Protokoll der Sitzung vom 20.05.2005

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Die Abgeordnete Frau Graschtat hatte beantragt - wie ich gehört habe, besteht darüber zwischen allen Fraktionen Einigkeit -, den Antrag zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wissenschaft und Kultur - also nicht an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen - und zur Mitberatung an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe jetzt auf

Tagesordnungspunkt 43: Erste Beratung: Schulinspektion rechtlich verankern - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/1911

Zur Einbringung erteile ich der Abgeordneten Frau Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Schulinspektion hat eine grundsätzliche Bedeutung für die Weiterentwicklung des Schulwesens in Niedersachsen. Sie soll zu einem entscheidenden Instrument der Qualifizierung unseres Schulwesens ausgebaut werden. Das ist richtig und gut so. Aber, Herr Minister Busemann, wenn es um eine Institution von so weit reichender und grundsätzlicher Bedeutung für das niedersächsische Schulwesen geht, reicht es nicht, sie lediglich per Kabinettsbeschluss einzuführen.

Anfang Mai hat die neue Schulinspektion ihre Arbeit aufgenommen. Bis heute ist uns aber noch nicht einmal dieser Kabinettsbeschluss, also die Arbeitsgrundlage der neuen Inspektion, vorgelegt worden. Mit Ihrem kleinen Koalitionspartner, der FDP, können Sie vielleicht so umgehen, Herr Minister. Mit dem Parlament aber sollten Sie nicht so umgehen. Nein, ein so wichtiges Organ wie die In

spektion sollte im Niedersächsischen Schulgesetz verankert werden.

Mit der Schulinspektion wird das Gefüge der Schulaufsicht und der Schulbehörden wesentlich verändert. Für die Aufgaben und Kompetenzen dieser neuen Institution und ihre Einordnung in das Organisationsgefüge der Einrichtungen und Behörden im Geschäftsbereich des Kultusministeriums - so heißt das - braucht es eine gesetzliche Regelung.

So machen es übrigens auch die Niederlande, von denen das Modell der Schulinspektion ja weitgehend kopiert worden ist. Dort ist seit dem 1. Januar 2003 die Schulinspektion in einem Inspektoratsgesetz geregelt, welches die Aufgaben und die Einordnung der Inspektion genau beschreibt. Wichtigste Aufgabe ist dort die Überprüfung der Schulen, um sie zur Qualitätsentwicklung zu stimulieren.

(Reinhold Coenen [CDU]: Das wissen wir doch alles schon!)

Beratungsaufgaben werden von der Inspektion explizit nicht wahrgenommen, damit die Inspektorinnen und Inspektoren nicht gezwungen sind, die von ihnen selbst vorgeschlagenen Maßnahmen zu evaluieren, und damit befangen wären.

Neben der Evaluation der Einzelschulen hat die Inspektion in den Niederlanden auch die Aufgabe eines Bildungsmonitorings. Es werden jeweils bestimmte Bereiche des Schulwesens evaluiert - z. B. der Fremdsprachenunterricht in der Sekundarstufe - und die Befunde in einem jährlichen Bildungsbericht des Inspektorats veröffentlicht.

Die Inspektion in Holland ist eine weitgehend unabhängige Institution und nicht eine nachgeordnete Behörde. Der Minister für Bildung und Kultur hat zwar die politische Verantwortung für die Tätigkeit der Inspektion. Sie wird auch aus seinem Etat finanziert. Er ist aber nicht in deutschem Sinne Dienstherr der Inspektoren und Inspektorinnen.

Im niederländischen Inspektorat arbeiten momentan ungefähr 250 Inspektorinnen und Inspektoren sowie etwa 200 weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Etat der Inspektion beträgt dort 21 Millionen Euro, und sie ist budgetiert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, ich erzähle das so genau, weil man daran erkennen kann, welche Fragen bei uns noch ungeklärt sind. Offensichtlich hat der Kultusminis

ter auch noch keine Antworten auf diese Fragen. Ich bin gespannt, was er dazu sagen wird.

Was ist bei uns mit den Aufgaben der Inspektion? Wo sind sie von wem beschrieben, und wo sind sie festgelegt? Wie werden die Kompetenzen geregelt? Was ist mit einer schulgesetzlichen Absicherung? Werden eigentlich alle Schulen inspiziert? Ist die Schulinspektion verpflichtend oder freiwillig?

Was ist mit den Schulen in freier Trägerschaft? Auf welcher Rechtsgrundlage wird dort die Inspektion durchgeführt? Das kann man nämlich nicht ohne Schulgesetz. Oder sollen diese Schulen von der Schulinspektion ausgenommen werden? Haben diese Schulen dann, wenn sie an der Inspektion auf freiwilliger Basis teilnehmen, einen Rechtsanspruch auf die gleiche Beratung und Unterstützung wie staatliche Schulen?

Was passiert mit den Ergebnissen der Inspektion? Wer bekommt sie, und wann bekommt er sie? Sie alle wissen um die erregte und angeregte Diskussion um das Ranking und das öffentliche Ranking. Wer wird die Schulen beraten, die Bedarf haben? Wer wird sie wie unterstützen?

Kontrolle allein wird nicht genügen, Herr Minister. Die Schulen brauchen vor allem Beratung und Unterstützung. Haben Sie dafür endlich ein Konzept? Wird die Inspektion unabhängig? Gibt es eine Bildungsberichterstattung oder eine Rechenschaftspflicht gegenüber dem Parlament? Oder wird der Kultusminister mit den Informationen, die er von der Inspektion erhält, nach eigenem Gutdünken schalten und walten können? Wie viel Personal wird die Inspektion endgültig haben? Was wird das eigentlich kosten?

Es ist noch eine Menge Fragen ungeklärt. Dessen ungeachtet haben Sie, Herr Busemann, aber schon am 1. Mai den Startschuss für die Schulinspektion in Niedersachsen gegeben. Herr Minister, Sie wollten mit Ihrem unglaublichen Ehrgeiz wieder einmal alles ganz schnell haben, damit Sie stolz verkünden können, mit dem Schul-TÜV, wie Sie es nennen, der Erste zu sein. Ich muss Ihnen aber auch jetzt leider wieder einmal sagen: Schnell sein allein reicht nicht. Qualität lässt sich nicht anordnen. Sie muss auch von unten wachsen und erarbeitet sein. Das kann auch mal Zeit kosten. Das müssten Sie aus dem Projekt „Eigenverantwortliche Schule“ eigentlich wissen. Genau die Eigenverantwortlichen Schulen, Herr Busemann, sind die Basis der Schulinspektion, sozusagen die

zweite Seite der Medaille, wie die Sache im Hause des Kultusministers immer beschrieben wird. Ohne Eigenverantwortliche Schule ist die Schulinspektion nur die halbe Miete.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber gerade auf dieser Baustelle, Herr Minister, haben Sie sich festgefahren. Ein bisschen enttäuschen muss ich auch Sie, Herr Busemann: Sie sind nicht der Erste mit einem Schul-TÜV in Deutschland. In Schleswig-Holstein gibt es ihn schon seit 2003/2004, er heißt dort EVIT - Evaluation im Team - und untersucht jährlich 160 Schulen mit über 40 Expertenteams.

Aber, Herr Minister, der Erste sein, ist auch nicht alles, wenn man wenigstens in der Sache richtig liegt und wenn man seine Ideen und Vorstellung breit getragen weiß. Und genau das, Herr Minister, ist die Frage. Weshalb lassen Sie dieses so wichtige Projekt nicht vom gesamten Parlament beschließen und damit verantworten?

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das fehlte noch! Was haben Sie für ein Ver- ständnis?)

Herr Minister, ich bin sicher: Alle Fraktionen im Haus würden die Einrichtung einer Schulinspektion begrüßen und unterstützen und gern an der Konkretisierung mitarbeiten. Wir bieten unsere Mitarbeit an. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Korter. - Für die Fraktion der CDU hat sich der Herr Kollege Dr. von Danwitz zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Die Schulinspektion hat eine grundsätzliche Bedeutung für die Weiterentwicklung des Schulwesens in Niedersachsen.“ - Dieser Satz im Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist richtig. Aber ansonsten ist der Antrag „Schulinspektion rechtlich verankern“ völlig überflüssig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dies möchte ich begründen. Seit dem 1. Juli 2004 erarbeitet eine Arbeitsgruppe „Schulinspektion“ die Aufgaben und die Rahmenbedingungen der

Schulinspektion. Des Weiteren werden die Instrumente der Schulinspektion beschrieben und Vorschläge zur Organisation und zum Personal- und Ressourcenbedarf gemacht. Wichtig sind zum Schluss auch die Vorschläge bezüglich der Beratung, der Unterstützung bei der Umsetzung von Qualitätsentwicklungsmaßnahmen als Folge einer Schulinspektion und auch Vorschläge zur schrittweisen flächendeckenden Einführung des Schulinspektionssystems in Niedersachsen.

Meine Damen und Herren, der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe „Schulinspektion“ liegt nun vor, und vieles von dem, was inhaltlich in dem Antrag gefordert wird, soll auch umgesetzt werden. Doch was wir nun wirklich überhaupt nicht brauchen, ist eine zusätzliche gesetzliche Grundlage im Niedersächsischen Schulgesetz.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir als Regierungsfraktion stehen für Deregulierung und nicht für immer neue gesetzliche Regelungen.

(Beifall bei der CDU)

Für uns ist es selbstverständlich, dass man Ziele formuliert und deren Umsetzung auch kontrolliert. Wir machen Schule ja nicht um der Schule und der Lehrkräfte wegen, sondern um unsere Kinder auf die Anforderungen des Berufslebens vorzubereiten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung von Wolfgang Jüttner [SPD])

Für uns gibt es klare Ziele, dann folgt die Kontrolle der Umsetzung in den Schulen, und dann die Beratung und Unterstützung bei der Verbesserung und Weiterentwicklung des Schulsystems.

Um dann, wie im Antrag gefordert, die Qualität des niedersächsischen Schulsystems insgesamt beschreiben zu können, muss man natürlich erst einmal die Qualität jeder einzelnen Schule ermitteln. Dies soll im Abstand von vier Jahren regelmäßig an den Schulen stattfinden. Eine kontinuierliche Qualitätsbeurteilung an den Schulen, eine Analyse der Stärken und Schwächen und darauf ausgerichtete Verbesserungen werden dann zur Qualitätsverbesserung des gesamten niedersächsischen Schulsystems führen.

Meine Damen und Herren, in dem Antrag wird dann weiterhin eine besondere Rechenschafts

pflicht der Landesregierung gegenüber dem Landtag über die Entwicklung der Qualität des Schulwesens gefordert. Hier kann ich nur sagen: Seien Sie froh und glücklich, dass wir seit zwei Jahren die Regierung stellen. Jetzt wird es die gewünschten Informationen endlich geben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zentrale landesweite Vergleichstests, Überprüfungs- und Abschlussarbeiten - auch von uns auf den Weg gebracht - können endlich aufzeigen, auf welchem Leistungsniveau einzelne Schülerinnen und Schüler, einzelne Schulen und zum Schluss auch das gesamte niedersächsische Schulsystem stehen. Regelmäßig wird in Zukunft von der Schulinspektion über die Qualität der Schulen berichtet. Diese Berichte werden dann durch Vorschläge zur Mängelbeseitigung ergänzt. Mit konkreten Unterstützungsleistungen kann es dann gelingen, die niedersächsischen Schulen qualitativ voranzubringen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Schulinspektion erfüllt wichtige Aufgaben bei der Qualitätsverbesserung. Sie sollte, so fordert es der Antrag der Grünen, als unabhängige Qualitätsagentur eingerichtet werden. Doch die Schulinspektion ist, bezogen auf Funktion und Aufgaben, Teil der staatlichen Verantwortung für das Schulwesen im Sinne von Artikel 7 Grundgesetz. Sie kann daher nicht unabhängig sein, doch ist sie schon organisatorisch und personell losgelöst von der Schulaufsicht im engeren Sinne eingerichtet worden. Seit Mai dieses Jahres arbeitet sie. Sie hat ihren Sitz in Bad Iburg. Sie kann zwar nicht unabhängig sein, aber sie kann schon organisatorisch-personell losgelöst arbeiten. Diese eigenständige Organisation der niedersächsischen Schulinspektion wird die Akzeptanz und das Vertrauen der Schulen im Hinblick auf eine externe Qualitätsevaluation stärken.

Meine Damen und Herren, die Schulinspektion ist auf dem richtigen Wege. Die ersten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ausgesucht, ausgebildet und haben die ersten Schulen besucht. Ab Herbst 2005 wird es landesweit mit den Schulinspektionen losgehen. Der erste Durchgang ist dann im Jahre 2009 abgeschlossen. Ein erster Bericht kann wohl schon Ende 2006 vorgelegt werden.

Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen fordert in vielen Bereichen das, was sowieso geplant ist. Aber eine weitere rechtliche Grundlage für die Ein