurch würde

die Auslastung des Flughafens HannoverLangenhagen geschwächt, was wiederum wirtschaftliche Folgen für ihn hätte.

Außerdem haben wir schon in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass wir uns eine bessere direkte Anbindung an den Fernzugverkehr vorstellen können. Schließlich ist Hannover-Langenhagen einer der wenigen Flughäfen, die überhaupt für Fernzüge geeignet sind.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Wir haben mit unserem Antrag ein Gesprächsangebot vorgelegt, das auf einen ernsthaften Kompromiss abzielt, der allerdings auch eine Reduzierung der Zahl der Nachtflüge vorsieht. Eine unbegrenzte Ausweitung von Nachtflügen darf es nicht geben. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Wir sind damit am Ende der Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Federführend soll der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr tätig sein, und mitberatend sollen sich mit dem Antrag der Umweltausschuss sowie der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit befassen. Wer so verfahren möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! Stimmenthaltungen? - Damit wird so verfahren.

Wir kommen nun zu

Tagesordnungspunkt 11: Erste Beratung: Niedersachsen zum Musterland für bürgerschaftliches Engagement entwickeln - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/840

Zur Einbringung hat Frau Helmhold das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Spätestens seit der Veröffentlichung der Pläne des Verteidigungsministeriums, die Bundeswehr bis 2010 auf 250 000 Mann zu reduzieren, ist klar, dass die allgemeine Wehrpflicht ein

Auslaufmodell ist und damit auch der unmittelbar mit ihr verknüpfte Zivildienst.

(David McAllister [CDU]: Das ist falsch!)

Schon heute werden nur noch 20 % eines Jahrgangs tatsächlich eingezogen. Von Wehrgerechtigkeit kann also keine Rede mehr sein.

Diese Veränderungen werden unmittelbare Auswirkungen auf den sozialen Bereich haben, weil der Zivildienst in den vergangenen Jahren insbesondere im Gesundheits- und Pflegebereich zu einer wichtigen Säule geworden ist. Wir müssen uns deshalb so schnell wie möglich darüber verständigen, wie diese Aufgaben zukünftig erledigt werden sollen.

Der von der Kommission „Impulse für die Zivilgesellschaft - Perspektiven für Freiwilligendienste und Zivildienst in Deutschland“ vorgelegte Bericht macht deutlich, dass der Strukturwandel möglich ist. Bereits heute hat sich in einigen Bereichen die Konversion des Zivildienstes in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse vollzogen, z. B. bei den Rettungsdiensten. Viele Träger sind hier weiter als die niedersächsische Sozialministerin, die schlicht die Beibehaltung des Zivildienstes fordert und sich damit nicht den Herausforderungen der Zukunft stellt. Die Träger planen mit einem Mix aus Freiwilligendiensten und sozialversicherungspflichtigen Tätigkeiten. Meine Damen und Herren, was spricht denn eigentlich dagegen, in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit Arbeit durch regulär Beschäftigte verrichten zu lassen?

Kontraproduktiv ist in diesem Zusammenhang die Forderung nach einem Zwangsdienst für junge Menschen, wie sie von Politikern von CDU und SPD flugs erhoben wurde. Zumindest der ehemalige niedersächsische Innenminister, der leider nicht da ist, sollte wissen, dass dem nicht nur unsere Verfassung, sondern auch das Völkerrecht entgegensteht. Daneben ist diese Forderung insbesondere für Frauen, die im Regelfall quasi lebenslang den Sozialdienst für Kindererziehung und Pflege alter Menschen leisten, eine unglaubliche Zumutung. Die Freunde des Zwangsdienstes müssen mir darüber hinaus erst einmal erklären, wie sie die geschätzten Kosten von bis zu 10 Milliarden Euro pro Jahr zu finanzieren gedenken.

Meine Damen und Herren, Zwang verhindert Freiwilligkeit. Je mehr ein Staat versucht, seine Bürgerinnen zu etwas zu zwingen, desto weniger sieht

sich der Einzelne in der Pflicht, sich zu engagieren. Man kann gesellschaftliches Engagement eben nicht obrigkeitsstaatlich verordnen. Das geht schon gar nicht vor dem Hintergrund, dass sich gerade junge Menschen engagieren möchten und nicht können.

2003 gab es in Niedersachsen für die 175 Plätze im Freiwilligen Ökologischen Jahr 600 Bewerbungen. Jeder Platz im Freiwilligen Kulturellen Jahr hätte acht Mal besetzt werden können. Das Diakonische Werk Hannover hatte für 190 Plätze im Freiwilligen Sozialen Jahr mehr als 300 Bewerbungen. Es ist doch wohl ein Unding, wenn junge Menschen zurückgewiesen werden, die sich engagieren wollen, und man ihnen sagt „Wir brauchen dich nicht, wir wollen dich nicht“, während gleichzeitig von Zwangsdiensten geredet wird.

Darum müssen die Plätze für Freiwilligendienste dringend ausgebaut und um neue Tätigkeitsfelder ergänzt werden. Parallel dazu müssen die Freiwilligendienste künftig verstärkt beworben werden. Es darf zukünftig kein junger Mensch mehr aus der Schule entlassen werden, ohne auf die Möglichkeit eines freiwilligen Jahres aufmerksam gemacht worden zu sein. Aus unserer Sicht könnte ein Bonussystem die Motivation noch zusätzlich erhöhen.

In diesem Zusammenhang kommt überhaupt den Schulen eine Schlüsselrolle zu. Hier kann bürgerschaftliches Engagement erfahren und erlernt werden. Vorhandene Programme, etwa Mentoringprogramme für Schülerinnen und Schüler, müssen ausgebaut und erweitert werden. Warum soll man in der Schule nicht Musik-, Sport- oder Verkehrserziehungsmentor werden können, warum nicht den Jugendgruppenleiterschein erwerben können? Baden-Württemberg ist uns hier ein gutes Beispiel. Jetzt müssen die Weichen für die Zeit nach dem Zivildienst gestellt werden. Es ist Aufgabe der Landesregierung, jetzt die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen sich freiwilliges Engagement entfalten kann.

Niedersachsen liegt mit einer Quote engagierter Bürger von 31 % am Ende der deutschen Flächenländer. In der Regierungserklärung widmete die Landesregierung dem Thema - großzügig gerechnet - gerade einmal sieben Zeilen. Das reicht nicht. Als Vorbild kann auch hier BadenWürttemberg dienen, das seit Jahren bürgerschaftliches Engagement konsequent fördert und wo sich 40 % der Bevölkerung engagieren. Das ist das Ziel, an dem wir uns orientieren sollten.

Meine Damen und Herren, wir machen in unserem Antrag eine Reihe von Vorschlägen auch für die Förderung des generationsübergreifenden sozialen Engagements. Hier wird auf Landesebene schon einiges getan. Es ist aber erforderlich, die Landesaktivitäten zu bündeln, damit z. B. innerhalb der Landesregierung nur noch ein Ansprechpartner für Engagementfragen da ist.

(Unruhe)

Frau Helmhold, gestatten Sie bitte eine kurze Unterbrechung. - Meine Damen und Herren, es sind nur wenige Abgeordnete anwesend. Diejenigen, die da sind, sind ausnahmslos in Gespräche vertieft. Ich meine, so können wir nicht miteinander umgehen.

(Zustimmung von Dorothea Steiner [GRÜNE])

Die Träger müssen von bürokratischen Hemmnissen entlastet werden. Wir wünschen uns die Einführung eines Landesausweises nach dem Vorbild Nordrhein-Westfalens, in dem die Qualifikationen, die man im Ehrenamt erwirbt, bescheinigt werden und damit auch später im Berufsleben nutzbar gemacht werden können.

Die Landesregierung ist gefordert, eine besondere Vorreiterrolle einzunehmen. Darum schlagen wir vor, den Landesbediensteten, die im Zuge der Verwaltungsreform freigestellt werden und denen über die Jobbörse nicht sofort eine neue Tätigkeit vermittelt werden kann, das Angebot zu unterbreiten, ihre Arbeitskapazität im Rahmen einer Zeitspende des Landes in Bereichen des bürgerschaftlichen Engagements zur Verfügung zu stellen. Ich denke dabei auch ausdrücklich an die über 55-jährigen Landesbediensteten.

Meine Damen und Herren, künftig wird es darauf ankommen, eine neue Balance in der Aufgabenverteilung zwischen Staat und Gesellschaft zu finden. Allerdings darf es dabei nicht darum gehen, zu versuchen, den Bürgerinnen und Bürgern schlicht die Aufgaben aufzubürden, von denen der Staat meint, dass er sie zukünftig nicht mehr erfüllen will oder kann. Engagierte Bürgerinnen sind nicht der billige Jakob des Sozialstaates. Deshalb ist es dringend erforderlich, die Mittel, die durch das Auslaufen des Zivildienstes frei werden, für

den Umbau des sozialen Systems im System zu belassen und damit z. B. auch bürgerschaftliches Engagement zu fördern.