Für uns als Gesellschaft hat das aber auch noch einen weiteren Vorteil. Bei der gemeinnützigen Arbeit ist die Rückfallquote wesentlich niedriger aus, weil die Verurteilten nicht aus ihrem sozialem Umfeld herausgerissen werden, sondern dort bleiben können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir bieten Ihnen an: Ziehen Sie Ihren Antrag zurück, und überdenken Sie diese Thematik noch einmal. Lassen Sie sich Zeit; wir können warten. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorbei ist es mit der schönen Einigkeit. Ich würde es zwar auch dieses Mal gerne kurz und knackig machen, aber leider muss ich doch einige längere Sätze dazu sagen, auch wenn Frau Kollegin Bockmann das in meinen Augen fachlich und sachlich sehr richtig und sehr gut dargestellt hat.
Zu Ihnen, Kollege Nerlich. Es ist richtig, was ich in der ersten Lesung gesagt habe, dass die Reform
des Sanktionsrechts wahrscheinlich zu etwas mehr Bürokratie führen wird. Das ist vielleicht auch nicht zu vermeiden. Dass Sie insofern aber Probleme bei den Kommunen sehen, verstehe ich nicht. Ich denke, Sie haben Vertrauen in die Kommunen. Ich darf Sie auch daran erinnern, dass Sie mal eben 800 000 Sozialhilfeempfänger von den Kommunen betreuen lassen wollen. Sie verlagern ganze Bezirksregierungen auf die Kommunen. Da haben Sie weniger Probleme damit, ob die Kommunen das schultern können. Aber in dieser ganz kleinen Angelegenheit bauen Sie auf einmal einen Riesenpopanz auf.
Der Antrag der Mehrheitsfraktionen ist lächerlich. Er bleibt es auch in der zweiten Lesung. Er stimmt nicht nur in der Sache nicht, sondern er ist auch von der Tonlage und der inhaltlichen Dramatik in meinen Augen völlig überzogen.
Die Intention der Reform des Sanktionsrechts ist in der Sache vernünftig und berechtigt. Mit ihr werden mehrere sinnvolle Absichten verfolgt, die, wie gesagt, von der Kollegin Bockmann meiner Ansicht nach schon recht gut dargestellt worden sind.
Zunächst einmal besteht die Absicht darin, das Spektrum der Sanktionen zu verbreitern. Dies bringt einfach mehr Flexibilität bei der Strafzumessung. Mir ist überhaupt nicht klar, was daran schlecht sein soll, weil wir doch eigentlich in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen mehr Flexibilität wollen. Das relativ starre Strafrecht würde dadurch ein wenig geschmeidiger.
Beim Strafgesetzbuch - so viel steht fest - verstehen die Konservativen meistens keinen Spaß. Auch Kollege Nerlich hat das vorhin zum Ausdruck gebracht. Strafe muss Strafe bleiben, und seien die Ergebnisse auch noch so sinnlos. Scheinbar können noch so viele Studien zur Wirkung von Haft sie nicht davon überzeugen, dass es intelligentere Sanktionen gibt. Vor die Wahl gestellt, ob es mehr Sinn macht, einen Straftäter einen Spielplatz in einer Kommune in Stand setzen zu lassen, statt ihn unproduktiv in Haft zu stecken, entscheidet sich ein aufgeklärter Mensch für Ersteres. Ich frage mich, ehrlich gesagt, auch, was abschreckender wirkt: arbeiten in der Kommune, arbeiten in einem Sozialprojekt oder aber in der JVA auf der Pritsche liegen und bekocht werden? - Die Frage muss man sich wirklich einmal stellen.
(Heinz Rolfes [CDU]: Das ist doch nicht die Alternative! - Zuruf von der CDU: So spricht ein Aufgeklärter!)
Im Übrigen bleibt es dabei: Ein notorischer Kleinkrimineller, der nach der Reform des Sanktionsrechts nicht vernünftig arbeitet, wird auch in Zukunft in Haft gelangen.
Mit der Reform des Sanktionsrechts wird ein weiteres wichtiges Anliegen verfolgt, nämlich die Reduzierung der relativ hohen Zahl der Ersatzfreiheitsstrafen in unseren Gefängnissen. In der Bundesrepublik gibt es eine sehr fragwürdige Entwicklung: In toto steigt die Kriminalität nicht, aber die Zahl der Gefangenen steigt und steigt.
Jetzt wird ein moderater Vorschlag dafür gemacht, wie man das Problem ein wenig in den Griff bekommen kann. Die Reform des Sanktionsrechts wird von vielen Kriminologen, Juristen und Experten begrüßt. Sie aber betreiben dagegen billige Polemik.
In Ihrem Antrag heißt es sogar, die Reform des Sanktionsrechts würde zu einer totalen Verwerfung unseres Strafrechts führen. Meine Damen und Herren, das ist völlig überzogen, ja es ist grotesk. In der ersten Lesung hat sich einer der Redner hier dazu verstiegen, von einer Demontage des Rechtsstaates zu reden.
Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen gerne sagen, was zu einer totalen Verwerfung und Demontage unseres Rechtsstaates führt: die von der CDU im Zuwanderungsgesetz geforderte Ausweisung auf Verdacht ohne klare tatsachengestützte Gefahrenprognose. Das ist eine Umkehr der grundgesetzlich verbürgten Unschuldsvermutung.
Dass Professoren der Bundeswehr und Polizeipräsidenten über die Zulässigkeit von Folter räsonieren, ist eine Demontage des Rechtsstaates. Die Trennung in ein normales und ein Feinstrafrecht und damit die Aufkündigung der Gleichheit vor dem Gesetz wäre eine totale Verwerfung des Rechtssystems. Auch die Umsetzung der populistischen Forderung von Innenminister Schily - tête à tête mit Beckstein - nach einer vorbeugenden Sicherungshaft wäre ein klarer Verstoß gegen die Verfassungsprinzipien.
Das alles sind Debatten in unserem Land, die einem wirklich Sorgen machen müssen und über die wir hier gerne kontrovers und kritisch diskutieren können. Aber bitte bauen Sie keinen Popanz wegen solch einer kleinen und in der Sache auch noch vernünftigen Reform des Sanktionsrechts auf.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gestehe der Abgeordneten Heike Bockmann und den Damen und Herren von der SPD - natürlich auch den Vertretern der Grünen sehr wohl zu, dass einige Vorschläge in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung durchaus positive Ansätze aufweisen, auch wenn sie unseres Erachtens nicht immer weit genug gehen. Ich habe bereits bei der ersten Beratung des Entschließungsantrages darauf hingewiesen, dass die Niedersächsische Landesregierung das Anliegen der Bundesregierung teilt, nach Möglichkeit Ersatzfreiheitsstrafen durch gemeinnützige Arbeit zu vermeiden.
Im Interesse der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes sind wir jedoch strikt gegen ein Strafrecht, das bereits mittlerer Kriminalität zuzurechnende Straftaten wie Kavaliersdelinquenz behandelt und hartnäckige Wiederholungstäter gebotener Strafe entzieht.
Dadurch wird die generalpräventive Wirkung des Strafrechts unterlaufen. Der Rechtsstaat und vor allem die Opfer von Straftaten werden verhöhnt.
Mit ihrem Vorhaben, Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten generell durch gemeinnützige Arbeit zu ersetzen, konterkariert die Bundesregierung ein ausgewogenes Sanktionssystem. Kurze Freiheitsstrafen von unter sechs Monaten dürfen doch von vornherein nur dann verhängt werden, wenn die
Strafe ausnahmsweise zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich ist. Es geht also nur um besonders hartnäckige Wiederholungstäter, um Menschen, die sich bisher durch Geldstrafe oder vielfach auch durch Bewährungsstrafen nicht davon haben abhalten lassen, auch weiterhin massiv Straftaten zu begehen.
Diese Klientel soll nun durch gemeinnützige Arbeit beeindruckt werden. Man muss sich schon sehr weit von den gesellschaftlichen Realitäten entfernt haben, um zu glauben, dass unsere hartnäckigsten Straftäter tatsächlich fleißig anfangen zu arbeiten. Erreicht wird nur eines: Die Arbeit der Strafvollstreckungsorgane wird massiv erschwert. Nicht nur dem Arbeitswilligen, dem in Niedersachsen bereits seit 1991 gemeinnützige Arbeit zur Haftvermeidung angeboten wird, sondern auch dem Arbeitswilligkeit nur Vortäuschenden muss dann eine der raren Stellen beschafft werden, die er nie antreten wird.
Die Bundesregierung will auch eine effektive Geldstrafenvollstreckung verhindern. Ein nicht geringer Anteil zu Geldstrafe Verurteilter ist überhaupt nicht zahlungsunfähig, sondern nur zahlungsunwillig. Auch ihnen soll aber zwingend gemeinnützige Arbeit angeboten werden müssen, bevor eine Ersatzfreiheitsstrafe droht. Dank der Bundesregierung werden sie dem Rechtsstaat deshalb künftig noch länger allein durch Passivität trotzen können.
Dem Täterschutz will die Bundesregierung aber auch noch eine untaugliche Form der Opferhilfe zur Seite stellen. Ihre vermeintlichen Wohltaten lässt sie sich wieder einmal von den Ländern finanzieren. Durch den geplanten Opferzwanzigsten werden allein dem niedersächsischen Haushalt mindestens 2 Millionen Euro jährlich entzogen.
Auch die Geldstrafenvollstreckung wird komplizierter, weil laufend sichergestellt werden muss, dass auch wirklich 5 % jeder Geldstrafe in die Opferhilfe gehen. Darauf hat in Niedersachsen wirklich niemand gewartet.
Mit unserer Stiftung Opferhilfe haben wir vielmehr längst gezeigt, wie Opfern effektiv und unbürokratisch geholfen werden kann.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich deshalb noch einmal festhalten: Die Landesregierung lehnt den realitätsfernen Entwurf der Bundesregierung entschieden ab, der gebotene staatliche Reaktionen auf kriminelles Verhalten verhindert und der nichts als nutzlosen und zusätzlichen Verwaltungsaufwand mit sich bringt.
Wir sind uns dabei - das darf ich an dieser Stelle ruhig einmal sagen - der großen Unterstützung durch die Mehrheit aller Bundesländer, auch der sozialdemokratisch geführten, sicher. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Beratung und kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Das Erste war die Mehrheit.
Tagesordnungspunkt 12: Zweite Beratung: Justizmodernisierung statt Ausverkauf von Kernbereichen der Justiz - Die Handelsregister bei den Gerichten erhalten! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/801 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechtsund Verfassungsfragen Drs. 15/1040
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit mehr als einem Jahrzehnt wird diskutiert, die Aufgaben der Registergerichte auf die IHK zu übertragen, obgleich Untersuchungen immer wieder ergeben haben, dass diese Aufgaben bei den Gerichten richtig angesiedelt sind. In der Politik gab es trotzdem immer wieder einzelne Befürworter einer Übertragung. Zurzeit findet eine Be
fürwortung auch durch die amtierende Justizministerin statt. Überzeugende fachliche Begründungen für eine Verlagerung habe ich bisher von niemandem gehört, auch von Ihnen nicht, Frau Heister-Neumann. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass niemand von den Befürwortern sagt, von den Gerichten werde diese Aufgabe nicht sachgerecht wahrgenommen, und niemand begründet belegt, diese Aufgaben könnten von der IHK besser, also fachgerechter wahrgenommen werden.
Die Länder, die eine Übertragung der Registerführung über eine Öffnungsklausel wollen, argumentieren letztlich nur noch mit ihren knappen Kassen. Das sind Haushaltsgründe und keine Sachgründe. Ich nenne noch einmal die Sachgründe, die für ein Verbleiben der Register bei den Gerichten sprechen. Da ist zunächst: Die Register sind ein neutrales Kontrollinstrument mit hoheitlichem Charakter. Es können Zwangsgelder festgesetzt werden. Das heißt, die Register sind keine bloßen Informationsdatenbanken. Die erforderliche Neutralität wird durch die Gerichte gewährleistet. Bei der IHK habe ich insoweit durchaus Bedenken. Sie ist eine gesetzliche Interessenvertretung. Nicht alle Firmen sind Mitglieder der IHK. Frau Ministerin, es hätte mich interessiert, wenn Sie einmal auf den Gedanken gekommen wären, vielleicht bei den Mitgliedern der IHK anzufragen, wie sie zu Ihrer Auffassung stehen.