- Ja, so ist das. Ich kann nachvollziehen, dass Sie sich darüber aufregen. Mir geht es ähnlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt zum eigentlichen Thema. Wer dieser Tage aufmerksam durch die Straßen geht und die Wahlplakate der Parteien betrachtet, dürfte insbesondere von Plakaten der FDP angetan sein,
insbesondere wenn er Spitzenverdiener ist, Herr Bode. Unter anderem gibt es ein Plakat mit Guido Westerwelle, auf dem steht „Weniger Steuern, mehr Arbeit“.
Die FDP hat offensichtlich das Motto etwas modifiziert, damit es auch jeder verstehen kann. Denn was war noch einmal der Unterschied zwischen netto und brutto?
Die FDP will die Steuerfreiheit auf Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit sofort abschaffen. Bei der CDU will man sich immerhin etwas mehr Zeit nehmen. Innerhalb von sechs Jahren soll die Steuerfreiheit gänzlich abgeschafft sein. Meine Damen und Herren, für die Betroffenen bedeutet es nicht „mehr netto“, sondern massive Einkommensverluste.
Hier einmal ein paar Beispiele für die Belastung von Betroffenen beim Wegfall der Steuerbefreiung von Schichtzuschlägen: Ein Chemiearbeiter mit angenommenem Monats-Bruttoeinkommen von 3 488 Euro in der Steuerklasse III würde, wenn Ihre Pläne Wirklichkeit werden, einen monatlichen Verlust von 327 Euro haben. Eine Krankenschwester mit einem Bruttoeinkommen von 2 286 Euro in der Steuerklasse IV hätte einen monatlichen Einkommensverlust von 103 Euro. Ein Stahlarbeiter bei einem angenommenem Einkommen von 2 675 Euro in der Steuerklasse I würde gar einen Verlust von 248 Euro hinnehmen müssen. Das heißt, Ihre Politik ist eine schallende Ohrfeige für 8 Millionen Leistungsträger in dieser Republik.
Täglich beweisen Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ihre Bereitschaft zur Flexibilität. Sie arbeiten an Wochenenden, an Feiertagen und in der Nacht.
(Zuruf von der CDU: Ungenügend! - Hinsetzen! - Unerhört! - Also, jetzt reicht’s aber! - Weitere erregte Zurufe von der CDU)
Sie haben gleich Gelegenheit, sich zu dem Thema zu äußern. Ich weiß gar nicht, warum Sie so rumschreien.
Ich habe mich nicht zu einer Zwischenfrage gemeldet. Ich habe eben in der ersten Reihe gesessen und konnte den Redner nicht verstehen. Der Lärm von der rechten Seite des Hauses war so groß, dass keine vernünftige Debatte möglich ist. Ich möchte, dass dafür gesorgt wird, dass hier wenigstens Beratungslautstärke herrscht, die die Teilnehmer auch in den Stand versetzt, dem Redner zu folgen.
Ich bitte jetzt um etwas mehr Ruhe. Das gilt auch für die Regierungsbank, auch für die CDU, auch für Herrn Koch.
Herr Lenz, wenn Sie davon ausgehen, dass Ihnen Unrecht geschieht, steht es Ihnen noch lange nicht an, dass Sie Unrecht an andere verteilen. Ich hatte zum Schluss Ihrer Rede gesagt, dass die Unterstellung, dass die Landesregierung oder der Ministerpräsident eine Lustreise gemacht hat - -
Herr Lenz, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf. Es steht Ihnen nicht zu, die Sitzungsleitung des Präsidiums in irgendeiner Form zu kritisieren.
Sie können jetzt in Ihrer Rede fortfahren, und ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, hier ruhig zu sein.
Täglich beweisen Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Bereitschaft zur Flexibilität. Sie arbeiten an Wochenenden, Feiertagen und in der Nacht. Produktionsabläufe in der Stahl-, Chemie-, Glas- und Papierindustrie und in weiteren Industrien benötigen Arbeit rund um die Uhr an 365 Tagen, Tendenz steigend, ebenso Krankenhäuser, öffentlicher Nah- und Fernverkehr, Stadtwerke und Wasserwerke sowie Energiewirtschaft und Tourismus. Diese hohe Einsatzbereitschaft der Beschäftigten ist positiv für die Wirtschaftsleistungen des Standortes Deutschland und seine großen Exporterfolge.
Sie führt für die betroffenen Beschäftigten aber auch zu erheblichen gesundheitlichen Belastungen. Jeder, der jahrelang oder jahrzehntelang Schicht- oder Nachtarbeit geleistet hat, kann davon ein Lied singen. Die Familie leidet unter Schichtarbeit, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wird durch die Arbeit an Sonn- und Feiertagen massiv eingeschränkt.
Deswegen steht die SPD für die Beibehaltung der Steuerfreiheit. Menschen, die bereit sind, diese Belastungen auf sich zu nehmen, müssen entlastet und nicht belastet werden, meine Damen und Herren.
Ihre Argumente, es sei nicht Aufgabe der Steuerpolitik, sondern der Tarifvertragsparteien, die Nachteile von Schichtarbeit finanziell aufzuwiegen, ist für die Betroffenen der blanke Hohn. Glauben Sie, dass die Gewerkschaften in der Lage sind, in den nächsten Jahren Lohnsteigerungen von 17, 18 oder 20 % durchzusetzen?
Ihre Absicht, durch betriebliche Bündnisse die Tarifautonomie und die Flächentarifverträge zu zerstören, würde doch eher das Gegenteil bewirken. Auch das ist ja erklärte Politik von Ihnen.
Auch die Arbeitgeber sollten beizeiten begreifen, dass diese Politik die Arbeitskosten in Deutschland erhöht und nicht senkt, wie sie immer vorgeben. Denn wären Zuschläge morgen nicht mehr steuerfrei, dann wären sie auch sozialversicherungspflichtig, und das würde auch den Arbeitgeberanteil entsprechend erhöhen.
Also, meine Damen und Herren, Finger weg von der Steuerfreiheit! Steuerfreiheit erhalten! Stimmen Sie gegen die Beschlussempfehlung des Ausschusses! - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.